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1 Bin ich der Richtige? Das Berufsbild und seine Anforderungen

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Eine beliebte Frage im Bewerbungsgespräch: „Wie würden Sie die Position eines römischen Kaisers definieren?“ – Der Bewerber ist geschockt, fängt an zu stammeln ... er erkennt plötzlich, dass er über diesen so wichtigen Punkt noch nie richtig nachgedacht hat. Auch die vielen zur Vorbereitung auf das Gespräch gelesenen Bücher, das wird dem Bewerber jetzt im Rückblick klar, haben diese Frage eigentlich nie recht beantwortet. Was tun?

Lassen Sie sich von den Personalern nicht aufs Glatteis führen, und reagieren Sie souverän und gelassen, falls Sie tatsächlich mit dieser Frage konfrontiert werden: Niemand kann exakt definieren, was ein römischer Kaiser ist! Man kann sich aber durchaus einer Antwort annähern, indem man sich verschiedene Aspekte und Anforderungen des Kaisertums vor Augen führt. Das wollen wir in diesem Kapitel ausführlich tun (die Frage, wie man tatsächlich Kaiser wird, wird im folgenden Kapitel 2 behandelt). Dabei wird hoffentlich auch klar, dass Augustus, der erste Kaiser, diese Frage bewusst in der Schwebe gehalten hat – darin liegt eines der Geheimnisse seiner langen und erfolgreichen Amtszeit. Sich an seinem Regierungsstil ein Vorbild zu nehmen ist übrigens sicher nicht verkehrt, wenn Sie tatsächlich einer seiner Nachfolger werden sollten.

Beginnen wir mit der Frage, was ein Kaiser nicht ist. Dieser Umweg, wie Sie gleich sehen werden, ist durchaus hilfreich, um in das Thema einzusteigen.

Erstens: Ein Kaiser ist kein Consul auf Lebenszeit. Das alte Oberamt der Republik ist zwar ein Posten ganz an der Spitze des Staates. Augustus war auch wirklich zeitweise Consul, zum Teil sogar etliche Jahre ununterbrochen (was nach der republikanischen Verfassung gar nicht zulässig war), aber er hat klugerweise darauf verzichtet, dieses Amt für sich zu monopolisieren. Die Consuln – und andere Magistrate der Republik – existieren daher weiter, parallel zur kaiserlichen Herrschaft, und die begehrte Ehre eines Consulats steht weiterhin den Spitzen der Senatorenschaft offen, auch wenn heute keine konkrete Macht mehr damit verbunden ist. (Auch als Kaiser können Sie hin und wieder den Consulat bekleiden, aber eben nicht permanent – und da Consuln immer paarweise amtieren, haben Sie auch gleich noch eine praktische Möglichkeit, bewährte Mitarbeiter besonders auszuzeichnen, indem Sie ihnen eine gemeinsame Amtsperiode zusammen mit Ihnen selbst zuerkennen.)

Zweitens: Ein Kaiser ist kein Dictator. Dieses Amt war ursprünglich geschaffen worden, um in Krisenzeiten eine straffe Führung aller staatlichen Angelegenheiten zu ermöglichen. Es wies eine enorme und praktisch unbeschränkte Machtfülle auf, beispielsweise konnte ein Dictator ohne Gerichtsverfahren Personen hinrichten lassen, ohne dass man ihn später für seine Handlungen zur Rechenschaft ziehen konnte. Einzige wesentliche Einschränkung war in der republikanischen Verfassung eine strikte Begrenzung der Amtszeit auf sechs Monate. Iulius Caesar erkannte, welches Potenzial dieses Amt für einen angehenden Alleinherrscher bot – leider erkannten das auch seine Gegner: Am 14. Februar 44 v. Chr. ließ er sich zum Dictator auf Lebenszeit ernennen, am 15. März wurde er von erbosten Senatoren ermordet. In den Wirren nach Caesars Ermordung wurde das Amt abgeschafft, und es spricht für die Klugheit des Augustus, dass er nicht einmal ansatzweise versuchte, den Posten für seine Zwecke wieder einzuführen.

Drittens: Ein Kaiser ist kein König. Zu der Rufmordkampagne, die seine Gegner inszeniert hatten, gehörte auch die Behauptung, Caesar wollte sich zum König machen. Seit der Vertreibung des letzten Königs um 500 v. Chr. war der Königstitel in Rom ausgesprochen verhasst, er stand im öffentlichen Bewusstsein für Willkürherrschaft und Tyrannei. Erfahrungen aus jüngerer Zeit, die man mit den Königen des griechischen und iranischen Ostens gemacht hatte, hatten auch nicht dazu beigetragen, den Stern des Königtums wieder heller erstrahlen zu lassen: Zum Hauptthema Tyrannei waren jetzt in der öffentlichen Meinung Roms auch die Aspekte Dekadenz, Korruption und Wahnsinn hinzugekommen. Kein Wunder, dass Augustus mit peinlichster Sorgfalt jeden Anschein vermied, er wolle als König herrschen! Ob der gescheiterte Caesar, sein Großonkel und Adoptivvater (s. Stammbaum I), dies tatsächlich noch geplant hatte, wird sich nie mit letzter Sicherheit klären lassen – im Licht des hier Gesagten dürfte es aber unwahrscheinlich sein.

Was ist also ein Kaiser? Die Herrschaft des Augustus basierte letztlich auf folgender Konstruktion: Die Republik befand sich in einer außerordentlich schweren Krise (und das tat sie nach rund hundert Jahren wiederholter Bürgerkriege tatsächlich), sodass nur eine Ausnahmepersönlichkeit wie Caesars Erbe in der Lage war, sie zu retten. Gleich im ersten Satz seines Tatenberichts fasst Augustus bündig zusammen, wodurch sein Aufstieg an die Spitze des Staates begründet wurde: „Im Alter von neunzehn Jahren habe ich als Privatmann aus eigenem Entschluss und aus eigenen Mitteln ein Heer aufgestellt, mit dessen Hilfe ich den durch die Willkürherrschaft einer bestimmten Gruppe versklavten Staat befreite.“ (Augustus, Res Gestae 1; Übers. E. Weber).

Augustus rettete den Staat nicht kraft eines der herkömmlichen Ämter – die bestehen ja unabhängig vom Kaiser bis heute, und insofern ist es auch unrichtig zu sagen, er habe die Republik „abgeschafft“ –, sondern dank seiner überragenden persönlichen Fähigkeiten und seiner Stellung innerhalb der Bürgerschaft. Der lateinische Begriff auctoritas bringt diese persönlichen Qualitäten auf den Punkt, die Griechen verwenden analog den Begriff charisma.

Deshalb ist es auch nicht nur eine Frage der Kosmetik, wenn wir Ihnen in diesem Ratgeber immer wieder einschärfen werden, dass ein Kaiser kein König ist: Einerseits werden Sie sehr viel mächtiger sein, weil Sie als Kaiser über ein Reich gebieten, das die Königreiche in der Nachbarschaft in den Schatten stellt. Andererseits ist nur ein König wirklich Herr im Haus – er ist tatsächlich Eigentümer seines Reiches, etwa so, wie einem Eigentümer-Unternehmer seine Firma gehört. Als Kaiser hingegen fungieren Sie als eine Art Angestellter der Republik, die Sie nur treuhänderisch leiten – auch der Spitzenmanager einer großen Aktiengesellschaft, und sei er noch so mächtig, bleibt technisch gesehen ein Angestellter der Firma, selbst wenn er sich wie der Eigentümer aufführt. Dies hat übrigens unmittelbare Konsequenzen für Ihre persönlichen Perspektiven: Ein König kann, wie jeder Unternehmer, eine Pechsträhne haben, ohne deswegen sofort seinen königlichen Status oder sein Reich zu verlieren. Sie als Kaiser müssen jedoch mit einer Kündigung rechnen (in der Regel verbunden mit dem gewaltsamen Exitus des Amtsinhabers), wenn die Geschäfte des Imperiums unter Ihre Ägide schlecht laufen.

Die Herrschaft des Augustus ließ sich nicht durch eine exakt definierte Funktionsstelle im Staatsapparat festlegen, sondern nur umschreiben durch ein ganzes Bündel von Ehrentiteln und Beinamen einerseits und Amtsgewalten andererseits. Die ehrenden Titel und Namen erhöhen dabei den Träger, betonen also seine auctoritas, ohne konkrete Befugnisse zu beinhalten. Die Amtsgewalten andererseits beschreiben Befugnisse, ohne dass der Kaiser auch den entsprechenden Posten tatsächlich dauerhaft innehat und so monopolisiert. (Der wichtigste Posten, den Sie als Kaiser tatsächlich permanent bekleiden werden – und zwar im vollen Umfang, nicht nur als abgeleitete Amtsgewalt –, ist der des obersten Priesters, also des pontifex maximus.) Die Elemente im Einzelnen:

Ehrentitel und Namen

Imperator: Ursprünglich wurde ein siegreicher Feldherr von seiner Armee noch auf dem Schlachtfeld zum Imperator ausgerufen, diese Akklamation war auch die rechtlich notwendige Voraussetzung für die Bewilligung eines Triumphzuges durch den Senat. Augustus hat den Imperatortitel quasi zu seinem Vornamen gemacht und damit die Sieghaftigkeit seiner Herrschaft betont.

Caesar: Diesen Beinamen (cognomen) hat Augustus schon mit der Adoption von Iulius Caesar übernommen. Obwohl die Iulii Caesares, wenn man ehrlich ist, ein recht unbedeutender Zweig der Iulier waren, hat der Ruhm ihres letzten Abkömmlings dazu geführt, dass das cognomen nach seinem Tod zum Inbegriff des Herrschers geworden ist. Und da Iulius Caesar zum Gott erklärt wurde (zu technischen Details der Prozedur siehe Kapitel 3), konnte Augustus sich auch Divi filius nennen, also Sohn eines Gottes.

Augustus: wörtlich „der Erhabene“, ein Ehrentitel, der in römischen Ohren auch deshalb gut klingt, weil er zum Beispiel Assoziationen zum Verb augere (vermehren, vergrößern) weckt, und zu auch auctoritas. Mittlerweile rangiert er im Prestige sogar noch vor „Caesar“.

Pater Patriae: Als „Vater des Vaterlandes“ wurde Augustus dafür geehrt, dass durch ihn gewissermaßen die Republik neu gegründet oder wiedergeboren wurde. Außerdem, ein praktischer Nebeneffekt, deutet der Titel an, dass das ganze Volk seiner Autorität unterstellt ist, so wie jede einzelne Familie ihrem Familienoberhaupt untersteht.

Princeps: Diese Anrede bedeutet zunächst einfach „der Erste“ und beinhaltet wiederum keinen konkreten Bezug zu Ämtern oder Befugnissen, kam in ihrer Unbestimmtheit also den Bedürfnissen des Augustus sehr gelegen. Zudem erzeugt die Anrede erwünschte Assoziationen zum princeps senatus noch aus der Zeit der Republik: Dieser Anführer des Senats war auch ein ehrenvoller Posten, der sich nicht durch eine besondere Macht auszeichnete, sondern in erster Linie den ranghöchsten und erfahrensten Senator heraushob.

Amtsgewalten

imperium consulare: Mit der Amtsgewalt eines Consuls hatte Augustus dessen weitreichende Befugnisse, ohne dass man ihm ankreiden konnte, das Amt in tyrannischer und verfassungswidriger Weise dauerhaft mit Beschlag zu belegen.

imperium proconsulare: Bereits in der Republik hatte es sich als nötig erwiesen, Provinzen durch sogenannte Promagistrate verwalten zu lassen, da die Anzahl der regulären Magistrate nicht ausreichte. Ein Proconsul hatte dabei die gleichen Befugnisse wie ein Consul – aber nur innerhalb seiner jeweiligen Provinz. Mit der permanenten Amtsgewalt eines Proconsuls wurde nun Augustus die Statthalterschaft über alle Provinzen angetragen, die als noch unbefriedet galten, sprich: über jene Provinzen, in denen substanzielle Truppenkontingente stationiert waren. Damit wurde Augustus de facto zum Oberbefehlshaber der römischen Armee – obwohl de jure ein solcher Posten gar nicht existierte. Es gehört aus Herrschersicht zum besonderen Charme des augusteischen Arrangements, dass ein machtpolitisch so zentraler Punkt wie der Oberbefehl gewissermaßen nur im Kleingedruckten der staatlichen Ordnung untergebracht ist.

tribunicia potestas: Die Amtsgewalt der Volkstribunen schließlich ist ein ausgesprochenes Multifunktionselement im Baukasten der augusteischen Ordnung. Erstens besaß Augustus damit das berühmte Vetorecht der Tribunen, das Amtshandlungen anderer Magistrate unterbinden kann. Zweitens hatte er das Recht zu Gesetzesinitiativen, und drittens, da er wie ein Volkstribun eine Beschützerrolle hatte, wurde noch einmal unterstrichen, dass er der Patron des ganzen Volkes war. Es gibt sogar die Auffassung, dass diese tribunizische Amtsgewalt geradezu der Inbegriff kaiserlicher Macht ist. Tacitus schreibt dazu: „Diese Bezeichnung für die höchste Stellung hat Augustus aufgebracht, um nicht den Titel König oder Diktator anzunehmen und sich dabei doch durch irgendeinen Titel über die übrigen Staatsämter zu erheben.“ (Tacitus, Annalen 3.56; Übers. W. Sontheimer).

Die Nachfolger des Augustus haben noch einige Jahrzehnte mit den verschiedenen Bestandteilen der Kaisertitulatur experimentiert, wie auch aus der Kaiserliste am Ende des Buches zu entnehmen ist. Im Laufe der ersten einhundert Jahre hat sich jedoch eine Konvention herausgebildet: Wenn Sie mit bürgerlichem Namen Max Mustermann heißen, dann würden Sie nach der Erhebung zum Kaiser Imperator Caesar Max Mustermann Augustus heißen. Erweiterungen aus jüngerer Zeit sind die Zusätze Pius (= der Fromme, der Pflichtbewusste), Felix (= der Glückliche, im Sinne von „einer, dem alles gelingt“) und Invictus (= wörtlich der Unbesiegte, im Sinne von „der Unbesiegbare“). Damit werden Sie als Kaiser – wenn alles rund läuft im Bewerbungsverfahren – voraussichtlich den Namen Imperator Caesar Max Mustermann Pius Felix Invictus Augustus tragen.

Auch in anderer Hinsicht ist eine Standardisierung erfolgt, die für Sie als angehenden Kaiser ausgesprochen praktisch sein wird: Während die ersten Nachfolger des Augustus sich noch um die diversen Titel und Amtsgewalten einzeln bemühen mussten, hat sich mittlerweile ein All-inclusive-Paket durchgesetzt: Vespasian war der erste Kaiser, dem in einem Gesetz (der lex de imperio Vespasiani), die Befugnisse seiner Vorgänger als kompletter Block übertragen wurden.

Doch so erfreulich die erfolgte Standardisierung in formaler Hinsicht ist, so deutlich muss man andererseits darauf hinweisen, dass in inhaltlicher Hinsicht ein Problem besteht, das bis heute nicht befriedigend gelöst ist: Wenn man sich auf die Argumentation einlässt, dass Augustus als eine Ausnahmepersönlichkeit in einer Ausnahmesituation der Republik zu Hilfe kam, dann fragt sich natürlich, auf welcher Grundlage die späteren Kaiser herrschen – die Ausnahmesituation kann ja schon aus logischen Gründen schlecht als Normalfall gelten.

Bereits Tiberius, der unmittelbare Nachfolger des Augustus, laborierte an diesem Problem, ohne eine wirklich überzeugende Lösung zu finden. Wir werden uns mit den praktischen Konsequenzen in Kapitel 2 näher befassen, wenn es um die Frage geht, wie ein Bewerbungsverfahren konkret abläuft. Im vorliegenden Kapitel wollen wir jedoch noch einen Blick auf die persönlichen Voraussetzungen werfen, die Sie mitbringen müssen, um den Job zu bekommen und erfolgreich zu meistern. Wie Ihnen hoffentlich klar geworden ist, hängt angesichts der staatsrechtlich eher schwammig definierten Kaiserrolle viel von Ihrer eigenen auctoritas und Ihren Soft Skills ab: Nur ein erfolgreicher Kommunikator (was zum Beispiel Tiberius überhaupt nicht war) kann auch ein erfolgreicher Kaiser sein!

Berufsziel: römischer Kaiser

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