Читать книгу Der Dämon in mir - Stephanie Kara - Страница 6
ОглавлениеErinnerungen
Der Mond schien hell und war immer wieder von einigen Wolken bedeckt. Ich schloss die Augen und atmete die kalte Luft tief in meine Lungen.
Plötzlich öffnete sich die Schlafzimmertür und ich drehte meinen Kopf Richtung Tür.
„Schatz? Kannst du wieder nicht schlafen?“, fragte eine besorgte Stimme. „Ich habe dich schreien gehört“.
„Nein, nein, es ist alles gut. Ich wollte nur kurz frische Luft holen, schlaf bitte weiter“. Meine Antwort schien sie nicht zu überzeugen.
„Du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst. Ich…“
Ich unterbrach sie:“ Lass mich einfach in Ruhe! Ich habe doch gesagt, es ist nichts!“
Betrübt schloss Leyla die Tür. Ich holte tief Luft.
„Verdammt!“, rief ich und schlug gegen die Mauer neben mir.
Warum ging mir diese Frau immer noch durch den Kopf?
Es ist Jahre her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich seufzte und schloss das Fenster. Diese Nacht verbrachte ich erneut grübelnd und gegen die Wand starrend. Ich sollte noch sehen, was auf mich zukommt.
Nachdem die Sonne aufgegangen war, schleppte ich mich hundemüde unter die Dusche, wobei ich fast über den Teppich fiel. Verdammt, Elli, reiß dich zusammen, schimpfte ich mich selbst innerlich. Erfrischt, aber noch immer schlaftrunken machte ich mir einen Kaffee und bemerkte, dass Leyla nicht hier war.
„Schatz?“, rief ich durch die Wohnung, eine Antwort erhielt ich nicht.
Ich blickte auf den Ring an meiner Hand und meine Verzweiflung stieg wieder an. Was mache ich hier nur?
Es ist nichts passiert und trotzdem leidet meine Beziehung darunter. Ein Problem, welches noch nicht einmal entstanden ist, ließ meine Fassade bröckeln. Nein, so kann es nicht weitergehen.
Ich zückte mein Handy und scrollte gedankenverloren durch meine alten FacebookNachrichten. Hier stand er: Ihr Name. Wie lange war es her, diesen Namen zuletzt gelesen zu haben. Ich starrte auf den Bildschirm und meine Gedanken drifteten ab. Ich dachte daran, als ich ihr meine Liebe gestand und wie sie reagierte. Diese Situation würde ich wohl nie vergessen:
„Ich habe mich in dich verliebt. Ich weiß, es ist nicht einfach, aber es ist, wie es ist“.
Meine Stimme wurde immer leiser, bis die letzten Worte kaum mehr hörbar waren.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und setzte erneut an:“ Du bist der Grund, warum meine Gefühle Achterbahn fahren und meine Welt sich komplett auf den Kopf gestellt hat. Du bist es, bei der sich mein Herz überschlägt und genau du bist es, die ich nicht vergessen kann!“
Ich sah zu ihr auf und hoffte auf eine Antwort. Doch ich konnte sie nicht lange ansehen, denn ihr Anblick ließ mich sofort wieder dahinschmelzen. Die perfekten grau-grünen Augen und ihre muskulösen Arme, das schönste Gesicht, das ich je gesehen hatte, all das ließ mich sofort schwach werden. Doch ich sah ihren erstaunten Gesichtsausdruck.
„Caro, bitte, gib mir doch wenigstens eine Antwort“, flehte ich.
Doch statt einer Antwort, drückte sie mich gegen die Wand und küsste mich. Ich versank in diesem Kuss und meine Knie wurden weich.
Mit geschlossenen Augen gab ich mich ihr voll und ganz hin. Dieser Moment ließ mein Zeitgefühl erstarren und mein Kopf war komplett leer. Das Kribbeln in meinem Bauch breitete sich in meinem gesamten Körper aus und ich wusste nicht was mit mir geschah. Als sie sich von mir löste, fehlten mir die Worte, doch sie grinste mich nur an.
„Ich habe mich auch in dich verliebt“
Meine Gedanken kamen wieder im Hier und Jetzt an, als mein Handy in meiner Hand vibrierte. „Termin 9 Uhr“ stand auf dem Display. Erschrocken sah ich auf die Uhr. Es war 8:30 Uhr und ich hatte weder Arbeitskleidung an, noch hatte ich etwas gegessen.
„Verdammt“, fluchte ich leise vor mich hin. Ich eilte ins Schlafzimmer und suchte meine Sachen zusammen. In Windeseile zog ich mich an und machte mir ein Sandwich für den Weg zur Arbeit. Ich griff nach meinen Schlüsseln und rannte zum Auto, mit welchem ich sofort losfuhr.
In der Arbeit angekommen, rannte ich die Treppen in den vierten Stock, wobei ich mich verschätzte und keuchend oben ankam. Meine Kollegen betrachteten mich etwas seltsam.
„Alles okay bei dir, Elli?“, fragte mich Julian mit verwunderter Stimme, „Für deine 28 Jahre atmest du aber als wärst du 60“.
Keuchend bejahte ich seine Frage, ignorierte jedoch seine blöde Bemerkung und ging in mein Büro. Ich warf einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr und bemerkte, dass ich es gerade so rechtzeitig geschafft hatte. Ich richtete meine Haare ein letztes Mal zurecht und schon klopfte an der Tür.
„Herein“, rief ich.
Julian‘s Kopf schob sich in die Türspalte. „Elli? Die Anwälte wären da. Soll ich sie reinschicken?“, fragte er leise.
„Ja, schick sie bitte rein. Ich habe alles, was ich brauche“, antwortete ich professionell und gefasst. „Bringst du uns bitte noch eine Kanne Kaffee?“
Julian nickte und die Tür öffnete sich weiter. Ich ordnete meine Unterlagen ein letztes Mal, doch ließ alles fallen, als ich sah, wer den Raum betrat. Mein Kiefer klappte nach unten und Fassungslosigkeit ließ meinen Körper erstarren. Mein Blut schien zu gefrieren und es war mir nicht möglich mich zu bewegen. Ich glaubte meinen Augen nicht.
„C… Caro?“, flüsterte ich kaum hörbar.
Direkt vor mir stand sie. Perfekt gestylt, mit Hosenanzug und Blazer. Ihre Sie war kaum wiederzuerkennen, doch ihr umwerfendes Lächeln erkannte ich unter tausend anderen.
Ich konnte nicht fassen, dass es tatsächlich meine Ex-Freundin Caro war. Die Frau, welche mich Nächte lang verfolgt hatte und mir den Schlaf geraubt hatte. Und nun war sie da. Es kam mir alles wie ein schlechter Scherz vor.
Sie erkannte mich jedoch nicht auf den ersten Blick. Ich versuchte mich zu sammeln, um nicht allzu unprofessionell zu wirken.
„Guten Tag, Herr Kallbach“, grüßte ich den großen Mann, welchen ich erwartet hatte, und gab ihm die Hand.
„Guten Morgen, Frau Kring, schön, Sie zu sehen. Das ist meine werte Kollegin, Frau Lautermann“, stellte er Caro vor.
„Hallo“, grüßte ich sie.
Erst als ich auch ihr die Hand gab und ihr direkt in die Augen sah, erkannte sie mich. Doch sie blieb standhaft und professionell, was ich von mir allerdings nicht behaupten konnte. Nach der Begrüßung machten wir uns an die Arbeit.
„Sie vertreten also Herrn Mitschenko, welcher uns verklagt?“, begann ich.
„So ist es. Frau Lautermann hat alle Dokumente bereits vorliegen“.
Ich sah sie an und wartete auf den Vortrag der Anklage, doch sie starrte mich nur an.
„Frau Lautermann? Wären Sie bitte so nett und berichten über die vorliegende Anklage?“, sprach ich Caro an.
Ich konnte mir ein Grinsen kaum unterdrücken, da ich merkte, dass es ihr wie mir erging.
Sie räusperte sich und lief rot an:“ Entschuldigung, natürlich. Hier sind die vorliegenden Beweise gegen Ihre Firma“.
Wir besprachen den Fall, doch in meiner aktuellen Gefühlslage, konnte sogar ein Hamster eine Anklage gegen mich gewinnen. Ich war froh, dass es nur ein Vorbereitungsgespräch war. Nach einiger Zeit schlug ich vor, eine kurze Pause einzulegen, denn ich musste unbedingt mit Caro sprechen. Wir verließen den Raum und ich warf Caro einen ernsten Blick zu, welcher ihr zu verstehen gab, mir zu folgen. Als wir außer Hörweite der anderen waren, griff ich nach ihrem Arm und zog sie mit nach draußen.
„Was zur Hölle machst du hier?!“, fragte ich lautstark.
„Hey, schrei’ mich doch nicht gleich an! Woher sollte ich wissen, dass du hier arbeitest, geschweige denn für Rechtsangelegenheiten zuständig bist?“
In diesem Punkt musste ich ihr zustimmen. Ich seufzte und fuhr mir gestresst übers Gesicht. Caro begann zu lächeln und griff nach meiner Hand.
„Aber es ist sehr schön, dich wieder zu sehen“, sprach sie mit sanfter Stimme.
Ein Stromschlag fuhr durch mich hindurch, als sie meine Hand berührte. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Ihre warme und zärtliche Geste trieb mir die Röte ins Gesicht. Nach einem Moment in Stille, zog ich meine Hand weg, denn plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.
„Dir ist bewusst, dass wir für die nächsten vier Wochen gemeinsam arbeiten müssen?“, sprach ich den Gedanken laut aus, „Und das auch noch auf gegnerischen Seiten“.
Als ich realisierte, dass ich in eine ziemlich unangenehme Situation gebracht wurde, schüttelte ich geschockt den Kopf. Erst die Träume und plötzlich stand sie vor mir. Genauso wunderschön wie vor sieben Jahren.
„Elli, wir sind alt genug, um wie erwachsene Menschen miteinander umgehen zu können, oder nicht?“, fragte sie skeptisch.
Mein Kopf war ein einziges Chaos, doch ich konnte ein „Ja, natürlich“ aussprechen.
„Los, lass uns weitermachen. Je schneller der Fall vom Tisch ist, desto schneller bin ich dich los“, äußerte ich kalt und verschwand wieder im Büro, meine Gedanken rasten jedoch wie verrückt.
Kurz darauf trafen die beiden Anwälte wieder ein und wir arbeiteten weiter an unserem Fall. Nach geschlagenen sechs Stunden, waren wir mit dem Großteil fertig und verabschiedeten uns.
„Ich freue mich auf unser nächstes Treff“, verabschiedete ich mich von beiden, wobei diese Aussage nur zur Hälfte gelogen war.
„Danke für Ihr Empfangen“, bedankte sich Herr Kallbach und reichte mir die Hand.
Auch Caro gab mir die Hand, was mir erneut ein angenehmes Kribbeln in den Bauch jagte. In meinem Kopf spielte sich immer und immer wieder dieser Traum ab. Es war seltsam, dass selbst das kleinste Detail von ihr übereinstimmte. Die blonden kurzen Haare, zu einem frechen Zopf zusammengebunden, die Sommersprossen auf ihren Wangen, selbst ihre muskulöse Figur hatte sich kaum verändert.
„Auf Wiedersehen, Frau Kring“, verabschiedete sie sich, wobei sie meinen Namen kaum merkbar sarkastisch betonte.
„Auf Wiedersehen“, antwortete ich leise.
Nachdem beide gegangen waren, sank ich in meinem Bürostuhl zusammen. Ich stützte meine Ellbogen auf dem Schreibtisch ab und hielt meinen Kopf fest. Wie soll ich damit nur umgehen? Diese Frage stellte ich mir, seit unser Meeting begonnen hatte. Ich ließ meinen Blick durch mein Büro schweifen und blieb an einem kleinen Schaukelpferd auf meinem Regal hängen. Erneut dachte ich an die Vergangenheit. Dieses Pferdchen hatte sie mir an unserem Jahrestag geschenkt. Nun war es ein Erinnerungsstück an längst vergangene Tage. Ich erinnerte mich noch genau an diesen Tag:
„Alles Gute zum Jahrestag!“ Sie gab mir einen Kuss auf die Lippen und hielt mir eine kleine Schachtel hin, welche in blaues Geschenkpapier gewickelt war.
„Süße, wir wollten uns doch nichts schenken“, lachte ich und nahm das Geschenk.
„Zur Kenntnis genommen“, antwortete sie ironisch und zeigte auf die neue Kette, welche ich ihr geschenkt hatte.
„Los, mach auf“, rief sie ungeduldig.
Gespannt riss ich das Papier ab und betrachtete die Schachtel. Als ich sie öffnete, strahlte mir ein wunderschönes Schaukelpferd, in Handarbeit gefertigt, entgegen. Auf dem Rücken des Pferdes war ein Ring befestigt. Ich sah sie völlig überrascht an. Sie grinste und beruhigte mich.
„Keine Angst, ich mache dir keinen Antrag. Ich dachte nur, dass es nach einem Jahr Zeit wird für Partnerringe“.
Ich schmunzelte und gab ihr einen innigen Kuss.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich und sah ihr tief in die Augen. Ihr Strahlen war nicht zu übersehen.
„Ich liebe dich auch“, antwortete Caro voller Freude. Ich legte meine Arme um ihren Hals und sie hob mich mit ihren starken Armen hoch. Ich küsste ihren Nacken, als sie mich in unser Schlafzimmer trug. Mit meiner freien Hand warf ich die Tür hinter uns ins Schloss.
„Elli?“, riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. „Hallo? Erde an Elli!“
Julian fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht. Ich sah ihn böse an und schlug seine Hand genervt weg.
„Was willst du?“, schnauzte ich ihn an.
„Wow, deine Ex scheint dich ja richtig aus der Ruhe zu bringen“, lachte er unbeeindruckt.
„Was?!“, rief ich entsetzt, „Woher weißt du, dass sie meine Ex ist?“
„Wusste ich nicht, aber jetzt schon“, lachte er lautstark.
„Raus hier!“, brüllte ich und warf einen Stift nach ihm. Er rannte schnell aus meinem Büro und der Stift landete am Boden.
„Ah, das kann alles nicht wahr sein!“, ärgerte ich mich. Ich griff nach meiner schwarzen Jacke und verließ gestresst das Büro.
Nach Hause wollte ich noch nicht, also entschied ich mich, in das Café gegenüber zu gehen und meinen Stress etwas zu mindern. Ich musste mir sowieso noch überlegen, wie ich es Leyla beibringen sollte, dass meine verflossene Liebe und ich zusammenarbeiten mussten. Sie wird mich umbringen, dachte ich mir. Sie hatte noch nie etwas für Caro übrig, wobei das durchaus nachvollziehbar war. Schließlich war Caro meine erste große Liebe.
Doch wie sage ich es ihr nur?
Vor allem fragte ich mich, wie ich die vier Wochen überstehen sollte.
Zuerst einmal sollte ich mein Gedankenchaos aufräumen und anschließend nach einer Lösung suchen.
Warum fällt mir das alles so schwer?
Und warum ist dieses Chaos überhaupt entstanden?
Fragen über Fragen, welche ich mir nicht beantworten konnte. Ich bestellte mir einen Kaffee und beschloss, die Sache erstmal ruhen zu lassen. Leyla würde mir schon keine Vorwürfe machen, schließlich konnte ich ja nichts dafür.
Beruhigt und vorerst entspannt, trank ich meinen Kaffee und ging anschließend nach Hause zu meiner Verlobten. Zuhause angekommen, war Leyla gerade in der Küche, um unser Essen vorzubereiten. Wir begrüßten uns, wobei Leyla nur das Nötigste sprach. Mir fiel die vorhergehende Nacht wieder ein.
„Leyla ich sollte mich entschuldigen“, begann ich ruhig, „Ich wollte dich heute Nacht nicht anschreien. Es tut mir leid“.
„Ist schon in Ordnung. Wie war dein Termin heute? Ziehen die ihre Anklage zurück?“ Ich zuckte innerlich zusammen.
„Naja, weißt du, das ist nicht so einfach“, erwiderte ich stotternd. Leyla sah mich skeptisch an. „Also, es kam etwas Unerwartetes dazwischen, nun ja, eher Jemand unerwartetes“.
„Was meinst du mit „Jemand“?“, fragte sie verwirrt, doch ihr Gesicht verhärtete sich, als es ihr dämmerte.
„Baby, lass es mich erklären!“, verteidigte ich mich sofort, „Ich hatte ja heute den Termin mit den Anwälten und es war noch jemand dabei.“
„Wer?“, fragte sie mit zusammen gebissenen Zähnen, ich blieb jedoch still und sah auf den Boden. „Spuck es aus! Wer?!“, rief sie aufgebracht.
„Caro war dabei“, flüsterte ich leise. Leyla stand fassungslos vor mir.
„Sag das nochmal“, befahl sie. „Baby, es ist…“
„Sag es nochmal, verdammt!“, schrie meine Verlobte.
„Es war Caro, okay?! Bist du jetzt zufrieden?“, schrie ich gereizt zurück.
„Gib es zu, du wusstest, dass sie kommt! Deswegen auch deine Träume! Du wusstest es!“ Leyla war nun vollkommen in Rage. „Willst du, dass ich sofort gehe? Damit du dir deine alte Liebe zurückholen kannst? Sag schon!“ Sie schrie mich nur noch an, bis sie aus der Küche stürmte und samt ihrer Jacke und einer Tasche aus dem Haus verschwand. „Mach doch was du willst, ich bin erstmal weg!“, rief sie noch, bevor die Tür ins Schloss fiel.
„Leyla!“, schrie ich ihr hinterher, doch sie war bereits weg.
„Warum machst du alles so kompliziert!“, brüllte ich in die Leere und warf ein leeres Glas gegen die Wand. Es zerbrach in tausend Stücke und seltsamerweise sah ich meine Beziehung in diesem Glas. Alles was wir uns so hart erkämpft hatten, drohte mit einem Schlag zu zerbrechen.
Geschockt sah ich auf die Scherben auf dem Boden. So kenne ich mich nicht, dachte ich und atmete tief ein und aus. Es reicht, dachte ich mit zunehmender, innerer Wut. Ich muss Caro endlich vergessen und das werde ich sofort tun.