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4 Die Farm

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Der Mann, der die Türe öffnete, war Martins Onkel. Das war mir sofort klar, als ich ihn sah. Er war groß und kräftig, er hatte dünnes Haar und trug einen kurz gestutzten Bart.

„Jetzt sind wir hier“, sagte Martin.

„Ist er jetzt gekommen, Vater?“ rief im Haus eine Kinderstimme, die Stimme eines Jungen, so klang es.

„Ganz schön weit, der Weg hierher“, sagte Martin.

„Du bist also der Martin, der in das große Land im Westen gereist ist“, stellte der Mann in der Türe fest. „Well ... wir haben uns schon Gedanken gemacht ...“

Martins Onkel stand in der Türöffnung und schien nach Worten zu suchen. Martin trat vor und reichte ihm die Hand.

„Und das hier ist mein Freund“, sagte er mit einer Kopfbewegung zu mir hin. „Wir haben uns im Zug kennengelernt, und da sagte ich ihm, daß er gerne mit hierherkommen könne ...“

Martin brachte seine Erklärung mit lauter Stimme vor, drinnen im Haus bewegte sich jemand, und der Onkel sah mich etwas fragend an. Er hatte helle Augen und eine breite, holprige Stirn. Im Haus wurde Licht gemacht, der Mann verwandelte sich in eine Schattenfigur, die einer Frau Platz machte: Sie trug einen Schal über den Schultern, ihr Gesicht konnte ich aber nicht erkennen; der Schein der Laterne, die sie in der Hand hielt, stach mir in die Augen. Ein Junge war auch da; ich ahnte einen blonden Kopf neben ihr.

„Aha, jetzt ist er also gekommen“, sagte die Frau. „Und Gesellschaft hat er auch gleich mitgebracht, wie ich sehe.“

„Ich heiße Dan“, sagte ich, trat aber nicht vor, um ihnen die Hand zu geben.

Ein Weilchen blieb alles still, der einzige, der sich bewegte, war der Junge, und dann begann Martins Onkel zu lachen. Er schob die Frau und den Jungen beiseite und kam zu uns heraus. Er war barfuß. Die niedrige Tür und die Laterne hinter ihm ließen ihn wachsen, und plötzlich stand er wie ein bärtiger, lachender Riese vor uns, die Hände in die Hüften gestemmt, und behauptete, wir sähen aus wie halbersoffene Karnickel.

„Kommt rein, zum Donnerwetter“, sagte er. „Bei uns ist es zwar eng, aber gemütlich, wir werden schon ein Eckchen für euch finden.“

Und so hatte ich also Martins „reichen“ Onkel Karl kennengelernt, oder Charles Nelson, wie er sich hier in Amerika nannte.

Nelson hatte das Häuschen im zweiten Sommer gebaut, in dem er und seine Frau in Millersburg waren, und nachdem das größere Haus fertig war, diente es als Vorratsschuppen und Schreinerwerkstatt. Jetzt nach dem Unglück mußte man erneut darin wohnen.

Das schiefe kleine Blockhaus, das Unkraut, die moosgrünen Stämme, der schlammige Boden vor der Tür – all das hebt sich in meiner Erinnerung deutlich von der nächtlichen Dunkelheit ab.

Es fällt mir dagegen schwer, mich genau an den ersten Abend zu erinnen. Er verlief wohl auch etwas verworren. Alle waren auf der Hut, die eigentlichen Fragen wurden nicht ausgesprochen. Man wußte nicht so recht, woran man war ...

Mein Gefühl, nicht dazuzugehören, ein Fremder zu sein, verstärkte sich gerade in der Enge der Blockhütte. Es war eine kleine und äußerst eigenartige Welt, in die Martin und ich uns an jenem Abend hineindrängten. Das spürte ich sehr stark, als ich in eine Decke gewickelt auf dem Boden einschlief und auch am nächsten Morgen, als keine Dunkelheit mehr da war, in die man sich verkriechen konnte, hatte ich noch dieses Gefühl.

Im Laufe des Abends war vor allem von der Verwandtschaft und vom Hof in Uppland die Rede, aber ich erinnere mich auch daran, wie man mich musterte, als ich von mir selbst berichtete.

Charles Nelson nickte ab und zu, warf mir zwischendurch einen Blick zu, und sagte dann, daß ich natürlich willkommen sei, den Winter über zu bleiben, wenn ich keine anderen Pläne hätte; bis zum Einbruch der Kälte würde man schon für wärmere Kleider sorgen können ...

Anfangs sprach er gedämpft und nachdenklich, beinahe düster, doch dann klang seine Stimmer immer heller, und er schloß mit der polternden Herzlichkeit, die so typisch für ihn war:

„Sapperlott! Und wenn wir’s auch eng wie in einer Sardinenbüchse haben, so hättet ihr uns doch nicht gelegener kommen können, Jungs! Hier müssen viele kräftige Fäuste zupacken, wenn wir dieses alte Blockhaus winterfest machen wollen! Früher hat es uns gute Dienste geleistet, aber das ist jetzt schon lange her. Wenn uns ein harter Winter bevorsteht, gibt es noch viel zu tun. Und du, Martin – wenn du nur halb so stark bist, wie dein Bruder in seinem letzten Brief schrieb, wirst du hier in Millersburg große Taten vollbringen können.“

Martin grinste zufrieden und sagte, daß er schon zupacken könne. Dann wollte er wissen, wieviele Pferde hier auf dem Hof seien; und als er erfuhr, daß sie kein einziges Pferd hatten, wurde er sehr enttäuscht.

„Noch ein paar Jahre werden wir uns mit den Ochsen begnügen müssen“, sagte Charles. „Dann werden wir ja sehen. Ein strammes Pferdegespann wäre gar nicht so schlecht, was?“

Martin und Charles unterhielten sich über Pferde. Währenddessen faßte ich einen Entschluß, der meinem Aufenthalt in Millersburg einen Sinn geben sollte. Ich beschloß, so hart ich nur konnte zu arbeiten. Ich würde meine Muskeln trainieren. Stark werden. Stärker als Martin.

Während der Reise nach Amerika hatte ich oft zu hören bekommen, wie hart und unbarmherzig das neue Land sei.

Wer in einem harten Land durchkommen wollte, mußte stark sein.

Charles führte uns auf seinem Besitz umher. Der Morgen war klar und kalt, und Charles zeigte auf seine Äcker und sprach von Weizen und Roggen und Mais und vielen anderen Dingen, die Martin zu kennen schien, die für mich aber nur Worte waren.

Die Landschaft war hügelig und schön, die Wälder hinter den Äckern schimmerten gelb und rot, und Charles sprach begeistert davon, wie fruchtbar der Boden hier in Millersburg sei und von der Kraft, die in diesem Boden steckte.

Er war ebenso begeistert, als wir unsere Arbeit am Haus anfingen. Sein blaugestreiftes Hemd schien immer an mehreren Stellen zur gleichen Zeit zu sein, und wenn er in der Nähe war, ging alles wie von selbst.

„Das hier schaffen wir im Handumdrehen. Pack fest zu, dann haben wir den Stamm im Nu oben ...“

Die Hände schmerzten, und der Rücken – aber der Stamm landete dort, wo er hin sollte.

Es waren viele neue Stämme, die zurechtgehauen und gekappt und an die Stelle der alten Stämme eingepaßt werden mußten, und die Mittagspause kam uns sehr willkommen. Wir saßen mit den Tellern auf den Knien vor dem Haus und schöpften aus einem rußigen Kessel.

„Man muß es so nehmen, wie man’s hat“, sagte Elsa Nelson, Charles’ Frau. „Hoffentlich schmeckt es.“

„O ja“, erwiderte Martin, „Ich hab’ nen Mordshunger!“

Elsa war dunkel und hatte ein schönes, regelmäßiges Gesicht mit roten Flecken auf den Wangen. Ihre stets hochgezogenen Augenbrauen gaben ihr einen wachsamen Ausdruck, und die Adern auf ihren wohlgeformten Händen waren ungewöhnlich deutlich sichtbar.

„Wollt ihr ein großes, neues Holzhaus dort oben hinbauen, wo das andere früher lag?“ fragte Martin.

Wir saßen so, daß wir die Überreste des Schornsteins und den gespaltenen Baum hinter der Kuppe des Hügels hervorragen sahen.

„Eigentlich hatten wir vor, das neue Haus in einer geschützteren Lage zu bauen“, erwiderte Charles.

„Aber dort oben ist doch eine viel bessere Aussicht. Man sieht den See und alles.“

Martin bemerkte nicht, wie Elsas Gesicht starr wurde, wie sie und Charles einander anblickten.

„Der Blitz schlägt gern in hochgelegene Plätze ein“, erklärte Elsa gedämpft.

„Man könnte ja sagen, daß das erste Haus auf Probe gebaut war“, sagte Charles. „Aber im Frühjahr, da gibt’s dann eine ganz andere Art von Bauwerk, dem weder Blitz noch Donner etwas anhaben können.“

„Auf Probe“, wiederholte Elsa und sah ihn an. „Und wie hast du dich dabei abgerackert ...“

„Well“, sagte Charles. „Man lernt schließlich bei allem etwas, was man tut. Oder was meinst du, Per?“

Per war ungefähr elf Jahre alt und hatte dieselbe breite Stirn wie sein Vater, aber schmälere Augen. Seine Wangen röteten sich, aber er sah nicht auf.

„Wie ist das mit dem Blitz eigentlich passiert?“ wollte Martin wissen.

Charles und Elsa tauschten erneut Blicke aus.

„Es war spät am Abend“, sagte Charles. „Den schlimmsten Knall bekam der alte Ahorn zu spüren, und dann brach das Feuer aus.“

„Alles ging so schnell“, fügte Elsa hinzu. „Es war an einem Sonntag ...“

Sie wollten nicht darüber sprechen.

„In diesem Land kommt alles so plötzlich“, sagte Charles. „Die Gewitter sind heftiger, und es regnet mehr und schneit mehr und stürmt mehr. Und die Erde gibt mehr – außer im vergangenen Jahr, da war’s schlecht um die Ernte bestellt. Aber mit dem Boden ist es wohl wie mit uns Menschen, manchmal muß er sich erholen.“

Er legte den Arm um Pers Schultern und zog ihn an sich. Per sah seine Mutter fragend an, und Charles stand auf.

„Ja, wenn alle jetzt satt und ausgeruht sind, dann wollen wir mal ...“

Er faltete die Hände und dankte Gott für das Essen, und dann gingen wir wieder an die Arbeit.

Wenn ich an den ersten Tag in Millersburg zurückdenke, erscheint mir vor allem eine Sache erstaunlich: Martin erwähnte seine Amerikakiste mit keinem Wort.

Dan Henry - Im Wilden Westen

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