Читать книгу Mach mich glücklich - Susan Andersen - Страница 7
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Оглавление»Warum erzählst du diesem Idioten nicht einfach, womit du dein Geld verdienst, damit du endlich deine Ruhe hast?«
Lily lächelte ihre Freundin Mimi über den Restauranttisch hinweg schief an. »Das wäre sicherlich das Vernünftigste, klar. Aber sobald ich ihn nur sehe, bin ich schon auf hundertachtzig und zu keinem klaren Gedanken mehr imstande.«
»Genau deshalb sollst du ja dem weisen Rat deiner Freundin folgen.« Mimi schob ihre Leopardenfellhandtasche auf die Seite, um auf der ecrufarbenen Leinentischdecke Platz für ihre Ellbogen zu schaffen, und beugte sich mit ernster Miene vor. »Gönn dir doch das Vergnügen, und zeig ihm einen deiner Lohnstreifen, Lil, wenn er die vielen Nullen vor dem Komma sieht, wird er sich wie ein Volltrottel vorkommen, und jedes weitere Wort wird ihm im Hals stecken bleiben.«
»Meinetwegen soll er dran ersticken«, murmelte Lily, und fügte dann, erschrocken über ihre eigene Boshaftigkeit, schnell hinzu: »Das meine ich natürlich nicht wörtlich.« Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Mein Gott. Bevor ich Zach Taylor kennen gelernt habe, dachte ich immer, ich bin ein friedliebender Mensch. Aber er macht mich einfach so ... so verdammt ...«
»An?«
»Wütend!« Inmitten der Geräuschkulisse aus klapperndem Besteck, gedämpften Unterhaltungen und klassischer Musik, die aus verborgenen Lautsprechern rieselte, saß sie steif wie ein Ladestock auf ihrem gepolsterten Stuhl. »Und noch was. Ich schulde ihm keine Erklärungen. Er ist derjenige, der den hirnrissigen Schluss gezogen hat, dass ich hinter Glynnis’ Kohle her bin. Wie komme ich dazu, mir ein Bein auszureißen, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen?«
»Vielleicht weil es dir das Leben leichter machen würde?« Dann schüttelte Mimi den Kopf. »Okay. Ich sehe schon, du hast dir vorgenommen, stur zu bleiben wie ein Esel. Für jemanden, der normalerweise so sanftmütig ist, bist du auf einmal ganz schön bockig.«
»Ich weiß, ich verhalte mich dumm und pubertär, aber so und nicht anders ist es nun mal. Vielleicht wird mir ja ein nettes, entspanntes Mittagessen zu etwas mehr Reife verhelfen.«
»Dann beantworte mir noch eine letzte Frage, und ich lasse dich in Ruhe: Findest du nicht, dass man das Ganze auch mit einer gewissen Ironie betrachten kann? Wenn du eine Sache kannst, dann ist es doch, mit Geld umzugehen.« »Das lernt man, wenn man in Armut aufwächst«, stimmte Lily ihr zu. »Ich war nicht älter als acht, als ich mir geschworen habe, dass ich finanziell abgesichert sein werde, wenn ich erwachsen bin.«
»Und das hast du geschafft«, sagte Mimi. »Du hast jedes einzelne deiner kurzfristigen Ziele erreicht und bist gerade dabei, auch noch die meisten deiner langfristigen Vorhaben in die Tat umzusetzen.«
Lily entspannte sich ein bisschen. Mimi hatte Recht. Die Laufbahn, die sie eingeschlagen hatte, brachte ihr gutes Geld ein, und die Investitionen, die sie in den letzten Jahren getätigt hatte, waren noch einträglicher. Also, zum Teufel mit Zachariah Taylor und seinen haltlosen Anschuldigungen! Sollte er sie sich doch sonst wohin stecken. Solange sie wusste, dass genau das Gegenteil der Fall war, nämlich dass sie seiner Schwester eine gewisse Eigenverantwortlichkeit in finanziellen Dingen beigebracht hatte, konnte es ihr egal sein, was er glaubte. Sie lächelte verzagt. »Du meinst also, ich habe keinen Grund, griesgrämig zu sein?«
»Nein, mein Schatz. Ich weiß, ich habe leicht reden, schließlich bin ich ja nicht diejenige, die beleidigt wurde. Aber vielleicht solltest du es dir wenigstens nicht gar so sehr zu Herzen nehmen. Was willst du wegen der Schwester unternehmen?«
»Glynnis?«
»Ja. Taylor hört sich nach einem Arschloch erster Güte an, aber wenn ich mal ein bisschen Advocatus Diaboli spielen darf: Du hast doch selbst gesagt, dass er wahrscheinlich eine gewisse Erfahrung hat, wenn es darum geht, die Menschenkenntnis seiner Schwester einzuschätzen. Ihre bisherigen Leistungen auf diesem Gebiet scheinen ja nicht unbedingt überzeugend zu sein.«
»Stimmt, da kann ich dir nicht widersprechen.« Trotz aller guten Vorsätze war Lily, wie sie feststellte, nicht bereit, ihm irgendwelche Zugeständnisse zu machen. »Und worauf willst du hinaus, Mimi?«
»Auf nichts Bestimmtes eigentlich.« Sie lachte. »Aber vielleicht geht es ihm nicht nur darum, Kontrolle über sie zu haben, wenn er wissen will, wo sie sich rumtreibt. Was, wenn er wirklich ernsthaft um ihr Wohlergehen besorgt ist? Vielleicht erklärt das, warum er irgendwelche Informationen aus dir herausholen will?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Glynnis kann manchmal wirklich ziemlich blauäugig sein — das erste Mal, als wir uns länger miteinander unterhalten haben, war sie völlig durcheinander, weil sie gerade entdeckt hatte, dass der äußerst charmante Mann, in den sie bis über beide Ohren verknallt war, nur ein Auge auf ihr Konto geworfen hatte. Aber schließlich ist sie alt genug. Wenn sie gewollt hätte, dass ihr Bruder etwas von ihren Plänen weiß, hätte sie ihm eine Nachricht hinterlassen oder ihn angerufen. Es ist jedenfalls nicht meine Aufgabe, ihn von ihrem Verbleib in Kenntnis zu setzen. Abgesehen davon mag ich David wirklich gerne, und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er ihr gut tut.« Sie nippte an ihrem Wein. »Wenn unser Möchtegerngeneral erfährt, dass David es möglicherweise gewagt hat, sie in den Hafen der Ehe zu locken, dann ... Ich zittere schon bei dem bloßen Gedanken, was dann passiert. Das Geschrei, das er anstimmen wird, ist noch das Wenigste.« Sie sah ihre Freundin über den Tisch hinweg an. »Mann, ich fange an zu bedauern, dass ich das verdammte Apartment nicht gekauft habe, als es angeboten worden war. Dann würde ich mich jetzt wenigstens nicht im Mittelpunkt dieser Schmierenkomödie wiederfinden.«
»Nein, stattdessen hättest du ein dickes Minus auf dem Konto. Und wofür? Deine Traumwohnung war es ja wohl nicht. Sie war in Ordnung, aber sie haben viel zu viel für dieses Stückchen Immobilie mit seinen gerade mal fünfundsechzig Quadratmetern verlangt. Mein Gott, für einen solchen Preis würde ich zumindest einen Blick aufs Meer erwarten, auch wenn man sich dazu aus dem Fenster hängen muss.«
Es freute Lily, dass Mimi sie in ihrer Entscheidung bestätigte. »Du hast Recht. Gut, dass du mich daran erinnerst, dass mein Herz nicht an der Wohnung hing — nicht so sehr jedenfalls, um meine Ersparnisse für die Anzahlung und die Notarkosten zu opfern.«
Die Sonne warf goldene Strahlen durch das Fenster. Lily sah hinaus auf die Palmen, deren grüne Blätter sich in der sanften Brise bewegten. Einen Moment lang gab sie sich ihrem Traum hin, sich eines Tages irgendwo niederzulassen und ihr eigenes Restaurant zu eröffnen, bevor sie sich wieder dem dringlicheren Problem zuwandte. »Eines ist klar«, sagte sie, »ich werde mich sofort auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen müssen. Ich hatte gehofft, mir damit Zeit lassen zu können, bis ich von meinem nächsten Job auf der Argosy zurückkomme, aber das Schicksal hat es wohl anders gewollt. Die Vorstellung, mich von diesem Typen vertreiben zu lassen, gefällt mir zwar nicht, aber ich habe nicht die geringste Lust, mit ihm zusammenzuwohnen.«
»Überleg es dir noch mal.« Mimi strich eine lange Strähne ihres kunstvoll gefärbten, honigblonden Haars zurück, die ihr über die Schulter gefallen war. »Schätzchen, ich rate dir, sag dem Mann die Wahrheit. Vielleicht kriegt er wegen seiner ekelhaften Unterstellungen ein so schlechtes Gewissen, dass er dich dort umsonst wohnen lässt.« Sie grinste breit. »Und dann rückt der Termin der feierlichen Eröffnung deines Restaurants gleich viel, viel näher.«
Lily lachte kurz auf. »Ich bezweifle, dass Zach Taylor in seinem Leben schon mal irgendetwas peinlich gewesen ist. Abgesehen davon ist unser Verhältnis an einem Punkt angelangt, von dem aus kein Weg zurück zu einem zivilisierten Umgang führt.« Der flüchtige Gedanke an seine Lippen mit der feinen weißen Narbe erinnerte sie daran, dass sie noch ein paar rote Blutkörperchen besaß, die ihr gehörig einheizen konnten, und sie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. »Nein«, sagte sie mit großer Entschiedenheit, um das Bild zu vertreiben. »Mein Traum muss wohl noch einen oder zwei Monate warten.«
»Wenn du meinst«, sagte Mimi. »Aber ich glaube, du machst einen Fehler.«
Lily bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. »Das wäre nicht der erste.« Dann nahm sie die Speisekarte. »So. Weißt du schon, was du als Nachspeise nimmst? Ich habe bereits von verschiedenen Seiten gehört, dass das Tiramisu hier fantastisch ist. Das muss ich unbedingt probieren.«
Zach öffnete auf ein herrisches Klopfen hin die Tür und war im ersten Moment erstaunt, als er sah, wer davor stand. Von allen Leuten, die er auf seiner Schwelle vermutet hätte, wäre John Miglionni so ungefähr der Letzte gewesen.
Aber da stand er, sein ehemaliger Kamerad bei den Marines, gegen den weiß verputzten Türbogen gelehnt, die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben. Er verzog sein braun gebranntes Gesicht zu einem breiten Grinsen und entblößte dabei zwei Reihen blendend weißer Zähne. »Hallo, Midnight«, sagte er lässig. »Lange nicht gesehen.«
»Rocket!« Die Freude über das Wiedersehen riss Zach aus seiner Erstarrung. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, er trat einen Schritt vor, und die beiden Männern klopften sich zur Begrüßung auf die Schultern. Als Zach wieder zurücktrat, entdeckte er den glatten schwarzen Pferdeschwanz in Johns Nacken, und er zog leicht daran. »Was haben wir denn da? Ich mag ja nicht mehr der Jüngste sein, aber zumindest sehe ich wie ein guter Amerikaner aus. Wann hast du dir denn dieses süße Schwänzchen wachsen lassen?«
»Leck mich, Taylor.«
»Besser nicht. Ein paar von uns machen das noch immer lieber beim weiblichen Geschlecht.«
Sie grinsten einander an, zufrieden, mal wieder einige Derbheiten losgeworden zu sein, und das erste Mal, seit er nach Hause gekommen war, fühlte sich Zach wieder eins mit sich selbst. Er machte eine auffordernde Handbewegung. »Beweg deinen Hintern ins Haus«, befahl er. »Gott, wie lange ist es her? Zwei Jahre? Was führt dich in diese Gegend?«
»Mein letzter Fall.« John folgte Zach in die Küche, wo dieser zwei Bier aus dem Kühlschrank holte. »Nachdem ich ihn unter Dach und Fach gebracht hatte, dachte ich mir, dass es eine Schande wäre, wenn ich nicht bei dir vorbeischaue, da ich schon mal in L. A. bin.«
»Braver Junge.« Zach reichte ihm ein Bier, sie öffneten die Flaschen und schnippten die Kronkorken in die Spüle, dann traten sie an den Küchentisch. »Mann, tut das gut, dich zu sehen, John.« Zach forderte seinen Freund mit einer Geste auf, Platz zu nehmen, und zog sich selbst einen Stuhl heran. »Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen? Findest du es immer noch so aufregend, Sherlock Holmes zu spielen?«
»Ja, ich find’s klasse.« Rocket lehnte sich zurück, streckte seine langen Beine aus und stützte die Flasche auf seinem flachen Bauch ab. »Meistens. Manchmal nervt’s mich auch, wie damals, als ich es nicht zu Coops Hochzeit geschafft habe, weil ich gerade mitten in ein paar Fällen steckte, die die laufenden Kosten deckten und die ich deswegen nicht auf die lange Bank schieben konnte. Hat mir wirklich Leid getan, nicht dabei sein zu können. Hätte die Braut gerne kennen gelernt, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, welche Frau es schafft, Ice vor den Altar zu schleppen.«
»Du würdest Veronica mögen. Sieht genau aus wie Schneewittchen, wenn es das jemals gegeben hätte, natürlich.«
»Soll das heißen, Schneewittchen gab es gar nicht?« Rocket starrte ihn an, als wäre ihm gerade eröffnet worden, dass der Weihnachtsmann gestorben sei. »Und sie hat nicht mit den Zwergen herumgemacht? Warum, glaubst du, haben die dann immer dieses dämliche Grinsen auf dem Gesicht?«
»Vielleicht Sauerstoffmangel bei der Geburt?« Zach lachte. »Ja, das muss man zugeben, diese Jungfrauen-Nummer hat sie verdammt gut hingekriegt. Aber vielleicht habe ich mich ja auch von dieser piepsigen Kleinmädchenstimme täuschen lassen. Und was Veronica angeht, stell dir unser Schneewittchen etwas heißblütiger vor, dann weißt du, wie sie aussieht. Sie ist nett, sie ist lustig, und sie kann was. Und vor allem ist sie ganz verrückt nach Coop.«
»Reizend. Trotzdem, meinen Segen kriegt sie erst, wenn ich sie selbst in Augenschein genommen habe.« Er trank einen Schluck von seinem Bier und lächelte. »Was auch in Kürze geschehen wird. Bis zu meinem nächsten Fall ist es noch ein Weilchen hin, und ich gönne mir den ersten Urlaub seit anderthalb Jahren. Ich will rauf nach Washington, hinter die sechs Berge, und ein paar Tage bei ihnen verbringen.«
»Sieben, du Dummkopf« korrigierte Zach ihn automatisch. Dann wurde ihm bewusst, was Johns Urlaub für seine eigenen Pläne bedeutete, und er fluchte. Rocket sah ihn mit seinen pechschwarzen Augen ruhig an und zog fragend die Augenbrauen hoch, aber Zach zuckte nur die Schultern. »Tut mir Leid«, sagte er. »Freut mich natürlich für dich. Nur durchkreuzt es meine Pläne. Ich wollte dich vorhin nämlich gerade anrufen und bitten, jemanden für mich zu überprüfen.«
»Hey, ich kann jederzeit und überall jemanden überprüfen. Ein Laptop macht das Reisen leicht — und ich entferne mich nie weit von meinem treuen Titan-Begleiter. Wen willst du checken lassen?«
»Eine Frau namens Lily Morrisette.« Er erklärte, um was es sich handelte.
»Und du bist ganz sicher, dass sie eine Betrügerin ist?«, fragte Rocket, nachdem Zach seinen Bericht beendet hatte.
»So sicher, wie ich es ohne deine Hilfe sein kann. Ich habe ihr die Gelegenheit gegeben, mir das Gegenteil zu beweisen, und sie hat mich hingehalten.« Er rieb sich den Nacken. »Ich weiß nicht, John, vielleicht ist das alles ja auch mein Fehler.«
»Wie meinst du das?«
»Sieh dir dieses Haus an. Ich wollte Glynnis die Sicherheit bieten, die sie aufgegeben hat, als sie zu mir nach Lejeune zog. Genauso gut hätte ich eine Anzeige in die Zeitung setzen können: ›Naives reiches Mädchen, lebt die meiste Zeit allein. Leicht zu haben, greifen Sie zu.‹«
Rocket schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du musst dir keine Vorwürfe machen, Alter, aber ich kenne dich, wenn es um deine Schwester geht. Erzähl mir alles, was du über diese Morrisette weißt.«
Zach teilte ihm alles mit, was er wusste, was nicht viel war, wie er zugeben musste. Das Einzige, was er nicht erwähnte, war, wie schwer es ihm fiel, Lilys Sex-Appeal zu widerstehen. Das hatte auch nichts mit der Sache zu tun. Dafür konnte er rein gar nichts, und außerdem war es bestimmt nur von kurzer Dauer und er würde sich bald wieder im Griff haben.
Aber durch irgendetwas schien er sich verraten zu haben, denn als er mit seinem Bericht fertig war, überkreuzte Rocket unter dem Tisch lässig seine Füße, rutschte auf seinem Stuhl ein bisschen nach vorne und musterte ihn schweigend, während er an seinem Bier nippte.
Und da war Zach klar, dass Rocket es wusste.
Einen Moment lang sagte John nichts. Dann kratzte er sich mit dem Daumennagel übers Kinn. »Soweit ich bisher in L. A. sehen konnte, sind die kalifornischen Mädchen eine Kategorie für sich. Die Lösung liegt doch klar auf der Hand.«
»Dann verrat sie mir, Miglionni, weil sie nämlich auf meiner Hand nicht liegt.«
»Sie hat eine gute Figur, sie ist blond, und sie ist ein kleines Luder, richtig?«
»Ja, und?«
Er zuckte die Schultern. »Warum machst du ihr nicht ein Angebot, dem sie nicht widerstehen kann? Mann, Zach, sie scheint genau dein Typ zu sein. Lass ein bisschen was springen für die Kleine. Spiel ’ne Zeit lang den guten Onkel.«
Zach richtete sich ruckartig auf seinem Stuhl auf. »Bist du irre?«
»Komplett durchgeknallt, kann schon sein.« Rocket grinste von einem Ohr zum anderen. »Du hast doch nichts zu verlieren. Genügend Kohle hast du jedenfalls, um ein bisschen was zu investieren. Und sie hat offensichtlich einiges zu bieten, was dich glücklich machen kann. Und während sie damit beschäftigt ist, deine Bedürfnisse zu befriedigen, wird sie weder die Zeit noch die Energie haben, sich am Portemonnaie deiner kleinen Schwester zu vergreifen.«
Ein paar Herzschläge lang erschien ihm die Vorstellung, dem Vorschlag seines Freundes nachzugeben, verlockender als die Aussicht auf einen Schuss Heroin in die Adern für einen Junkie. Es überraschte Zach, wie groß diese Versuchung war.
Dann kam er wieder zu sich.
»Ich ziehe es vor, meine Frauen nicht zu bezahlen«, sagte er mit einem sarkastischen Lächeln. Aber er musste einen großen Schluck von seinem Bier nehmen, um seine plötzlich ausgetrocknete Kehle zu befeuchten.
»Na gut, wenn du meinst, plötzlich den Moralapostel spielen zu müssen.« Rocket zuckte die Schultern. »Ich bin da anders, ich greife zu, wann immer sich mir die Gelegenheit bietet. Solange ich sie an den richtigen Stellen zu fassen bekomme, versteht sich.«
Zach lachte. »Du bist und bleibst ein richtiger Scheißkerl, John.« Er hob die Bierflasche an seine Lippen und musterte seinen Freund einen Moment lang über das braune Glas hinweg. »Aber wenn ich es mir recht überlege, warst du nie besonders wählerisch. Bist du immer noch so hinter den Weibern her?«
»Aber nein. Ich gehe es jetzt gemütlicher an. Mann, ich prahle ja nicht mal mehr mit meinen Eroberungen.«
»Tu mir das nicht an. Der Kerl, der Coop und mich mit jedem schweinischen Detail über jedes Mädchen, das er in der Nacht zuvor flachgelegt hatte, erfreute —der will jetzt alles für sich behalten? Das darf doch nicht wahr sein, Junge.«
»Ich weiß, ich weiß, nichts ist mehr so, wie es einmal war. Dieses Erwachsenwerden ist ganz schön unheimlich.« Er trank den Rest seines Biers aus und stellte die Flasche auf den Tisch. »Wo wir schon übers Erwachsenwerden reden, wann willst du den aktiven Dienst aufgeben?«
»Wenn’s nach mir ginge, niemals.« Zachs Stimme wurde plötzlich tonlos bei diesem Thema, das ihm zu sehr unter die Haut ging.
John schien es nicht zu bemerken. Er zuckte nur lässig mit einer Schulter. »Noch haben dir die Zwanzigjährigen also nicht völlig das Wasser abgegraben?«
»Sie versuchen es, aber ich bin hart im Nehmen.« Auch wenn er nicht mehr alles so leicht wegsteckte. »Mann, Rocket, waren wir jemals so jung wie die? Und so dumm? Ich bin gerade aus Südamerika zurückgekommen, wo ich versucht habe, eine Horde wild gewordener Teenager unter Kontrolle zu halten, die nichts anderes im Sinn hatten, als den dortigen Señoritas nachzustellen. Es hat nicht viel gefehlt, und es wäre zu einem internationalen Zwischenfall gekommen, kurz bevor wir abzogen.«
»Einer deiner Jungs hat ein Mädchen dort kompromittiert?«
»›Vernichtet‹ hat es ihr Verlobter genannt.« Er schüttelte verärgert den Kopf. »Wir sind da runtergegangen, um eine Geisel aus den Fängen eines Drogenkartells zu befreien, und dann sind wir noch geblieben, um das Dorf gegen Vergeltungsmaßnahmen zu schützen. Alles sollte schnell und professionell ablaufen. Wir sollten die Geisel befreien, ein paar Strategien zur Verteidigung des Dorfes entwickeln und den Dorfbewohnern zeigen, wie man sie aufrechterhalten kann, und dann noch ein paar junge Männer rekrutieren und sie nach Pendleton mitnehmen.«
»Um ihnen Elementarkenntnisse in der Kriegsführung beizubringen?«
»Ja, du weißt, wie das läuft.«
»Klar.« John zuckte wieder die Schultern. »Bring ihnen alles bei, was du in sechs Wochen in sie reinstopfen kannst, schick sie zurück, damit sie das, was sie gelernt haben, an die übrigen Dorfbewohner weitergeben können, und dann bete, dass alles gut geht. Bestand das Problem wirklich nur darin, dass dein Mann seine Pfoten nicht bei sich behalten konnte, oder ist die Operation von Anfang an schief gelaufen?«
»Nein, die Aufklärung und die Geiselbefreiung liefen wie am Schnürchen. Die Männer in meiner Einheit sind jung, aber gut. Die Probleme fingen erst an, als wir in das Dorf kamen. Da verwandelten sie sich von einem Korps bestens ausgebildeter Soldaten in einen Haufen hirnloser Schürzenjäger.«
»Aber das ist doch nichts Neues. Mann, Midnight, die Kacke ist immer am Dampfen, sobald junge Soldaten so einem geschlechtsreifen süßen kleinen Ding ausgesetzt sind. Oder überhaupt einer Frau, die noch nicht alt und grau ist, wenn man’s genau nimmt — gerade nach einem erfolgreich verlaufenen Einsatz.«
»Ich weiß, aber dieses Mal hätte die Geschichte beinahe dazu geführt, dass ein Dorf nicht in die Lage versetzt werden konnte, sich selbst zu verteidigen. Und dem Stab die Gründe dafür erklären zu müssen hätte mir sicherlich keinen besonderen Spaß gemacht.«
»Was ist passiert?«
Zachs Blick fiel auf Johns leere Bierflasche, und er stand auf, um zwei neue Flaschen aus dem Kühlschrank zu holen. »Der weitaus beste Kandidat für das Programm«, sagte er, »war ein junger Mann namens Miguel Escavez. Er ist ein echtes Naturtalent, verfügt zweifellos über Führungspotenzial und ist entschlossen, zu verteidigen, was ihm gehört.« Er reichte Rocket ein Bier, setzte sich wieder hin und machte sich daran, seine Flasche zu öffnen, hielt dann jedoch inne und sah seinen Freund an. »Leider war er auch der Verlobte des Mädchens.«
»O Scheiße.«
»Du sagst es. Nachdem ich mit dem Mädchen gesprochen und festgestellt hatte, dass sie freiwillig mit Pederson in die Kiste gegangen und volljährig war, fiel mir die erfreuliche Aufgabe zu, Miguel mitzuteilen, dass ich keinerlei Handhabe hatte, meinen brünstigen Soldaten zu bestrafen.« Zach erinnerte sich an das Surren der Fliegen und die Hitze, sah wieder vor sich, wie Wut und verletzter Stolz in den Augen des jungen Latinos aufblitzten.
Er machte die Flasche auf und trank einen Schluck, um das Bild zu verscheuchen. »Ein paar Tage später fanden wir Pederson in der Nähe des Dorfes, regelrecht zu Brei geschlagen. Ich wusste ganz genau, dass Escavez dafür verantwortlich war, aber da ich keine Beweise hatte, konnte ich nichts gegen ihn unternehmen.« Er biss die Zähne zusammen. »Und das ist eigentlich das Ende der Geschichte. Ich habe nichts unternommen.«
John zuckte die Schultern. »Manche Einsätze sind eben so — da kann man nichts machen. Und vielleicht ist es ja auch ganz gut, dass du keine Beweise gegen Escavez gefunden hast.«
»Was meinst du damit?«
»Wir haben beide unzählige Stunden in solchen Dörfern verbracht. Wenn man sich auf etwas in diesen Macho-Kulturen verlassen kann, dann darauf, wie ungeheuer wichtig es für die Männer ist, das Gesicht zu wahren. Ist Pederson wieder auf den Beinen?«
»Ja. Er ist noch nicht hundertprozentig wiederhergestellt, aber du weißt ja, wie schnell sich ein Neunzehnjähriger erholt.«
»Na also. Dein Junge hat überlebt und wird es sich das nächste Mal gut überlegen, bevor er wieder was mit dem Mädchen eines Dorfbewohners anfängt. Und Escavez hat sich gerächt, womit er wahrscheinlich in seinem Dorf das Gesicht gewahrt hat.«
»Stimmt.« Zach merkte, wie ein Teil der Last von ihm abfiel. »Und schließlich meldete sich Miguel sogar freiwillig für die Drei-Mann-Delegation, die wir mitgenommen haben.« Er prostete Rocket mit seiner Bierflasche zu. »Wahrscheinlich hast du Recht, und es heißt mal wieder Ende gut, alles gut.«
Er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Das konnte nur Lily sein, und Zach sah zur Küchentür, an der sie gleich vorbeigehen musste. Es ärgerte ihn, als er merkte, dass sein Blut ein wenig heißer und schneller durch seine Adern pumpte als noch vor ein paar Augenblicken. Dann erinnerte er sich an die Worte seines Freundes und atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
Rocket hatte Recht. Lily war genau der Typ Frau, der für gewöhnlich seine Aufmerksamkeit auf sich zog — zumindest in körperlicher Hinsicht. Verdammt noch mal, dachte er erleichtert. Das heißt noch lange nicht, dass ich mich zum Triebtäter entwickle. Ich brauche einfach nur mal wieder eine Frau.
Fast hätte er laut aufgelacht. Wie John gesagt hatte, erfolgreich beendete Befreiungsaktionen brachten die Säfte eines Mannes zum Fließen. Hinzu kam, dass es lange her war, seit er das letzte Mal Hautkontakt mit einer Frau gehabt hatte — lange vor der Geschichte in Südamerika —, und wahrscheinlich hätte ihn jede Frau angemacht, erst recht ein so steiler Zahn wie Lily Morrisette. Wenn er erst mal wieder Gelegenheit gehabt hätte, sein sexuelles Defizit auszugleichen, würde er garantiert jedes Interesse an ihr verlieren.
Er klammerte sich an diesen Gedanken, während er zusah, wie Lily mit ihrem verdammt süßen blonden Wuschelkopf und diesem unvergleichlichen Hüftschwung in sein Blickfeld kam und durch den Flur stöckelte. Trotzdem stieg seine Körpertemperatur noch ein bisschen weiter an. Und gerade als er dachte, dass es wirklich an der Zeit war, mal wieder auf die Piste zu gehen, sah Lily von der winzigen Handtasche auf, in die sie eben ihre Schlüssel gesteckt hatte.
Mit einem leisen Ausruf des Erstaunens blieb sie abrupt stehen und griff sich mit einer Hand an den wohlgeformten Busen. Ein halbes Dutzend feiner goldener Armreife glitt klappernd und klingend ihren Arm entlang. Sie sah Zach an.
»Haben Sie mich erschreckt!«, sagte sie atemlos, und dann ertönte ein weiteres Klingeln, während sie sich mehrere Male auf die Brust klopfte, als wolle sie ihr rasendes Herz beruhigen. »Ich hatte gar nicht gemerkt, dass jemand hier ist.« Sie wandte den Blick von ihm ab, sah zu Rocket und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
Damit hatte sie Zach auf dem falschen Fuß erwischt, und er lachte heiser auf. »Klar«, zischte er. »Als ob Sie nicht schon von weitem riechen könnten, wenn irgendwo was zu holen ist.« Gott, was für eine Schauspielerin. Er deutete mit einem Kopfnicken auf Rocket. »Darf ich vorstellen, das ist John. Leider kann er sich Sie nicht leisten.«
Man hätte glauben können, er hätte mitten auf einer Cocktailparty seine Hosen runtergelassen, einen solchen Blick warf sie ihm zu. Wortlos machte sie auf dem Absatz kehrt und ging weg.
Er kochte innerlich. Wie schaffte sie das bloß? Warum hatte er immer das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, obwohl er ganz genau wusste, dass sie diejenige war, die hier mit gezinkten Karten spielte?
»Das also ist Lily.«
Zach holte tief Luft und sah seinen Freund an. »Ja, das ist Lily.«
»Oha«, Rocket räusperte sich. »Na, die ist ja wirklich eine echte Bombe.« Er boxte Zach in den Arm. »Aber meine Wetten stehen für dich, alter Kumpel. Die hast du doch in null Komma nix entschärft.« Er zog eine seiner dichten schwarzen Augenbrauen hoch. »Zumindest, wenn du irgendwann mal anfängst, mit was anderem als deinem Schwanz zu denken. Was ist bloß mit dir los? So kenne ich dich ja überhaupt nicht, normalerweise bist du doch die Höflichkeit in Person, wenn du es mit einer Frau zu tun hast, egal, was oder wer sie ist. Du solltest dich von ihr nicht so sehr aus der Fassung bringen lassen.«
Dann grinste er breit. »Ein Glück, dass du mich hast. Du hast ihr zu Genüge bewiesen, dass du ein böser Bube bist. Jetzt ist es an der Zeit, dass der liebe Onkel John guckt, was er aus ihr herausholen kann.«