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Lily war außer sich vor Wut, als sie die Tür hinter sich zuschlug. Was für ein Arschloch! Was für ein unglaubliches Arschloch! Was fiel ihm eigentlich ein, sie so zu behandeln?

Aber bitte, dann hatte er eben gewonnen. Sie würde ihre Sachen packen und sich noch heute Nachmittag nach einer neuen Wohnung umsehen. Es passte ihr zwar nicht, ihn so einfach davonkommen zu lassen, aber diese Situation ertrug sie nicht mehr. Für so etwas war sie einfach nicht geschaffen.

Anders als am Abend zuvor, als sie alle ihre Besitztümer wahllos in den Koffer geschmissen hatte, sammelte sie jetzt nur die lebensnotwendigen Dinge zusammen, ohne die sie nicht auskommen konnte, damit sie von einer Minute auf die andere ausziehen konnte. Aber als sie ihre Koffer aus dem Schrank holte, stöhnte sie auf. Das erinnerte sie zu sehr an ihr Leben als Heranwachsende, als kaum ein Jahr ins Land ging, in dem ihr ihre ruhelosen Eltern nicht mitteilten, sie solle ihre Sachen packen, weil sie wieder einmal umziehen würden. Sie hatte schon früh gelernt, sich in einer neuen Umgebung gar nicht erst richtig einzuleben, und daher wusste sie ganz genau, was absolut überlebensnotwendig war und auf was sie gut und gerne ein paar Tage verzichten konnte.

Sie hatte tatsächlich geglaubt, das alles endlich hinter sich zu haben. Bevor ihr Apartment verkauft worden war, hatte sie sieben Jahre dort gewohnt, ein Rekord für jemanden, der elf verschiedene Schulen in sechs verschiedenen Bundesstaaten besucht hatte — ohne die beiden Kochschulen mitzuzählen. Als Glynnis sie eingeladen hatte, zu ihr in dieses reizende Haus am Strand zu ziehen, hatte sie sich mehr darüber gefreut, als sie zu sagen vermochte, und wirklich gehofft, dass der nächste Umzug auch der letzte sein würde. Idealerweise sollte das Restaurant, das sie sich suchen wollte, auch über eine Wohnung verfügen, sodass sie am gleichen Ort wohnen und arbeiten könnte. Sobald sie von ihrem nächsten Job auf der Jacht zurückkam, wollte sie mit der Suche beginnen.

Lily schüttelte den Kopf. Na ja, manchmal entwickelten sich die Dinge eben anders als erhofft — wer wusste das besser als sie? Das hieß jedoch nicht, dass sie Hals über Kopf, ohne jeden Plan, von hier verschwinden würde. Sie könnte bestimmt ein paar Tage auf dem Sofa von Mimi kampieren, aber das sollte ihr letzter Rettungsanker sein. Zunächst wollte sie die Anzeigen durchforsten und schauen, ob nicht eine Wohnung ohne einen längerfristigen Mietvertrag zu bekommen war.

Doch schon allein der Gedanke an die Sucherei machte sie müde. Sie wollte lieber mit etwas beginnen, das sie weniger nervte, deshalb legte sie ihren Koffer auf das Bett und fing an zu packen.

Sie hatte gerade den größten Teil ihrer Wäsche in einer Ecke des Koffers verstaut und beschlossen, in der Garage noch nach ein paar Kartons zu suchen, als ihr Blick auf einen Umschlag fiel, der aus einer der Innentaschen des Koffers lugte.

Einen Moment verharrte sie bewegungslos über den Haufen aus Seide und Spitze gebeugt. Seltsam, sie erinnerte sich nicht daran, etwas in die Tasche gesteckt zu haben. Dann zuckte sie die Schultern. Es war wahrscheinlich nur eine alte Grußkarte, die dort hineingeraten war, als sie gestern Abend ihre Sachen zusammengerafft hatte. Da sie solche Dinge nur selten aufhob — eine Angewohnheit aus der Zeit, als sie versuchte, möglichst nichts Überflüssiges mit sich herumzuschleppen —, gehörte sie wahrscheinlich nicht einmal ihr.

Gerade als sie den Umschlag herausziehen wollte, klopfte es an der Tür. Sie drehte sich um und hatte die Karte augenblicklich vergessen. »Gehen Sie weg«, blaffte sie, und ihr Puls schnellte sofort wieder in die Höhe, als hätte er sich nie beruhigt. »Ich habe keine Lust mehr, mit Ihnen zu reden.«

»Ich bin’s, John Miglionni. Bitte. Ich werde Sie nicht lange stören, ich will Ihnen nur etwas sagen.«

Mit großen Schritten durchmaß sie das Zimmer und riss die Tür auf. Sie baute sich mit verschränkten Armen vor dem Mann auf, der auf ihrer Türschwelle stand, und funkelte ihn streitlustig an. »Wie kommen Sie darauf, dass ich auch nur einen Pfifferling darauf gebe, was Sie mir zu sagen haben?« Dann blinzelte sie. Sie war vorhin wegen Zach so wütend gewesen, dass sie seinen Freund kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Jetzt nahm sie John in Augenschein und murmelte: »Wo bin ich hier überhaupt reingeraten? In die US-amerikanische Testosteron-Zentrale?«

Nach einem zweiten, längeren Blick konnte sie sich allerdings nicht mehr so genau erklären, woher dieser Eindruck gekommen war. Nach einem besonders harten Typen sah er eigentlich gar nicht aus. Sie schätzte, dass er knapp ein Meter neunzig war, und abgesehen von seinen breiten Schultern, hatte er mit seinem edlen silbergrauen T-Shirt und den tadellos gebügelten schwarzen Hosen etwas von dem jungen Jimmy Stewart an sich. Selbst die muskulösen Schultern erschienen ihr weniger mächtig, als sie zuerst gedacht hatte, als sie ihn jetzt, gegen den Türrahmen gelehnt, musterte.

Er hatte einen dunklen Teint, und sein Haar war so schwarz und glänzend, dass es selbst in dem dämmrigen Flur blau schimmerte. Er hatte es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was die hohen Wangenknochen, die Hakennase und das kantige, schmale Gesicht noch betonte. Aber was sie vor allem fesselte, waren seine dunklen Augen und sein Lächeln — beide hatten etwas Scheues und Zurückhaltendes wie bei einem Novizen.

»Testosteron-Zentrale? Keine Ahnung«, sagte er ruhig. »Ich wollte wegen Zachariah um Verzeihung bitten. Er stand in der letzten Zeit ziemlich unter Druck und macht sich Sorgen um seine kleine Schwester, aber das ist keine Entschuldigung für sein Verhalten gerade eben. Er hat sich vollkommen danebenbenommen, und das habe ich ihm auch gesagt.«

Seine mit leiser Stimme vorgebrachte Entschuldigung besänftigte sie augenblicklich, und ihre Streitlust schwand. »Sehr freundlich von Ihnen.«

Er verbeugte sich. »Keineswegs. Zachs Anspielungen waren beleidigend, und ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich sein Verhalten, auch wenn er mein Freund ist, nicht billige.« Er steckte die Hände in die Hosentaschen, beugte sich etwas vor und warf ihr einen zurückhaltenden, aber durchaus interessierten Blick zu. »Sind Sie von hier?«

Durch die Bewegung traten die Sehnen an seinen Armen stärker hervor, und Lily stellte fest, dass er doch muskulöser war, als sie gedacht hatte. Auf seinen Unterarmen schimmerten seidige schwarze Haare, und einen Moment lang fesselte ein kleiner farbiger Fleck auf seinem linken Arm Lilys Aufmerksamkeit. »Man könnte sagen, dass ich von überallher komme«, bekannte sie und warf noch einmal einen verstohlenen Blick auf den Fleck — offensichtlich eine Tätowierung —, um herauszubekommen, was sie darstellte. »Aber die letzten sieben Jahre habe ich in ...« Sie brach mitten im Satz ab. Langsam dämmerte es ihr.

O ja. Er war gut. Sie hätte an den Eindruck, den sie in der Küche von ihm gewonnen hatte, denken sollen, an seine intelligenten, wachsamen Augen. Stattdessen war sie auf sein freundliches, beschwichtigendes Verhalten und sein zurückhaltendes Interesse reingefallen.

»Ach«, fuhr sie sanft fort und machte eine wegwerfende Handbewegung, »das interessiert Sie bestimmt nicht.«

»Ganz im Gegenteil. Ich würde gerne mehr über Sie wissen.«

»Wirklich nett von Ihnen. Es tut mir so gut, mit einem wahren Gentleman zu sprechen, nachdem ich es gerade mit diesem unglaublichen —« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Entschuldigung, ich vergaß, dass er ja Ihr Freund ist.«

»Da gibt es nichts zu entschuldigen.« Er lehnte sich wieder gegen den Türpfosten und lächelte sein Novizenlächeln. »Sie waren gerade dabei, mir zu erzählen, wo Sie überall gelebt haben und was Sie in den letzten sieben Jahren ...«

»Ach, wir wollen nicht über mich sprechen.« Sie bedachte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. »Wo kommen Sie denn her?«

»Genau wie Sie, von überall und nirgendwo.« Er beugte sich noch ein wenig weiter vor. »Vielleicht haben wir ja mal an demselben Ort gelebt?«

»Meinen Sie? Das wäre lustig, nicht wahr?« Sie sah ihn unter ihren langen Wimpern hervor an und sagte leise: »John ist ein so schöner, starker Name. Was ist Ihr Sternzeichen?«

»Widder. Und Ihres?«

»Oh, wie schade. Keines, das zu Ihrem passen würde. Wäre auch zu schön gewesen.« Mit einem bedauerndem Seufzer machte sie Anstalten, die Tür zu schließen.

»Einen Moment noch!« Er richtete sich auf und schenkte ihr ein fast unterwürfiges Lächeln. »Das können Sie mir nicht vorhalten. Sie wissen ja noch nicht einmal, in welchem Haus mein Mond steht und so. Das ist doch das Entscheidende.«

»Stimmt. Wann genau wurden Sie denn geboren?«

Er sagte es ihr, und sie gab ein nachdenkliches »hm« von sich, dann fasste sie ihn zart am Handgelenk. »Und womit verdienen Sie sich Ihren Lebensunterhalt, John?«

»Ich bin Wirtschaftsprüfer.«

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Oh.«

»Und Finanzberater.«

»Nein wirklich? Ich liebe Geld!« Sie lehnte sich gegen die offene Tür und ließ ihre Hand über das glatte Holz gleiten, bis sie über ihrem Kopf angelangt war, die Handfläche gegen das Türblatt gedrückt. »Ich hätte da gleich mal eine Frage«, sagte sie und stellte zufrieden fest, dass er verstohlen die durch diese Pose betonte Rundung ihres Busens anstarrte. »Wenn ich Langzeitinvestitionen vornehmen wollte, welche Mischung aus hoch-, mittel- und niedrigverzinslichen Kapitalanlagen würden Sie mir dann für ein Aktien-Portfolio empfehlen? Und wie schätzen Sie Index-Mutual-Fonds ein?«

Er hob rasch den Kopf und sah sie an. »Äh ...«

»Sie sollten«, sagte sie mit leisem Tadel in der Stimme, »blonde Haare und große Brüste nicht mit Hirnlosigkeit verwechseln.«

Er blickte sie verwirrt an. »Wie?«

»Zach macht aus seiner Feindseligkeit wenigstens kein Geheimnis. Das nächste Mal, wenn Sie so tun, als könnten Sie kein Wässerchen trüben, sollten Sie vielleicht ein Pflaster da draufkleben.« Sie deutete mit dem Kopf auf die Tätowierung auf seinem Arm, die jetzt deutlich zu sehen war. Sie bestand aus den drei Wörtern Schnell, Leise und Tödlich in schwarzer Schrift auf rotem Grund, die auf drei Seiten einen in Weiß, Gelb und Schwarz gezeichneten Totenschädel umgaben; darunter stand der Name der Einheit: 2d Recon Bn. Sie sah ihm in die Augen, die plötzlich einen harten Ausdruck angenommen hatten, und erklärte ihm knapp: »Das passt nicht ganz zu Ihrem Image, wissen Sie.« Dann gab sie der Tür mit der flachen Hand einen Schubs und schlug sie ihm vor der Nase zu.

Sie hatte das Gefühl, jeden Augenblick explodieren zu müssen. Als ob’s bis jetzt nicht schlimm genug wäre, hatten sich diese beiden Scheißkerle auch noch gegen sie verbündet! Sie war zu aufgebracht, um weiter zu packen, und lief stattdessen in ihrem Zimmer auf und ab.

Dann hielt sie inne. Sie musste hier raus, bevor sie etwas Dummes tat, zum Beispiel loskreischte. Bei einem Spaziergang am Strand würde sie sich zwar beruhigen, aber besser war es noch, sie schlug zwei Fliegen mit einer Klappe und besorgte sich die Zeitung, fuhr die Küstenstraße runter zum Koffee Klatch und studierte dort in Ruhe die Wohnungsangebote. Eine angenehme, friedliche Umgebung war genau das, was sie jetzt brauchte. Sie schnappte sich ihre Handtasche von der Kommode, wo sie sie vor einer halben Ewigkeit, wie ihr schien, abgelegt hatte, und verließ das Zimmer.

Als sie einige Stunden später zurückkam, war die Sonne als feuerroter Ball hinter dem Horizont verschwunden, und sie war wesentlich ruhiger — wenn auch ihrem Ziel, eine Wohnung zu finden, kein bisschen näher gekommen. Es war nur eine Wohnung angeboten worden, die es wert schien, genauer angesehen zu werden, und die war schon weg gewesen, als sie angerufen hatte.

Nun, es gab ja noch das Internet, aber darum würde sie sich erst später kümmern. In ihrem Zimmer war es ihr zu eng, und da sie keine Lust hatte, so zu tun, als hätte sie etwas zu verbergen, marschierte sie den Flur entlang und wappnete sich für eine weitere Konfrontation mit Zach und seinem hinterhältigen Freund. In der Küche war jedoch niemand, und auch sonst machte das Haus einen verlassenen Eindruck. Sie nahm sich eine Portion Eis und trug die Schüssel ins Wohnzimmer, wo sie es sich in einem Sessel bequem machte und die Nachrichten einschaltete. Kurze Zeit später schaltete sie den Fernseher wieder aus. Abgesehen von der vagen Erinnerung an zwei Berichte über einen bevorstehenden Streik der Fluglotsen und einen Mord und anschließenden Selbstmord des Täters in Newport Beach, hatte sie keine Ahnung, was sie gerade gesehen hatte. Sie spülte ihre Schüssel in der Küche und ging dann auf die Terrasse, um dem Rauschen der Brandung zu lauschen.

Normalerweise hatte das Geräusch der gegen den Strand brandenden Wellen die beruhigende Wirkung eines Wiegenlieds auf sie, doch an diesem Abend schenkte es ihr keine Ruhe, und sie beschloss, es für heute gut sein zu lassen. Es reichte, wenn sie sich morgen früh ins Internet einloggte, um zu sehen, was das Netz auf dem Wohnungsmarkt zu bieten hatte. Im Moment sehnte sie sich nur noch danach, sich in Morpheus’ Arme sinken zu lassen.

Erst am späten Vormittag des nächsten Tages, als sie die meisten ihrer Besitztümer, die sie tags zuvor zusammengesucht hatte, in den Kartons aus der Garage verstaut hatte, fiel ihr wieder der Umschlag im Koffer ein. Sie nahm ihn, zog ein einzelnes Blatt Papier heraus, faltete es auseinander und begann zu lesen.

O nein! Sie sank auf die Kante ihres Bettes. Sie wünschte, ihre Eltern hätten ihr eine weniger gute Erziehung angedeihen lassen, denn die paar armseligen Kraftausdrücke, die sie kannte, wurden dem, was sie empfand, in keiner Weise gerecht. Mist!

Der Brief war von Glynnis. Lily konnte sich nicht erklären, wie sie ihn hatte übersehen können, aber das war jetzt auch schon egal. Fakt war, dass Glynnis sie ausdrücklich darum bat, Zach mitzuteilen, wohin sie gefahren war und mit wem und warum.

Mist, Mist Mist! Warum gerade sie?

Aber es half alles nichts, sie musste Glynnis’ Wunsch nachkommen, und wenn es ihr noch so zuwider war. Sie rüstete sich innerlich gegen den Ausbruch von Zach, der ihr zweifellos bevorstand, und machte sich auf die Suche nach ihm.

Als sie entdeckte, dass er nicht zu Hause war, führte sie zwar keinen Freudentanz auf, aber sie war doch nahe dran. Wie schade, dachte sie vergnügt und holte eine Packung Blätterteig aus dem Kühlschrank, um sich eine Gemüse-Quiche zu machen, die gut zu dem Apfel-Chutney passen würde, das sie ein paar Tage zuvor zubereitet hatte. Und nach dem Mittagessen, nahm sie sich vor, werde ich zum Makler gehen.

Als sie kurz darauf, während sie noch aß, hörte, wie die Hintertür geöffnet wurde, seufzte sie resigniert auf. Damit war ihr glatter Abgang dahin. Mist.

Zach schloss die Tür hinter sich und sah Lily an, die seinen Blick ruhig erwiderte und sich dann wieder ihrem Mittagessen widmete. Wie gestern war sie von Kopf bis Fuß komplett aufgestylt — dieses Mal steckte sie in hochhackigen blauen Sandaletten, die zu ihrem Oberteil passten, das sie zweifellos ausgesucht hatte, weil es die Farbe ihrer Augen hatte. Nur mit Mühe konnte er seinen Blick von ihren rosigen Lippen losreißen, die sich eben um einen wunderbar duftenden Bissen schlossen, und auf den Teller richten, auf dem eine Art Blätterteigpastete mit wildem Reis, Gemüse und etwas, das wie Preiselbeeren aussah, lag. Sein Magen fing sofort an zu knurren, als wolle er ihm mitteilen, dass ein armseliger Erdnussbutter-Toast kein echtes Frühstück für einen erwachsenen Mann darstellte. »Das muss ich Ihnen lassen, Lollipop. Kochen können Sie.«

»Stimmt, das kann ich.« Sie zögerte, dann deutete sie mit dem Kinn zum Herd. »Im Ofen ist noch ein Stück, wenn Sie wollen.«

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er holte sich einen Teller, verbrannte sich die Finger, als er die Pastete aus dem Ofen holte, nahm eine Gabel aus der Schublade und goss sich ein Glas Milch ein. Dann trug er die Sachen zum Tisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Sie reichte ihm ein Schüsselchen mit einer würzig riechenden Soße, in der Apfelstückchen schwammen, und er löffelte sich etwas davon auf seinen Teller. Bevor er zu essen anfing, warf er ihr einen misstrauischen Blick zu. »Woher der plötzliche Sinneswandel?«

»Aus genau dem Grund, den Sie vermuten«, sagte sie mit einem Schulterzucken, das ihn fast dazu verleitet hätte, den Blick zu ihren Brüsten wandern zu lassen, um zu sehen, wie sie bei dieser Bewegung mitwippten. »Um Sie weich zu klopfen, natürlich.« Sie deutete auf seinen Teller. »Lassen Sie es nicht kalt werden.«

Da er wusste, dass er keine weiteren Erklärungen erwarten konnte, probierte er den ersten Bissen. Und der genügte, um ihn alles andere vergessen zu lassen. »Wahnsinn«, stieß er hervor, als er kurz von seinem Teller aufschaute. Einen Moment lang dachte er nicht mehr daran, mit wem er es zu tun hatte, und lächelte sie breit an. »Das schmeckt fantastisch.« Er nahm den nächsten Bissen, genoss die wunderbare Konsistenz und den köstlichen Geschmack, der sich in seinem Mund ausbreitete.

»Dann ist meinem hinterlistigen Plan also Erfolg beschieden«, fragte Lily, als er fertig gegessen hatte, »und meine Kochkünste haben Sie milde gestimmt?«

»Ja.« Und überraschenderweise stimmte das. Den Vormittag hatte er in Camp Pendleton verbracht und die drei Südamerikaner auf ihr Trainingsprogramm vorbereitet, und jetzt hatte er offiziell Urlaub, dazu noch einen gut gefüllten Bauch, und er war tatsächlich verdammt milde gestimmt.

»Gut.« Lily schob ein Blatt Papier über den Tisch, das in der Mitte gefaltet war.

»Was ist das?« Er nahm das Blatt und faltete es auseinander. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er die Handschrift seiner Schwester erkannte. Dann las er, was sie geschrieben hatte, und sein Kopf schnellte in die Höhe. Was da stand, gefiel ihm gar nicht, und er nagelte die kurvenreiche kleine Blondine, die ihm gegenübersaß, mit seinem Blick fest. »Okay, raus mit der Sprache.«

Lily holte tief Luft und stieß sie dann langsam wieder aus. »Glynnis ist nicht hier, weil sie nach Washington gefahren ist, um ... um die Familie ihres Verlobten kennen zu lernen.«

Zach reagierte genau so, wie Lily es erwartet hatte.

Er stieß einen kurzen Fluch aus, dann sprang er mit einer so heftigen Bewegung auf, dass sein Stuhl nach hinten umkippte. Er legte seine Hände auf die Tischplatte, stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf seine gespreizten Finger und beugte sich so weit zu ihr vor, dass er fast ihre Nasenspitze berührte. »Ich glaube Ihnen kein Wort, Lady. Sie haben die ganze Zeit über gewusst, wo sie steckt. Warum rücken Sie erst jetzt damit heraus?«

Ihre Gesichter waren sich so nah, dass sie das Chutney in seinem Atem riechen und das Knacken seiner Kiefergelenke hören konnte, als er die Zähne aufeinander presste. Die Luft knisterte vor Spannung, aber sie zwang sich, seinen zornigen Blick gelassen zu erwidern. »Ich habe diesen Brief eben erst entdeckt.«

»Und wenn Sie ihn nicht gefunden hätten, dann hätten Sie es mir nie erzählt?«

Sie hob ihr Kinn. »Ihre Schwester ist eine erwachsene Frau, Taylor. Es ist nicht meine Aufgabe, Sie darüber auf dem Laufenden zu halten, was sie treibt. Wenn sie gewollt hätte, dass ich es Ihnen erzähle, hätte sie es mir vorher gesagt — und bedenkt man, was für ein Kontrollfreak Sie sind, bin ich nicht unbedingt überrascht, dass sie es nicht getan hat.« Sie sah ihn ruhig an. »Und wie sich gezeigt hat, sind Sie zwar ein Kontrollfreak, aber offensichtlich wollte sie trotzdem, dass Sie Bescheid wissen. Deshalb kriegen Sie jetzt Ihre Informationen. Der Name des jungen Mannes lautet David Beaumont. Die beiden haben sich kennen gelernt, als er geschäftlich hier zu tun hatte, und sie sind rauf nach Washington gefahren, damit er Glynnis seiner Familie vorstellen kann. Und dann wollen sie heiraten.« Einer ihrer Mundwinkel verzog sich zu einem schwachen Lächeln. »Ich bin mir sicher, dass Sie eingeladen werden.«

»Was Sie nicht sagen.« Zach stieß sich vom Tisch ab und starrte von oben auf sie hinunter.

»Vielleicht aber auch nicht, wenn Sie Ihre Einstellung nicht ändern.«

»Den Teufel werde ich tun. Ich will verdammt sein, wenn ich irgendeinem dahergelaufenen Mitgiftjäger erlaube, meiner kleinen Schwester das Herz zu brechen.«

»Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt!« Sie starrte ihn aufgebracht an. »Sie kennen David doch gar nicht. Er liebt sie!«

»Liebt ihr Geld, wollten Sie sagen.«

»Nein, Rambo. Er liebt sie. Ich habe sie zusammen erlebt und –« Jedes weitere Wort konnte sie sich sparen, da Zach bereits auf dem Absatz kehrtgemacht hatte und aus der Küche gestürmt war. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, wo er hastig ein Adressbuch durchblätterte.

Er stieß einen triumphierenden Laut aus und griff nach dem Telefonhörer. Als er Lily im Türrahmen stehen sah, erschien auf seinem Gesicht ein selbstzufriedenes Lächeln. »Ich wusste, ich kann mich darauf verlassen, dass Glynnis seine Handynummer aufgeschrieben hat.« Er tippte die Nummer ein.

Dann verschwand das Lächeln von seinem Gesicht, und er knallte den Hörer hin. »Scheiße. Nicht erreichbar.« Er bedachte sie mit einem seiner Mein-Wunsch-ist-dein-Befehl-Blicke. »Geben Sie mir die Nummer von den Beaumonts.«

»Die kenne ich nicht. Das Einzige, was ich habe, ist seine Adresse.«

Er rief die Auskunft an, und sie beobachtete, wie sein Gesicht einen noch grimmigeren Ausdruck annahm, als er erfolglos versuchte, der Person am anderen Ende die Geheimnummer zu entlocken. Daraufhin schnappte er sich das Branchenverzeichnis und warf Lily einen wütenden Blick zu. »Ich will die Adresse haben«, fuhr er sie an. »Ich buche jetzt einen Flug nach Seattle, und Sie werden mir gefälligst die genaue Adresse mitteilen, bevor ich aufbreche.«

In diesem Augenblick fiel Lily der angekündigte Streik der Fluglotsen wieder ein. Sie hatte bereits den Mund geöffnet, um Zach davon in Kenntnis zu setzen, ließ es dann aber bleiben. Er würde ihr ja sowieso nicht glauben. Aber aus den Flüchen, die er von sich gab, als er den Hörer kurz darauf auf die Gabel warf, konnte sie schließen, dass der Streik inzwischen stattfand.

»Zum Teufel damit«, knurrte er. »Dann fahre ich eben mit dem Auto.« Er sah sie an. »Geben Sie mir die Adresse.«

»Ja, mein Herr und Meister«, sagte sie, als er aus dem Wohnzimmer marschierte — vermutlich, um zu packen.

Auf dem Weg in ihr Zimmer hatte Lily wirklich vor, Zach die Adresse zu geben und ihm dann aus dem Weg zu gehen. Dass er die Hochzeitspläne von Glynnis und David durchkreuzen wollte, ging sie nichts an. Glynnis war eine erwachsene Frau, und wenn sie alt genug war, um zu heiraten, dann musste sie auch alt genug sein, um sich gegen ihren Bruder durchzusetzen, was die Wahl ihres Ehemannes anging.

Mir soll’s recht sein, dachte sie, während sie versuchte, sich zu erinnern, in welchen Karton sie ihr Adressbuch gepackt hatte. Hey, immerhin gewinne ich dadurch eine Atempause und habe mehr Zeit, mir eine Wohnung zu suchen, wenn mir dieser Kerl nicht ständig auf den Fersen ist.

Sie verdrängte das Schuldgefühl, das leise an ihr zu nagen begann. Sie und Glynnis hatten sich gut vertragen, und sie war ehrlich überzeugt, dass David genau der Richtige für sie war. Aber Glynnis’ Probleme mit ihrem Bruder gingen nur die beiden etwas an.

»Lily!« Der ungeduldige Ruf kam von draußen, und sie lief rasch zum Fenster und riss es auf. Zach stand auf dem Stellplatz vor den Garagen neben einem schwarzen Jeep mit getönten Scheiben und starrte zu ihrem Fenster hinauf. Sobald er sie auftauchen sah, schlug er mit der Hand auf das Autodach und brüllte: »Beeilen Sie sich mit der Adresse!«

Als sie den harten, streitlustigen Ausdruck auf seinem Gesicht sah, stieg Ärger in ihr auf. Er war wirklich eine Dampfwalze. Sie dachte wieder an Glynnis und das zerbrechliche Glück, das sie in den letzten beiden Monaten mit David erlebt hatte. Er war so zärtlich mit ihr umgegangen — die beiden würden wohl kaum gegen Zachariah Taylor ankommen. Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Es war schon schwer genug, die wahre Liebe zu finden — da brauchte es nicht auch noch einen rücksichtslosen, herumbrüllenden Möchtegerngeneral.

Sie warf einen Blick auf ihren offenen Koffer und traf eine Entscheidung. Vielleicht beging sie ja einen Riesenfehler, aber zumindest war es einer, von dem sie wusste, dass sie ihn immer wieder machen würde.

»Oh, Mann!«

Mach mich glücklich

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