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Zach trommelte ungeduldig auf das Dach seines Jeeps. Wann kam Lily endlich mit der Adresse?

Er war nervös, und die Warterei trug nicht eben zu seiner Beruhigung bei; er musste etwas unternehmen, bevor seine Schwester einen Fehler beging, unter dem sie vielleicht Jahre zu leiden hatte. Die Tatsache, dass sich Lily in Glynnis’ Leben geschlichen hatte, war schlimm genug. Er wusste nicht einmal, wie lange seine Schwester schon unterwegs war, und die Zeit, die ihn dieses geldgierige kleine Luder gekostet hatte, indem sie die Nachricht von Glynnis nicht herausrückte, konnte darüber entscheiden, ob er noch rechtzeitig zum Haus der Beaumonts kam, um dieser Farce ein Ende zu bereiten, oder nicht.

Bedenkt man, was für ein Kontrollfreak Sie sind, bin ich nicht unbedingt überrascht, dass Ihnen Glynnis nichts von ihren Plänen erzählt hat, flüsterte Lilys Stimme in Zachs Kopf und unterbrach das Trommeln seiner Finger auf dem Autodach. Er schlug mit beiden Händen auf das heiße Metall, stieß sich ab und begann, unruhig auf und ab zu laufen.

So ein Quatsch. Das hatte doch nichts mit Kontrolle zu suchen; er wollte nur seine kleine Schwester beschützen. Irgendjemand musste sie davon abhalten, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.

Er kannte seine Schwester schließlich, und dieses Mal war die Sache noch schlimmer als sonst. Glynnis hatte zwar ein übergroßes Herz, aber bislang hatte es noch niemand geschafft, ihr eine eirat schmackhaft zu machen. Zach fuhr sich mit der Hand durch die Haare, während er auf und ab tigerte. Bis dieser Kerl gekommen war, dieser Beaumont. Irgendwie hatte er sie offensichtlich davon überzeugt, dass er der Mann war, dem sie vertrauen konnte, der ihr das Glück schenken würde, nach dem sie sich immer gesehnt hatte. Zach musste sie retten und verhindern, dass ihr weiches, großes Herz in Stücke gerissen wurde. Wenn er nur daran dachte, wie schlecht es ihr früher immer gegangen war, wenn sie entdeckt hatte, dass sie von Leuten, denen sie vertraut hatte, missbraucht worden war — wie würde sie sich erst fühlen, wenn sie feststellen musste, dass sie von ihrer großen Liebe zum Narren gehalten worden war.

Liebe. Zach schnaubte. Als ob das ein Gefühl war, dem man trauen konnte.

Er hatte gerade wieder kehrtgemacht, als er Lily auf ihn zukommen sah. »Das wird aber auch Zeit, verdammt noch mal«, schnauzte er sie an und war so damit beschäftigt, ihren aufreizenden Hüftschwung und ihre auf und ab wippenden Brüste zu ignorieren, dass es einen Moment dauerte, bis er merkte, dass sie eine Handtasche und eine Reisetasche schleppte und einen Koffer hinter sich herzog. »Was zum Teufel —«

Mit offenem Mund sah er zu, wie sie auf die Beifahrertür seines Jeeps zusteuerte, sie öffnete und ihre Sachen auf dem Rücksitz verstaute. Dann sah sie ihn über das Autodach hinweg an und klopfte auf das Blech. »Worauf warten Sie noch? Fahren wir los.« Und damit stieg sie in den Wagen.

Er riss die Fahrertür auf, beugte sich über den Sitz und funkelte sie wütend an. »Was soll das denn werden?«

»Ich denke, das sollte sogar für Sie erkennbar sein.« Sie schenkte ihm einen kühlen Blick aus ihren stahlblauen Augen. »Ich habe mich entschlossen, mit Ihnen zu kommen.«

»Nur über meine Leiche, Lady.«

»Auch gut, das erspart mir die Fahrt. Aber falls das nur ein leeres Versprechen sein sollte — Ihre Schwester hat mit David einen Glücksgriff getan, und ich habe beschlossen, nicht tatenlos zusehen, wie Sie dieses Glück zerstören.«

»So, das haben Sie also beschlossen«, höhnte er. »Haben Sie vielleicht Angst, freie Kost und Logis zu verlieren, wenn ich sie wieder zur Vernunft gebracht habe?« Irgendetwas an diesem Gedankengang war nicht ganz logisch, aber in seiner Wut kam er nicht darauf, was. Und es machte ihn erst recht wütend, dass es ihr ohne weiteres gelang, ihn so zu reizen, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Das hatte noch niemand geschafft. »Bewegen Sie Ihren kleinen Hintern aus meinem Auto raus.«

»Nein.«

»Dann bewege ich ihn eben raus.« Er richtete sich auf, fest entschlossen, seine Drohung wahr zu machen.

»Nicht, wenn Sie Davids Adresse haben wollen.«

Zach musste sich ins Gedächtnis rufen, dass er ein disziplinierter Mensch war und dass ein Soldat nicht handelte, ohne zu denken. Er hatte schon versucht, Rocket zu erreichen, aber sein Freund musste das mit den Ferien bei Coop und seiner Frau ernst gemeint und sein Handy ausgeschaltet haben. Zach beugte sich wieder zu Lily und sah sie an. »Ich werde diese Adresse bekommen, und wenn ich dazu Ihr Gepäck und Ihre Handtasche zerlegen muss«, erklärte er. Er ließ seinen Blick langsam über sie wandern. »Und wenn ich Sie dazu bis auf die Haut ausziehen muss.«

Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Könnte lustig werden —aber das würde Ihnen auch nicht weiterhelfen.« Sie tippte sich an die Stirn. »Die Adresse ist hier drin, mein Lieber. Solange Sie also nicht Gedanken lesen können ...«

Fluchend kletterte er in den Jeep und schlug die Tür zu.

Miguel Escavez hastete zu dem Auto, das er gestern einem Soldaten beim Pokern abgenommen hatte, und ließ den Motor an. Als Stabsfeldwebel Taylor kurze Zeit später von seinem luxuriösen Strandhaus wegfuhr, wartete Miguel geduldig, bis er die nächste Kurve erreicht hatte, bevor er die Verfolgung des schwarzen Jeeps aufnahm. Sein spontaner Entschluss, dem Comandante an diesem Vormittag von Camp Pendleton aus zu folgen, war belohnt worden, und zwar schneller, als er erwartet hatte — ein sicheres Zeichen, dass er in gerechter Mission unterwegs war.

Aber daran hatte er eigentlich auch keine Sekunde gezweifelt. Er war schließlich Miguel Hector Javier Escavez, der einzige Sohn des Bürgermeisters von Bisinlejo. Und es war auch nur eines von vielen Zeichen, die ihm bereits gesandt worden waren. Hatte er nicht erst gestern Abend ein Vermögen von diesen Gringo-Soldaten gewonnen?

Das erfüllte ihn mit Genugtuung — nicht nur, was das Geld betraf, mit dem er seine Pläne finanzieren konnte. Sie hielten ihn für dumm, weil er aus einem kleinen kolumbianischen Dorf kam, weil er — wie hatte einer von ihnen gesagt? — ein Chilifresser war. Miguel spuckte aus dem Autofenster. Arrogante Idioten. Wie viele von ihnen konnten zwei Sprachen fließend sprechen? Pater Roberto, der Missionspriester, hatte ihm Englisch beigebracht, und er hatte ihn außerdem in die Feinheiten des Pokerspiels eingeführt. Wenn die Nordamerikaner so furchtbar schlau waren, wie kam es dann, dass sich jetzt der größte Teil ihres letzten Solds in seinen Taschen befand? Sie hatten keine Ahnung. Er war ein bedeutender Mann, er war unter einem günstigen Stern geboren.

Zumindest war es so gewesen, bis die amerikanischen Soldaten alles in Chaos gestürzt hatten. Als die Marines nach Bisinlejo gekommen waren, hatte er Taylor bewundert, aber jetzt war der Stabsfeldwebel sein Feind. Pederson, der unter Taylors Kommando stand, hatte Emilita befleckt, aber es war der Stabsfeldwebel gewesen, der das Ganze noch schlimmer gemacht hatte, als er ihn —Miguel Escavez — vor dem ganzen Dorf erniedrigte. Und von den beiden Demütigungen, die er erfahren hatte, war es diese, die er nicht verzeihen konnte.

Dafür sollte Taylor zahlen.

Miguel lächelte bei der Erinnerung daran, welche Augen der Marine gemacht hatte, als die blonde Frau mit wippenden Brüsten und wackelnden Hüften über den Hof gelaufen war. Er wusste, was er zu tun hatte. Er war nicht nah genug dran gewesen, um ihr Gespräch mithören zu können, aber es war klar, dass die kleine puta die Frau des Comandante war.

Die Kirche lehrte »Auge um Auge, Zahn um Zahn«, und daher wusste Miguel, wie seine Rache aussehen musste. Er hatte seine Frau verloren. Emilita könnte genauso gut tot sein, so wie sie ihn entehrt hatte, und dafür war Taylor verantwortlich. Er würde dafür sorgen, dass der Marine im Gegenzug seine Frau verlor.

Das war nur gerecht.

Lily warf einen Blick auf Zachs grimmiges Gesicht. Sie waren nun schon seit zwei Stunden unterwegs, und er hatte nicht ein Wort mit ihr gewechselt. Nicht eines. Da sie das Schweigen nicht als Erste brechen wollte, sah sie zum Fenster hinaus auf die Mandelbaumplantagen, die an ihnen vorbeizogen. Aber einige Minuten später drehte sie sich doch wieder zu ihm um. »Haben Sie vor weiterzuschmollen, bis wir in Washington sind?«

Der Blick, mit dem er sie bedachte, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem langen, schnurgeraden Freeway vor ihnen zuwandte, hätte eigentlich Schmauchspuren in ihrem Gesicht hinterlassen müssen. »Sie haben mich erpresst, Sie mitzunehmen. Da werden Sie doch wohl verstehen, dass ich keine besondere Lust verspüre, Sie jetzt auch noch zu unterhalten.«

»Ach ja?«, höhnte sie. »Wo Sie doch sonst ein so begnadeter Unterhalter sind.« Würde der Charakter das Aussehen eines Menschen prägen, dann sähe Zach Taylor wie ein Mistkäfer aus. Und da war es doch der Gipfel der Ungerechtigkeit, dass er stattdessen vermutlich einen Job als Unterwäschemodel bekommen würde, verdammt.

Da sie ein geselliger Typ war, konnte sie sich allerdings nicht vorstellen, dass sie es aushalten würde, tausenddreihundert Meilen in eisigem Schweigen zurückzulegen. Also zermarterte sie sich das Hirn nach einem Gesprächsthema, das ihm gefallen könnte. Die neuesten Make-up-Trends vermutlich nicht. Politik und Religion waren immer heikel, und das Wetter war die letzten Tage über gleich bleibend gut gewesen — was blieb also? Essen war natürlich immer ein gutes Thema, aber Zach schien ihr eher der Hau-rein-Typ zu sein als einer, der sie um ein Rezept bat. So blieb wohl nur ein Thema — die Beziehung zwischen Glynnis und David. Und wenn sie das anschneiden würde, würden sie sich vermutlich sofort wieder in die Wolle kriegen.

Vielleicht war es also doch nicht so schlecht, zu schweigen.

Aber nach weiteren dreißig Meilen hielt sie es nicht mehr aus. Als sie an langen Reihen von Eukalyptus-Bäumen vorbeirasten, wandte sie sich erneut um und sah ihn an. »David Beaumont ist nicht der Schuft, für den Sie ihn halten, wissen Sie.«

Zach grunzte.

Lily war überrascht, wie viel Zweifel man mit einem so kurzen Laut zum Ausdruck bringen konnte. »Wirklich nicht«, beharrte sie. »Es sei denn, er ist der allerbeste Schauspieler auf der Welt — und offen gestanden kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand eine solche Rolle vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche durchhält. Was er tun müsste, da Glynnis und er geplant hatten, sich auf der Fahrt Zeit zu lassen und sich unterwegs ein paar Sehenswürdigkeiten anzusehen. Glauben Sie nicht, dass Glynnis unter diesen Umständen selbst herausfinden würde, dass er nicht der Richtige für sie ist?« Dieses Mal erntete sie nicht einmal ein Grunzen als Antwort, und sie unterdrückte einen Seufzer. »Dazu wird es aber sicher nicht kommen. Ich weiß, die beiden haben ihren Entschluss ziemlich schnell gefasst, immerhin kennen sie sich ja erst seit ein paar Monaten, aber David kam mir wie ein anständiger Kerl vor, der sich über beide Ohren in Ihre Schwester verliebt hat und sich für den glücklichsten Mann der Welt hält, weil sie seine Gefühle erwidert.«

»Dann kann ich ja einfach umkehren und wieder heimfahren.«

Sein Tonfall drückte natürlich das glatte Gegenteil aus, und sie gab auf, allerdings nicht, ohne vorher noch laut aufzuseufzen. Schweigend rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her, um die Blutzirkulation in ihrem Hintern und ihren Beinen, die vom langen Sitzen schon ganz taub waren, wieder in Gang zu bringen. Und dann merkte sie, dass ihr noch aus einem anderen Grund unbehaglich zumute war. Sie sah ihn an. »Ich muss aufs Klo.«

Er gab einen weiteren dieser charmanten Laute von sich, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der draußen vorüberziehenden Landschaft zu, entschlossen, fortan wirklich die Klappe zu halten. Geduldig würde sie warten, bis sie zur nächsten Tankstelle kamen, und wenn es sie zwischenzeitlich zerreißen würde. Als sie bald darauf an einem Schild vorbeikamen, das auf einen Rastplatz an der nächsten Ausfahrt hinwies, war sie allerdings doch ziemlich erleichtert, da der Druck auf ihre Blase immer stärker wurde.

Zach rauschte daran vorbei.

Lily tobte innerlich und musste die Lippen fest aufeinander pressen, um nicht laut loszubrüllen und ihm an den Kopf zu werfen, was sie von seiner miesen Taktik hielt. Denn genau das war es — seine Art, ihr mitzuteilen, dass er sie von vornherein nicht hatte dabeihaben wollen und dass er sich, nur weil sie ihn einmal »erpresst« hatte, jetzt nicht auch vorschreiben lassen würde, wie er fuhr. Sie zwang sich, ein Mal tief durchzuatmen, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann strich sie mit der Hand bewundernd über das feine Leder ihres Sitzes. »Nettes Polster«, murmelte sie. »Schade eigentlich, dass meine Blase es in fünf Minuten ruiniert haben wird.«

Er sah zu ihr hinüber, und der Ausdruck seiner grauen Augen ließ erkennen, dass er versuchte, sich darüber klar zu werden, wie ernst sie es meinte. »Okay, halten Sie es noch eine Weile zurück. Bei der nächsten Gelegenheit fahre ich raus.«

In dieser ländlichen Gegend gab es allerdings nur wenige, weit auseinander liegende Tankstellen, und Lily konnte sich kaum noch auf ihrem Sitz halten, als Zach endlich eine Ausfahrt erreichte und vor einer Zapfsäule hielt. Sie stürzte aus dem Auto und hatte es so eilig, zum Klo zu kommen, dass sie nicht einmal mehr die Tür hinter sich zuschlug.

Als sie ein paar Minuten später wiederkam, steckte Zach gerade den Zapfhahn zurück in seine Halterung. Er zog einen Geldbeutel aus seiner hinteren Hosentasche und machte sich auf den Weg zur Kasse. »Sie sollten besser mitkommen und sich was zu essen besorgen, weil ich nicht noch einmal einen Zwischenstopp einlegen werde.«

Das Angebot des Tankstellen-Shops bestand zum größten Teil aus Fertiggerichten mit zu viel Fett, zu viel Salz oder zu viel Zucker, und Lily begnügte sich daher mit einer Flasche Wasser, zwei Äpfeln, einer Orange und einer Packung Käsewürfel. Ein Schokoriegel musste allerdings sein. Sie kramte in ihrer Handtasche nach der Geldbörse, doch als sie sie ganz zuunterst endlich entdeckte, hatte Zach bereits alles bezahlt.

»Kommen Sie schon«, sagte er und ging zum Jeep. Seufzend stakste sie in ihren Stöckelschuhen hinter ihm her über den rissigen Betonboden. Das würde eine sehr lange Reise werden.

Miguel beeilte sich, sein Benzin zu bezahlen, und beobachtete dabei durch das Fenster, wie Taylor von der Tankstelle wegfuhr. Wo, zum Teufel, wollte er bloß hin?

Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte erwartet, dass Taylor seine Frau in der kleinen Stadt am Meer, in der er lebte, zum Essen ausführen würde. Oder allenfalls nach Los Angeles fuhr. Was er sicher nicht erwartet hatte, war, dass er immer weiter fahren und fahren und fahren würde. Miguel hatte schon fast kein Benzin mehr im Tank gehabt, als Taylor endlich an dieser Tankstelle rausgefahren war. Glücklicherweise waren sie in Amerika, denn hier befanden sich auf beiden Seiten der Tankstelle Zapfsäulen. In Bisinlejo hatten sie nur eine einzige Zapfsäule — und der Tankwagen, der die befüllte, kam nur alle paar Monate vorbei. Hier konnte er gleichzeitig mit dem Comandante tanken, ohne von ihm gesehen zu werden.

Er verstaute das Wechselgeld in der Hosentasche und lief zu seinem Auto. Er wollte Taylor nicht zu viel Vorsprung geben. Wenn der Marine eine Ausfahrt nahm, bevor Miguel ihn wieder eingeholt hatte, war die ganze Fahrerei umsonst gewesen; er müsste wer weiß wie lange warten und wieder ganz von vorn anfangen. Und darauf war er nicht unbedingt scharf. Schade, dass sich keine Gelegenheit ergeben hatte, schon hier mit der Blondine zu sprechen, aber Pater Roberto hatte immer gesagt, dass denen, die warten können, Gutes widerfährt.

Und er hatte alle Zeit der Welt.

Lily hatte keine Ahnung, wie spät es war, als sie einige Stunden später aufwachte und merkte, dass der Jeep angehalten hatte. Es war stockdunkel, und während sie sich benommen aufrichtete, hörte sie von hinten aus dem Wagen Geräusche. »Was ist los?«, murmelte sie und versuchte, die Benommenheit abzuschütteln, die wie ein Schleier über ihr lag. Ihr Hintern war taub und ihr Nacken ganz steif von der unbequemen Position, in der sie geschlafen hatte.

»Wir bleiben hier für die Nacht«, polterte Zachs tiefe Stimme aus der Richtung des Heck.

»Oh. Okay.« Sie gähnte und tastete mit der einen Hand nach ihrer Handtasche und mit der anderen nach dem Türgriff. »Warten Sie, ich gebe Ihnen Geld für das Zimmer.«

Er lachte kurz und spöttisch auf, und jetzt erst war sie so weit wach, dass sie sich umsehen konnte und feststellte, dass sie nicht auf dem Parkplatz eines hübschen Hotels und nicht einmal im heruntergekommenen Hinterhof eines abgerissenen Motels standen. Sie befanden sich im absoluten Niemandsland.

Und es war kalt. Sie zitterte, als sie die Tür öffnete und kalte Luft hereinströmte. Mit klappernden Zähnen zog sie die Tür schnell wieder zu, kniete sich auf den Sitz und griff nach ihrem Koffer auf der Rückbank. Sie holte einen Pulli heraus, streifte ihn über und kletterte dann vorsichtig aus dem Auto. »Wo sind wir?« Sie hörte, wie die Heckklappe ins Schloss fiel, und spähte angestrengt in die Dunkelheit.

»Auf einem Zeltplatz in der Nähe von Shasta.«

»In den Bergen?«

»Ja, in den Bergen.«

»Und hier sollen wir die Nacht über bleiben?« Sie machte einen unbedachten Schritt, blieb mit ihren Absätzen, die sich für die hiesigen Bodenverhältnisse nicht unbedingt eigneten, an irgendetwas hängen und verlor das Gleichgewicht.

Sie sah sich schon mit dem Gesicht voran auf den Boden knallen, als ihr Fall plötzlich aufgehalten wurde. Zwei raue Hände hatten sie an den Oberarmen gepackt und zogen sie hoch. Im nächsten Augenblick wurde sie so heftig gegen eine muskelbepackte Brust gedrückt, dass ihr die Luft wegblieb. Ihr Kinn stieß gegen Zachs Rippen, und ihre Zähne schlugen krachend aufeinander.

Einen Moment lang grub sie ihre Finger in seine muskulösen Arme und klammerte sich an ihm fest. Während sie sich vergewisserte, dass noch jedes ihrer Körperteile an seinem Platz war, lehnte sie gegen den angenehm festen Körper, der sie stützte und nach Waschmittel, Seife und Mann roch. In seinen Armen zu liegen fühlte sich sehr ... sicher an. Und warm — so wunderbar warm.

Dann verstärkte sich der Griff um ihre Arme. Er schob sie von sich weg, ließ sie aber erst los, als sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. »Ziehen Sie lieber Turnschuhe an, sonst brechen Sie sich noch den Hals.«

Plötzlich war ihr wieder kalt, und sie versuchte, sein Gesicht in der Dunkelheit zu erkennen, als er einen Schritt von ihr wegtrat. »Ich besitze keine Turnschuhe.« Lieber Gott, das konnte er doch nicht ernst gemeint haben, dass sie hier draußen übernachten sollten, oder?

»Ja klar, wie komme ich bloß auf die Idee?« Er lachte kurz. »Natürlich besitzen Sie so etwas nicht. Haben Sie überhaupt irgendwelche Schuhe in dieser Tasche, die keine zehn Zentimeter hohen Absätze haben?«

»Sandalen«, sagte sie möglichst würdevoll.

»Dann sollten Sie die vielleicht anziehen, statt sich den Hals zu brechen.«

Sie drehte sich um, um zurück zum Wagen zu gehen, und musste feststellen, dass sie durch den Beinahe-Sturz völlig die Orientierung verloren hatte. »In welcher Richtung steht der Jeep? Und wie kommt es, dass Sie etwas sehen, während ich rein gar nichts erkennen kann? Tragen Sie vielleicht eines dieser Nachtsichtgeräte?«

»Nein, ich sehe nachts sehr gut. Drehen Sie sich halb nach rechts; das Auto steht ein paar Schritte weiter vor Ihnen.«

Vorsichtig tastete sie sich bis zum Auto und seufzte vor Erleichterung auf, als sie schließlich den Türgriff zu fassen bekam. Sie öffnete die Tür, und die Innenbeleuchtung ging an. Sie bekannte, dass sie keine große Naturliebhaberin war. Das höchste der Gefühle waren für sie Sonnenuntergänge, von einer Terrasse aus betrachtet. In der Dunkelheit hörte sie tausend Geräusche, und sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, von welcher Art nachtaktivem Tier sie jeweils stammen könnten. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Autoschlüssel, die vom Zündschloss herunterbaumelten, und verwarf nur widerstrebend die Idee, Taylor hier zu lassen, damit er allein Soldat spielen konnte, während sie zum Highway floh, um sich dort ein Motel mit einer heißen Dusche und sauberen Laken zu suchen.

Nachdem sie ihre Schuhe gewechselt hatte, kramte sie im Handschuhfach und schickte ein kleines Dankgebet zum Himmel, als sie eine Taschenlampe entdeckte. Sie kletterte aus dem Auto und machte sich auf die Suche nach dem Möchtegerngeneral.

Sie entdeckte ihn ausgestreckt in einem Schlafsack auf dem Boden und hielt mitten in der Bewegung inne. Ungläubig starrte sie auf ihn hinunter. »Sie wollen einfach so schlafen?«

»Ja, ich bin erledigt. Hören Sie auf, mir in die Augen zu leuchten.«

Sie richtete die Taschenlampe auf seinen Schlafsack und dachte, wie warm er aussah. »Und was ist mit mir?«

»Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mitkommen, als ich gepackt habe, hätte ich natürlich einen zweiten Schlafsack mitgenommen, Lollipop. Aber Sie sind herzlich eingeladen, mit in meinen zu kriechen.«

Einen winzig kleinen Moment lang war sie tatsächlich versucht, das zu tun, als sie sich an die Hitze erinnerte, die sie während des kurzen Augenblicks in seinen Armen gespürt hatte. Ihr war kalt, verdammt noch mal, und er war so warm wie ein Ofen.

Aber so kalt war ihr auch wieder nicht, dass sie nicht gewusst hätte, was für ein großer Fehler es wäre, mit Zach Taylor in einen Schlafsack zu schlüpfen, der nur für eine Person gedacht war. In Anbetracht seines unverschämten Verhaltens widersprach es zwar aller Vernunft, aber dieser Mann brachte ihr Blut ganz schön in Wallung. »Gibt es noch eine Decke, die ich haben könnte?«

»Kann sein, dass eine im Jeep ist.«

»Das hätten Sie ja auch gleich sagen können.« Sie murmelte noch irgendwas von der Rücksichtslosigkeit der Männer, die eine Frau im Kalten stehen ließen, während sie selbst es gemütlich warm hatten, dann machte sie sich wieder auf den Weg zum Auto. Als sie eine dicke Fleece-Decke auf dem Rücksitz entdeckte, hatte sie ein Gefühl, als wäre sie soeben auf eine Goldader gestoßen. Sie wickelte sie um sich und ging zurück zu Zach. »Ich muss mein Gesicht waschen.«

»Hinten im Wagen finden Sie einen Wasserkanister.«

Schon der Gedanken an kaltes Wasser ließ sie schaudern. »Ich brauche warmes Wasser.«

Seine breiten Schultern im Schlafsack zuckten. »Töpfe und ein Campingkocher sind auch da. Bedienen Sie sich.«

Sie fluchte leise, wandte sich erneut dem Jeep zu und blieb kurz stehen, um ein Ästchen aus ihrer Sandale zu fischen. Der Campingkocher, von dem er gesprochen hatte, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Campingkochern, wie sie sie kannte und die sie vielleicht in Gang hätte bringen können. Dieser hier bestand aus kaum mehr als einer Propangaskartusche, einem Ventil und einem Ring. Sie gab den Gedanken an heißes Wasser auf und schmierte stattdessen ihr Gesicht mit Feuchtigkeitscreme ein, wischte sie mit einem Taschentuch ab und hoffte, auf diese Weise ihr Make-up entfernt zu haben.

Gerade als sie ihre Zahnbürste wieder in ihrem Reiseköfferchen verstaut hatte, entdeckte sie Zachs Matchsack. Sie zog ihn zu sich heran, ließ ihn dann aber schuldbewusst gleich wieder los. Allerdings wog ein gutes Gewissen den dünnen kleinen Kaschmirpulli nicht auf, der nicht dazu gemacht war, mehr als einer leichten Brise an einem Sommerabend zu widerstehen. Wetten, dass Mr. Schlaumeier etwas Angemesseneres für eine Frühlingsnacht in den Bergen besaß? Sie packte die Tasche, warf die Heckklappe zu und kletterte dann auf den Rücksitz des Jeeps. Sie war immer ein braves Mädchen gewesen — und wohin hatte sie das gebracht?

Nachdem sie es sich bequem gemacht hatte, verriegelte sie erst einmal alle Türen. Wenn sie sich in einer Situation wie in einem Horrorfilm befand, dann war sie sich dessen wenigstens auch bewusst, und sie hatte nicht vor, eine dieser dummen Heldinnen zu spielen, die sich schutzlos einem messerschwingenden Irren auslieferten oder, schlimmer noch, einem Hinterwäldler, der endlich einmal ein Mädchen aus der Großstadt so richtig schön kreischen hören wollte. Sie zog Zachs Matchsack auf ihren Schoß und öffnete ihn.

Zuerst bemühte sie sich noch, keine Unordnung anzurichten, während sie seinen Inhalt durchsah. Aber das war Quatsch — er würde sich bestimmt auch nicht so rücksichtsvoll verhalten, wenn er an ihrer Stelle wäre. Daher stülpte sie den Sack einfach um und stöhnte angesichts der tollen Sachen, die herausfielen, vor Begeisterung auf. O Mann, Socken. Warme Wollsocken. Sie streifte ihre Sandalen ab und zog die Socken über ihre eiskalten Füße. Seine übrige Wäsche schien nicht viel Schutz zu bieten, deshalb warf sie die Sachen über ihre Schulter auf die Ladefläche. Dorthin wanderten auch seine Jeans. Aber er hatte ein paar wunderbare Thermo-Sweatshirts, und sie zog ihren kleinen Pulli aus und dafür eines der Sweatshirts an. Und dann noch eines. Darüber kam eine angenehm weiche Fleece-Jacke. Mit Befriedigung stellte sie fest, dass sie endlich wieder aufzutauen begann, krempelte die überlangen Ärmel hoch und beugte sich vor, um im schwachen Licht der Innenbeleuchtung seine übrigen Besitztümer durchzusehen.

Sie entdeckte eine kleine Reißverschlusstasche, aber bis auf ein Kondom, dessen zerschlissene und zerknitterte Folienverpackung so aussah, als würde er es schon länger mit sich herumtragen, waren seine Toilettenartikel ziemlich langweilig. Eine Zahnbürste und Zahnpasta, Zahnseide, ein Rasierer, Nagelschere, Aspirin und eine kleine Tube mit Antiobiotika-Creme. Oh, aber da. Ein Taschenmesser. Neugierig untersuchte sie die verschiedenen Schneiden und anderen Werkzeuge.

Als sie gerade den kleinen Korkenzieher musterte und sich fragte, wo eigentlich die gute Flasche Wein steckte, wenn man sie wirklich brauchte, wurde ihr bewusst, dass ihr mittlerweile warmer Körper den Geruch in Zachs Klamotten freigesetzt hatte. Eine Hitze, die auf jeden Fall nichts mit dem dicken Pullover zu tun hatte, kroch durch ihre Adern. Sie starrte finster vor sich hin, und ihr kurzzeitiges Wohlbefinden löste sich in nichts auf. Toll. Das hatte ihr gerade noch gefehlt — sich von diesem Rambo sexuell angezogen zu fühlen. Sie hatte noch nie verstanden, warum manche Frauen von gut aussehenden Männern angezogen waren, die sie wie Dreck behandelten. Und sie hatte nicht vor, sich zu ihnen zu zählen.

Es war spät, das war ihr Problem. Sie sollte endlich schlafen. Sie nahm die Fleece-Decke, faltete den leeren Matchsack zusammen, um ihn als Kissen zu benutzen, und schaltete die Innenbeleuchtung aus, dann wickelte sie sich in die Decke und streckte sich auf dem Rücksitz aus.

Aber sie konnte sich nicht entspannen. Je länger sie so dalag, desto unheimlicher wurden die Geräusche draußen. Sie hatte immer gedacht, im Wald sei es still. Und als ob ihre Lage noch nicht schlimm genug wäre, meldete sich auch noch ihre Blase. Nun, sie würde einfach nicht darauf achten. Sollte sie doch explodieren, sie würde sich jedenfalls nicht in den finsteren Wald wagen, der den kleinen Zeltplatz umgab. Ihrer Unruhe und ihrem Unwohlsein zum Trotz versuchte sie, sich einzureden, dass sie nicht bei jedem unerklärlichen Geräusch zusammenfahren musste.

Aber erst, als sie sich die verschiedenen Möglichkeiten ausmalte, wie sie es Zach heimzahlen konnte, schlief sie ein.

Mach mich glücklich

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