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Man hofft, alt zu werden,

und fürchtet sich doch davor.

(Anonyme Sammlung

altterranischer Weisheiten,

Kapitel 3 »Jean de La Bruyère«)

Prolog

Es ist so schwer, sich aufrecht zu halten. Die Müdigkeit überflutet alles. Meine Zunge ist taub. Ich rieche nichts mehr. Und die Sterne dort draußen, sie sind ...

Jemand ruft mich!

Wie ist das möglich? Ich dachte, ich wäre der Letzte.

Es hämmert gegen die Tür des Labors.

Ich öffne, und eine Frau schleppt sich über die Schwelle. Ich habe sie schon gesehen, da bin ich mir sicher, aber ich kenne ihren Namen nicht. Vielleicht kannte ich ihn einmal. Meine Gedanken schweben davon, ich kann mich nicht konzentrieren.

»Hilf mir!«, bittet sie.

»Wie?«, frage ich.

Sie schweigt. Natürlich. Es gibt keine Antwort. Niemand vermag uns zu helfen. Die meisten sind ... eingeschlafen, einfach so, und ich beneide sie. Es wäre besser als diese Quälerei, dieses langsame Herannahen des Endes.

Keine Armee überrollt uns, es sind nicht Soldaten, die angreifen und uns das Leben rauben. Wir hatten Schutzschirme, Waffen, Roboter zur Verteidigung. Wir fühlten uns sicher, aber das, was jeden ... schlafen lässt, was uns umbringt, ist nicht mit Gewalt aufzuhalten.

»Was ist es?«, fragt mich die Besucherin. »Was tötet uns?«

Die Worte klingen verwaschen, schwach, die Zunge gehorcht ihr nicht völlig.

Was soll ich antworten? Ich weiß es nicht. Auch hier im Labor haben wir keine Lösung gefunden. Wir waren zu müde. Wie könnte jemand, der so ... alt scheint wie wir, ein schwieriges Problem erforschen? Unsere Schuppen sind grau geworden und stumpf.

Ich sehe nicht mehr gut, und ausgerechnet in diesen Stunden wird es schlimmer. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen. Alles dreht sich: die Wände. Die Instrumente. Mein Kopf.

Plötzlich liege ich auf dem Boden.

»Du bist gestürzt«, höre ich die Stimme, und dann erst spüre ich den Schmerz.

Ich bin auf den Rücken gefallen. Mein Stützschwanz ist in einem unmöglichen Winkel geknickt, die Spitze ragt unter dem Arm heraus. Ich will atmen. Es ist schwer.

Der Versuch aufzustehen scheitert kläglich. Ich muss mich in die Höhe stemmen, aber die Arme tragen mein Gewicht nicht. Die Muskeln zittern. Ich sehe, wie eine Schuppe in Schulterhöhe bricht.

»Ich kann dir nicht helfen, ich hole einen Roboter«, sagt die Besucherin. Sie geht davon, zwei Schritte, drei, dann bleibt es leise.

Höre ich endgültig nichts mehr? Versagen meine Ohren? Als ich mich umdrehe, vernehme ich das Schleifen auf dem Boden. Ich bin nicht taub.

Die andere hat sich auf einen Stuhl gesetzt. Ihr Oberkörper hängt seitlich über die Lehne und liegt auf dem Tisch, nahe der Eingabekonsole. Die Augen stehen offen. Sie sind rot, aber zugleich ... matt. Gebrochen. Ich habe es in letzter Zeit zu oft gesehen, um nicht zu wissen, dass sie tot ist.

Sie ist heimlich, leise und still gestorben. Zu früh, doch das würde man nicht glauben, wenn man sie ansieht. Sie sieht alt aus, ihres Lebens satt.

Das war sie nicht.

Und das bin ich ebenfalls nicht.

Ich ziehe mich über den Boden, Stück für Stück. Warum reagieren die automatischen Rettungssysteme nicht? Ich müsste sie aktivieren, das Codewort lautet ... es ... ich – weiß es nicht.

Wieso denke ich überhaupt noch nach? Wo will ich hin?

Ich bin so müde, also lege ich mich. Es ist unbequem auf dem Boden, aber das wird mich nicht mehr lange stören.

Die Toten liegen gut.

Wie hieß der Dichter, der das gesagt hat?

Wieso weiß ich das nicht?

Und welche Rolle spielt es?

Ein leises Rasseln in meinem Atem. Die Luft rauscht über meine lange Zunge, aus dem Mund, vorbei an den Zähnen und Hornlippen. Es hört sich friedlich an.

Gleichmäßig.

Beruhigend.

Ich genieße es und denke an meine Nachkommen. Ich weiß noch, wie sie aus dem Gelege geschlüpft sind. Ich trage ein Stück der Eierschale unter eine Schuppe implantiert. Es ist tröstlich zu wissen, dass sie fortbestehen.

Die Wand vor mir ist blau, aber ein grauer Schatten schiebt sich darüber. Blenden meine Augen alles aus oder mein Verstand?

Es ist so belastend, sich Fragen zu stellen. Und dumm. Wieso nicht einfach nur den Atem hören? Die Stille sehen. Die Farben verblassen lassen im Geschmack der Erinnerung.

Und dort draußen ...

... dort draußen ...

... die fahlen Sterne.

Perry Rhodan 3064: Ferrol

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