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2.2 Hippokrates und seine Temperamentenlehre

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Hippokrates, der um 400 v. Chr. auf der griechischen Insel Kos geboren wurde, war der wohl berühmteste Arzt der Antike und wird auch heute noch als Vater der Medizin bezeichnet. Von ihm stammt der „Eid des Hippokrates“, das erste bekannte sittliche Grundgesetz des Arztberufes bzw. die erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik. In seiner damaligen wissenschaftlichen Hypothese stellte er die Behauptung auf, dass die unterschiedlichen Charaktere mit den vier „Körpersäften“ Blut, Schleim sowie gelbe und schwarze Galle zusammenhingen. Daher leitete er die Namen der vier Temperamente (Persönlichkeitstypen) „Sanguiniker“, „Phlegmatiker“, „Melancholiker“ und „Choleriker“ aus den griechischen Wörtern für diese vier Körperflüssigkeiten ab.

Damit ihr euch die unterschiedlichen Charaktere leichter vorstellen könnt, erzähle ich euch dazu eine kleine Geschichte:

Es war einmal ein Mann, der lebte in einem kleinen Dorf, in dem man sich von einer wunderschönen Prinzessin erzählte, die in einem fernen Schloss lebte. Eines Tages kam ein großer Maler auf seiner Kutsche durchs Dorf gefahren. Im Arm hielt er ein in ein Ledertuch eingewickeltes Bild fest. Der Maler hielt im Dorf an, um die Pferde zu tränken. Da stieß unser Mann dazu und neugierig wie er war, bat er den Maler, ihm das Bild zu zeigen. Stolz präsentierte ihm der Maler ein fantastisches Ölgemälde, auf dem die wunderschöne Prinzessin zu sehen war. Als unser Mann sie erblickte, war es um ihn geschehen. Er fragte den Maler nach dem Weg zu ihrem Schloss, denn er wollte zu ihr. Ohne sie wäre sein Leben sinnlos! Der Maler beschrieb ihm den Weg dorthin. Also packte unser Mann seine Sachen und zog los, um die Prinzessin zu freien. Nachdem er bereits die halbe Strecke zurückgelegt hatte, führte ihn sein Weg durch eine gefährliche Felsschlucht. Plötzlich lag vor ihm auf dem schmalen Weg ein riesengroßer Stein, der ihm den Weg versperrte. Oh weh! So einfach weitergehen konnte er nun nicht mehr! Was sollte er jetzt bloß tun?

Der Choleriker


Der Choleriker fackelte nicht lange herum. Mutig wie er war nahm er Anlauf und kickte den großen Stein mit einem kräftigen Tritt aus seinem Weg. Er freute sich über seinen Erfolg! Siegessicher marschierte er zum Schloss, um seine Prinzessin zu freien. Als er dort ankam, merkte er, dass schon ein paar andere Männer auf denselben Gedanken gekommen waren. Ohne mit der Wimper zu zucken forderte er die Konkurrenten zum Kampf heraus und machte sie alle platt. Schließlich wollte er ja nicht umsonst den langen Weg gegangen sein. Als stolzer Sieger warb er anschließend um die Gunst seiner Angebeteten, doch die Prinzessin zierte sich ein wenig. Das spornte unseren ehrgeizigen und willensstarken Choleriker noch mehr an. Auf einem großen Ball im Schloss der Prinzessin, auf dem hunderte von Gästen geladen waren, hielt unser Choleriker schließlich um ihre Hand an. Sie hatte gar keine andere Wahl als ja zu sagen. Schließlich konnte sie ihm vor versammelter Mannschaft doch keinen Korb geben! Er schien sich seiner Sache sehr sicher gewesen zu sein. Soviel Selbstbewusstsein imponierte ihr. „Endlich mal ein Mann, der weiß was er will!“ dachte sie insgeheim. Die Prinzessin war sich sicher, dass sie eine gute Wahl getroffen hatte. Sicher würde er ein großer König werden und sein Land mit stolz geschwellter Brust verteidigen. Und das tat er auch!

Der Phlegmatiker


Der Phlegmatiker war zunächst verunsichert, denn er hatte sich nicht darauf eingestellt, dass der große Stein seinen Weg versperrte. Er musste die ganze Lage erst einmal überdenken und einen Plan machen, um sein Problem zu lösen. Deshalb brauchte er als allererstes genaue Informationen über den Stein wie Länge, Bereite, Gewicht etc. Erst nachdem er die ideale Lösung gefunden hatte, wie er den Stein am besten entfernen konnte, wurde er tätig. Das dauerte eine ganze Weile! Auf alle Eventualitäten vorbereitet, holte er schließlich ein Seil aus seinem Rucksack hervor. Dieses wickelte er um den Stein und zog ihn Stück für Stück zur Seite, bis eine Lücke entstanden war, durch die er durchschlüpfen konnte. Er hatte es geschafft! Sein Plan funktionierte. Endlich konnte er weitergehen. Der Eroberung seiner Prinzessin stand nun nichts mehr im Wege. Auf dem restlichen Weg zum Schloss dachte er angestrengt über die verschiedenen Möglichkeiten nach, wie er ihr Herz im Sturm erobern könnte. Er dachte solange darüber nach, bis er die perfekte Strategie gefunden hatte. Zum Glück war der Weg lang und er hatte ausreichend Zeit zum Nachdenken. Da er ein cleveres Bürschchen war, funktionierte sein Plan tatsächlich. Ein Jahr später wurde die Hochzeit gefeiert.

Der Melancholiker


Als der Melancholiker den großen Stein mitten auf seinem Weg sah, konnte er es einfach nicht glauben. Sicher war das ein Zeichen, dass er seine große Liebe niemals finden würde. Enttäuscht setzte er sich nieder und fing herzzerreißend an zu weinen. Er hatte sich alles so schön ausgemalt. Ganz romantisch wollte er der Dame seines Herzens seine Liebe gestehen. Und nun diese Katastrophe! Er wird sie sicher niemals sehen! Sein ganzes Leben hatte dieser blöde Stein zerstört! Wie furchtbar, wie schrecklich! Alles war umsonst, der lange Weg, seine schönen Träume! Alles vergeblich! Am liebsten würde er sich von der nächsten Klippe stürzen, seinem jungen Leben ein jähes Ende bereiten. Denn es hatte nun sowieso keinen Sinn mehr! Ohne die Prinzessin würde er keine Freude mehr im Leben haben. Niemals mehr! Er schluchzte und weinte solange, bis er vor Erschöpfung einschlief. Am nächsten Tag wanderte er traurig zum nächstgelegenen Dorf und erzählte von seinem Unglück. Vor lauter Mitleid halfen ihm die Dorfbewohner, den Stein zu entfernen. Glücklich setzte er seinen Weg fort und gelangte schließlich zum Schloss. Als er die schöne Prinzessin sah, war es ganz und gar um ihn geschehen. Abends setzte er sich unter ihr Fenster und sang das Ständchen, dass er extra für sie geschrieben hatte. Von soviel Poesie entzückt schloss sie ihn sofort in ihr Herz.

Der Sanguiniker


Beschwingt und ein Liedchen auf den Lippen trällernd hüpfte der Sanguiniker fröhlich seinen Weg entlang. Er träumte von seiner schönen Prinzessin, als er plötzlich einen Stein mitten auf seinem Weg entdeckte. „Was haben wir denn da für einen hübschen Brocken?“ dachte sich der Sanguiniker und beäugte den Stein neugierig. „Wow, der ist da bestimmt runter geplumst, ist ja witzig!“ und lachte laut auf. „Na, da schauen wir doch mal, dass wir da munter drüber springen, macht bestimmt Spaß!“ sagte sich der Sanguiniker, trat ein paar Schritte zurück und nahm kräftig Anlauf. Und schwuppdiwupp war er schon drüber gehüpft. Weil er das so lustig fand, machte er das gleich noch zweimal, bevor er weiter lief. „Das ist aber ganz schön anstrengend bei der Hitze“, stöhnte er danach und hielt erst einmal ein Nickerchen, bevor er weiter wanderte. In der Ferne sah er ein kleines Dorf und hörte von dort fröhliche Musik erklingen. Neugierig bog er von seinem Weg ab und gelangte schließlich zum Dorf. Dort feierten die Bewohner ihr großes Maifest und luden unseren Mann zum Mitfeiern ein. Freudig nahm er die Einladung an und genoss das leckere Essen und den Wein. Anschließend forderte er eine nach der anderen zum Tanz auf. Eine hübsche Rothaarige hatte es ihm mächtig angetan und so beschloss unser Mann, vorerst im Dorf zu bleiben. Die schöne Prinzessin hatte er inzwischen fast vergessen. Wenn es mit der Rothaarigen nicht klappte, konnte er ja später immer noch zum Schloss wandern.

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