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Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

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Wie steht es doch in der Bibel geschrieben? Wenn du Gott liebst, dann kannst auch du deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Wie können Menschen sich selbst lieben, die in ihrer Kindheit nur Schläge, Misshandlungen und Brutalität erfahren haben? Wie können diejenigen auch noch ihren Nächsten lieben, wenn sie nicht einmal wissen, was das Wort „Liebe“ für eine Bewandtnis hat. Und was versteht jeder einzelne Mensch unter Nächstenliebe? Kann man Menschen vergeben, die ein schlimmes Verbrechen begangen haben? Überwiegen da nicht der eigene Schmerz und die Frage, was ein Mensch in einer solchen Situation durchmachen musste? Wie ist es möglich zu vergeben, wenn Menschen überall auf der Welt getötet werden oder Familien ihre Kinder verlieren, die noch nicht einmal richtig gelebt und geliebt haben? Wo ist in solchen Momenten unser Gott Vater? Warum hat er es nicht verhindert? Oder wollte er die Menschheit damit bestrafen, dass sein Sohn Jesus Christus so viel Schmerz und Leid am Kreuz ertragen musste? Wie konnte Gott seinen Sohn opfern als Beweis für seine Liebe? Für mich ist das unvorstellbar! War Gott wirklich ein Mensch? Gott hat seinen Sohn bewusst sterben lassen, obwohl er von dessen Unschuld überzeugt war. Hat Judas Jesus wirklich verraten? Er war doch einer seiner Anhänger. Dennoch hat er ihn für 30 Silberlinge an die Hohepriester verraten. Warum hielten sie Jesus für einen Hochstapler und nicht für den angekündigten Messias? Das römische Volk hat Jesus vorgeworfen, sich als „König der Juden“ aufzuspielen und über das Land herrschen zu wollen. Daher verurteilte Pilatus ihn zum Tode am Kreuz. Hatte Geld im Christentum auch schon so eine große Bedeutung wie heute? Ein Menschenleben für 30 Silberlinge zu opfern, das ist meiner Meinung nach kaum vorstellbar! Wie man im Neuen Testament nachlesen kann, hat Judas seinen Verrat bereut und den Hohepriestern die Silberlinge vor die Füße geworfen. Angeblich hat sich Judas erhängt, weil er nicht voraussehen konnte, was sein Verrat für Folgen haben würde.

Jesus Christus hatte die Gabe, Wunder zu vollbringen. Durch ihn konnten blinde Menschen wieder sehen und Wasser wurde zu Wein. Vieles andere hat er durch seine Botschaften verkündet. Wird von Gott erwartet, dass er für immer und ewig seine schützende Hand über uns Menschen hält? Gott, der alle Menschen liebt, was auch immer sie tun? Oder weist er uns nur auf den rechten Weg hin, damit wir erkennen, was richtig und was falsch ist? Sollen wir am eigenen Leib erfahren, was Schmerz und Leid bedeuten? Sind wir für alles, was mit uns oder der Welt geschieht, selbst verantwortlich? Alle beten zu Gott, wenn sie in Not sind. Dazu gehören auch Menschen, die vorher gottlos waren. Ich kenne Gott nicht – nur das, was man über ihn hört und liest, und da bin ich doch sehr am Zweifeln. Soweit es in meiner Macht stand, habe ich immer versucht, Gutes zu tun. Vorurteile hatte ich nie! Den Umstand, dass ein Mensch beispielsweise als Obdachloser auf der Straße lebt, hat er sich bestimmt nicht selbst ausgesucht. Jedes Leben hat ja eine Vorgeschichte! Für mich persönlich ist Nächstenliebe von großer Bedeutung, deshalb hatte ich auch nie ein Problem damit, einen Menschen in den Arm zunehmen, der unter einer Brücke lebt und nicht so sauber aussieht wie seine Mitmenschen. Ich lasse mich gerne auf Gespräche mit solchen Menschen ein, denn aus Erfahrung weiß ich, wie dankbar sie sind, sich ihr Leid von der Seele sprechen zu können.

Leider gibt es in unserer Gesellschaft zu viele Vorurteile. Manche sagen in Bezug auf Obdachlose: „Die sind doch an ihrer Situation selbst schuld. Mir könnte so was nicht passieren!“ Ich finde solche Sprüche einfach großkotzig. Ständig muss ich diese Menschen verteidigen und es ist schon so manches Mal zu lautstarken Diskussionen gekommen. Wann immer ich versuche, meinen Standpunkt zu vertreten, stoße ich auf taube Ohren. Dabei sind es ja nicht nur Menschen, die aus armen Verhältnissen stammen, die ganz plötzlich den Boden unter ihren Füßen verlieren. Manche kommen aus zerrütteten Ehen, in denen es für den einen Partner von heute auf morgen keinen Platz mehr in der gemeinsamen Wohnung gibt und die auch sonst niemanden haben, der sie auffängt. Mein Bemühen, mich um obdachlose oder alte Menschen zu kümmern, kommt zwar im Allgemeinen gut an, doch jetzt kommt das „ABER“. Meine Mitmenschen waren bisher immer der Ansicht, dass es damit auch genug sein müsste. Mit so einem blöden Argument wollten sie mich zur Vernunft bringen und es hieß, ich solle mir lieber einen Freundeskreis suchen, der meiner würdig sei. Oh nein, so geht ihr nicht mir um! Meine Würde lasse ich mir von niemandem nehmen! Deshalb antworte ich diesen Menschen, die es nur gut mit mir meinen, ich hätte sehr wohl den richtigen Freundeskreis, schließlich kenne ich obdachlose Menschen, die aus der sogenannten „Oberschicht“ kommen, die sogar ein Studium absolviert haben und aus welchen Gründen auch immer heute auf der Straße leben. Sie erzählen mir gerne aus ihrem früheren Leben, als sie noch in einer gehobenen Position ihr Geld verdient haben und ihr Leben so verlief, dass andere es als „normal“ bezeichnen würden. In unserer hektischen Gesellschaft gibt es aber immer mehr Menschen, die ohne Tabletten den Druck im Berufsleben nicht aushalten. Da bleibt ein Burnout oftmals nicht aus. Auch wenn ich nicht so leben wollte und könnte wie diese Menschen, aber jeder Mensch muss doch für sich selbst entscheiden dürfen, was für ihn das Beste und Richtige ist. Manch einer hat darauf gar keinen Einfluss und gerät wie von selbst in eine Situation, die andere als anrüchig empfinden.

Natürlich haben meine Freundinnen ebenfalls ein gutes Herz. Auch sie sind großzügig und geben der einen oder dem anderen auf der Straße oft einen Euro oder auch etwas mehr oder kaufen diesen Menschen etwas zu essen. Für mich sind Menschen, die von vornherein ein Schwert brechen, einfach überheblich und sie wissen nicht, was Nächstenliebe tatsächlich bedeutet. Ich wünsche ihnen, dass sie nicht eines Tages selbst auf fremde Hilfe angewiesen sind, denn die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar!

Natürlich habe auch ich über Jahrzehnte hinweg einen Prozess durchgemacht und nehme heutzutage Dinge nicht mehr so wichtig wie in meiner Jugendzeit. Auch ich war vor Jahrzehnten einmal in einer prekären Situation, die mich daran zweifeln ließ, ob meine Nächstenliebe in diesem Fall möglicherweise doch nicht angebracht war.

Im Jahr 2017 saß ich eines Abends vor meinem Fernsehgerät, um mir die Nachrichten anzuhören. Als die Ansagerin verkündete, dass in Berlin ein Mann mit einem Fahrrad unterwegs sei und Passanten im Vorbeifahren eine brennende Flüssigkeit ins Gesicht sprühe, holte mich meine Vergangenheit wieder ein, die ich doch längst aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte – zumindest hatte ich das angenommen. Das war für mich der Auslöser, damit zu beginnen, das damals Erlebte zu Papier zu bringen. Wie gesagt, das Leben geht manchmal seltsame Wege! Du läufst und läufst, um das Ende deines Weges endlich zu erreichen, aber oftmals sind es Irrwege, die du beschreitest, weil du am Ende immer noch kein Licht für dich am Horizont entdecken konntest. Wenn du schon am Verzweifeln bist und die Absicht hast umzukehren und alles aufzugeben, was du besitzt, es dann aber doch nicht tust, wird auch für dich eines Tages am Ende des langen Tunnels ein Lichtstrahl leuchten. Dann weiß du, dass du endlich angekommen bist und es der richtige Weg war, auf dem du schon seit so langer Zeit gelaufen bist.

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Die Lebensgeschichte der Susanne Bechstein

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