Читать книгу Der Teufel von London - Susanne Danzer - Страница 9
ОглавлениеKapitel 6
In der Pension in ›Bromley‹ fühlte sich Charles Morrison ziemlich sicher. Er war überzeugt, dass ihm niemand gefolgt war. Keiner hatte ihn in der Villa von Mister Brownhill beobachtet und London war groß. Es wäre reiner Zufall, wenn er den Verbrechern noch einmal über den Weg laufen würde.
Sorgfältig hängte er seine neuen Anzüge auf, um Knitter zu vermeiden, und durchsuchte bei der Gelegenheit gleich sämtliche Taschen.
Dabei fand sich ein Brief. Neugierig wie er war, faltete er das Blatt Papier auseinander und ließ seinen Blick über die Zeilen gleiten.
Er musste ihn mehrmals lesen, ehe er den Inhalt verstand. Stirnrunzelnd nahm er das Bildnis der jungen Dame aus der Tasche und verglich die Unterschriften.
Eindeutig: Der Brief stammte von ihr.
Nachdenklich legte er ihn zum Geldbeutel auf den Tisch vor ihm. Langsam löste sich das Rätsel von selbst.
Diese Florence Thompson interessierte ihn sehr und das nicht nur, weil sie eine ausgesprochene Schönheit war. Offensichtlich führte sie etwas im Schilde und deshalb musste sie was im Köpfchen haben.
Vorsorglich hatte er die Tür abgeschlossen, weil er nicht gestört werden wollte. Unangekündigten Besuch konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Immerhin hatte er beschlossen, sich seine ganzen ›Fundstücke‹ etwas genauer anzusehen.
Die Metallkassette leistete seinem Messer heftigen Widerstand. Prompt war dessen Spitze mit einem klirrenden Geräusch abgebrochen. Er hatte die Klinge zur Hand genommen, nachdem er am Schlüsselbund nach einem passenden Schlüssel gesucht, aber keinen gefunden hatte. Er vermutete, dass sich der richtige in einer Schreibtischschublade von Mister Brownhill befand.
Da er unbedingt wissen wollte, was sich in der Kassette befand, verließ er noch einmal die Pension, um sich einen Schraubendreher und einen Hammer zu besorgen. Zur Not würde es ein Meißel tun. Irgendwie würde er schon an den vermaledeiten Inhalt kommen. Schließlich musste etwas Wichtiges darin aufbewahrt sein, wenn er in einer Stahlkassette verborgen war, die sich ohne Schlüssel kaum öffnen ließ. Jedenfalls genügte es, um seine Neugier weiter anzuheizen.
Um an das Werkzeug zu kommen, wählte er ein kleines Geschäft in einer abseits gelegenen Nebenstraße. Mit dieser Gerätschaft konnte er die Kassette öffnen, wenngleich es einer gewissen Kraftanstrengung bedurfte. Doch seine stille Hoffnung, darin Bargeld oder teuren Schmuck zu finden, wurde bitter enttäuscht.
In der Kassette befanden sich nur irgendwelche Papiere. Er wollte sie schon achtlos beiseitelegen, als ihm der Name Florence Thompson ins Auge stach.
Erneut flammte seine Neugierde auf und er begann aufmerksam zu lesen. Je mehr er las, desto überraschter war er, als sich ihm die Zusammenhänge erschlossen.
Ihm fiel es wie Schuppen vor die Augen. Was er da in der Hand hielt, war ein schriftliches Geständnis von Miss Thompson. Darin gab sie zu süchtig zu sein und nahezu täglich Opium zu konsumieren. An die Droge war sie durch einen Mann gewöhnt worden war, den sie gut kannte. Inzwischen war ihre Abhängigkeit so groß geworden, dass sie die Droge täglich konsumierte.
Charles las aufmerksam weiter, obwohl er kaum etwas davon verstand.
Miss Thompson beschrieb, wie es zur ihrer Abhängigkeit gekommen war. Eine traurige Geschichte, wie die so vieler Opiumsüchtiger. Ihr Drogenlieferant hatte die Situation und ihre Verzweiflung ausgenutzt und den Preis laufend erhöht. Da sie keine andere Quelle kannte als ihn, musste sie zahlen, was er von ihr forderte. Laut ihren Worten in dem Brief hatte sie ihn und sich selbst dafür gehasst.
Um sich die notwendigen Mittel zu verschaffen, die sie für die Befriedigung ihrer Sucht benötigte, hatte sie in eine ihr anvertraute Kasse gegriffen.
Langsam begann er den Zusammenhang zu ahnen. Mister Brownhill hatte den Mann, der seiner Geliebten das Opium lieferte, zur Rede gestellt – und ihn abgemurkst.
Dieser Arthur Bistow schien ein äußerst gefährlicher Bursche zu sein, der vor nichts zurückschreckte und seine Opfer mitleidslos ausnahm, soweit es ging. Offensichtlich presste er alles aus ihnen heraus, förmlich bis zum letzten Blutstropfen.
Charles Morrison fand die Adresse von Miss Thompson auf dem Briefumschlag, den er in seinem Anzug entdeckt hatte. Er war sicher, dass sie von dem Tod Ihres Freundes noch nichts wusste.
Nachdenklich fragte er sich, was er als Nächstes tun sollte.
Er war enttäuscht, weil er nicht einen müden Penny in der Kassette gefunden hatte. Doch die beschriebenen Bögen waren ein kleines Vermögen wert, wenn man es geschickt anstellte. Ein verwegenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als sich langsam ein Plan in seinem Hirn zusammensetzte.
Mister Bistows Adresse hatte er in dem Geständnis gefunden.
Jetzt galt es für ihn, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Vielleicht würde er in seinem Leben nie mehr arbeiten müssen. Auf dem kleinen Tisch in seinem Zimmer fand er ein paar Bögen Papier und einen Federhalter samt Tusche. Er notierte sich alles, was er zur Ausführung seiner Idee benötigte, auf einem leeren Blatt.
Wäre doch gelacht, wenn sich daraus nichts machen lässt, dachte er bei sich.
Dann schloss er die Kassette in den Koffer ein und verließ die Pension, um sich etwas zu essen zu besorgen. Er hatte Hunger. Vielleicht wäre ein Stück vom ›Fish Pie‹ jetzt genau das Richtige, um das Knurren seines leeren Magens zu besänftigen.
In einem kleinen Lokal, ganz in der Nähe, aß er eine Kleinigkeit und trank er sich Mut an. Dazu genügten zwei Whiskys, denn er war es nicht gewohnt viel Alkohol zu trinken. Schon gar nicht etwas so Starkes. Der malzige Whisky, der erstaunlich gut schmeckte, als das Brennen in seinem Hals nachließ, schien ihm direkt in den Kopf zu steigen und ihn zu benebeln.
Er fühlte sich direkt beschwipst, als er den Pub verließ und sich auf die Suche nach einer Mietkutsche machte. Ohne Umwege ließ er sich nach ›Sudbury Hill‹ bringen.
In dem Vorort fand er ohne langes Suchen das Haus von diesem Mister Bistow. Er spazierte daran vorbei und bemühte sich, nicht aufzufallen. Der schwarze Zweispänner in der Zufahrt entging ihm nicht.
Er suchte nach dem nächsten Telegrafenamt, um telefonieren zu können. Es dauerte eine Stunde, bis er es gefunden hatte, und eine weitere Weile, bis sein Anruf das Haus von Arthur Bistow erreichte.
Als sich jemand meldete, war es die Stimme jener Frau, die Charles an diesem Morgen schon einmal gehört hatte – in der Villa Brownhill.
Überrascht verschlug es ihm die Sprache und ohne sich gemeldet zu haben, hängte er die Hörmuschel wieder ein. Jetzt wusste er, dass die Frau mit Bistow zusammenarbeitete, und auch, dass sie Brownhills Mörder waren.