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EINS

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Die Probe war zu Ende. Die letzten Choristen stiegen die gewundene Holztreppe in das Kirchenschiff hinunter. Mit einem Knall schlug die schwere Eingangstür zu. Ein leises Lachen - dann Stille.

Melanie strahlte. Sie stand allein auf der Empore der katholischen St. Fabian Kirche, nur einen Schritt von der Brüstung entfernt. Ja, so sollten die Gottesdienstbesucher sie sehen. Noch zehn Tage bis Weihnachten. Sie konnte es kaum erwarten. In der Mitternachtsmesse durfte sie den Anfang des „Gloria“ singen. Ihre Wangen glühten, ihre Augen glänzten. Sie liebte diese Messe von Joseph Haydn, ihrem Lieblingskomponisten. Das Solo beschränkte sich auf neun Töne. Sie musste also alles geben, damit man hörte, wie gut sie war. Bestimmt würde der Chorleiter ihr an Ostern eine längere Partie anvertrauen. Sie atmete tief ein.

Ihr hoher Sopran intonierte jubelnd mit ausgeprägtem Vibrato* „Gloria in excelsis Deo“. Melanie endete mit einem Schrei, kippte keuchend auf die Brüstung und holte gurgelnd Atem. Sie versuchte, sich aufzurichten, ihre rechte Hand zerknüllte das Notenblatt. Dann verschleierte sich ihre Sicht und sie verlor das Bewusstsein. In ihrem Rücken steckte ein langes, schmales Messer. Sie hing mit dem Oberkörper über der Balustrade. Das Messer wurde herausgezogen. Leise Schritte auf der Holztreppe, ein Knarzen der Kirchentür. Dann Stille.

Ein Gloria zum Sterben

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