Читать книгу Vier Pfoten hat das Glück - Memoiren eines Dackels - Susanne Scheibler - Страница 6
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ОглавлениеMein liebes Frauchen!
Wir sind immer noch in Hinterwiesen; es hat zu regnen aufgehört, und das Wetter ist sehr schön. Sabine hat mit Tessy und mir gestern einen langen Spaziergang gemacht, während Michael damit beschäftigt war, eine Regalwand für die Abstellkammer zusammenzubauen.
Zunächst sind wir durchs Dorf gegangen. Das war sehr aufregend, weil in jedem zweiten Haus ein Hund ist, und alle haben zu bellen angefangen, als wir vorbeikamen.
Auf dem Dorfplatz, wo die Haltestelle für den Postbus ist, haben wir uns dann gegenseitig beschnuppert, während Sabine sich mit Frau Hellwig unterhielt.
Frau Hellwig verwaltet die Poststelle; deswegen ist auch ein Briefkasten an ihrer Haustür. Außerdem trägt sie für drei Dörfer die Post aus. Das bedeutet, daß Frau Hellwig so ziemlich alles weiß, was in der näheren Umgebung vor sich geht. Sie kennt alle Leute, und was sie nicht aus den Postkarten, Telegrammen oder den Telefongesprächen, die bei ihr geführt werden, erfährt, das erfragt sie einfach.
Deshalb hat sie sich auch lange mit Sabine unterhalten. Was Michael von Beruf wäre, wo er arbeite, was sie für das Haus bezahlt hätten und wo Du, liebes Frauchen, wärst.
»Meine Schwiegermutter besucht eine Kusine in England«, hat Sabine gesagt. »Außerdem macht sie eine Studienreise. Sie sammelt Material für ein kunstgeschichtliches Buch über die Baudenkmäler der Tudorzeit.«
»Wie interessant!« hat Frau Hellwig geantwortet, aber man merkte ihr an, daß sie Bücherschreiben – noch dazu über Tudorschlosser und -kirchen – für etwas sehr Sinnloses hält.
Wahrscheinlich liest sie nur die Postkarten, die sie austrägt.
Hinterher hat sie Sabine noch eine Menge, über die Dorfbewohner erzählt, was Tessy zu der Feststellung veranlaßte, Frau Hellwig sei eine Ratsche. Aber im Grunde könnten Frauen wie sie gar nichts für ihre Klatschsucht. Es sei eine Ersatzbefriedigung.
»Ersatzbefriedigung? Wofür bitte?« erkundigte ich mich.
»Weil sie nicht emanzipiert ist. Weil sie nicht gelernt hat, ihre Frustrationen abzustreifen und sich selbst zu verwirklichen.«
»Ach, und woher willst du das wissen?«
»Das erkläre ich dir ein anderes Mal«, hat Tessy mich abfahren lassen, weil drei Hunde um sie herumscharwenzelt sind. Und ob emanzipiert oder nicht – sie hat sich dabei genauso aufgeführt wie jede andere Hündin, die mir in meinem langen Leben begegnet ist. Man hätte es mit ihren Worten ein »überaltertes Verhaltensmodell« nennen können.
Am liebsten hätte ich Tessy damit aufgezogen. Aber damit hätte ich sie nur wütend gemacht, und das wollte ich vermeiden. Außerdem fand ich es ganz hübsch, daß sie sich plötzlich genauso benahm, wie ihre Mutter, Großmutter und Urgroßmutter es getan hätten.
Offenbar ist, wenn, es ums Gefallen geht, Schluß mit der Emanzipation – jedenfalls bei Tessy. Ich fände es auch schade, wenn sie eine richtige Emanze wäre.
Ich erinnere mich an Frau Schlehmeyer, von der Du das immer behauptest. Frau Schlehmeyer legt es, glaube ich, darauf an, niemandem zu gefallen, weil sie das als weibliche Schwäche ansieht. Und weil sie Männer nicht leiden kann (oder ist es umgekehrt?), kopiert sie sie. Zumindest kopiert sie das, was sie den Männern zur Last legt.
Sie ist sehr dominierend, finde ich, beinahe schon patriarchalisch. Sie raucht wie ein Mann, sie trinkt wie ein Mann, obwohl das bei Männern ihrer Meinung nach Ausdruck charakterlicher Labilität ist, und das einzige, was sie mit Männern nicht gemein hat – sie ist kein bißchen eitel.
Wahrscheinlich geht sie deshalb nie zum Friseur und zieht sich so unvorteilhaft an. Aber ob das ein Zeichen von Emanzipation ist...?
Tessy behauptet, daß ich stockkonservativ in meinen Ansichten bin – der typische Ze-de-uh-Anhänger. Wohingegen sie für die Es-pe-deh und die Grünen schwärmt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß diese beiden Parteien die nette Geschichte mit dem Apfel und der Verführung in Grund und Boden verdammen. Warum auch? So was ist ein paar tausend Jahre alt und bewährt.
Vielleicht würden die Grünen motzen, wenn Adam und Eva damals durch Currywurst oder Hamburger mit Pommes frites verführt worden wären (aus Cadmium-verseuchten Kartoffeln, versteht sich, und östrogenhaltigem Fleisch) –, aber gegen einen paradiesisch-ökologisch angebauten Apfel, garantiert ungespritzt, können sie doch eigentlich nichts einzuwenden haben, oder?
Aber Verführung hin, Emanzipation her – Tessy jedenfalls versteht sich ganz toll aufs Kokettieren, das habe ich gemerkt. Und da geht es den Menschen wie den Hunden: Wir fallen allemal gern auf das Zurschaustellen weiblicher Reize herein. Die Emanzen sagen zwar, das sei eine Degradierung der Frau zum männlichen Lustobjekt, aber ich vermute, daß die meisten Politiker – auch von der Es-pe-deh und den Grünen – gar nichts dagegen haben. Jedenfalls inoffiziell. Warum, bitte schön, gäbe es sonst in Bonn so viele Nachtlokale mit Striptease? Und von den Grünen soll ja sogar einer mal einer Bundestagsabgeordneten an den Busen gefaßt haben ...
Wahrscheinlich wirst Du jetzt sagen, ich solle meine Nase nicht in Angelegenheiten stecken, die mich nichts angehen. Das will ich auch gar nicht. Aber wenn man mit Tessy zusammen ist, bleibt es gar nicht aus, daß man über gewisse Dinge nachdenkt. Sie provoziert das.
Irgendwie hat Sabine es dann geschafft, sich von Frau Hellwig loszueisen, und wir sind durch den Wald gewandert, der gleich hinter dem Dorf anfängt.
Du weißt ja, wie gern ich im Wald spazierenlaufe. Tessy hat es zuerst auch gefallen, und wir haben unheimlich viele Spuren gemeinsam beschnuppert und abgebrochene Äste vor uns hergeschleppt. Aber nach einer halben Stunde hat Tessy behauptet, die Pfoten täten ihr weh.
Da sieht man wieder einmal, was für eine verweichlichte Generation das ist! Kein bißchen sportlich gestählt. Offen gestanden habe ich meine steifen Knochen auch gespürt, aber ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen, als das zuzugeben.
Statt dessen habe ich Tessy erzählt, wie fit ich in ihrem Alter war, und das hat sie ziemlich kleinlaut gemacht. Wetten, daß sie mich mindestens drei Tage lang nicht mehr »alter Knacker« tituliert?
Auf dem Rückweg hat Tessy dann Streit mit einer Hündin aus dem Dorf gekriegt. Lottchen heißt sie, und sie ist die einzige Hundedame von ganz Hinterwiesen. Deshalb hat sie auch eine Menge zu sagen.
Irgend jemand muß ihr während unseres Spaziergangs gesteckt haben, daß sie Konkurrenz bekommen hat, und so kam es, daß sie vor der Bushaltestelle auf Tessy wartete.
Lottchen war mächtig aufgebracht und ist gleich auf Tessy losgefahren. Ein paar Hunde aus der Nachbarschaft waren auch wieder da, aber Du weißt ja, daß es ein ungeschriebenes Gesetz ist, sich in solche Streitigkeiten nicht einzumischen. Deshalb haben wir alle nur zugesehen.
»Komm her!« hat Lottchen geschimpft. »Komm nur her, du rothaarige Stadtpflanze. Du willst mir meinen Rang streitig machen? Das wollen wir doch sehen!«
Und dann haben sie sich gebissen.
Es hat nicht lange gedauert, nur bis Sabine uns eingeholt hatte. Sie wollte zwischen die beiden Kampfhähne gehen, aber da war sowieso schon alles entschieden.
Tessy hat nur anstandshalber ein paar Bisse zurückgegeben und sich gleich darauf auf den Rücken geworfen zum Zeichen, daß Lottchen gewonnen hätte. Als Sabine Tessy auf den Arm nehmen wollte, hatte Lottchen schon von ihr abgelassen und nur noch schrecklich gekläfft.
Zum Schein hat Tessy zurückgekläfft, aber es waren nur Verbalinjurien, um nicht das Gesicht zu verlieren, und Lottchen ist mit stolz erhobenem Stummelschwanz abgezogen. Die anderen Hunde sind ihr gefolgt, wie sich das gehört, nachdem sie ihren Machtanspruch erfolgreich verteidigt hatte.
Zu Hause hat Tessy dann gesagt, sie hätte mühelos aus Lottchen Hackfleisch machen können, aber sie lege gar keinen Wert darauf, in Hinterwiesen den Ton anzugeben. Ich hielt es für unklug, ihr zu widersprechen ...
Im übrigen kann man aus dem Beispiel von Lottchen und Tessy viel lernen. Es ist schade, daß die Politiker es nicht genauso handhaben, wenn der eine seinen Posten behalten und ein anderer ihn für sich beanspruchen will.
Aber Politiker haben es leider lieber, wenn sich ihre Anhänger prügeln. Ich finde das unfair, denn von denen haben die wenigsten etwas davon, wenn ihr Führer eine Wahl, einen Krieg oder einen Putsch gewinnt.
Auch wäre ein Kampf zwischen zwei Politikern viel schneller erledigt; er kostet nichts, und die Leute wüßten hinterher gleich, woran sie sind. Und vor allem ist es nur recht und billig, daß derjenige sein Fell hinhält, der die Macht ergreifen will. Vielleicht würden sich dann auch weniger Leute an die Regierung drängeln.
Aber ich will nicht abschweifen, sondern erzählen, was zu Hause los war, als wir von unserem Spaziergang zurückkamen.
Michael wollte doch das Regal im Abstellraum aufbauen, und bevor wir gingen, meinte er, daß er allerhöchstens zwei Stunden dafür brauche.
Er hatte das Regal in einem Laden für Heimwerker gekauft. Es bestand aus lauter kleinen und großen Paketen und einer Bauanleitung. Der Verkäufer hat gesagt, es sei eine kinderleichte Angelegenheit.
Liebes Frauchen, ich habe Deinen Sohn selten so aufgeregt gesehen. Er hatte alle Regalteile auf dem Küchenfußboden ausgebreitet und die beigefügten Schrauben, Nägel und Dübel in die Obstschale getan, die sonst im Wohnzimmer auf der Anrichte steht.
Das war das erste, was Sabine mißfiel. »Die schöne Schale«, sagte sie. »Wenn die nun kaputtgeht! Also wirklich, Michael, warum hast du denn keinen Aschenbecher genommen?«
»Weil ich den zum Rauchen brauche«, antwortete Michael. »Und warum, bitte schön, soll die Schale kaputtgehen? Von den paar Schrauben doch nicht.«
»Aber sie ist zu schade«, beharrte Sabine. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nicht begriffen, wie dünn Michaels Nervenkostüm bereits war. Nur Tessy hatte es sofort gemerkt und darauf verzichtet, ihn zur Begrüßung anzuspringen. Statt dessen hatte sie sich gleich ins Wohnzimmer auf die Couch verzogen.
»Eine handgemalte Obstschale! Also, Michael, manchmal bist du wirklich dermaßen gleichgültig und unüberlegt...« Sabine ging zum Küchenschrank und wollte die untere Tür aufmachen. Ein paar aufeinandergeschichtete Bretter lagen ihr im Weg, die sie mit dem Fuß zur Seite schob.
In diesem Moment brüllte Michael: »Was tust du da, zum Teufel! Laß gefälligst die Bretter liegen. Ich habe eine Stunde gebraucht, um sie zu sortieren. Auf dieser verflixten Bauanleitung sind sie alle numeriert, nur in Wirklichkeit nicht. Da muß man raten.«
Er sprang auf und fuchtelte Sabine mit einem Stück Papier vor der Nase herum. »Hier, sieh dir das an! Daraus wird doch kein Mensch schlau!«
»Sofort«, sagte Sabine unbeeindruckt. »Ich will dir nur erst eine alte Schüssel für die Schrauben geben.«
»Mach mich nicht wahnsinnig! Die Schrauben bleiben, wo sie sind! Ich plage mich hier herum, und du hast nichts als deine blöde Obstschale im Kopf.«
Langsam wurde auch Sabine wütend. »Das ist keine blöde Obstschale. Die habe ich von Katja Schierberg zum Geburtstag bekommen. Aber für dich sind ja nur deine Sachen wichtig. Weißt du noch, wie du dich aufgeregt hast, als mir dein Fotoapparat heruntergefallen ist?«
»Der ging dabei ja auch kaputt. Eine Kamera für über tausend Mark.«
»Die Reparatur hat aber nur vierzig Mark neunzig gekostet. Und überhaupt ...«
In diesem Augenblick, liebes Frauchen, habe ich mich ebenfalls ins Wohnzimmer verzogen.
Ich will ja nichts gegen Frauen sagen – und schon gar nichts gegen Sabine. Aber wenn sie mit »und überhaupt« anfängt, gibt es meist eine sehr lange Diskussion. Frauen haben, glaube ich, eine Art Register im Hirn. Da speichern sie alles, was sie mal geärgert hat, und holen es je nach Bedarf wieder hervor, ob es nun ein paar Wochen oder zehn Jahre zurückliegt.
Tessy döste auf der Couch und blinzelte mich mit einem Auge an. »Die beiden hatten auch schon bessere Nerven. Das kommt alles von dem blöden Umbau.«
Diesmal hatte sie sicherlich recht.
In der Küche haben Michael und Sabine noch eine Weile gestritten. Dann knallte die Tür, und Sabine ist die Treppe hinaufgelaufen. Sie hat sich im Badezimmer die Haare gewaschen, während sich Michael weiter mit der Regalwand abmühte.
Ich hörte ihn dauernd vor sich hin murmeln, und weil mir das unheimlich war, bin ich nach einer Viertelstunde in die Küche zurückgeschlichen.
Diesmal lag Dein Sohn auf dem Fußboden und hatte zwei lange Leisten nebeneinandergeschoben.
»Das muß die Rückwand sein.« Er zog die Bauanleitung heran und studierte sie mit gerunzelter Stirn. »Rückwand mittels Leiste drei zusammenstecken und die umlaufende Nut an dem Regal einschieben«, las er halblaut, dann fing er an zu lachen. Es klang, ich muß es leider sagen, ziemlich hysterisch.
»Das ist gut. Das ist sogar sehr gut! In die umlaufende Nut am Regal einschieben... Aber wo ist, bitte schön, das Regal? Ich sehe nur lauter Bretter. Also fangen wir noch mal von vorn an. In den oberen genuteten Boden a Dübel einschlagen und mit rechtem und linkem Teil c verschrauben ... Großer Gott, wenn ich nur wüßte, was ein genuteter Boden a ist.«
Er stand auf und begann verzweifelt, zwischen den Holzteilen zu suchen. Er stellte ein paar im Viereck gegeneinander, tauschte sie wieder aus, weil die Längen nicht stimmten, und verschraubte schließlich zwei größere Bretter mit einem dritten.
»Das könnte richtig sein«, sagte er befriedigt und trat auf die Obstschale. Sie zerbrach in drei Teile.
»Auch das noch!« stöhnte Michael und schnitt sich in den Finger, als er die Scherben aufhob.
In diesem Augenblick kam Sabine aus dem Bad. Sie hatte ein Handtuch um den Kopf gewickelt und sah natürlich sofort, was passiert war. Aber ehe sie noch einen Kommentar geben konnte, sagte Michael anklagend: »Das hast du davon! Du hast mich so nervös gemacht, daß ich tatsächlich die Schale zerbrochen habe. In diesem Haus weiß man ja nicht mehr, wo einem der Kopf steht.«
»Oh«, machte Sabine. Und dann noch einmal: »Oh!« Es klang schrecklich wütend, aber Michael ließ sie wieder nicht zu Wort kommen.
Er lutschte an seinem blutenden Finger und brüllte: »Und damit du es weißt, ich habe es satt! Es war deine Idee, eine Regalwand in der Abstellkammer zu haben. Also sieh zu, wie du sie zusammenbaust.«
Damit war er aus der Tür, und ich muß sagen, daß ich ihn in diesem Augenblick sehr bewundert habe. Wenn ich es doch auch mal fertigbrächte, mich Tessy gegenüber so zu behaupten!
Übrigens schaffte Sabine es tatsächlich, etwas zusammenzubauen, das der Rohfassung eines Regals glich. Nur als sie es aufstellen wollte, war die eine Seite kürzer als die andere, und die Einlegeböden paßten nicht hinein.
Inzwischen war es Mittag geworden, und ich hatte Hunger. Aber Sabine achtete überhaupt nicht darauf, daß ich mich neben den Kühlschrank gesetzt hatte und sie unverwandt anstierte.
Darin sind die Menschen komisch. Wenn sie irgend etwas Wichtiges zu tun haben, vergessen sie das Essen. Für mich gehört essen zu den wichtigsten Dingen überhaupt. Deswegen könnte mir gar nicht passieren, es zu vergessen schon gar nicht wegen einer Regalwand mit einer Bauanleitung, die niemand versteht.
Als Michael nach einer Stunde zurückkam, wollte Sabine das Regal gerade wieder auseinandernehmen. Es war ihr peinlich, daß er sie dabei erwischte.
»Die Bauanleitung muß falsch sein«, sagte sie. »Ich habe mich Punkt für Punkt daran gehalten, und das ist dabei herausgekommen. Man wird dir in diesem Heimwerkershop die falsche Anleitung mitgegeben haben. Anders kann ich es mir nicht erklären.«
Michael grinste, aber Sabine sah es nicht, weil sie zwischen den Brettern nach der Anleitung suchte.
»Hier, vergleich doch mal. In den oberen genuteten Boden Dübel a einschlagen und mit rechtem und linkem...«
»Hör auf«, unterbrach Michael sie. »Das weiß ich selbst.«
»Ja, aber du bist über den Anfang nicht hinausgekommen. Oder hast du schön die Fußleiste fünf eingesetzt, den unteren Boden sechs eingeschraubt und den verschraubbaren Mittelboden angebracht? Danach habe ich das Regal auf den Kopf gestellt, wie es verlangt wird, und geprüft, ob die Unterkante Rückwand mit Unterkante Boden sechs bündig abschließt.«
»Ja und? Hat sie das getan?« erkundigte sich Dein Sohn interessiert.
Sabine nickte heftig. »Vollkommen bündig. Nur jetzt stimmt es nicht mehr... Ich meine, es ist nicht mehr bündig. Die Einlegeböden passen nicht, und ein bißchen schief ist es auch.«
Michael studierte wieder die Bauanleitung. »Wahrscheinlich liegt es daran, daß die Steckleiste drei nicht parallel zu dem oberen Boden eins steht...«
»Natürlich steht sie das. Sieh doch!«
»Aber das ist nicht die Steckleiste drei. Das ist die Fußleiste fünf, in die du Holzdübel hättest einschlagen müssen.«
Sabines Stimme fing schon wieder an zu vibrieren. »Ach, und woher weißt du, daß das die Fußleiste fünf ist? Ich sage dir, es ist die Steckleiste drei. Das hier ist die Fußleiste fünf!«
»Nein, das ist ein einsteckbarer Bodenträger!«
»Sei doch nicht so rechthaberisch. Oder willst du behaupten, daß du jemals zuvor in deinem Leben einen einsteckbaren Bodenträger gesehen hast.«
»Massenhaft!«
Ich dachte schon, daß sie gleich wieder streiten würden, aber im nächsten Augenblick fing Michael plötzlich furchtbar an zu lachen, und Sabine lachte mit.
Ich war sehr erleichtert darüber, denn Krach in der Familie ist für einen Hund etwas Entsetzliches. Man weiß gar nicht, zu wem man halten soll.
Michael schlug dann vor, Herrn Sievert zu holen. Du erinnerst dich, das ist der Schreiner, der inzwischen auch die Tür eingesetzt hat. Sie klemmt ein bißchen, aber er hat versprochen, sie noch abzuhobeln. Nur wann, hat er nicht gesagt.
Aber wenn er jetzt die Regalwand zusammenbaut, bringt er vielleicht seinen Hobel mit. Wünschenswert wäre es, denn die Tür macht beim Öffnen und Schließen ein Geräusch, daß sich mir jedesmal die Haare sträuben.
Sabine hat mit Herrn Sievert telefoniert, während Michael die Küche aufräumte.
Tessy hatte inzwischen ausgeschlafen und wollte mich überreden, die Bauanleitung zu zerreißen.
»Bauanleitungen sind Zündstoff für Streitigkeiten, das hast du doch gemerkt, Julius. Also ist es besser, sie zu vernichten.«
Ich habe mich, trotzdem nicht getraut, deshalb hat Tessy es allein getan. Als Michael es bemerkte, hatte sie schon lauter kleine Schnipsel gemacht.
Erst wollte Dein Sohn mit ihr schimpfen, aber dann hat er wieder nur gelacht – wie meist, wenn Tessy Unfug anstellt. »Macht nichts«, hat er gesagt. »Herr Sievert wird schon ohne zurechtkommen. Und wenn nicht – ich kann die Bauanleitung inzwischen auswendig.«
Das stimmte, denn in der Nacht hat er sogar im Traum darüber geredet. »Regalteile a, b und c hochkant auf ebener Fläche aufstellen«, hat er gemurmelt. »Verschraubbaren Mittelboden mit Rückenleiste vier verbinden und dübeln ... dübeln ... dübeln...«
Es bleibt noch zu berichten, daß Herr Sievert heute morgen die Regalwand in der Abstellkammer aufgestellt hat. Nur seinen Hobel hatte er wieder vergessen. Deshalb kreischt die Tür immer noch.
Aber Herr Sievert hat versprochen, sie ganz bestimmt zu richten. Ob ich das noch erlebe?
Für heute will ich schließen und bin mit ganz vielen Bussis für Dich, liebes Frauchen,
Dein alter Julius.