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Liselotte von der Pfalz saß in einem kleinen, mit apfelgrünen Seidentapeten ausgeschlagenen Kabinett. Vor ihr lag ein angefangener Brief an Carl Ludwig, den Raugrafen von der Pfalz, ihren Halbbruder. Liselotte war allen Kindern ihres Vaters aus seiner zweiten Ehe zugetan, aber Carllutz – wie der junge Raugraf allgemein genannt wurde – liebte sie am meisten. Es bedrückte sie, daß er und seine Schwestern seit dem Tode des Vaters in ziemlich dürftigen Verhältnissen lebten, und sie hatte deshalb in Straßburg auch mit ihrer Mutter über dieses Problem gesprochen.

Davon berichtete Liselotte jetzt Carllutz. Hurtig kratzte ihre Feder über das Papier.

›... Ihro Gnaden, die Kurfürstin, meine Frau Mutter, ist gar nicht verbittert gegen Euch. Sie hat mir gesagt, daß sie Eure Geschwister alle liebhat... Ich habe mein Bestes getan, um Euch bei meiner Frau Mutter zu rekommandieren, ihr auch gesagt, daß sie mir den größten Gefallen von der Welt erweisen würde, sich Eurer anzunehmen ...‹

Liselotte brach ab, als sie eilige Schritte im Vorsaal hörte. Es klopfte.

Die Herzogin wußte sofort, daß Isabell draußen stand. Niemand sonst am französischen Hof pflegte an die Tür zu klopfen. Man kratzte nur mit dem Fingernagel an das Holz, um sich bemerkbar zu machen.

»Komm herein, Isabell!« rief die Herzogin.

Das Mädchen riß die Tür auf und schloß sie sofort wieder hinter sich. Es war blaß und atemlos. »Ihro Gnaden ... Mein Gott, ich bin noch ganz durcheinander! Der König ... Ich bin dem König im Park begegnet und ...«

»Was – und?« Liselotte steckte den Federkiel in das Tintenfaß. »Warum sprichst du nicht weiter?«

Isabell erzählte, was sich zugetragen hatte. Nur, daß der König sie am Ende geküßt und sie ihm deshalb Ohrfeigen angedroht hatte, verschwieg sie. Sie hatte auf einmal das Empfinden, noch einmal die Berührung der weichen, warmen Männerlippen zu spüren. Ein kleiner Schauer überlief Isabell, und unwillkürlich hob sie die Hand zum Mund, als könne sie mit dieser kleinen Geste auch die Erinnerung an jenen Kuß fortwischen.

»Er war abscheulich hinterlistig, Euer vielgeliebter König!« sagte Isabell heftig. »Er hat mich dazu ermuntert, meine Meinung zu sagen, und insgeheim bestimmt darüber gelacht, daß ich ihm auf den Leim gegangen bin. Glaubt Ihr, daß er nun von Euch verlangen wird, mich fortzuschicken?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Liselotte ehrlich. »Man kann bei dem König nie voraussagen, was er tun wird. Nun, heute abend ist appartement. Da werde ich hoffentlich Gelegenheit finden, mit Seiner Majestät zu sprechen.«

Appartements waren die festlichen Abendgesellschaften, die Ludwig XIV. dreimal in der Woche gab. Er war noch nicht anwesend, als Liselotte und Philipp von Orléans die prachtvolle Flucht der sieben Empfangsräume betraten, die zur königlichen Wohnung gehörten. Im Hintergrund erklangen Geigen und Cembalos. Lakaien in blau-silberner Livree reichten Wein und erlesene Lekkerbissen; um die Spieltische drängten sich die Damen und Kavaliere des Hofes.

Königin Maria Theresia winkte Philipp an ihre Seite. An ihrem Tisch wurde Hocca gespielt. Die Goldlouis häuften sich auf der mit kostbaren Intarsien ausgelegten Platte.

Liselotte ging eine Weile ziellos durch die großen Räume, grüßte hierhin und dorthin, bis sie in einer Fensternische des Dianasaals den Dauphin mit seiner Gemahlin und die Marquise von Montespan entdeckte.

Die Maitresse en titre Ludwigs sah wunderschön aus an diesem Abend. Das Kerzenlicht schmeichelte ihrem Teint und verdeckte die Spuren des beginnenden Alters. Sie trug das volle, goldblonde Haar in unzählige kleine Löckchen frisiert und mit einem Samtband zurückgehalten. Ihre Robe war aus französischer Spitze und mit Perlen bestickt.

Die Montespan war lebhaft und heiter wie meist, aber auf dem Grunde iher Augen entdeckte Liselotte eine dunkle Unruhe, die sich in sprühenden Zorn wandelte, als kurz darauf der König erschien. An seiner Seite ging Madame de Maintenon.

Die Witwe des Komödiendichters Scarron, die die Kinder des Königs mit der Montespan erzogen und erst kürzlich von Ludwig den Titel einer Marquise verliehen bekommen hatte, trug, wie immer, keinen Schmuck außer dem großen brillantenbesetzten Kreuz, das an einer Perlenkette von vollendeter Schönheit hing.

Liselotte hörte, wie Athénais von Montespan den Atem kurz und heftig ausstieß. Sie drehte sich zu der Marquise um und sah, daß sie Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten. Impulsiv legte Liselotte ihr die Hand auf den Arm. »Nehmt Euch um Gottes willen zusammen, Madame! Der König verabscheut Tränen und Vorwürfe.«

»Er war also wieder bei ihr«, murmelte die Montespan mit zusammengebissenen Zähnen. »Fast jeden Tag unterhält er sich stundenlang mit ihr. Und ich sehe ihn kaum noch! Madame, könnt Ihr mir erklären, was er an ihr findet?«

Das konnte Liselotte allerdings nicht. Madame de Maintenon war drei Jahre älter als Ludwig. Sie hatte eine lange Nase und ein etwas zu großes, energisches Kinn. Wirklich schön an ihr waren nur die großen, dunklen Augen und die Anmut ihrer Bewegungen.

Liselotte mochte Françoise de Maintenon nicht. Ihre Frömmigkeit hielt sie für Heuchelei, ihre zur Schau getragene Tugendhaftigkeit für den Deckmantel, unter dem sie längst des Königs Geliebte geworden war.

»Es ist empörend«, sagte sie leise zu Athénais. »Ihr habt diese Person an den Hof gebracht, Ihr habt ihr tausend Wohltaten erwiesen, und nun vergilt sie Euch dies alles so übel. Aber seid getrost, eines Tages wird der König einsehen, daß die Maintenon sein Wohlwollen nie verdient hat.«

Athénais von Montespan biß die Zähne aufeinander. Ich muß etwas unternehmen, dachte sie. Es wird Zeit, daß ich wieder einmal Madame Filastre besuche ... Mag sein, daß sie noch einen von ihren vortrefflichen Liebestränken hat.

Wenn irgend jemand Liselotte gesagt hätte, die Marquise von Montespan bediene sich schon seit Jahren allerlei Zaubermittel und besuche sogar Schwarze Messen, um den König an sich zu fesseln, sie hätte ihn empört einen Lügner genannt. Liselotte war viel zu arglos und gradlinig, um zu durchschauen, wer die hübsche, goldblonde Athénais de Montespan, die so hinreißend zu lachen und so geistreich zu plaudern wußte, wirklich war.

Irgend jemand hatte sie früher einmal den ›schönsten Körper Frankreichs‹ genannt. Aber zu diesem Körper gehörte ein Kopf, der von Habgier und skrupellosem Ehrgeiz beherrscht war. Athénais’ ganzes Denken und Streben drehten sich nur um Geld, Schmuck, Kleider und Macht. Und jetzt kämpfte sie wie eine Tigerin darum, den Platz als königliche Favoritin zu behalten, der durch Madame de Maintenon bedroht war.

Als der König durch das Spalier der Prinzen, Herzöge und ihrer Damen auf den Billardtisch zuschritt, der im Dianasaal aufgestellt war, zwang sich Athénais zu einem Lächeln und verneigte sich tief.

»Ah, unsere liebe Marquise de Montespan«, sagte Ludwig obenhin, »reizend wie immer!« Dann wandte er sich an Liselotte, und sein Ton wurde um vieles herzlicher. »Ich hoffe, Madame, Ihr werdet mir nachher die Freude machen, an meinem Tisch eine Partie vingt-et-un zu spielen. Übrigens habt Ihr heute eine besonders aparte Frisur. Ist sie das Werk Eurer neuen Kammerzofe?«

»Ja, Sire ... Sie ist noch jung, aber recht anstellig«, antwortete Liselotte verlegen.

Ein kleiner, amüsierter Funke blitzte in des Königs Augen auf. »Und ein rasches Mundwerk hat sie auch. Sagt ihr, sie solle es in Zukunft vor Fremden ein wenig im Zaum halten. Nicht jeder ist so verschwiegen wie der, dem sie heute begegnet ist.« Er zog den Hut, wie er es vor jeder Dame tat, und erwies Liselotte eine leichte Reverenz. Dann wandte er sich der Dauphine Maria Anna zu. »Erlaubt, Madame, daß ich Euch Eurem Gemahl für eine kleine Weile entführe. Er ist mir noch Revanche beim Billard schuldig.«

Der Hof hielt sich nicht lange in Versailles auf. Ende Januar 1682 übersiedelte der König wieder nach Paris, und hier traf Isabell ihn zum zweitenmal. Es war während eines Balles im Palais Royal, dem Stadtschloß des Herzogs von Orléans.

Liselotte tanzte gerade mit dem König ein Menuett, als man ihr die Nachricht überbrachte, ihre Tochter Elisabeth Charlotte sei plötzlich von einem heftigen Fieber befallen worden.

Der König, der Kinder sehr liebte und der kleinen Mademoiselle von Orléans besonders zugetan war, begleitete Liselotte ins Kinderzimmer.

Die fünfjährige Elisabeth Charlotte lag mit feuerrotem Gesichtchen und schweißnassem Haar in ihrem Himmelbett. Sie klagte über Bauchschmerzen, und Liselotte, die ihre Tochter kannte, vermutete sehr richtig, daß sich die Kleine an zuviel Süßigkeiten den Magen verdorben hatte.

Madame de Grancey, die schon vor Liselotte im Kinderzimmer erschienen war, meinte, man müsse unbedingt einen Arzt holen, der dem Kind Klistiere und Brechmittel eingeben solle. Aber Liselotte winkte energisch ab. Sie hatte nie vergessen, daß ihr erstgeborener Sohn Alexandre Louis an einer solchen Behandlung gestorben war. Bei fast jeder Krankheit verordneten die Ärzte Aderlässe und Abführmittel, bis die ohnehin geschwächten Patienten an völliger Entkräftung starben.

›Kein Kind ist hier vor ihnen sicher‹, hatte Liselotte einmal an ihre Tante, die Herzogin Sophie von Braunschweig-Lüneburg, geschrieben. ›Allein schon fünf von der Königin haben die Herren Doctores in die andere Welt geschickt.‹

Nein, solange sie es verhindern konnte, kam kein Arzt an ihre kleine Tochter heran, auch wenn der König, der sehr viel von der medizinischen Fakultät hielt, ein etwas verärgertes Gesicht machte.

Liselotte lächelte ihn verzeihungheischend an. »Glaubt mir, Sire, Mademoiselle von Orléans fehlt nichts Ernstliches. Sie hat sich mit allerhand Leckereien vollgestopft, und die rumoren jetzt in ihrem Bauch. Alles, was sie braucht, ist ein schmerzlindernder Kräutertee und eine ordentliche Schwitzpackung. Das vertreibt das Fieber.«

Sie verlangte nach angewärmten Tüchern und gab Anweisung, den Tee zuzubereiten. Der König redete währenddessen leise und tröstend auf die kleine Elisabeth Charlotte ein. Er versprach ihr eine Spazierfahrt in seiner Karosse, sobald sie wieder gesund sei, und empfahl Liselotte, noch eine Weile bei dem Kind zu bleiben. »Wenigstens, bis es eingeschlafen ist, Madame. Ich werde inzwischen Monsieur über das Befinden seiner Tochter beruhigen.«

Zwei Diener mit flackernden Windlichtern begleiteten den König über Korridore und Treppen in die Gesellschaftsräume. Auf der Galerie, die sich um den großen Ballsaal zog und an deren Ende eine breite Marmortreppe mit vergoldetem Geländer hinunterführte, blieben sie zurück. Hier war es taghell vom Schein der vielen hundert Kerzen, die in großen Kandelabern brannten und deren Licht die bis zum Boden reichenden Spiegel funkelnd reflektierten.

An der Balustrade, im Schatten von zwei Säulen, stand ein Mädchen und spähte hinunter in den Saal: Isabell. Sie war so in den Anblick der tanzenden Paare vertieft, daß sie erst herumfuhr, als jemand ihre Schulter berührte. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie den König erkannte. »Sire ...«

Ludwig deutete in den Saal hinunter. »Das gefällt Ihr wohl, Mademoiselle?«

Sie nickte zögernd. »Es ist sehr prächtig – aber auch ein wenig verwirrend. So viele Menschen! Madame hat erzählt, es seien über sechshundert. Ich verstehe nicht, wie man all die Namen und Gesichter im Kopf behalten kann.«

»Es ist ein bißchen schwierig. Aber im Lauf der Zeit gewöhnt man sich daran.« Ludwig betrachtete Isabell und fand, daß sie noch reizender aussah, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Sein Blick wanderte tiefer, über den schmalen Hals, die feste junge Brust, die das enge Mieder ihres Kleides deutlich abzeichnete, die schmale Taille. Wirklich, sie war bezaubernd!

Keine jener überzüchteten Geschöpfe, wie sie im Treibhausklima des Hofes gediehen, aber auch keine Bauernmagd mit drallen Hüften und groben Händen. Sie war gesund und frisch und voller Unschuld, und gleichzeitig von einer verführerischen Weiblichkeit.

»Wie heißt Sie eigentlich?« fragte Ludwig.

»Isabell, Sire«, antwortete das Mädchen. Es war plötzlich eine sonderbare Gespanntheit zwischen ihnen. Isabell atmete rascher. Seit jener ersten. Begegnung in Versailles hatte sie mit den widerstreitendsten Empfindungen an den König gedacht.

Durch seine mittelbare Schuld waren ihr Bruder und ihr Vater gestorben. Er war ein Tyrann, dessen beispiellose Verschwendungssucht das Volk ausbeutete, ihm immer neue, immer rücksichtslosere Steuern aufzwang. In den Webereien von Reims, den Gobelinmanufakturen von Paris arbeiteten Frauen und Kinder sechzehn Stunden am Tag – und all das für diesen König, für neue Armeen, für neue Schlösser, für noch mehr Macht.

Aber dieser König, dessen Namen unzählige verfluchten und fürchteten, war vor allem anderen ein Mann, dessen Faszination sich keiner entziehen konnte, der ihm einmal begegnet war.

»Isabell«, wiederholte Ludwig leise, »das ist ein hübscher Name für eine hübsche kleine Rebellin ...«

Isabell schluckte. »Sire, ich muß Euch noch um Verzeihung bitten. Hätte ich neulich gewußt, wer Ihr seid ...«

Er unterbrach sie mit einem Lachen. »Ich höre sehr viele Schmeicheleien. Darum lege ich es manchmal darauf an, daß man mir Grobheiten sagt. Sie hätte also dem König von Frankreich nicht mit Ohrfeigen gedroht, wenn er Sie hätte weiterküssen wollen?«

»Nein«, gestand Isabell zögernd.

Er nahm eine Locke ihres langen, seidigen Haares und wickelte sie sich um den Finger. »Das ist zwar kein Kompliment für den Mann, der Sie geküßt hat, aber immerhin! Vielleicht erinnere ich Sie einmal an dieses Versprechen.«

Isabell senkte den Blick. »Müßt Ihr nicht auf den Ball zurück, Sire?«

Er seufzte. »Eigentlich ja. Aber ich würde viel lieber mit Ihr tanzen!«

Sie mußte lachen. »Aber ich kann das doch gar nicht! Jedenfalls nicht diese höfischen Tänze. Was ist das, was die Musikanten gerade spielen? Ein Menuett?«

»Nein, eine Gavotte.«

Eine Weile schaute Isabell in den Saal hinunter. »Es sieht sehr hübsch aus. Aber es ist gewiß schwer, all diese Schritte und Figuren zu erlernen.«

»Sie würden es bestimmt rasch begreifen. Möchten Sie es einmal versuchen?«

»Ich, Sire? Aber das ist doch unmöglich! Ich kann doch nicht hier ...«

Ludwig lächelte. »Hier nicht. Aber wenn Sie sich mir anvertrauen will ...« Er nahm ihren Arm und führte sie rasch ans Ende der Galerie. Dort öffnete er eine Tür und schlug die Samtportieren zurück. Der Raum dahinter war von ein paar Kerzen in silbernen Wandleuchtern matt erhellt. An den Wänden standen Sofas und niedrige Taburetts.

»Hier können sich die Damen ausruhen, wenn sie ein wenig ermüdet sind«, erklärte der König und schloß die Tür. Die Musik war noch deutlich zu hören. Er verneigte sich mit ein wenig ironischer Grandezza. »Mademoiselle, wollt Ihr mir die Ehre erweisen?« Es war herrlich und verrückt zugleich – wie ein Traum, über den man beim Erwachen den Kopf schüttelt. Der König erklärte Isabell die Schritte, die sie zu tun hatte, führte sie an der Hand und summte zwischendurch leise die Melodie mit. Tanzend entfernten sie sich voneinander, schritten wieder aufeinander zu, berührten sich an den Händen, verbeugten sich. Es war wie ein Lokken und Sichversagen, ein Fliehen und Zueinander-hingezogen-Werden.

Als die Gavotte zu Ende war, nahm der König Isabell in die Arme. Und diesmal wehrte sie sich nicht. Sie gestand sich ein, daß sie das gewollt hatte. Seine Lippen auf ihrer Haut, seine Hände, die zärtlich und erfahren zugleich waren und deren Berührung kleine Schauer der Erregung über ihren Körper jagten.

Das, was sie jetzt empfand, war nicht die Liebe, von der sie geträumt hatte! Es war anders, dunkler, schwerer – ein Verlangen, vor dessen Heftigkeit sie selbst erschrak. Ihre Lippen öffneten sich unter Ludwigs Kuß, ihr Kopf sank zurück.

Aber in diesem Moment tauchten Bilder hinter ihren geschlossenen Augenlidern auf, die sich für immer in ihre Netzhaut eingebrannt hatten: die kniende, verzweifelte Menschenmenge vor dem Straßburger Münster... Ihr Vater, den die Soldaten fortführten ... Ihr Bruder, den man mit einer Kugel in der Brust nach Hause gebracht hatte ... Ludwig spürte, wie Isabells Körper in plötzlicher Abwehr erstarrte. Er hob den Kopf und schaute in ihr jäh erblaßtes Gesicht. »Bitte, Sire«, sagte sie leise, »laßt mich gehen. Ich ... ich kann nicht. Es ist unmöglich.«

Er gab sie sofort frei. Erst an der Tür hielt er sie mit einer Frage zurück. »Sag mir nur eines, Isabell: Wen hast du jetzt zurückgewiesen – den Mann oder den König?«

Für einen Moment schaute sie ihn voll an, sein edelgeschnittenes Gesicht, die blauen, leuchtenden Augen. »Den König«, antwortete Isabell dann leise, ehe sie rasch hinausging.

Im Zeichen der Sonne

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