Читать книгу Am Rockzipfel - Susanne Schnatmeyer - Страница 5

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»Es lohnt sich, keinen Hut zu tragen,

endet der Mensch bereits am Kragen.«

Heinz Erhardt

Hemd, Kragen und Ärmel

Bis aufs Hemd

In früheren Zeiten war ein Hemd lang und weit geschnitten und wurde direkt auf der Haut getragen. Aus waschbarem Leinen gefertigt, bildete es eine Schmutzbarriere zur meist nur durch Abbürsten zu reinigenden Oberbekleidung. War der Wohlstand begrenzt, so musste das Hemd zugleich als Ober-, Unter- und Nachthemd dienen. Die sehr viel wertvollere Oberbekleidung aus Wolle oder Seide war ein begehrtes Raubgut, deshalb plünderten Räuber ihre Opfer bis aufs Hemd aus, das Opfer stand fast nackt im bloßen Hemd da. Dem Gläubiger eines Spielers war es erlaubt, dem Schuldner die gesamte Kleidung bis aufs Hemd abzunehmen, um die Spielschulden einzutreiben. Entsprechend ist jemand besonders aufopfernd, wenn er sein letztes Hemd für eine Sache oder einen Menschen hergibt. Kurz vor seinem Tod sollte man ohnehin alles weggeben, denn: Das letzte Hemd hat keine Taschen.

Sich ins Hemd machen

Lange Hemden können weit über die Schenkel reichen. Wer vor Angst seine Blase oder Darm nicht halten kann, macht sich dann ins Hemd. Soll sich jemand wegen einer Kleinigkeit nicht aufregen heißt es: »Mach dir nicht ins Hemd« oder »Mach dir keinen Fleck ins Hemd!«

Die Meinung wechseln wie das Hemd

Wer es sich leisten kann, wechselt sein Hemd manchmal mehrmals täglich, das war auch schon früher so. Weil Hemdenwechsel so einfach und üblich ist, steht es auch für Menschen, die ihre Meinung je nach Situation ablegen und eine neue annehmen. Gesinnungswandel werden generell gern mit Textilbildern umschrieben, wie beim ›Mantel im Wind‹ und dem ›Fähnchen im Wind‹.

Das Hemd ist näher als der Rock

Ein Rock ist für uns heute ein weibliches Kleidungsstück, das von der Taille herabhängt. Ursprünglich war die Bedeutung aber weiter gefasst. Der Rock konnte wie das Kleid generell die Oberbekleidung von Männern und Frauen bezeichnen. Später war mit Rock auch eine lange Herrenjacke gemeint, heute noch erkennbar im Gehrock, dem Mantel zum Ausgehen. Da der Rock – im Sinne von Überrock – weiter weg von der Haut ist als das Hemd, kommt er dem Träger nicht so nahe. Wer sich zuerst um das Hemd kümmert, dessen persönliche Interessen gehen vor. Später gab es noch die Variante ›das Hemd ist mir näher als die Hose‹.

Ärmel

Im Gegensatz zum steifen Anzugträger gibt sich hemdsärmelig, wer locker und ungezwungen auftritt. Noch heute gehört es bei formellen Terminen dazu, dass Männer ihre Jacketts nicht ablegen. Erst wenn der formlose Teil des Abends beginnt, dürfen sie ihre Jacken über die Stuhllehnen hängen und hemdsärmelig, also mit sichtbaren Ärmeln, dasitzen. Einen deutlichen Schritt weiter geht einer, der die Ärmel aufkrempelt oder hochkrempelt. Tüchtig anpacken kann ja nur, wer die Arme für körperliche Arbeit frei macht.

Aus dem Ärmel schütteln

Schon 1600 werden träge Priester gescholten, die eine Predigt aus dem Ermeln schütteln. Die Redensart beschreibt bis heute ein scheinbar müheloses Improvisieren und erinnert an Zauberer oder Falschspieler, die versteckte Karten aus dem Ärmel ziehen. Immer noch hat ein As im Ärmel, wer einen letzten Trumpf ausspielen kann.

Manschetten haben

Das Wort Manschette kommt vom französischen manche für Ärmel und bezeichnet den unteren Ärmelabschluss. Manschetten waren bei wohlhabenden Männern bis 1800 sehr auffallend geschmückt, oft fielen mehrere Lagen feine weiße Spitze weit über die Finger. So gezierte Hände waren sehr viel weniger willens und in der Lage, sich einer handfesten Auseinandersetzung zu stellen als Arme, deren Ärmel hochgekrempelt und kampfbereit waren. Die feinen Herren ›hatten Manschetten‹ – sie mussten Grobheiten aus dem Weg gehen und waren nicht so wehrhaft. Später konnte man jemandem Manschetten machen, indem man ihm Angst einjagte, manchmal steigerte sich die Angst auch bis zum Manschettenfieber.

Kopf und Kragen

»Dem dreh ich den Kragen um!« – Egal, ob es dem Hassobjekt nun nur an den Kragen geht oder es ihm gleich den Kragen kostet, immer ist hier eigentlich der Hals gemeint. Wie bei vielen Redensarten steht das Kleidungsstück für den Körperteil, den es umhüllt. Ganz deutlich beschwört die Wendung es geht um Kopf und Kragen eine Gefahr wie bei einer Hinrichtung herauf. Wer sich um Kopf und Kragen redet, bringt sich durch unvorsichtiges Reden bildlich in Lebensgefahr. Der Geizkragen ist eigentlich ein Geizhals.

Kragen platzt

»Ich hab so einen Hals!« – zwei Hände deuten an, wie dick der Hals mit seinen Halsschlagadern vor Wut schon angeschwollen ist. Bei »Hör sofort auf, sonst platzt mir der Kragen!« sprengt ein dicker Hals in Kürze die Kleidung. Wenn aber alles gut läuft, dann sitzt das Hemd angenehm wie bei einer Sache, die jemandes Kragenweite ist, die also wie für die Person gemacht ist.

Hinter die Binde kippen

Wer sich ein Glas Alkohol genehmigt, kippt oder gießt sich einen hinter die Binde. Der Ausdruck war schon 1850 geläufig und passt gut zur damaligen Männermode. Eine mehrmals um den Hals geschlungene Binde gehörte im Biedermeier zum perfekten Look des Mannes. Bier, Wein und Schnaps liefen hinter dieser breiten Binde den Hals hinunter.

Beim Kragen packen und beim Wickel nehmen

Wen man am Kragen festhält, der kann einem nicht entwischen. Zusätzlich kann der Kragen hier auch wieder für den Hals stehen, dann geht es dem Kontrahenten sogar an die Gurgel.

Die Redensart ›beim Wickel nehmen‹ erinnert daran, dass Männer bis vor zweihundert Jahren noch Zöpfe trugen. Um diesen Zopf am Hinterkopf wickelten sie sich ein sogenanntes Wickelband. So störte das Haar nicht und ließ die Kleidung im Rücken sauber. An dem schwarz umwickelten spitzen Schwanz konnte man einen Mann auch gut festhalten.

Am Schlafittchen packen

Wen man nicht am Kragen packen kann, den erwischt man möglicherweise noch beim Schlafittchen, also am Rockschoß oder Kleiderzipfel. In dem Wort ist der ›Fittich‹ versteckt, die Schwinge eines Vogels. Mit Schlag-Fittichen sind die großen Schlagflügel gemeint, die manchmal bei einer Gans oder einem Schwan zu sehen sind. Wer den anderen beim Ärmel oder Kleid erwischt, der packt ihn bildlich am Flügel.

Auf den Schlips treten

Nein, hier landet kein Fuß auf einer Krawatte. Das Wort Schlips kommt vom niederdeutschen slip für Zipfel, daher meint die Redensart eigentlich einen Zipfel der Kleidung. Wer dem anderen zum Beispiel auf den Saum tritt, stört und behindert ihn.

»Gewohnheit ist ein Hemd aus Eisen.«

Sprichwort


Am Rockzipfel

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