Читать книгу Heidewinter - Susanne Schomann - Страница 7

PROLOG

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„Bitte Papa, erspare mir das!“ Sina stampfte leicht mit dem Fuß auf, um ihren Unwillen zu untermauern, aber die Miene ihres Vaters blieb unverändert hart.

Klaus Rosenborn verschränkte die Arme vor seinem mächtigen Brustkorb und schüttelte leicht den Kopf.

Seine überlegene Haltung machte Sina noch wütender. „Ich will nicht auf diesen Ball!“, fuhr sie unbeirrt fort. „Ich will auch kein Kleid und ich will schon gar nicht vorgeführt werden wie ein Zirkuspferd in der Manege!“ Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme schrill.

„Darüber diskutiere ich nicht mit dir, Sina. Es ist meine Pflicht als dein Vater …“

„Ach, papperlapapp!“, unterbrach sie ihn. Sie wusste nur allzu gut, wie seine Tirade weitergehen würde. Sie hatte sie schon hunderte von Malen gehört.

„Sina! Mäßige dich!“

„Na, ist doch wahr! Ich weiß, dass du diesen Ball in Wahrheit nur aus einem Grund gibst, und das ist nicht etwa die Einführung deiner neuen Pralinensorte. Hältst du mich für so dumm, dass ich das nicht durchschaue?“ Sie atmete tief ein und versuchte sich an einem kleinen Lächeln, von dem sie hoffte, dass es sein Vaterherz doch noch erweichen würde. „Papa, sei ehrlich, deine Einstellung zu diesem Thema ist wirklich ein bisschen altmodisch.“

„Nein, das ist sie ganz und gar nicht, mein Kind. Im Gegensatz zu dir weiß ich nämlich, wie wichtig es ist, in den richtigen Kreisen zu verkehren, um den bestmöglichen Platz im Leben finden zu können.“

„Die richtigen Kreise! Wenn ich das schon höre. Dein Vertrauen in mich ist wie immer beeindruckend“, zischte sie. Sie war es unendlich leid, dass ihr Vater so wenig von ihr hielt, dass er ihr noch nicht einmal zutraute, ihren eigenen Weg in eine glückliche Zukunft zu finden.

Er war ein überaus erfolgreicher Unternehmer. Sie hatte bereits erlebt, wie mühelos er sich auf wildfremde Menschen einstellen konnte und sie in Nullkommanichts richtig einschätzte, doch er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, wie es in seiner einzigen Tochter aussah. Na ja, dachte Sina frustriert, wahrscheinlich ist es ihm sogar egal.

„Das hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun, und das weißt du auch. Ich will dir nur deinen Weg ebnen, Sina. Ich habe eine überaus hübsche Tochter, und das sollten alle wichtigen Familien wissen.“

Sie lachte bitter auf. „Ha! Du meinst die Familien, die furchtbar schnöselige und aalglatte Söhne im passenden Alter haben und nebenbei über ein riesiges Vermögen und am besten noch über einen Adelstitel verfügen!“

„Großes Vermögen steht für mich nicht im Vordergrund, das weißt du. Geld haben wir schließlich genug. Aber dein Mann sollte zumindest über eine gute Familie, genügend Ansehen und einen hervorragenden Ruf verfügen. Ja, herrgottnochmal, ein Adelstitel kann da weiß Gott nicht schaden. Was ist so falsch daran, Sina?“

„Alles Papa! Alles! Es ist nämlich ganz und gar nicht das, was mir für mein Leben vorschwebt. Ich möchte später keine von diesen gelifteten Zicken werden, deren Hauptsorge darin besteht, ob sie beim richtigen Modedesigner einkaufen oder ob das Personal spurt. Außerdem bin ich sowieso noch viel zu jung, um zu heiraten. Dafür habe ich doch noch jede Menge Zeit.“

„Du wirst in fünf Monaten deinen achtzehnten Geburtstag feiern und damit volljährig sein. Deine Mutter war genau in deinem Alter, als ich um ihre Hand anhielt.“

„Oh, Papa! Du bist wirklich von Vorgestern! In etwas mehr als zwei Jahren werde ich meinen Abschluss machen. Spätestens dann kann ich mich sehr gut selbst versorgen.“

„Als Krankenschwester? Ich bitte dich.“ Um den Mund ihres Vaters spielte ein leichtes Lächeln, das allerdings nicht freundlich oder liebevoll war, sondern vielmehr seine Einstellung zu ihrer Berufswahl deutlich machte. Sina war verletzt.

„Jawohl, als examinierte Krankenschwester. Und es ist genau das, was ich immer machen wollte.“ Sie legte den Kopf in den Nacken und blähte ihre Wangen auf, ließ dann ganz langsam den Atem entweichen. „Ich weiß, dass du das nicht verstehen willst. Doch du wirst es sehen, ich werde diese Ausbildung abschließen, Papa, und zwar mit den besten Noten.“

Zunächst runzelte Klaus Rosenborn nur die Stirn, dann erinnerte er Sina jedoch daran, dass er bestimmte: „Nun, ich habe deiner Ausbildung zugestimmt. Es war das kleinere Übel, nachdem du die Schule …“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung, atmete tief ein und machte damit deutlich, dass er spätestens an dieser Stelle die Diskussion für beendet erklärte. „Noch bist du weder volljährig, geschweige denn in der Lage, deinen Lebensunterhalt allein zu bestreiten, Sina. Und solange dies so ist, wirst du gefälligst tun, was ich dir sage. Die Schneiderin kommt morgen Nachmittag und ich erwarte, dass du hier sein wirst und dich nicht wieder bei meiner Schwester verkriechst. Du gehst auf diesen Ball, basta!“

Natürlich setzte ihr Vater sich durch. Vier Wochen später begleitete Sina ihn und ihre Tante auf den großen Pralinenball, der im berühmten Hamburger Hotel Atlantic stattfand. Nicht zum ersten Mal hatte ihr Vater dort mehrere Bankettsäle, aber natürlich auch den prunkvollen Ballsaal des Hotels angemietet.

Sinas Laune war auf dem Nullpunkt angelangt. Sie war umgeben von Menschen, die sie überwiegend als oberflächlich und äußerst narzisstisch einschätzte. Auch die stille Hoffnung, dass sie sich vielleicht direkt nach dem Bankett unauffällig zurückziehen könnte, wurde nicht erfüllt. Denn ihr Vater hatte sie nach dem Essen beiseite genommen und ein weiteres Mal streng gemaßregelt. Natürlich war ihm aufgefallen, dass sie sich fast zu Tode langweilte. Deshalb hatte er ihr befohlen, sich endlich fröhlich zu geben und nicht so sauertöpfisch dreinzuschauen, wie er es nannte.

Ja, und nun stand sie im prächtigen Ballsaal und fühlte sich immer noch völlig fehl am Platz. Die sechsköpfige Band spielte recht ordentlich, aber das konnte Sina nicht aufheitern. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich sinnlos mit Champagner zu betrinken, um ihren Vater zu ärgern, doch selbst dazu fehlte ihr die Lust. Okay, sie musste zugeben, dass ihr Kleid aus türkisfarbener Seide ein wahrer Traum war. Sina wusste, dass ihr die Farbe hervorragend stand. Es war also kaum ein Wunder, dass sie fortwährend zum Tanz aufgefordert wurde, auch wenn sie jedes Mal lächelnd ablehnte.

Diese jungen Schnösel sehen allesamt gleich aus, dachte sie bei sich. Innerlich stöhnte sie auf, als sie einen kurzen Blick auf die Uhr warf. Es war noch nicht einmal Mitternacht. Sie würde also noch einige Stunden durchhalten müssen, denn die Feste, die ihr Vater gab, endeten meist erst, wenn es bereits wieder hell wurde.

Sina atmete tief durch, ließ den Blick erneut über die tanzenden Paare wandern und lehnte abermals eine Aufforderung zum Tanz ab. Doch dann betrat ein Mann den Ballsaal, der sofort ihre Aufmerksamkeit weckte. Sie hätte auf Anhieb nicht sagen können, warum, aber es ging eine sanfte Erschütterung durch ihren Körper, als sie ihn hereinkommen sah.

Natürlich drehte sie den Kopf sofort in eine andere Richtung, damit er ihren Blick nicht bemerkte, denn auch er hatte sie angesehen. Dieser winzige Moment, es war nur der Bruchteil einer Sekunde, hatte ausgereicht, um sein männliches Interesse fast physisch zu spüren.

Ihr Herz begann schneller zu klopfen. Nur aus dem Augenwinkel beobachtete sie, dass er sich langsam auf sie zu bewegte. Sie hatte sofort gewusst, dass er zu ihr kommen würde. Mit leicht federndem Gang umrundete er den Saal, kam immer näher. Irgendwann befand er sich auf der Zielgeraden und von diesem Moment an, sah sie ihm entgegen, konnte ihn endlich in Ruhe betrachten.

Sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte zwanzig. Er war schlank und ziemlich groß. Sein schwarzer Abendanzug war körperbetont geschnitten, brachte die breiten Schultern unter dem Jackett sehr gut zur Geltung. Glänzende Biesen an der schmalen Hose betonten seine langen Beine und die auffallend schmalen Hüften. Sein Haar war voll, leicht wellig und hatte die Farbe von reifen Haselnüssen. Schon jetzt war Sina gespannt auf die Farbe seiner Augen, sie wettete, dass sie ebenfalls braun sein würden.

„Hallo Ballkönigin“, sagte er lächelnd, als er endlich vor ihr stand.

Nun ja, das war nicht besonders einfallsreich, aber sein Gesicht wirkte offen und war ungemein attraktiv, sodass auch sie lächeln musste. Und seine Augen waren tatsächlich braun. Ein schönes, sehr warmes Braun, das sie an schmelzendes Schokoladeneis denken ließ.

Sina schäkerte ein wenig mit ihm herum, gab sich dabei jedoch betont selbstsicher, um ja nicht wie ein alberner Teenager zu wirken. Er unterschied sich deutlich von den anderen jungen Männern im Saal. Sein Auftreten wirkte nicht so gestelzt und aufgesetzt, sondern viel natürlicher und vor allem männlicher. Unter ihrer Bauchdecke begann es zu kribbeln.

Es vergingen nur wenige Augenblicke, da fand sie sich auch schon auf der Tanzfläche und in seinen Armen wieder. Er tanzte wundervoll, bewegte sich fließend und führte sie selbstsicher über das Parkett. Die Hitze seiner Hand, die Härte seines Körpers durchdrang die Seide ihrer Abendrobe und setzte ein Begehren frei, dessen Intensität Sina fast erschreckte. Innerlich begann sie zu glühen und sie spürte, dass sie feucht wurde. Fast automatisch begann sie sich an ihm zu reiben. Sie konnte einfach nicht anders.

Und plötzlich wusste sie, was sie tun würde …

Heidewinter

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