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Schräge Vögel, oder: Von der Rückkehr alter Freunde

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Hühner im Garten? In einem ganz kleinen? Mitten in der Stadt? Warum denn nicht? Was heute exotisch anmutet, war jahrhundertelang Alltag: Garten und Geflügel gehörten zusammen. Die anspruchslosen Gefiederten lebten hinter dem Haus, in mehr oder weniger ansprechenden Hühnerhöfen oder gleich im ländlichen Freilauf, recycelten, was immer ihnen vorgeworfen wurde, zu hochwertigem Protein, und lieferten so ohne viel Aufwand einen zusätzlichen Garten-Ertrag. Gehobenere Geflügelkreise waren überdies eine statusträchtige Zierde zum Ziergarten: Es gab – und gibt – Hunderte von Rassen und Schlägen, schillernd bunt befiedert, winzig klein oder riesengroß, oft irgendwo zwischen prächtig und skurril. Viele sind derart attraktiv anzusehen, dass selbst die britische Queen Victoria vom Hühnerfieber nicht verschont blieb: Ihre Gefiederten gehörten zu den großen Leidenschaften der sonst eher nüchternen Monarchin. »Im Sommer sollten sie durchaus auf ihren Hof beschränkt werden,« heißt es auch in einem deutschen Gartenbuch aus Kaisers Zeiten, »im Winter lasse ich sie ruhig im Ziergarten grasen. Sie vertilgen dann bei offenem Wetter manches Ungeziefer.« Die Frage war also nur, wo sich die Hühner wann aufhalten durften – dass es sie in einem Garten gab, war selbstverständlich.

Das war auch noch zu meiner Grundschulzeit so: überall in dem kleinen Landstädtchen gackerte und krähte es, und unser Hausmeister verband das Professionelle perfekt mit dem Privaten: Er hielt sein Geflügel auf dem Schulhof, wir fütterten es mit Pausenbroten, und keiner störte sich an dem lauthals krähenden Gockel. Unsere ländlichen Verwandten hatten eine große, bunte Hühnerschar, und als siebenjähriger Feriengast bekam ich dort eine verantwortungsvolle Aufgabe: ich durfte die Eier aus den Strohnestern holen. Das klang einfacher, als es war. Die Eier, warme und glatte Handschmeichler, fühlten sich zwar wunderbar an, sie aber zu ergattern, konnte durchaus eine Herausforderung bedeuten. Gleich die erste Lehre der Gefiederten erwies sich auch als die grundlegende: Huhn ist nicht gleich Huhn. Sie alle sind kleine Individuen.

Mein Problem hieß Henne Bertha. Das war eine dicke, selbstbewusste braune Glucke, die den scharfen Foxterrier gnadenlos über den Hof prügelte, die Katze in Furcht und Schrecken hielt und auch mir das ländliche Leben ziemlich erschwerte: Jedes Ei im Lege nest, egal, ob von ihr oder nicht, verteidigte sie mit einer Hingabe, als sei es ihr Lieblingsküken. Wenn ich sammeln ging, hoffte ich immer inständig, dass Bertha anderweitig beschäftigt sei. Aber meist war sie das nicht, sondern hockte aufgeplustert wie ein fetter brauner Pfannkuchen auf dem Nest, schrie mich mit gesträubtem Kragen an und maß mich herausfordernd mit dem, was eine Hühnerkennerin so treffend als »Nur-über-meine-Leiche-geht-der-Weg-Blick« charakterisierte. Es kostete schon etwas Mut, unter die breite Brust dieser Furie zu greifen, während sie einem zielsicher den Schnabel ins Handgelenk stanzte, aber Bertha war Gott sei Dank nicht blöde. Wenn man sich nicht einschüchtern ließ, gab sie nach, und sie kannte ihre Pappenheimer genau. So konnte ich bald stolz mit meiner Beute in die Küche traben und für den lässigen Hinweis: »Die sind von Henne Bertha!« das verdiente Extra-Lob einkassieren.

Kiki war Berthas krasses Gegenteil: Die weiße Henne gehörte meiner älteren Cousine Karin, die ich glühend bewunderte, auch, weil sie ihr selbstgezähmtes Lieblingshuhn so generös mit mir teilte. Kiki war zahm wie ein Hund. Sie rannte herbei, sobald wir in die Nähe kamen, tippelte uns hinterher, flog uns auf den Schoß und ließ sich mit verblüffender Geduld durch die Gegend schleppen. Ebenso geduldig blieb sie sitzen, wenn ich vorsichtig ihre glatten Federn streichelte und dabei staunte, wie warm sich so ein Huhn anfühlt. Sie hockte sogar brav auf einer Stuhllehne, wenn wir sie als Adler/Geier-Komparsin zum Indianerspielen engagierten.

Kiki war der Hühner-Charme in Person, die Ausnahme von der Regel, dass Vögel eher Beobachte- als Schmusetiere sind. Damals muss es wohl schon passiert sein, jedenfalls stand seitdem für mich fest, dass ich eines Tages eigene Hühner haben wollte. Es dauerte nur schrecklich lange, und als es endlich soweit war, war weniger die alte Liebe gefragt als eine grundlegende Nüchternheit: Wer passt in mein kleines Biotop? Die Zeiten haben sich sehr geändert: Die Selbstverständlichkeit ist dahin, freilaufende Hühner sind Exoten geworden und sollten in der Stadtmitte möglichst nicht auffallen. Wen kann man da auf ein Mini-Grundstück einladen, zumal, wenn man auch noch Wert auf seinen Garten legt? Und, hier ganz wichtig: Wer hat das Potential, mit Terrier Erbse klarzukommen, die es jederzeit ins Finale von »Deutschland sucht den Superjäger« schaf fen würde?

Meine ersten Verliebtheiten konnte ich da gleich wieder abhaken: Die bildschönen, schnittigen Landrassen sind flüchtige, eher nervöse Vögel und brauchen viel mehr Platz, als ich ihn habe. Auf engem Raum kann sich ihr heftiges Temperament allzuleicht gegen die eigenen Artgenossen richten, und Hühner, die einander aus Frust so neurotisch massakrieren, wie sie es oft in der Massenhaltung tun, sind nicht eben der Inbegriff von Gartenfreude. Derart lebhafte Tiere neigen außerdem dazu, sich zur Unzeit darauf zu besinnen, dass sie Vögel sind, sprich: in Bäumen zu nächtigen und Zäune nach Lust und Laune zu überfliegen. Den Literatur-Hinweis »guter Futtersucher« oder »Selbstversorger« kann man als Gärtnerin ohnehin nur mit gelindem Schaudern lesen: Das bedeutet nämlich, dass diese Hühner den Tag damit verbringen, zu kratzen und zu picken, was Krallen und Schnabel nur hergeben – und das ist einiges. Zehntausend Pickschläge pro Tag haben fleißige Wissenschaftler einer noch fleißigeren Henne nachgezählt.

Ganz so arbeitswütig also bitte nicht, und als weitere Revieranpassung sollten meine Traumhühner klein sein, dabei aber nicht zu winzig. Am besten Zwerghühner an der oberen Größengrenze, ziervogelschön, aber unbedingt akzeptable Eierleger. Wie gut nämlich ein simples Ei schmecken kann, habe ich erst an denen aus dem eigenen Garten gelernt. Die Eier vieler Zwerghühner sind dabei noch einmal eine Delikatesse für sich: sie bestehen fast nur aus Dotter. Bodenhaftung ist in dieser engen Nachbarschaft unbedingt gefragt, und in unseren norddeutschen Dauermatsch passen auch Seidenfedern und Federfüße nicht besonders gut. Dafür war mir ein kleiner, möglichst eng anliegender Kamm wichtig, denn zu große Kämme können in harten Wintern schnell erfrieren. Noch vor all diesen Äußerlichkeiten war soziale Verträglichkeit ein absolutes Muss – schließlich sollten die Hennen auch ohne ordnungsstiftenden Hahn harmonisch miteinander leben können.

Einfach ein netter, robuster Vogel also, ohne Übertreibungen, stadtauglich, aber mit ländlichem Char me. So bin ich schließlich bei denen gelandet, die ein Hühnerbuch liebevoll-spöttisch »die Golden Retriever un ter den Hühnern« nennt: bei den weit verbreiteten Zwergwyandotten. Diese kiloschwere Kompaktausgabe einer alten amerikanischen Wirtschaftsrasse hat sich tatsächlich als mein ideales Anfängerhuhn erwiesen. Hermine und Henriette, hell goldbraun mit schwarzem Spitzenkragen, oder, fachmännischer: gelb-schwarz-columbia, kamen, sahen, siegten – und sind heute, drei Jahre später, stolze Chefinnen einer zehnköpfigen Damenriege.

Dafür, dass sich das ursprünglich geplante Quartett auch ohne Gockel so vermehrte, kann ich natürlich gar nichts. Es passierte einfach. Es passierte, weil Hühnerfieber ebenso virulent ist wie Gartensucht, es passierte, weil die sehr geselligen Vögel in größeren Gruppen einfach zufriedener und gelassener sind, und es passierte vor allem, weil diese kleinen Kugelhühner einen so bestechenden Vorteil haben: Zwergwyandotten gibt es in mehr als 30 Farben, und auch die Hennen sind auffallend dekorativ. Der Nachteil liegt da auf der Hand: die Mädels sind so unwiderstehlich hübsch, dass man einfach anfangen muss, sie ein bisschen zu sammeln …

Und nicht nur das: Wyandotten sind zum Dahinschmelzen grotesk. Ich habe nun einmal diese ausgeprägte Schwäche für Skurriles, ein bisschen Bizarres, scheinbar einem Comic Entsprungenes, und Hühner scheinen der lebende Cartoon schlechthin. Kein Wunder, dass sie seit Wilhelm Busch so vielen Zeichnern als Inspiration dienen. Hühner sehen aus, als sei da zusammengekommen, was nicht zusammenhört: Die Scharrvögel stehen fest auf überdimensionalen, geschuppten gelben Füßen, die nicht nur den Gattungsnamen, sondern auch die fernen Sauriervorfahren nicht verleugnen können: Hühner sind die nächsten lebenden Verwandten des Tyrannosaurus Rex. Je genauer man sie beobachtet, desto mehr meint man, diese Herkunft sehen zu können: Eine Gruppe sonst so bedächtiger Hennen, die sich wild auf einen Fleischbrocken stürzt, kann ihr Raptorenerbe wirklich nicht verleugnen. Auf den Krallenfüßen, die sich übrigens nicht reptilienkühl, sondern ganz warm anfühlen, sitzt bei Wyandotten ein Körper, der rundum schwungvoll ist, elegant gerundet, ohne die Ecken und Kanten, die anderen Hühnern oft einen etwas aggressiven, zänkischen Ausdruck verleihen können. Hier sind alles sanfte, gemütlich wirkende Bögen: eine wohlgerundete Brust, ein U-förmiger Rücken, ein Schwanz wie ein federgefülltes Hufeisen über einem wuscheligen Hinterteil.

Und auf einem schicken Federkragen dann ein kleiner Kopf mit Reptiliengesicht: nackte Haut, die sich bei Aufregung blitzschnell dunkelkirschrot verfärbt, ein roter Rosenkamm, der eng am Kopf anliegt, dazu lebhafte, glänzend orangefarbene Augen. Ein kräftiger Schnabel mit fast greifvogelartiger Spitze verrät den Allesfresser. Hühner sind nicht nur begehrte Beute, sondern auch respektable Jäger und haben durch das viele Eierlegen einen hohen Proteinbedarf. So sind sie versessen auf Fleisch und durchaus in der Lage, eine unvorsichtige Maus zu erbeuten. Dieses widersprüchliche, seltsam zusammengesetzte Tier stakst dann auch noch in gravitätischer, drolliger Würde auf seinen Riesenfüßen durchs Revier, mit ewig ruckendem Kopf, um die ohnehin schon scharfen Augen ständig schärfer zu stellen. Wenn es nicht gerade eilt: dann werden der Hals gestreckt und beim Rennen auch noch die Flatterflügel für einen cartoonreifen Tiefflug zur Hilfe genommen. Ein puscheliger kleiner Flugsaurier im eigenen Garten – wer bei diesem Anblick nicht unwillkürlich lächeln muss, dem kann ich auch nicht helfen!

Nachteile haben Hühner natürlich auch. Die lassen sich aber kurz zusammenfassen: Sie kacken. Ständig und überall. Und sie kratzen. Ständig und überall. Das Kratzen fällt bei den gemütlichen Wyandotten glücklicherweise eher zurückhaltend aus, die Verdauung allerdings ist unglaublich rege. Wer da nicht ziemlich bald in einer stinkenden Einöde leben möchte, muss regelmäßig aufsammeln, mit Schäufelchen und Handharke kein großes Problem, wenn auch bei nassem Wetter nicht wirklich appetitanregend. Hier ist ein bisschen Gärtnerspinnerei überaus hilfreich: Seit ich erlebt habe, wie gut der mit dem Hühnermist angereicherte Kompost den Pflanzen tut, wie er die Rosenblüte geradezu explodieren lässt, macht es mir nahezu Spaß, diesen wertvollen Rohstoff möglichst vollständig zu gewinnen. Es kommt wohl auf die Perspektive an: Nach einiger Großtiererfahrung finde ich die Mädels vergleichsweise lächerlich einfach zu versorgen. Meine nette Nachbarin, die eher ihre Hunde als Maßstab hat, findet meine Hühnerbande entnervend, arbeitsaufwendig und lästig.

So etwas sollte man ernst nehmen – und zwar rechtzeitig! Darüber, ab wann einem Dreck unter den Schuhen, Erde überall, ewiges Zurückharken von Aus-dem-Beet-Gekratztem, kurz: die dauernde Abweichung vom Meister-Proper-Ideal ernsthaft auf die Nerven gehen, muss man sich ehrlich Rechenschaft ablegen, bevor man sich in das neue Gartenabenteuer stürzt. Hühner sind nun einmal lebendig. Die reine Hochglanz-Landlust ist da eine romantische Fiktion. Es gibt sie nicht. Dafür gibt es täglich – täglich! – Mist, jeden Winter Matsch, immer Verantwortung, öfter als geplant Tierarzt kosten, und eine zuverlässige Urlaubsvertretung braucht man natürlich auch. Wer das nicht wirklich einkalkuliert, erlebt nach der ersten Begeisterung einen bösen Realitätsschock. Der sich bei Hühnern, anders als bei so vielen unbedacht angeschafften Hunden, natürlich kurzfristig per Kochtopf korrigieren lässt – aber ein bisschen fairer sollte man einem Lebewesen gegenüber schon sein.

Was Hühner im Garten am liebsten haben? Platz, den aber bitte gut strukturiert. Sie sind Waldrandvögel, und so finden sie eine große kahle Fläche eher beängstigend als einladend. Sie wünschen sich reichlich schützendes Unterholz, Hecken oder große Sträucher zum Druntersitzen bei gemütlichen Putz- und Plauderrunden. Dazu offene Plätze für das unentbehrliche, mit reptilienhafter Hingabe zelebrierte Sonnenbad, lose Erde zum Scharren und Staubbaden (für die sorgen sie notfalls selbst) – und natürlich gern reichlich leckere grüne Häppchen. So ziemlich alles Zarte, was ein Garten hergibt, fällt für Hühner unter diese Kategorie – und da können die Interessen von Mensch und Vogel dann wirklich heftig in Konflikt geraten.

Hier klappt es wohl so gut, weil die Hühner den passenden Typ Garten vorfinden: gut eingewachsen mit robusten Gehölzen, vom Kirschbaum bis zum Rosenstrauch, einer uralten Deckungs-Hecke rundum und insgesamt nicht allzu penibel gepflegt. Ärgerliche Kratzschäden verbuche ich notfalls unter »mit Eiern bezahlt«. Ein kleines Mädchen nannte unseren sommerlichen Überschwang »Dschungel mit Hühnern«, und in so einer Umgebung können die Vögel ein Gartenbild tatsächlich sehr bereichern. Eine Gruppe bunter Hennen unter den großen Rosen, eine wunderschöne Goldgebänderte Ton in Ton mit einem überhängenden, herbstlichen Funkienblatt – so etwas lässt sogar biedere Alltagspflanzen plötzlich wie eine sorgsam gestellte Kulisse aussehen.

Robust muss sie allerdings sein, die Vegetation zum Huhn, Verluste dürfen nicht allzu sehr schmerzen, und ein paar dicke, kratzhemmende Steine an strategischen Punkten sind für die friedliche Koexistenz immer hilfreich. Auf penibel angelegte, bis ins Kleinste durchstrukturierte Anlagen voller Maß, Symmetrie und filigraner botanischer Kostbarkeiten sollte man diese Vögel vorsichtshalber nicht loslassen. Da empfehlen sich für die Gartengäste eher ein abwechslungsreicher, gut eingezäunter Auslauf oder sogar eine schmucke Voliere. Ein gepflegtes, originelles Hühnerhaus steht wirklich jedem Revier, und die Voliere dazu wäre das Nonplusultra: Mit wochenlanger Aufstallpflicht wegen Vogelgrippe muss man leider immer und überall rechnen, und eingepfercht in einen zu engen Schlafstall werden freiheitsgewohnte Hühner schlicht verrückt.

Bei uns besteht der Kompromiss zwischen Garten und Huhn in einem Zaun, der das Grundstück der Länge nach teilt. Die eine Hälfte, die mit Stall im großen Schuppen, unbefestigter Einfahrt, Kompost, und reichlich Scharr- und Versteckraum unter alten Sträuchern, gehört den Hühnern rund ums Jahr. Vom Vegetationsbeginn bis zur Rosenzeit bleiben die Pforten zur zweiten Gartenhälfte zu, so dass all die zierlichen Frühblüher vor Kratzfüßen und Hackschnäbeln sicher sind und die anderen Pflanzen in Ruhe durchstarten können. Sobald die Frühjahrspracht am Boden eingezogen hat und sich der Blickpunkt eine Etage höher zu den Rosen verlagert, ist dann alles Hühnerrevier. Irgendwann werde ich wohl auch noch das Staudenbeet hühnersicher einzäunen – und damit bei genau dem Gartentyp gelandet sein, der früher allgemein üblich war: Zäune ums Gemüse und um die Kostbarkeiten, ansonsten möglichst freier Zugang für die Gefiederten. Die danken das nämlich nicht nur mit den unvergleichlich leckeren Eiern, sondern auch als gnadenlose Ungezieferpatrouille mit im Garten deutlich sichtbaren Erfolgen. Kein Nacktschneckengelege entgeht ihnen, kleine Schädlinge haben ein kurzes Leben, und ein ganz großer Bonus: Seit die Hühner da sind, gibt es auf meinem Grundstück keine Zecken mehr. Dass sie alle Gartenabfälle, notfalls gehäckselt, noch einmal begeistert recyceln, macht sie ebenfalls zur idealen Ergänzung.

Mein liebstes Plus aber ist die buchstäblich begleitete Gartenarbeit. Im Gegensatz zu Pflanzen, die bekanntlich nicht sehr gesprächig sind, genießen es viele Hühner, sich mit fleißigen Gärtnern ausgiebig zu unterhalten. Es ist schon ein Spaß für sich, auf dem Gartenrundgang von einem Kometenschweif eifriger kleiner Hennen verfolgt zu werden, die jeden Handgriff erwartungsvoll kommentieren. Man kann so entspannend nett mit den Mädels plaudern, denn Hühner verfügen über eine erstaunliche Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten. Wissenschaftler haben bis jetzt mehr als dreißig verschiedene Lautäußerungen identifiziert, mehr als bei den meisten anderen Tieren, mit denen die Vögel nuanciert kommunizieren. Ihre Botschaften sind präzise: Jedes Huhn kann zum Beispiel dem Warnruf eines anderen genau entnehmen, ob eine vermutete Gefahr von Boden oder aus der Luft zu erwarten ist.

Es gibt ruhigere Typen wie meine rundlichen Damen, aber auch ausgeprägte Plappertaschen, die kaum einen Schritt machen können, ohne ihn mit ihrem abwechslungsreichen Singsang zu begleiten. Besonders drollig sind da befreundete Hennenpaare, die jede Regung im Revier eifrig »besprechen« und mit ihren gereckten Hälsen und neugierig glänzenden Augen auf verblüffende Weise an genüsslich klatschende Cafegäste erinnern. Auch mit ihrem Menschen kommunizieren Hühner gerne, und ihre langgezogenen »Gaaacks« sind oft gar nicht so schwer zu übersetzen: »Buddel schneller, ich will endlich meinen Wurm!«, »Wann kommt die nächste Weintraube angeflogen?«, oder, gleich im ganzen Chor: »Na los, schmeiß uns schon mehr Kompost runter!« Und ein kurzes, ärgerliches Stakkato-»Ackackack!« weiß ich inzwischen auch zu deuten: Terrier Erbse, in Hühnerkreisen nicht wirklich beliebt, kommt etwas zu schnell um die Ecke – ihr könnte ja ein Leckerbissen entgehen.

Ein so friedliches, entspanntes Hühnerleben wie das von Hermine, Henriette und ihrer kleinen Herde ist heute eine Seltenheit. Warum eigentlich? Sicher, Gallus gallus domesticus ist als Gattung Opfer des eigenen Erfolges geworden und wird das auch bleiben. Kein anderes Haustier ist dermaßen anpassungsfähig und gibt dem Menschen für so wenig so viel zurück, und keines wird zum Dank dermaßen rücksichts- und respektlos millionenfach misshandelt. Vom heiligen Vogel, vom stolzen Wappentier und dem magischen Wächter auf der Kirchturmspitze bis hin zum billigen Wegwerf-Protein – das ist ein bitterer, steiler Abstieg für einen jahrtausendelangen Begleiter.

Aber das muss ja nicht alles sein. Noch zwingt uns niemand, auf Spaß und Nutzen eigener Hühner zu verzichten, und zum Glück scheint sich das Blatt tatsächlich wieder ein bisschen zu wenden: Auch außerhalb trostloser Produktionshallen gackert es immer häufiger. Immer mehr Gärtner finden Spaß an ein paar eigenen Hennen, an frischen Eiern von glücklichen Tieren und einem zusätzlichen Vergnügen draußen. Vor allem die englischsprachige Hühner- und Gartenliteratur boomt in Internet und Buchregal, bis hin zu genau ausgetüftelten Anweisungen, wie man die Gefiederten in verschiedenen Gartentypen oder als Recycling-Hilfe jeweils am effizientesten einsetzen kann. Aber auch unsere örtliche Hühnerschau verzeichnet hohe Besucherzahlen, und die Züchter berichten von großer Nachfrage nach ihren Junghennen.

Alle Neu-Hühnerfreunde, mit den ich bisher gesprochen haben, haben eines gemeinsam: diese ansteckende Begeisterung. Keiner kann sich mehr vorstellen, wie man es eigentlich jemals ohne die schrägen Vögel ausgehalten hat? Der Garten muss doch todlangweilig gewesen sein, so ganz ohne diesen lebendigen Schuss Verrücktheit? Vielleicht hat der Trend ja recht: Vielleicht ist tatsächlich der Moment gekommen, alte Freunde aus einem unwürdigen Dasein zu befreien und sie, zu aller Nutzen, wieder dorthin einzuladen, wohin sie gehören: in den eigenen Garten.


Blütenpracht und schlaue Hühner

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