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Zwei plus zwei…

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Zwei Gartenhühnchen sind wunderbar, aber doch nur ein Anfang. Weshalb das so ist, hat meine goldbraune Chefhenne Henriette unüberhörbar deutlich gemacht: Sobald Schwester Hermine zum Eierlegen im Stall verschwand, schrie sie umgehend Zetermordio. Die Botschaft war klar: Alleinsein bedeutet Hühnerhölle pur. Also gab es hier Verstärkung, sobald der Züchter unseres Vertrauens Junghennen abzugeben hatte. Ich durfte unter mehreren »Gartenkandidatinnen« wählen, und eine stattliche Schwarze mit käfergrünen Glanzlichtern im blanken Gefieder erwies sich dabei als so etwas wie meine Liebe auf den ersten Blick.

Während die anderen Junghennen angesichts der Fremden nervös in ihren Trainingskäfigen zu trippeln begannen, kam diese eine einen Schritt vorwärts, richtete sich zu ihrer ganzen abgerundeten Wyandottenschönheit auf und musterte uns gelassen. In ihren glänzend orangefarbenen Augen lag dieses leicht spöttisch wirkende, distanzierte Interesse, das mich im mer vermuten lässt, dass Hühner auf unsere seltsame, riesige Spezies ebenso neugierig sein könnten wie wir auf ihre originelle kleine. Diese füllige, blanke Schönheit kam also als Gartenhuhn Hulda mit. Begleitet wurde sie von der blauen Hedwig. Die war etwas kleiner und schüchterner, aber ein bestechend hübscher Kontrast zu der Schwarzen, trug sie doch sanfte Rauch- und Taubenfarben zu einem feingezeichneten, fast schwarzen Spitzenkragen.

So entzückt ich von den beiden war, so entsetzt war Chefin Henriette. Als sie abends die Fremden in ihrem Stall – in ihrem Stall! – erblickte, reagierte sie wie von einem Schlag getroffen: Sie stoppte abrupt, ihr Gesicht lief tief kirschrot an, und sie kreischte, wie es nur Henriette kann. Sie schrie derart zornig, markerschütternd und anhaltend, dass vermutlich nicht nur die Nachbarschaft, sondern sogar ich sehnsüchtige Gedanken an Hühnersuppe kaum unterdrücken konnte. Es folgte ein kurzer, heftiger Schlagabtausch mit der dicken Hulda, während Hedwig eilends die Flucht ergriff. Henriette, immerhin ein Jahr älter, behielt leicht die Oberhand über die Junghennen, und auch ihrer Schwester Hermine mussten sich die Neuen sofort unterordnen. Damit war das Wesentliche ausdiskutiert, und nach einem Abend Gacker-Vollalarm saßen Hulda und Hedwig schon zur Nacht ruhig mit auf der Stange. Zwergwyandotten sind erstaunlich friedfertige Hühner, verschwenden nur ungerne unnütz Kalorien, und so war alles schnell geregelt: Das Quartett ging einander im Garten zunächst paarweise aus dem Weg, sonnte sich aber gemeinsam, und kam so reibungslos miteinander aus.

Hulda allerdings wollte mehr. Der angespannten »Ist-das-jetzt-endlich Beute?!«-Annäherung von Terrier Erbse begegnete sie auf eigenwillige Weise: Sie ernannte die überrumpelte kleine Hündin umgehend zu ihrer neuen besten Kumpanin. Was für Huhn Hulda durchaus lebensgefährlich war, denn es hatte mich Wochen gekostet, die weiße Jägerin von schierer Mordlust zu halbwegs selbstverständlicher Akzeptanz der neuen Gartengesellschaft zu bewegen. Dass die Aktion »Koexistenz statt Frikassee« hier überhaupt so erstaunlich gut klappt, ist nicht nur Erbses entgegenkommender Freundlichkeit zu verdanken, sondern auch der rassetypischen Gelassenheit der Wyandotten. Kommt ihnen der Hund zu nahe, weichen sie einfach ruhig aus. Kein großes Gackern, Flüchten und Flattern – bei solchen Reizen hätte sich Erbse wohl nur sehr schwer von einem Zugriff abhalten lassen.

Ein Privathuhn hatte allerdings keinesfalls auf dem Terrier-Plan gestanden. Aber genau das hatte Erbse jetzt, denn Hulda erwies sich als beharrlich: Wo im mer der Hund auftauchte, war der schwarze Schatten nicht weit. Die kleine, runde Henne kam sogar eilig die Treppe hoch, sobald sie Erbse hinter der Glastür sah, rannte ihr bis zur Gartenpforte entgegen, wenn wir vom Spaziergang zurückkehrten, und pickte zufrieden in ihrer Nähe, sobald sie sich draußen zum Sonnen ausstreckte. Was blieb meiner kleinen Hündin also übrig, als sich an ihre neue Rolle als Hühner-Vorbild zu gewöhnen? Inzwischen sitzt Erbse gern aufrecht wie ein stolzer Hütehund zwischen den beiden Jung hennen, und das Trio bettelt gemeinsam. Erbse verschlingt jetzt, wenn auch mit spitzen Zähnen, rohe Karottenstückchen, und die gefiederten kleinen Sauriernachkommen freuen sich über jedes Häppchen Fleisch.

Hedwig, die kleine Blaue, ist allerdings weniger Hundefreundin als begeisterte Botanikerin. Es gibt hier wohl kaum eine Pflanze, die sie nicht schon per Auge und Schnabel konzentriert und systematisch untersucht hätte. Von Hedwig lernte die Hühnerbande, wie lecker die Samenstände der Chinesischen Wiesenraute sind, und natürlich war sie es, die herausfand, dass die explosiven Schoten des Indischen Springkrauts mit den Samenkörnern einen grandiosen Hühnerleckerbissen freigeben, sobald man sie anpickt. Dagegen, komischerweise: Keine der vier Hennen mag Regen- oder Kompostwürmer. Was ich ihnen schweren Herzens als Superleckerbissen spendieren wollte, ließen sie mit angewidertem Schnabelwetzen wegkriechen. Dass sie dafür umso mehr winzige Nacktschnecken verputzen, lässt mich jede Kratz-Entgleisung gerne verzeihen.

Zum schmucken Damenquartett kann hier, des städtischen Umfelds halber, leider, leider kein stolzer Gockel einziehen. Küken aus geschenkten Bruteiern sind ebenfalls ausgeschlossen, denn auch die wären ja zur Hälfte Hähne. Nicht züchten zu können ist zwar sehr, sehr schade, hat aber auch ein großes Plus: Wenigstens muss ich so keine Überzähligen schlachten lassen, was mir bei eigenem Hähnchen-Nachwuchs nicht erspart bliebe. Meine Damen kommen glück licherweise auch solo gut zurecht. Sie tragen ihr Singledasein als Stadthennen mit dieser drolligen, betulichen Würde, legen trotzdem fleißig Eier, und das Warnen und Beschützen der Truppe hat Henriette übernommen. Hermine steht ihrer Schwester da als zweite Chefin zur Seite und teilt unmissverständliche Schnabelhiebe aus, sobald die Jüngeren sich ungebührlich benehmen. Die besten Plätze gehören nun mal den beiden braunen Matronen!

Dass tatsächlich jedes einzelne Huhn eine so ausgeprägte Persönlichkeit ist, ist schon verblüffend zu beobachten, und das Zusehen bei ihrem unterhaltsamen Sozialleben macht mir mindestens ebenso viel Freude wie die leckeren Eier. Die eine oder andere Henne wird da sicher noch dazukommen. So, wie mich das Hühnerfieber jetzt schon erwischt hat, ist es vielleicht ganz gut, dass die Größe meines Gärtchens, auf dessen Überleben ich natürlich größten Wert lege, da gewisse Grenzen setzt. Denn wie lautet sie doch noch gleich, die berühmte Hühnermathematik: »Zwei plus zwei gleich mehr« …?


Blütenpracht und schlaue Hühner

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