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Susanne Wiesingers Bericht ist ein mutiger Beitrag, um die Öffentlichkeit auf Probleme aufmerksam zu machen, die sich täglich in österreichischen Schulen abspielen. Zwar werden Diskussionen um österreichische Bildungsthemen häufig sehr kontrovers geführt, wenn es um Lehrermangel, das Ausbleiben finanzieller Investitionen oder die finanzielle Ausstattung von Schulen geht, aber Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders in einer multikulturellen Welt werden oft ausgeklammert. Die Lehrerin Susanne Wiesinger bietet mit ihrem Buch einen Debattenbeitrag an, denn sie hat gemerkt, dass der Islam die Alltagswelt vieler muslimischer Schülerinnen und Schüler in Österreich sehr stark dominiert. In den Schulen herrscht ein Wertekonflikt, muslimische Schülerinnen und Schüler lehnen Werte wie z.B. die Gleichberechtigung der Geschlechter immer häufiger ab. Sie nehmen nicht am Schwimmunterricht oder an Theatervorstellungen teil, weil es angeblich gegen islamische Werte verstößt. Oftmals erschwert das nur gebrochen gesprochene Deutsch einen Dialog und eine Diskussion über diese Themen.

Entscheidend ist, wie wir als Gesellschaft mit diesen Problemen umgehen wollen. Werden sie verschwiegen und nehmen wir kulturelle Konflikte in den Schulen billigend in Kauf, dann lassen wir nicht nur Lehrpersonal damit im Stich, sondern vor allem Schülerinnen und Schüler und überhaupt ganze künftige Generationen.

Der Islam ist als Religion in den letzten Jahrzehnten zunehmend politisiert worden und wird von vielen Muslimen als eine normative Grundlage für Gesellschaften gesehen und gelebt. Insbesondere Menschen aus dem arabischen Raum haben oft für eine säkulare Staatsordnung kein Verständnis, weil sie es gewohnt sind, gesellschaftliche Normen aus dem Koran abzuleiten. Viele dieser politischen Normen des traditionell-konservativen Islam stehen aber in einem Konflikt zu unseren westlichen Werten wie Gleichberechtigung der Geschlechter oder Religionsfreiheit. Viele Muslime fühlen sich daher hin- und hergerissen zwischen dem Islam, der ihnen in den Moscheen vorgepredigt wird, und den gesellschaftlichen Normen der Mehrheitsgesellschaft. Dabei müssen Islam und sogenannte westliche Werte nicht im Widerspruch zueinander stehen. Wenn man genau hinschaut, geht es nämlich um universelle Werte der modernen, offenen Zivilgesellschaft: Werte, die weltweit aus vielen Revolutionen, Reformen und Freiheitskämpfen hervorgegangen sind. Vor allem meinen wir das individuelle Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit, wenn wir heute von sogenannten westlichen oder modernen Werten sprechen.

Wir müssen es schaffen, der nächsten Generation zu vermitteln, dass diese Werte unsere Gesellschaft in Europa zusammenhalten und hier seit vielen Jahrzehnten Frieden garantieren. Diese Werte, die auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und den nationalen Verfassungen niedergeschrieben sind, müssen alle, die hier leben wollen, einhalten. Eine Gesellschaft ohne einen gemeinsamen Wertekonsens driftet zwangsläufig auseinander.

In dieser Wertedebatte dürfen wir die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen nicht alleine lassen. Dieses Thema betrifft uns als Gesellschaft. Susanne Wiesinger bietet mit ihrem Erfahrungsbericht einen guten Einstieg in eine Debatte, die schon lange überfällig ist. Sie beschreibt, was sie erlebt hat, und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf, um den Herausforderungen in der Schule zu begegnen. Es ist ein mutiges Buch in einer Zeit, in der wir Mut sehr gut gebrauchen können.

Seyran Ateş, Berlin, August 2018

Seyran Ateş ist Rechtsanwältin und politische Aktivistin. Unter anderem setzt sie sich für die strafrechtliche Verfolgung von Zwangsehen ein. Ateş ist Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, die für einen liberalen Islam steht, der weltliche und religiöse Macht voneinander trennt. Seither erhält sie viele Morddrohungen und steht deshalb unter Polizeischutz.

Kulturkampf im Klassenzimmer

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