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Harald

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Verzaubert fotografiert Harald seit einer halben Stunde. Die kleine, nahezu original erhaltene, perfekt restaurierte Krypta, fordert sein ganzes Können als Hobbyfotograf. Nachdem er gestern Abend das Kapitel über den Dom San Pietro im Kunstreiseführer über Venetien überflogen hat, weiß er, dass er in einem einheitlich romanischen Sakralbau steht und die Steinmetz-Arbeiten für diese Region ganz außergewöhnliche Motive zeigen. Wie im Rausch lichtet er eine Bilderserie der Säulenkapitelle ab, die in wilder Reihenfolge Pflanzen, Obst, Dämonen und Tiere mit symbolischer Bedeutung zeigen. Danach setzt er sich für einen Moment auf einen kleinen, wackligen Holzstuhl und genießt die Stille und die Atmosphäre der dämmrigen Unterkirche.

Doch sofort stutzt er, gleichzeitig ärgert er sich auch schon, denn in einer Ecke hat er eine große Kunststoff-Madonna entdeckt, die ein grelles, himmelblaues Gewand trägt und auf einer halbhohen Säule steht. Den Heiligenschein bildet eine Neonröhre, die gelblich, aber viel zu intensiv für die Umgebung leuchtet. Zu Füßen der Madonna brennen auf einem Ständer in mehreren Ebenen viele, kleine Wachslichter. Haralds ästhetisches Empfinden rebelliert bei diesem Anblick und er kommt auf die Idee, in das Münzfach für die Wachslichter einen Notizzettel mit der Aufschrift „Geschmacklosigkeit!“, einzuwerfen. Doch die kitschige Plastikfigur, die einen drastischen Kontrast zur Krypta bildet, scheint bei der Gemeinde ausgesprochen beliebt zu sein. Ganz frische, üppige Blumensträuße schmücken die Figur in lockerem Halbkreis. Ein Heiligenschein aus Blumen, denkt Harald zynisch. Dann beruhigt er sich. Eine alberne Idee, sogar verletzend, einen so abwertenden Zettel einzuwerfen. Jetzt fühlt er sich wirklich urlaubsreif. Ruckartig dreht Harald den Stuhl so, dass er die Madonna aus seinem Blickfeld verbannt. Noch einmal schaut er flüchtig in den schmalen Kunstreiseführer.

Oben im Kirchenschiff liest seine Frau Sigrid eifrig in der großen, detaillierten Ausgabe.

Sigrid sagt immer wieder, dass er die Kirche doch sowieso nur durch den Sucher seiner Spiegelreflexkamera sieht. Gemeinsame Besichtigungen lehnt sie deshalb seit Jahren kategorisch ab, weil Harald sich zu viel Zeit für Einzelheiten nimmt und das verschlimmert nur ihre Nervosität. Der knappe Reiseführer, den er benutzt, beschreibt lediglich einen typisch romanischen Sakralbau, warnt vor dem sehr steilen Anstieg zur Kirche, verliert jedoch kein einziges Wort darüber, dass es sich bei der Krypta um ein wahres kunstgeschichtliches Kleinod handelt, in ganz Italien berühmt, das Highlight ihrer Venetien-Rundreise.

In diesem sakralen Raum fühlt er das erste Mal seit langem so etwas wie ein Glücksgefühl aufblitzen. Es verflüchtigt sich jedoch sofort wieder, als Sigrid im Altarraum hektisch hin und her zu laufen beginnt. Die Absätze ihrer Schuhe klappern hart und nervenaufreibend auf dem antiken Marmor-Fußboden. Geduldig wartet er ab, bis die Geräusche verklingen.

Harald bedauert, dass sich die gemeinsamen Ferientage durch hohe Erwartungen und maßlose Enttäuschungen auszeichnen. Heimlich hat er von einem romantischen Urlaub zur Feier ihrer Silberhochzeit geträumt, zweite Flitterwochen sollten es seiner Meinung nach werden. Eine liebevoll und detailliert geplante Rundreise im Frühling hatte er sich gewünscht, im Mittelpunkt Besichtigungen ausgewählter Kunstdenkmäler, Kirchen und Museen, mit Übernachtungen in romantischen Luxushotels und der Besuch bekannter Edel-Restaurants am Abend, einfach alles perfekt. Naiv hatte er gehofft, mit diesen Mitteln ihre Ehe positiv zu beeinflussen. Doch aus seinem schönen Plan hat sich ein unvorbereiteter, liebloser Kurztrip mit nüchternen, billigen Nachtquartieren und einigen wenigen, eher zufälligen, Besichtigungen entwickelt.

Restaurants wählen sie erst abends auf die Schnelle aus, nach dem Zufallsprinzip. Ein Grauen für Harald.

Die Gründe für diese drastischen Unterschiede liegen zu Hause in Heidelberg. Dort waren in den letzten Wochen detaillierte, liebevolle Reisevorbereitungen, auf die er so großen Wert legt und in die er immer viel Zeit investiert, völlig unmöglich. Renovierungsarbeiten an ihrem Haus zogen sich durch massive Fehler der Handwerker schier endlos in die Länge. Harald war fest davon überzeugt, dass Sigrid die Renovierung nicht in den Winter verschieben wollte. Deshalb fragte er sie gar nicht erst. Und so reisen die beiden während der Hauptsaison. Harald leidet unter hohen Temperaturen und großer Schwüle, nahezu unerträglichem Lärm und überfüllten Hotels, während Sigrid Hitze und Lautstärke völlig gleichgültig gegenüber steht. Für sie zählt nur, dass zu Hause die Arbeiten am Haus zu ihrer vollen Zufriedenheit abgeschlossen sind. Im Spätsommer soll dann nachträglich ihre Silberhochzeit mit einer glänzenden Gartenparty gefeiert werden, mit vielen Gästen, Prosecco in Strömen und angesagtem Fingerfood. Harald empfindet jetzt schon Abscheu, wenn er an diese Feier denkt.

In solchen Augenblicken versteht er das erste Mal in seinem Leben Aussteiger. In Gedanken spielt er verschiedene Möglichkeiten durch, in Venetien zu bleiben. Hin und wieder schaut er sehnsüchtig in die Schaufenster der Immobilienmakler, doch auf Anhieb gefällt ihm kein Angebot. Schade.

Einen Augenblick genießt er noch bewusst die angenehme Kühle der Krypta, dann steigt er langsam die schmale, ausgetretene Wendeltreppe hinauf in die helle Oberkirche.

Hastig betritt Sigrid gerade das Baptisterium, das in einem Seitenschiff liegt. Wie so oft bewundert er, dass seine Frau im Gehen lesen kann, ohne mit Gegenständen zu kollidieren.

Auf dem Weg zur Hauptapsis bemerkt Harald rechts einen goldenen Schimmer. Neugierig schlendert er darauf zu und bleibt vor einem Bildnis stehen, das einen männlichen Heiligen darstellt. Das Gemälde im Hochformat zeigt kein vollständiges Rechteck, denn die obere Seite bildet ein sanftes Oval. Der goldene Heiligenschein der Figur wird dadurch zusätzlich betont. Warme Rot- und Goldtöne dominieren das Bildnis. Der Heilige trägt ein rotes Gewand, in den Händen hält er einen Palmzweig. Angestrengt überlegt Harald. Bedeutet das nicht, den Tod besiegen oder den Eintritt ins Paradies? Mehr fällt ihm dazu spontan nicht ein. Harald spürt eine gewisse Faszination die von dem Heiligen ausgeht, der den Betrachter sanft, milde und doch so beharrlich anblickt. Das erste Mal in seinem Leben fühlt Harald Ergriffenheit vor einem religiösen Bildnis. Erstaunt über sich selbst, denn er hat sich in den letzten Jahren zunehmend von Religion und allen Glaubensfragen distanziert, bis hin zum vollständigen Atheismus. In Betrachtung und Gedanken versunken, vergisst er, das Bildnis zu fotografieren und plötzlich bemerkt er, dass er nicht mehr alleine vor dem Heiligenbild steht.

Ein Priester steht neben ihm, lächelt ihn an und grüßt leise. Lebhaft deutet der Priester auf den kleinen Kunstreiseführer und fragt in gutem Deutsch, ob Harald sich für das Heiligenbild interessiert.

Verwundert nickt er stumm.

Einen Moment stehen die beiden Männer einträchtig schweigend vor dem Bildnis.

Der Priester tippt Harald sanft mit dem Ellenbogen an, deutet mit dem Kinn auf einen Mann, der hektisch versucht, den berühmtesten Kunstschatz der Kirche, eine Pieta aus Sandstein, die wahrscheinlich im 15. Jahrhundert gefertigt wurde, zu fotografieren. Der Mann trägt einen einfachen Strohhut unter den Arm geklemmt, sein Gesicht ist stark gerötet, vermutlich vom steilen Aufstieg zum Dom. Er bewegt sich immer ungeduldiger, doch die Lichtverhältnisse in der Kirche erfordern technisches Geschick und Erfahrung, um die Pieta in ihrer ganzen Schönheit abzulichten. Sein Geduldsfaden reißt, er stülpt den hinderlichen Hut kurzerhand über eine auffallende, große antike Vase, die gerade neben ihm steht.

Sowohl Harald als auch der Priester versuchen, ihr Lachen zu unterdrücken. Der Priester konzentriert sich fest auf das Heiligenbild. Harald sieht nach unten, er zählt erst schwarze, danach weiße Marmorsteine im Fußbodenmosaik. Vergebens, beide glucksen mal lauter, mal leiser vor sich hin. Deshalb verspricht der Priester Harald kichernd einen guten Espresso und einen Blick in einen wertvollen, antiquarischen Kunstband. Dieses wertvolle Buch stammt noch von seinem kunstbegeisterten Vorgänger und zeigt ganz ähnliche Heiligenbilder.

Der Priester bemerkt, dass Harald unsicher zu Sigrid hinüberblickt. Sofort versichert der Geistliche, dass er ihn nur wenige Minuten aufhalten wird.

Sigrid steht mittlerweile interessiert vor einem Kunstschmiedegitter, das die linke Seitenapsis verschließt. Aus den dürftigen Informationen des Reiseführers weiß Harald, dass dieses Gitter kunstgeschichtlich interessant ist. Außerdem befindet sich in der Seitenapsis der Domschatz. Harald ist sich sicher, dass Sigrid hier einige Zeit andächtig vor repräsentativen Prunkgegenständen verbringen wird. Diese übertriebene Pracht lehnt er selbst strikt ab. Ihm fallen TV-Sendungen ein, die er bevorzugt, besonders Talk-Shows, in denen Fragen der Doppelmoral, die die Institution der Kirche betreffen, kontrovers beleuchtet und diskutiert werden. Bei solchen Gelegenheiten sitzt Sigrid kerzengerade auf dem Sofa, ihr Mund nur noch zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Mindestens dreimal pro Sendung bemerkt sie, dass parallel ein Krimi läuft, begleitet von gequälten Seufzern an kritischen Stellen.

Vielleicht bietet sich hier und jetzt eine Gelegenheit für Harald, einmal selbst, sozusagen vor Ort, seine Meinung zu äußern. Entschlossen nickt er dem Priester zu.

In stillschweigendem Einverständnis huschen die beiden Männer durch eine schwere Holztür in die Sakristei. Als die uralte, mit Schnitzereien verzierte Tür leise hinter ihnen zuläuft, lachen sie erleichtert. Einige Minuten später sitzen sie bei einem vorzüglichen Espresso und betrachten in aller Ruhe mittelalterliche Heiligenbilder in dem antiquarischen Kunstband. Nach und nach kommen sie ins Gespräch, dabei fühlen sie sich spontan vertraut, als ob sie sich schon jahrelang gut kennen.

Beim zweiten Espresso fragt der Priester Harald nach seinem Vornamen und Harald erfährt, dass der Priester Ettore heißt.

Obwohl sich Harald als Atheist betrachtet, kostet es ihn Überwindung, den Priester zu duzen. Energisch schiebt er seine Skrupel beiseite und konzentriert sich auf sein sympathisches, lebhaftes Gegenüber. Schon vergisst er Weihe und Amt seines Gesprächpartners. Beide Männer spüren, dass eine besondere Freundschaft entsteht, genießen die Freude darüber, ohne große Worte zu verlieren.

Laut und temperamentvoll, von Gesten lebhaft untermalt, erzählt Ettore, dass er seit vielen Jahren mit einem Pfarrer, Georg, in Deutschland befreundet ist. Georg führt eine Pfarrei bei Freiburg und Ettore besucht ihn dort ein bis zweimal im Jahr.

Fasziniert hört Harald seinem neuen Freund zu. Beeindruckend, dass Ettore bei seinen Besuchen in Freiburg die deutsche Sprache fast nebenbei gelernt hat.

Danach beschreibt Harald seine Heimatstadt Heidelberg, die historische Altstadt mit dem berühmten Schloss.

Andächtig hört Ettore zu.

Die fast kindliche Neugier und Reiselust seines neuen Freundes berührt Harald und spontan lädt er Ettore nach Heidelberg ein. Während der Renovierung haben Sigrid und er ein hübsches Gästezimmer eingerichtet, denn mittlerweile sind ihre Kinder ausgezogen und freuen sich über ein komfortables Gästezimmer. Ettores Besuch stellt Haralds Meinung nach eine schöne Gelegenheit dar, das Gästezimmer einzuweihen. Was spricht also gegen eine Einladung?

Ettores Gesicht strahlt vor aufrichtiger Freude, als Harald ihn einlädt. Ein selten emotionaler Tag in Haralds Leben und schnell tauschen die beiden Postadressen, Telefon-Nummern und E-Mailadressen aus.

Während des Gesprächs ist Harald ein antikes, mit kleinen Goldblechen beschlagenes, Kästchen aufgefallen. Immer wieder wandert sein Blick zu dem auffälligen Stück. Schließlich fragt er nach der Funktion des kleinen Kastens und Ettore erklärt, dass das Kästchen als „Reliquien-Schwein“ bezeichnet wird.

Für einen Sekundenbruchteil stutzt Ettore und schon dröhnt befreiendes Gelächter durch die Sakristei.

Bei diesem Versprecher erinnert sich Harald an einen wissenschaftlichen Artikel, den er vor einiger Zeit über Sigmund Freuds Werk gelesen hat. Ein Absatz widmet sich ausführlich den Thesen zu Versprechern. Sofort legt er Ettore in groben Zügen Freuds Thesen zu auffälligen Versprechern dar, die sich hauptsächlich auf unterdrückte Konflikte des Sprechers konzentrieren. Beim Lesen kamen ihm Freuds Thesen haarsträubend vor. Er glaubt sich zu erinnern, dass sie im Text als Freudsche Fehler oder Fehlleistungen bezeichnet werden. Schlagartig wechselt die Stimmung seines Gastgebers.

Lange schweigt Ettore betroffen, tiefe Stille herrscht in der Sakristei.

Harald weiß absolut nicht, wie er sich verhalten soll. Hat er einen Fehler begangen? Darf er den Namen Sigmund Freud einem Priester gegenüber nicht nennen, vielleicht wegen der starken Betonung der Sexualität in der Psychoanalyse? Das kann doch heutzutage nicht mehr wahr sein, oder? Bisher zählt kein Geistlicher zu seinem Freundeskreis, also fehlen ihm Erfahrungen und Vergleichsmöglichkeiten und er fühlt sich verunsichert. Soll er die Situation möglichst geschickt überspielen und das Verhalten des neuen Freundes ignorieren? Oder einfach nachfragen? Da fällt ihm ein, dass am Ende des Artikels die Theorie der Freudschen Fehlleistungen in Frage gestellt wird. Sprachwissenschaftler deuten sie mittlerweile als Montagefehler beim Satzbau. Gerade will er Ettore von den neueren Forschungsergebnissen erzählen, als der Priester sein Schweigen bricht.

Mit leiser Stimme vertraut Ettore ihm an, dass er seinen Glauben komplett verloren hat. Daraus entstehen für ihn eine tiefe Sinnkrise und schreckliche Zukunftsängste.

Schockiert über diese Offenheit sehen sich die beiden über das zufällig aufgeschlagene Bild des Heiligen an, der sie sanft und gleichmütig aus dem Mittelalter anlächelt.

Verlegen räuspert sich Harald, gleichzeitig rutscht ihm auch schon die Frage heraus, ob Ettore sich überhaupt noch in der Lage sieht, sein Amt auszuüben.

Ettore zögert und zuckt dann traurig die Schultern. Schließlich schüttelt er den Kopf, langsam steigen ihm Tränen in die Augen. Er winkt ab, als Harald tröstend die Hand nach ihm ausstrecken will.

Um die Situation irgendwie noch zu retten, wiederholt Harald seine Einladung nach Heidelberg und erwähnt, dass auch Sigrid sich über den Besuch freuen wird. Bei diesen Worten beschleicht Harald ein flaues Gefühl. Irgendetwas stimmt nicht, doch er stellt sein Empfinden erst einmal zurück.

Ernst klopft Ettore mit dem Zeigefinger auf den Notizzettel mit der Adresse, nickt nachdrücklich, sprechen kann er im Moment nicht.

Hilflos fühlt Harald sich, unendlich hilflos und gleichzeitig empfindet er tiefes Mitleid mit Ettore. Beide Männer stehen auf und schütteln sich die Hände.

Ettore begleitet Harald zur Tür, schweigend umarmen sie sich. Durch die schwere Holztür schlüpft Harald verstört wieder zurück ins Kirchenschiff.

In einer Kirchenbank sitzt Sigrid. Nach den vielen Ehejahren erkennt Harald ihre Wut allein an ihrer kerzengeraden Körperhaltung. Als er zu ihr tritt, sieht ihr Gesicht versteinert aus. Mit einer knappen Handbewegung fordert sie ihn auf, die Kirche sofort zu verlassen. Aus einem Impuls heraus, will Harald widersprechen, er möchte unbedingt in Ruhe die Apsis besichtigen und fotografieren. Doch dann nickt er kurz und verlässt nach seiner Frau die Kirche. Leise seufzt er, das gibt Ärger. War er doch länger in der Sakristei als er gedacht hat?

Sigrid schreit schon los, bevor sich die Kirchentür hinter ihm geschlossen hat. Auf der Stelle will sie wissen, was er sich dabei gedacht hat, so lange zu verschwinden. Wo, zum Teufel, hat er sich wieder rumgetrieben? Und ihr reicht es jetzt endgültig mit ihm, immer dieses Theater. Das wollte sie ihm übrigens schon zur Silberhochzeit sagen, das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen.

Spontan fallen Harald Sigrids unzählige Shopping-Touren ein, bei denen er immer wie ein vergessenes Paket herumsitzt. Er bemüht sich, bei dieser Assoziation nicht zu lachen.

Wortlos dreht Harald um und schlägt den Weg zum Hotel ein. Er will sein Gepäck holen.

Hinter ihm kreischt Sigrid, doch er fühlt völlige Gleichgültigkeit. Kann man Gleichgültigkeit fühlen? Er weiß es nicht. Unterwegs beschäftigt ihn nicht der Bruch mit Sigrid, den erwartet er schon seit einiger Zeit. Harald weiß mit Bestimmtheit, er wird sich von Sigrid trennen. In aller Ruhe lässt er sich noch einmal das Gespräch mit Ettore durch den Kopf gehen. Besonders berührt ihn, dass der Priester keine Perspektive für die eigene Zukunft sieht, weil er seinen Glauben verloren hat. Wie kann er Ettore helfen?

Einen Augenblick bleibt Harald direkt vor seinem Hotel in der prallen Sonne stehen.

Schlagartig versteht er die unvermittelte Vertrautheit zwischen zwei Männern, die sich gerade erst kennenlernen. Gut gelaunt pfeifend betritt er das Hotel.

Haralds ungewisse Zukunft beginnt.

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