Читать книгу Bodies. Im Kampf mit dem Körper - Susie Orbach - Страница 3

Ein verlässlicher Ort Vorwort von Margarete Stokowski

Оглавление

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass dieses Buch von allen Menschen gelesen werden sollte, die ab und zu mit Mädchen oder Frauen zu tun haben. Oder selbst welche sind. Also: von allen. Auf den ersten Blick mag es ein Buch sein, das von oberflächlichen Dingen wie Schönheitsnormen und Fotos in sozialen Netzwerken handelt. Tatsächlich aber geht Susie Orbachs Untersuchung viel tiefer. Sie zeigt, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, den Körper als etwas Formbares zu betrachten, das unsere Persönlichkeit ausdrücken soll. Dabei erklärt sie nicht nur die psychologische Wirkung der Körperbilder, mit denen wir im Alltag konfrontiert sind, sondern auch, welche Rolle der kapitalistische Aufruf zur ständigen Selbstoptimierung spielt und wie tief sich die misogynen Abwertungsmechanismen des Patriarchats in unser Denken eingegraben haben.

Die Idee ist dabei aber nicht zu zeigen: Schaut mal, wie schwach ihr alle seid und wie sehr ihr euch von den Medien und der Schönheitsindustrie manipulieren lasst. Sondern: Wer selbstbestimmt leben und sowohl sich selbst als auch anderen Menschen gegenüber fair sein will, muss wissen, woher unsere Impulse kommen, uns zu vergleichen, zu präsentieren oder zu schämen.

Damit ist Bodies auch ein Buch, das die feministische Idee, »das Private ist politisch«, sehr ernst nimmt: Es reicht nicht, wenn einzelne Frauen stark genug sind, gesellschaftlichen Vorstellungen nicht zu entsprechen. Denn kollektive Probleme lassen sich nicht lösen, indem ein paar Leute sich Mühe geben, sich nicht von den geltenden Regeln beeindrucken zu lassen. Vorbilder können wichtig sein, ersetzen aber keine Ideologiekritik, die zeigt, was am System falsch läuft.

Es ist diese Verknüpfung von persönlicher und gesellschaftlicher Ebene, die Susie Orbachs Arbeit von so riesigem Wert für die feministische Bewegung macht. Einerseits zeigt sie sehr genau und nie auf verurteilende Art, wie Menschen ihre Körper behandeln und bewerten und wie viel Leid dabei entstehen kann. Andererseits bleibt sie aber nicht auf dieser Ebene individuellen Verstehens, sondern sagt auch deutlich, wo Dinge komplett aus dem Ruder laufen. In einem Interview erklärte sie mal, wenn ein Kaiserschnitt im OP-Paket mit einer Bauchstraffung angeboten werde, sei das »einfach nur pervers«.

Es wäre leicht, als Lösung dieser Probleme so etwas wie eine »neue Natürlichkeit« zu fordern, aber diesen Fehler macht Orbach nicht, denn sie weiß: Es gibt keinen natürlichen Körper. Was sollte das für einer sein? Schon Zähneputzen ist eine kulturelle Technik, und niemand hat ein Interesse daran, dass Menschen damit aufhören.

Es kann Menschen glücklich machen, sich zu schminken oder sich die Haare zu färben, und nichts daran ist falsch. Gefährlich ist es erst, wenn die Beschäftigung mit dem Körper so obsessiv wird, dass sie in Körperhass und Gefühle der Minderwertigkeit mündet oder immer neue Operationen hermüssen, weil das eigene Bild nie gut genug scheint.

Zum Thema Operationen kann man anmerken, dass Susie Orbach Teil einer Generation von Feministinnen ist, von denen sich leider viele schwertun, trans Frauen als Frauen anzuerkennen. Ich würde Orbach hier in den Bereich derer zählen, die dazugelernt haben. Sie beschreibt einerseits die Probleme, die sie zu Beginn ihrer Arbeit als Therapeutin hatte, mit Geschlechts-OPs umzugehen, erkennt aber inzwischen an, dass diese für manche trans Frauen die einzige Möglichkeit darstellen, sich in ihrem Körper zuhause zu fühlen, und dass es Menschen gibt, die sich weder als weiblich noch als männlich kategorisieren lassen und als solche respektiert werden sollten.

Die Grundidee von Orbach gilt, auch wenn sie viel über Frauen schreibt, sowieso für Menschen jeden Geschlechts: Da wir unseren Körper nun mal nicht ignorieren können, müssen wir einen Weg finden, ihn »zu einem verlässlichen Ort zu machen, von dem aus wir leben können«.

August 2020

Bodies. Im Kampf mit dem Körper

Подняться наверх