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Vorwort

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Journalisten müssen ungehindert berichten können, heisst es in jedem Pressekodex. Doch jeder Journalist weiss, dass man deswegen noch lange nicht auch alles veröffentlicht, was man in Interviews und mit Recherchen in Erfahrung gebracht hat. Diese Erinnerungen an Jahrzehnte journalistischer Tätigkeit handeln von solchen Fällen, erzählen Geschichten, die man damals nicht publizieren konnte oder wollte. Heute sind die Zeiten andere, die Gewichte haben sich verschoben und viele der Porträtierten sind verstorben. Wir dürfen somit fast alles sagen, was wir damals verschwiegen, aus verschiedensten Gründen.

Manchmal hätte eine Veröffentlichung einem Interviewpartner schlicht mehr geschadet als sie dem Leser genützt hätte. Weshalb also einen Menschen blamieren, ihm sogar schaden oder wehtun, wenn das, was man von ihm weiss, zwar einige witzige Sätze hergibt, die aber ohnehin nicht weltbewegend sind? Ein anderes Mal, sehr häufig sogar, macht man mit dem Interviewpartner einen Deal: Er verrät einem Vieles, aber nicht Alles. Und das, was dazwischen liegt, wird eben nicht veröffentlicht.

Ich kenne Charlotte Peter über ein halbes Jahrhundert und immer hatten wir geplant, eine – hoffentlich grosse – Story zusammen zu machen. Durch Ostkontakte von Charlottes Vater erfuhr sie von einem Sklaven-Trail, auf dem noch immer Menschen von Sansibar nach Riad verschleppt wurden. Bis in die 1930er Jahre hatte es in Saudi-Arabien noch öffentliche Sklaven-Märkte gegeben, doch 1952 hatte Prinz Faisal die Sklaverei offiziell abgeschafft. Aber eben nur halbherzig, von 100'000 bis 200'000 grösstenteils afrikanischen Sklaven wurden nur einige Tausend freigelassen, und wie Charlotte erfuhr, ging der Sklavenhandel im Versteckten auch 25 Jahre später noch weiter.

Es klingt heute verrückt, doch es war so: Wir heckten aus, dass ich in Sansibar verkauft werden und so nach Saudi-Arabien gelangen sollte. Dort würde Charlotte mich erwarten und wir hätten zusammen die Story des Jahres. Und das in einer Zeit, als es weder Mobil-Telefonie noch Internet gab! Ich trug den Plan am BLICK-Desk vor, und die Nachrichtenredaktion war begeistert. Doch ein Jahr später war ich die Ehefrau von BLICK-Chefredaktor Martin Speich, und als Charlotte und ich wieder auf die Sache zu reden kamen, meinte er nur: «Seid ihr wahnsinnig!?!», und damit war die Story gestorben.

Ein paar Jahre später leiteten wir zur gleichen Zeit die beiden wichtigsten Frauenzeitschriften des Landes, Charlotte die ELLE und ich die ANNABELLE. Wir galten zwar als Konkurrentinnen, waren es aber nur, was die Auflage unserer Magazine betraf. Privat blieben wir Freundinnen, dem Schwachsinn von den Frauenfeindschaften am Arbeitsplatz konnten wir nie etwas abgewinnen. Charlotte war etwas Feministin, ich überhaupt nicht. Wir erreichten ja alles, was wir wollten (ausser die Sklaven-Story!), waren super bezahlt und spürten Storys auf, an die kein Mann je kam … nicht zuletzt manchmal eben gerade weil wir Frauen waren.

Jetzt endlich ist es soweit: Wir haben ein gemeinsames journalistisches Projekt, dieses Buch hier.

Ein Bonmot sagt, dass jeder, der redet, auch etwas verschweigt – und meistens das Beste. Unsere Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert journalistische Arbeit rufen Storys und Histörchen in Erinnerung, die damals wohl das Beste gewesen wären, aber eben aus verschiedensten Gründen besser nicht geschrieben wurden. Wenn Sie sie lesen, werden Sie verstehen weshalb und ich hoffe, sie amüsieren Sie wenigstens heute.

Suzanne Speich

Was wir nicht schreiben durften

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