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2.7 Entwicklung
ОглавлениеBei der Analyse der vorweggegangenen Verbrauchs- und Schadstoff-Daten kommt man nicht umhin zu fragen, wie die weitere energiewirtschaftliche Entwicklung aussehen wird. Dazu hier ein kurzer Ausblick.
Der weltweite Energiebedarf wird weiter steigen. Wissenschaftler erwarten, dass er bis 2015 gegenüber dem Referenzjahr 1995 um über 50 Prozent zunehmen wird. Wenn keine radikale Trendwende eintritt, wird der überwiegende Anteil davon nach wie vor durch die Verbrennung fossiler Energieträger gedeckt werden.
Damit verbunden wäre:
• eine weitere Reduzierung der natürlichen Vorkommen fossiler Energieträger,
• eine weitere Zunahme der Umweltbelastung und
• eine weitere globale Klimaerwärmung.
Um diese Entwicklung zu umgehen oder zumindest zu verzögern hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch zu steigern. Von 2,1 Prozent im Jahr 2000 soll deren Anteil auf 4,2 Prozent im Jahr 2010 verdoppelt werden. Bei der Stromproduktion soll der Anteil von 6,25 Prozent (2000) auf 12,5 Prozent (2010) und bis 2020 auf mehr als 20 Prozent erhöht werden. Nach den heute vorliegenden Zahlen kann dieses Vorhaben durchaus als ein realistisches eingeschätzt werden.
In einem Zukunftsszenario, das „Die Grünen“ im Jahr 2002 vorstellten, würde der Windenergie im Jahr 2020 mit etwa 45 Prozent der größte Anteil unter den erneuerbaren Energien zukommen. An zweiter Stelle könnte dann Biomasse liegen. Von 4 Prozent im Jahr 2002 wird sie nach dieser Einschätzung auf rund 26 Prozent ansteigen. Wasserkraft würde auf die dritte Stelle zurückfallen (von 62 Prozent auf 21 Prozent). Demgegenüber könnte der Anteil von Photovoltaik von 0,2 Prozent auf 3,4 Prozent zunehmen.
Im Wärmebereich werden sich dieser Einschätzung nach die erneuerbaren Energien etwas langsamer durchsetzen. Bis 2020 ist hier ein Anteil von rund 12 Prozent zu erwarten. Davon wird die Biomasse rund drei Viertel ausmachen, den Rest werden Solarkollektoren liefern. [Trittin, 2002]
Eine etwas nüchternere Sichtweise hat die von der bundesdeutschen Regierung beauftragte Enquete-Kommission in ihrem Energiebericht festgehalten, ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen:
„Die regenerativen Energiequellen mit ihren direkten und indirekten Nutzungsmöglichkeiten sind aus technischer Sicht grundsätzlich in der Lage, alle heute und in Zukunft benötigten Sekundärenergieträger beziehungsweise Nutzenergieformen bereitzustellen. Von den 3 regenerativen Energiequellen solare Strahlung, Geothermie und Gezeitenkraft weist die Sonnenenergie bei weitem das größte Potenzial auf.“ [Enquete-Kommission, 2002]
Die Bedeutung der regenerativen Energieerzeugung für die Zukunft ist demnach sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene erkannt worden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass mittlerweile auch die Wirtschaft maßgeblich von dieser Entwicklung profitiert. Um 20 Prozent ist der Gesamtumsatz dieser Branche allein von 2000 auf 2001 gewachsen, und zwar auf rund 8,2 Mrd. Euro. Die einzelnen Sparten haben dabei Anteile wie in Tabelle 6 zu sehen sind.
Auch die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien ist deutlich gestiegen. Heute sind etwa 135.000 Menschen in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt (Stand: Frühjahr 2004).
Diese Beschäftigungszahlen (s. Abb. 7) umfassen direkte und indirekte Arbeitsplätze einschließlich vorgelagerter Produktionsketten, Planung, Wartung usw. Allein im Bereich der Windkraft gibt es rund 40.000 Arbeitsplätze, im Bereich der Biomasse circa 50.000 und bei der Solarenergie (Strom und Wärme) rund 18.000.
TAB. 6: BRANCHENUMSATZ 2001
Im Weißbuch für Erneuerbare Energien wird von Seiten der EU bis 2010 mit 500.000 bis 900.000 Arbeitsplätzen gerechnet.
ABB. 7: VERGLEICH DER ARBEITSPLÄTZE IM ENERGIESEKTOR 2002
Quelle: Jahrbuch EEG 2002/03, u.a.
Diese Entwicklung wird voraussichtlich noch weiter anhalten. Sowohl der Umsatz in diesem Bereich als auch die Anzahl der Arbeitskräfte wird weiter steigen, so dass diese Branche zunehmend mehr an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen wird.
Damit auch die Umweltbilanz möglichst zügig an dieser Entwicklung partizipieren kann, bieten sich bei der Energieversorgungs- und Fahrzeugtechnik für eine kurz- und mittelfristige Schadstoffreduzierung zwei Wege an:
1. Die eine Variante ist die weitere Optimierung bereits vorhandener Techniken. Dies wäre der Versuch, im Prinzip voll ausgereifte Technologien, die mittlerweile über 100 Jahre an Entwicklung hinter sich haben, so zu verbessern, dass die Effizienz noch weiter steigt und im Gegenzug die Emissionen noch weiter sinken. Dies bringt jedoch gewisse Schwierigkeiten mit sich, weil die Potentiale schon weitgehend ausgereizt sind. Die Motoren- und Anlagen-Technik stößt bereits jetzt an Grenzen, so dass eine weitere Anhebung der Wirkungsgrade nur noch geringfügig möglich ist.
2. Die andere Variante ist die verstärkte Nutzung von bisher noch nicht vollständig etablierten Energieträgern wie zum Beispiel Biodiesel, Rapsöl, Erdgas, Flüssiggas und Methanol. Die Technik für derartige Kraftstoffe ist vorhanden, aber noch nicht so weit ausgereift wie bei Benzin und Dieselöl. Es bietet sich aber die Möglichkeit, mit sofortiger Wirkung den Schadstoff-Ausstoß zu verringern, weil selbst Erdgas umweltschonender verbrennt als Erdöl. Darüber hinaus können auf diesem Weg die Mineralölvorkommen geschont werden, damit diese noch möglichst lange für andere (sinnvollere) Zwecke genutzt werden können. Die Europäische Kommission hat in diesem Zusammenhang das Ziel herausgegeben, bis 2020 mindestens 20 Prozent der Brennstoffe im Straßenverkehrssektor durch alternative Kraftstoffe zu substituieren, und von Seiten der Mineralölkonzerne wird bereits in Langzeit-Szenarios eingeplant, dass die erneuerbaren Energien in einigen Jahren etwa ein Drittel des weltweiten Energiebedarfs decken werden. [Köpke a, 2003]
Mittel- bis langfristig (5 bis 10 Jahre) steht die Etablierung einer zukünftig möglichen Wasserstoffwirtschaft zur Diskussion, bei der Wasserstoff als Sekundärenergieträger, also als Energiespeicher dient. Um bereits vorher ausreichend Erfahrungen mit Brennstoffzellen und Wasserstoff-Generatoren sammeln zu können, bieten sich alternative Kraftstoffe wie Methanol, Erdgas oder synthetisches Benzin an. Weil jedoch vorerst Wasserstoff noch nicht in großen Mengen auf ökologische Weise erzeugt werden kann, könnte dieser mit Hilfe jener alternativen Kraftstoffe durch Reformierungsprozesse erzeugt und für stationäre sowie für mobile Anwendungen genutzt werden.
Aus heutiger Sicht erscheint eine Mischung verschiedener Wege im Übergang von der fossilen zur erneuerbaren Energiewirtschaft am wahrscheinlichsten. Es wird zukünftig so aussehen, dass in einigen Bereichen sofort erneuerbare Energien in verstärktem Umfang verwendet werden, während andere Bereiche zunächst auf Erdgas oder Methanol wechseln, um langfristig beispielsweise beim Biogas zu landen (weiteres unter Kap. 15 Ausblick).
Als Zukunftsvision, die mittlerweile in greifbare Nähe gerückt ist, gilt das Modell Islands. Die dortige Regierung hat bereits erklärt, baldmöglichst den Wechsel zu einer Wasserstoffwirtschaft in Angriff nehmen zu wollen. Es sind bereits zahlreiche Projekte zum Beispiel mit Brennstoffzellenbussen im Gange, und langfristig soll die gesamte Fischereiflotte auf Wasserstoffbetrieb umgestellt werden (s. Kap. 15.7 Island-Modell).