Читать книгу Wasserstoff und Brennstoffzellen - Sven Geitmann - Страница 5
VORWORT
ОглавлениеBewusstseinsbildung ist unverzichtbare Voraussetzung für die Entscheidungen in demokratisch-parlamentarischen Gemeinwesen. Das gilt für alle politischen Entscheidungen, so auch für energiepolitische. Die aufkommende Wasserstoffenergiewirtschaft gehört hierher. Es genügt nicht, wenn Experten die Sache verstanden haben. Verstehen und verständlich machen ist ihre Aufgabe.
Der Kommunikationsmittel gibt es viele, sie nehmen eher noch zu. Das altehrwürdige Buch wie das vorliegende neue über Wasserstoff und Brennstoffzellen werden auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation ihre Bedeutung bewahren.
Kardinale Unterschiede gegenüber dem gewachsenen Energiesystem kennzeichnen Wasserstoff und seine Technologien: Einmal hergestellt, ist Wasserstoff über seine gesamte dann folgende Energiewandlungskette von der Primärenergie über die Sekundärenergie, die Endenergie, Nutzenergie, schließlich bis zu den Energiedienstleistungen umwelt- und klimaökologisch sauber. Wasserstoff tritt an die Seite von Elektrizität, die andere Sekundärenergie. Beide werden aus allen denkbaren Primärenergien hergestellt. Beide rücken den Schwerpunkt des Energiegeschehens in die Sekundärenergiewirtschaft, deren Bedeutung zunimmt. Beide stehen und fallen mit effizienten Energietechnologien.
Technisches Wissen um Energieanlagen höherer Effizienzgewinne macht mehr Energiedienstleistungen aus weniger Primärenergierohstoffen. Wasserstoffversorgte, kleinteilige und effiziente Brennstoffzellen der Watt- bis Megawatt-Klasse treten im dezentralen Nutzerbereich als virtuelle Kraftwerke in Wettbewerb zu den gewachsenen zentralen Strukturen. Strom wird nicht mehr nur am Anfang der Energiewandlungskette erzeugt, sondern auch an ihrem Ende. Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe mit Wasserstoff im Tank und effizienten Wasserstoff-Motoren oder -Brennstoffzellen an Bord werden Transport und Verkehr buchstäblich schadstoff- und treibhausgasfrei machen. Wasserstoff perpetuiert das Weltenergiehandelssystem. Ländern hoher Importabhängigkeit (wie Deutschland, das 75 % seines Bedarfs an Primärenergierohstoffen einführt) bietet er die Chance, diese Abhängigkeit zu mildern. Technologiepolitik wird zu Energiepolitik. Bei Wasserstoff aus fossilen Energien werden Schadstoffe und Treibhausgase bereits in den Energieverkäuferländern entfernt, was heute den Energiekäuferländern obliegt. Es ergab sich so, dass das Weltenergiehandelssystem Energierohstoffe transportiert und die Schadstoffe gleich mit. Morgen wird es sauberen Wasserstoff transportieren.
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien lässt Weltregionen am Energiehandel teilnehmen, deren riesige und beständig erneuerte Ressourcen (Sonne, Wind, Wasserkraft) derzeit ungenutzt bleiben, weil sie nicht speicher- und transportfähig und damit auch nicht handelsfähig sind, da ihnen der speicher- und transportierbare chemische Energieträger Wasserstoff fehlt. Aber, Einsicht verlangt Illusionslosigkeit: Energie braucht Zeit. Viele Jahrzehnte bis zu halben Jahrhunderten sind die typischen Zeiten, die allen neuen Energien im Energiemix eigen waren. Wasserstoff und besonders Wasserstoff aus erneuerbaren Energien machen da keinen Unterschied. Folglich ist es hohe Zeit zu beginnen, „it’s HYtime!“ Eigentlich ist es immer zu spät.
Erneuerbarer Wasserstoff ist die ultima ratio, Manche sagen die prima ratio, jedoch durchaus nicht die Voraussetzung für die Wasserstoffenergiewirtschaft. Bis die erneuerbaren Energien in nennenswerte Märkte hineingewachsen sein werden, wird Wasserstoff weiterhin aus fossilen Energien hergestellt werden. Mit einem signifikanten Unterschied gegenüber heute: Die bedrohte Klimaökologie verlangt das Einfangen (Sequestrieren) der mitproduzierten Treibhausgase und ihre für die Atmosphäre schadlose Nutzung oder Endlagerung. Wenn das geschehen sein wird, bleibt nur mehr ein bedeutsamer Unterschied gegenüber erneuerbarem Wasserstoff: Die fossilen Primärenergierohstoffe sind endlich, die erneuerbaren Primärenergien nach Menschengedenken unendlich.
Ich wünsche dem vorliegenden Buch eine große Zahl an Lesern und ihnen wachsendes, kritisches Bewusstsein in die Notwendigkeit des Aufbaus der Wasserstoffenergiewirtschaft.
Überlingen, im Herbst 2004
Professor Dr.-Ing. Carl-Jochen Winter