Читать книгу Hengist und Horsa. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt - Страница 9

Оглавление

IV. Ein Sturm braut sich zusammen

Dithmarschen, Juni 441

Ordulf

Weniger als zwei Monde trennten sie noch von der Sonnenwendfeier. Es wurde höchste Zeit aufzubrechen. Sicher strömte das Volk von allen Seiten in Hengists Lager. Und Ordulf beschäftigte sich mit Schafen. Nur der neu erworbene Respekt vor dem Widder Hinnerk verhinderte, dass er seine Wut an den blöden Viechern ausließ. Er wollte endlich nach Haduloha und nach Britannien. Die notwendige Ausrüstung hatten Swæn und er bereits zusammengetragen. Der alte Swæn wollte sie gut bewaffnet auf den Kriegszug senden.

„Niemand soll sagen, die Swænen wären nicht vermögend genug, ihre junge Mannschaft auszurüsten. Und schon gar keiner dieser verdammten Ebbingemannen!“, verkündete er stolz. Vier Schilde und ebenso viele Wurflanzen hatte er persönlich ausgesucht. Weiterhin ein gutes Langschwert für Swæn und natürlich für jeden einen Sax.

Ordulf betrachtete seine Waffen mit unverhohlenem Stolz. Die Schilde waren aus gutem Lindenholz. Einer war mit Leder bespannt und reichlich mit Eisen beschlagen, auf dem Schildbuckel war ein stilisierter Schlangenwirbel aus Bronze aufgelötet. Der andere Schild war leichter und schmucklos. Die Latten wurden lediglich von dem schlichten Schildbuckel und einigen Querleisten auf der Rückseite zusammen gehalten – ein reines Arbeitsgerät. Auch sein Sax war einfach und mit einem simplen Holzgriff und etlichen ausgewetzten Scharten nicht so prächtig wie das Langschwert seines älteren Bruders, welches am Griff aufwendig mit Granat eingelegt war. Es passte perfekt zu der Fibel, die Swæns dunkelblauen Wollmantel über der Schulter zusammen hielt. Auch dort hatte der Schmied kleine Granatstückchen sorgsam in Gold gefasst. Ein dünnes, speziell gefaltetes Blattgoldscheibchen unter den Steinen ließ diese im Sonnenlicht feurig funkeln.

„Freu dich an deinem Eisen. Ein Schwert muss vor allem hart, scharf und gut ausbalanciert sein. Der Schmuck ist Weibersache“, riss ihn sein Vater aus der Betrachtung, aber Ordulf hätte trotzdem lieber so eine prächtige Waffe wie sein Bruder besessen. Noch mehr erregte es aber seinen Neid, dass Swæn ein Pferd bekam, wohingegen er selbst zu Fuß gehen würde.

„Als Stammhalter des Swænengeschlechtes wird er einmal dein Häuptling sein“, betonte der Vater ernst. „Und als solcher ziemt es sich, zu Pferde in die Schlacht zu reiten. Du wirst deinem Bruder den nötigen Respekt zollen und dafür sorgen, dass er auch als das anerkannt wird, was er ist. Der zukünftige Führer des Swænengeschlechtes.“

Ein ziemlich kleines Geschlecht, dachte Ordulf bitter, aber immerhin würde das Pferd den Großteil ihrer Ausrüstung tragen, was dann auch ihm zugutekam.

Endlich kam die letzte Nacht vor ihrer Abreise. Ordulf konnte vor Aufregung kein Auge zutun. Schließlich, als er am frühen Morgen gerade übermüdet in einen erschöpften Schlaf gesunken war, weckte ihn der alte Hinnerk. Er machte sich schon vor Sonnenaufgang auf, um Hilda, eine achtjährige Stute, eines der besten Pferde des Hofes, von der Außenweide zu holen.

Bei der Verabschiedung trug Ordulfs Bruder Agill immer noch demonstrativ den rechten Arm in der Schlinge. Beim Anblick seiner säuerlichen Miene überkam Ordulf wieder ein Anflug von Reue. Eigentlich hätte Agill an seiner Stelle stehen sollen, aber die Gewissensbisse hielten nicht lange vor. Er war schließlich selbst schuld. Die Mutter dagegen sah aus, als hätte sie die Nacht über geweint, doch zum Abschied blickte sie ihre zwei Söhne fest und voller Stolz an, bevor sie beide ein letztes Mal umarmte. Dann zogen sie endlich los.

Bald schon erreichten sie die Wolderichswurt. Dort verabschiedete sich Vater Swæn von ihnen, der behauptet hatte, irgendein Geschäft mit dem Nachbarn verhandeln zu müssen, auch wenn Ordulf insgeheim annahm, dass er das lediglich vorgeschoben hatte.

„Seid immer wachsam. Streitet nicht untereinander und auch nicht mit anderen Sachsen. Besonders du, Ordulf, musst deinen Hitzkopf im Zaum halten. Höre auf deinen Bruder. Einig könnt ihr gegen alle Feinde bestehen. Was Hengist euch sagt, das tut, als ob ich es euch befohlen hätte. Egal was er will, er ist auf dieser Fahrt euer Herr. Saxnot stehe euch in allen Kämpfen bei.“

Mit diesen Ermahnungen und dem Segen entließ der bereits graubärtige Swæn seine beiden Söhne. Abrupt wandte er sich der Wurt der Wolderichsmannen zu. Ordulfs Blick folgte ihm noch kurz, wie er allein den Hügel hinaufstapfte. Schweigend setzten die Brüder ihre Reise fort. Für beide war es das erste Mal, dass sie auf eine ungewisse Wiederkehr hin ihrem Vaterhof den Rücken zukehrten.

Zunächst folgten sie einem Graben, der in Richtung Geest führte. Bald wichen die salzigen, beweideten Marschen dichtem, von zahlreichen Wasserläufen durchzogenem Buschwerk, welches seinerseits von Mooren, Schilfsümpfen und kleineren Bruchwäldern unterbrochen wurde. Immer wieder mussten Swæn und Ordulf die Richtung ändern, um Hindernisse zu umgehen, und so erreichten sie die höhere Geest erst gegen Mittag. Von nun an kamen sie schneller voran und als sie schließlich wieder in die Elbmarschen hinabstiegen, hatte die einsetzende Ebbe das Wasser aus den Gräben gezogen. So erreichten sie ihr Ziel, den Weulesfleet, mit Einbruch der Dämmerung. Hier lagerten bereits einige Bauern aus der Nordermarsch, die ihre Bullen auf einem Markt in Keydingen feilbieten wollten.

„Wir haben bereits mit einem Fischer gesprochen, der sich auch als Fährmann verdingt“, begrüßte ihr Anführer die jungen Swænen. „Morgen früh wird er uns übersetzten, ihr könnt mitfahren, wenn euch unsere Bullen nicht zu doll stinken.“

„Wir Wurtmannen müssen schließlich zusammenhalten“, pflichtete ihm ein älterer Bauer zu und lud die beiden Jungen ein, sich zu ihnen ans Feuer zu setzen.

„Habt Dank für die Gastfreundschaft“, antwortete Swæn hocherfreut und ließ sich gleich am Rande des Feuers nieder. „Mein Bruder wird noch rasch das Pferd versorgen“, bemerkte er, scheinbar an die Bauern gewandt, aber sein vorwurfsvoller Blick traf Ordulf, der sich gerade neben ihn setzen wollte. Ordulf schnaufte verärgert, nahm dann aber Hilda den Sattel ab und führte sie zur Tränke an das Fleet. Durch einen Gürtel aus Schilf und Rohr konnte er bereits den großen Ælfstrom erkennen. Das schlammige Wasser wälzte sich träge Richtung Meer. Dorthin würde auch ihre Reise führen, in die unbekannte Weite des Ozeans bis nach Britannien.

Am nächsten Morgen weckte sie das Brüllen der Rinder. Ordulf stand auf und reckte die steifen Glieder. Dann ging er, um nach Hilda zu sehen.

Der große, flachbodige Kahn, der als Fähre diente, lag zwischen mehreren Fischerbooten. Anders als bei ihnen, oder den großen Seeschiffen der Sachsen, wurde der Boden aus einer Reihe platt nebeneinanderliegender Planken gebildet, an die die Bordwand kastenförmig ansetzte. Viel Raum bei wenig Tiefgang, aber sicher nicht geeignet für eine Wettfahrt oder schweres Wetter.

Ordulf half dem Fährmann und seinen zwei Jungen, die Fähre in die Strömung zu rudern. Da das Wasser gerade stieg, trieb sie nur sehr langsam mit dem Strom, und der Fährmann nutzte sein Ruder geschickt, um die Fähre in Richtung des Keydinger Ufers zu lenken. Die Sonne brannte vom Himmel und die Ælf strömte ruhig dahin.

„Jetzt müsst ihr noch einmal an die Ruder und pullen“, rief der Fährmann plötzlich. „Wir treiben gefährlich nahe an den Krudt Sand heran. Bei unserer schweren Ladung setzen wir gleich auf, auch wenn der größte Teil schon überschwemmt ist.“

Ordulf und einer der Bauern griffen zusammen mit den Söhnen des Fährmanns gehorsam nach den Riemen.

„Das wird dir auch nicht mehr lange erspart bleiben, wenn wir erst bei Hengist und den Schiffen sind“, rief Ordulf seinem Bruder zu, der Hilda am Zügel hielt und keinerlei Anstalten machte, mit anzupacken. Doch Swæn zuckte nur gelangweilt die Schultern und strich gedankenverloren über das Fell seines Rosses.

Als die Sonne bereits im Zenit stand, erreichten sie das Keydinger Ufer. Beim Entladen schienen zwei der Nordermarscher ebenso erleichtert wie Hilda und die Bullen, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

„Thunær sei Dank!“, rief der eine und zog einen Eisendolch aus seinem Gürtel. Den warf er im hohen Bogen als Dankesopfer in die langsam strömende Ælf.

„Hab Dank für die gute Überfahrt, Wogenglätter!“, pflichtete ein weiterer Nordermarscher bei und schleuderte eine Silbermünze hinterher.

Swæn, Ordulf und die übrigen Bauern standen andächtig still, als die Fluten die Dankesopfer gierig verschlangen.

Plötzlich raschelte es hinter ihnen im Gebüsch. Ordulf fuhr herum. Eine Schar von fünf oder sechs Bewaffneten brach mit drohend gesenkten Lanzen aus dem Dickicht. Die Dithmarschen zogen ihre Saxe und bildeten sofort einen Halbkreis vor der Fähre.

Der größte der Fremden, vermutlich ihr Anführer, musterte die Dithmarschen misstrauisch.

„Was wollt ihr hier in Keydingen?“, fragte er schroff.

„Wir treiben unsere Bullen zum Markt“, erwiderte der Anführer der Nordermarscher erstaunt und verärgert zugleich. „Empfängt man in Keydingen neuerdings so seine Gäste?“

„Von euch Bauern will ich nichts. Aber was ist mit den zweien dort?“, wandte sich der große Keydinger unwirsch an Swæn und Ordulf. „Handelsgut habt ihr keines dabei, oder wollt ihr zum Pferdemarkt?“

„Wir wollen zum Lager Hengists in Haduloha“, beeilte sich Swæn zu erklären.

Der Keydinger sah ihn scharf an. „Wie ist dein Name?“, fragte er.

„Swæn vom Geschlecht der Swænen aus Dithmarschen“, erwiderte Swæn stolz.

„Das dachte ich mir“, knurrte der Keydinger. „Ihr seid landesflüchtige Räuber und Verräter. Man hat uns vor euch gewarnt.“ Bei diesen Worten winkte er seinen Männern, die grimmig die Lanzen auf die Brüder richteten.

Swæn und Ordulf waren wie vom Donner gerührt. Als freier Sachse konnte man die Gaugrenzen nach Gutdünken passieren. Aber noch bevor Swæn etwas erwidern konnte, stellte sich einer der Bauern mit gezogenem Sax schützend vor ihn.

„Überleg dir gut, mit wem du Hader anfängst. Wir Dithmarschen halten zusammen“, sagte er ruhig. Seine Begleiter nickten grimmig und auch der Fährmann nahm zwei Speere aus dem Boot und reichte sie schweigend seinen Söhnen.

„Wir haben nichts gegen euch Dithmarschen“, beeilte sich der Anführer der Keydinger zu erklären. „Aber diese zwei sind Verbrecher, die bei euch gesucht werden. Swæn, so war doch der Name? Und die Beschreibung passt haargenau.“ Er schaute Bestätigung heischend zu seinen Männern.

Ordulf erholte sich vor seinem Bruder von dem Schreck. „Was sagt ihr da über uns?“, fragte er und seine Hand schloss sich so fest um den Griff des Saxes, dass die Knöchel weiß hervortraten.

Sein Bruder hatte wohl das unterschwellige Brodeln in Ordulfs Stimme bemerkt. „Wir sind freie Männer und haben uns nichts zuschulden kommen lassen“, erklärte er rasch und griff nach Ordulfs Arm. „Wer hat etwas anderes behauptet?“

„Die Swænen sind in Dithmarschen als gute, freie Männer bekannt, wenn auch etwas jähzornig vielleicht“, pflichtete ihm einer der nordermarscher Bauern bei. Sein besorgter Seitenblick streifte Ordulf.

Der Keydinger wurde unsicher. „Vor einer Woche kam eine Gruppe Krieger aus Dithmarschen vorbei, die uns von ein paar landesflüchtigen Räubern berichteten, auf die man in Dithmarschen ein Kopfgeld ausgesetzt hätte. Swænen, würden sie heißen, wie Sch…“ Er hatte offensichtlich „Schwein“ sagen wollen, hielt das Wort aber gerade noch rechtzeitig zurück. „Wir sollten uns in Acht nehmen, möglicherweise hätten sie das Land Dithmarschen auch noch gar nicht verlassen.“

„Was waren das für Männer?“, fragte Ordulf und überhörte die nicht ganz ausgesprochene Beleidigung.

„Ebbingemannen nannten sie sich und auch sie wollten sich Hengist anschließen“, antwortete einer der bisher schweigsamen Keydinger Krieger. „Wenn ihr wirklich auch dorthin wollt, könnt ihr das ja untereinander regeln.“

„Ja, am besten ihr geht direkt dorthin“, pflichtete ihm sein Anführer bei, froh eine Lösung gefunden zu haben, ohne sich mit den Dithmarschen schlagen zu müssen. „Nehmt den alten Weg am Moor entlang. Dort hinauf über Wörden und am Dösemoor entlang bis zur Oste.“ Dabei wies er mit der Hand den Weg. „Aber seht zu, dass ihr Keydingen noch heute verlasst, wir wollen hier keinen Ärger“, fügte er nach einer kurzen Pause drohend hinzu, eher um sein Gesicht zu wahren, als dass es ihm etwas bedeutete.

Swæn und Ordulf warfen den Bauern, deren Landmannstreue sie gerade gerettet hatte, noch einen dankbaren Blick zu und zogen schleunigst ihres Weges. Die finsteren Blicke der Keydinger brannten ihnen im Nacken.

„Was für eine Gemeinheit von diesen hinterhältigen Kerlen!“, schimpfte Ordulf.

„Ja, ein ziemlich übler Streich“, pflichtete ihm sein Bruder bei. „Wenn nicht die Bauern bei uns gewesen wären, hätte es schlimm ausgehen können.“

„Wenn ich die erwische, kommen sie nicht so einfach davon“, schimpfte Ordulf weiter.

Trotz Mittagshitze und dem Heer von Fliegen, welches aus den nahen Mooren aufstieg, um sie zu peinigen, marschierten die Brüder ohne Pause. Schließlich, als der Mond schon hoch am Firmament stand, erreichten sie endlich die Oste. Hier mussten sie die Ebbe erwarten. Sobald das Wasser sank, wateten sie eilig über die durch eingeschlagene Pfähle bezeichnete Furt ans andere Ufer. Damit überschritten sie endlich auch die Gaugrenze nach Haduloha, und da Mitternacht bereits verstrichen war, getrauten sie sich nun die Augen für einige Stunden zu schließen.

Am folgenden Morgen führte der Weg auf die Geest hinauf. Kiefern und Birken standen auf dem sandigen Boden und bald verschluckte ein lichter Wald die beiden Wanderer. Nach einer weiteren Gehstunde lichteten sich die Bäume und sie traten auf freies Feld hinaus. An einer kleinen Geestsiedlung wies ein junger Mann den Brüdern den Weg nach Beufleet und bald ließen Swæn und Ordulf die sandige Geest hinter sich und stiegen in die fruchtbare Marsch hinab. Schon von weitem kündigten mehrere Rauchfahnen, die vor ihnen in den tiefblauen Himmel stiegen, ihr Ziel an. Swæn und Ordulf folgten einem festen Weg am Wasserlauf entlang, den der junge Geestler als Beufleet bezeichnet hatte.

„Sieh mal, ob der Weg hier abgeht?“, fragte Ordulf seinen Bruder, als er ein paar frische Hufspuren entdeckte, die den schmalen Fleet kreuzten.

„Nur ein einzelner Reiter“, urteilte Swæn mit gefurchten Brauen. „Der Junge hat doch gesagt, wir sollten dem Fleet bis an die Ælf folgen.“

Und tatsächlich wich das dichte Buschwerk wenige hundert Schritte weiter einer saftigen Salzmarsch. Direkt vor den beiden Jungen lag die gesuchte Wurt, zu deren Füßen sich bereits ein beachtliches Heerlager ausdehnte.

„Schau nur“, meinte Swæn und zeigte auf die weite Wasserfläche der Ælfmündung hinaus. „Dort liegt die Südermarsch.“

Ordulf blickte in die angegebene Richtung und kniff die Augen zusammen. „Hmpf“, antwortete er zustimmend. In Wahrheit konnte er außer Wasser nicht das Geringste erkennen, aber es war ihm peinlich, dass seine Augen so viel stumpfer waren als die seines Bruders. Sein Interesse wurde ohnehin von anderem gefesselt: Ein gutes Stück von der Mündung des Fleets entfernt erkannte er die hochgezogenen Steven von Hengists Seeschiffen. Bald würden sie damit ihrem ersten Abenteuer entgegenrudern! Daneben lagen mehrere kleine Boote, darunter ein kleines Schwarzes ungewöhnlicher Bauart. Wahrscheinlich ein einfacher Einbaum, vermutete Ordulf und ließ seinen Blick weiter über das Lager schweifen.

Es machte einen ungeordneten Eindruck. Zelte und Feuerstellen standen überall durcheinander und zwischendrin grasten Pferde. Immerhin hielt sie bei Erreichen des Lagers ein Wachtposten an und fragte nach ihrem Begehr.

„Wir sind Dithmarscher Sachsen vom Swænengeschlecht und wollen uns dem Heer Hengists anschließen“, antwortete Swæn stellvertretend für sie beide.

„Hengist ist derzeit nicht hier, aber vielleicht trefft ihr seinen Bruder Horsa dort hinten an dem großen Feuer“, erwiderte der Wachtposten und wies ihnen mit einem Kopfnicken die Richtung.

Swæn und Ordulf bedankten sich. Beklommen schritten sie zwischen den versammelten Recken einher, doch niemand beachtete sie. Unter den Männern entdeckte Ordulf viele junge Burschen wie sie selbst, aber auch ältere Krieger mit wertvollen Rüstungen und vernarbten Gesichtern und Armen. Das mussten erfahrene Schiffsführer und Seeleute sein, die jeden Sand der Ælf und des Britannischen Ozeans kannten. Sein Blick glitt an sich selbst hinab und zu seinem Bruder hinüber. Swæn zog Hilda hinter sich am Zügel. Mit ihren hohen schlanken Fesseln über den harten Hufen und mit dem edel gebogenen Hals konnte wenigstens sie sich durchaus sehen lassen.

Schließlich erreichten sie das vom Wachtposten bezeichnete Feuer. Ordulf suchte nach jemandem mit demselben harten Blick wie Hengist, konnte sich aber zwischen den düster dreinblickenden Gestalten nicht recht entscheiden.

„Ein prächtiges Tier habt ihr da“, sprach sie von hinten auf einmal eine sanfte Stimme an. Er fuhr herum und sah einen großen schlanken Mann neben Hilda stehen und ihre Mähne streicheln. Hilda schnaubte zufrieden und drückte den Kopf freundlich an die Brust des Fremden.

„Sonst ist sie nie so zutraulich“, wunderte sich Ordulf.

Der Fremde schaute ihn aus hellen blauen Augen leicht spöttisch, aber durchaus freundlich an. „Nun, es sollte dich nicht wundern, dass Pferde mich mögen, schließlich ist mein Name Horsa.“

„Verdammt noch eins“, entfuhr es Ordulf. Dann verneigte er sich erschrocken. „Herr! Ich ahnte nicht …“

„Du brauchst nicht zu erröten, ich hatte mich ja noch gar nicht vorgestellt“, erwiderte Horsa lachend. „Ihr wollt euch uns anschließen?“

„Wir haben Hengist gehört, als er drüben bei uns in Dithmarschen war, um Krieger zu werben, und sind seinem Ruf gefolgt“, antwortete Swæn rasch. Es gefiel ihm offenbar nicht, dass sein jüngerer Bruder die Unterhaltung mit dem neuen Häuptling führte. „Wir hoffen, dass ihr uns noch in eure Schar aufnehmen werdet.“

„Nun, wenn wir schon genug Leute beisammen hätten, wären wir nicht mehr hier, oder?“, frage Horsa zurück. „Wenn ihr genauso gut kämpft, wie ihr Pferde züchtet, seid mir willkommen! Das sind zwei neue Mitstreiter aus Dithmarschen“, wandte er sich dann an die Männer am Feuer. „Und zwar …?“ Nun blickte er wieder Swæn auffordernd an.

„Ich bin Swæn und das ist mein Bruder Ordulf, auch ein Swæn“, brachte Swæn hervor.

Ihr Name sorgte für allgemeine Erheiterung.

„So, also Swæn Swænsunu und Ordulf Swænsunu?“, vergewisserte sich Horsa. „Wenn ihr erlaubt, wollen wir euch lieber nur Ordulf und Swæn nennen, der Einfachheit halber. Ihr seid nun Hengists und Horsas Mannen und euer Geschlecht und auch alle eure Zwistigkeiten und Fehden sind, solange ihr mit uns zieht, ohne Bedeutung. Verstanden?“ Horsa blickte ihnen nacheinander fest in die Augen. Swæn und Ordulf nickten zustimmend. „Na dann wollen wir unseren neuen Gefährten mal was zu trinken besorgen. Gero, kümmerst du dich darum?“ Horsa sah einen der finster blickenden Hünen fragend an. Swæn ließ sich nieder. Als Ordulf seinem Beispiel folgen wollte, blickte er auf und fragte beiläufig: „Du bringst Hilda gerade noch auf die Weide, ja?“

Ordulf schnaufte verärgert. Hilda war nicht sein Pferd, aber dauernd musste er sich um sie kümmern. Er nahm sie am Zügel und zerrte sie unsanft vom Feuer weg. Doch sein Zorn verrauchte rasch. Was konnte die arme Stute schon dafür? Außerhalb des Lagers sah er mehrere andere Rösser auf einem besonders saftigen Stück Weide stehen. Ihre Vorderläufe waren zusammengekoppelt, damit sie sich beim Grasen nicht zu weit entfernen konnten. Das wäre ein guter Platz für Hilda. Entschlossen steuerte er auf die anderen Pferde zu.

Ein hübsches junges Mädchen, welches neben den Pferden auf der Wiese saß und auf einem Halm kaute, blickte ihm interessiert entgegen. Sie hatte einen blauen Blumenkranz in ihr rotes Haar geflochten. Waren das Sandglöckchen vom Strand? Ordulf schämte sich, genauer hinzusehen. Nicht, dass sie ihn für einen gaffenden Jungen hielt.

Aber da rief sie ihn schon an: „Du bist ganz schön jung für so ein prächtiges Pferd.“

Ordulf lief rot an. So ein freches Ding – aber leider hatte sie recht und Hilda gehörte seinem Bruder. „Wir Dithmarschen züchten eben die besten Pferde“, antwortete er hochnäsig, um seine Verlegenheit zu überspielen.

Das Mädchen verzog den Mund. „Pah, Angeber“, rief sie und lief rasch davon. Ordulf blickte ihr einen Augenblick hinterher. Später, gegen Abend, suchte Swæn am Rande des Lagers einen Platz für ihr Zelt. Ordulf holte derweil Hilda, um sie zum Fleet hinunter zur Tränke zu führen. Da gerade Ebbe war, mussten sie durch einen breiten Saum Uferschlamm zu dem schmalen Wasserlauf in der Mitte waten, dafür war das Wasser aber klar und nicht mit Meersalz vermengt. Das treue Tier senkte den Kopf und trank gierig. Plötzlich spürte Ordulf einen Schlag im Genick. Er wusste zunächst gar nicht, wie ihm geschah. Immerhin stürzte er nicht in den Wasserlauf wie damals, als ihn der Widder Hinnerk überraschend angegriffen hatte. Er drehte sich gerade rechtzeitig um, um den nächsten Batzen Schlick genau ins Gesicht zu bekommen. Am Ufer standen zwei grinsende junge Kerle; dieselben, die ihn damals auf Wolderichs Hof in den Dreck gestoßen hatten. Einer hielt bereits die nächste Handvoll Matsch hoch.

„Das ist aber wieder ein besonders dreckiges Schwein. Das wollen wir lehren mit Mist nach uns zu werfen!“, rief der erste der beiden.

Ordulf lief rot an. Seinen Sax hatte er bei seinem Bruder und der übrigen Ausrüstung gelassen. Darum ballte er die Fäuste und stürzte sich unbewaffnet mit einem Wutschrei auf den näherstehenden der beiden jungen Kerls. Der versuchte seinerseits den Sax zu ziehen, aber Ordulf sprang ihm das letzte Stück entgegen und versetzte ihm einen Faustschlag auf die Kinnspitze, sodass sein Gegner hinterrücks umfiel und liegen blieb.

„To jodute“, schrie der andere aus vollem Hals.

Mit diesem Ruf forderte in ganz Sachsen das Opfer eines Gewaltverbrechens alle Männer in Hörweite, seien es Freie oder Knechte, zur Hilfeleistung auf. Wer dem nicht nachkam, machte sich selbst schuldig.

„Dieser Verräter hat einen Wehrlosen erschlagen!“

Bevor Ordulf sich versah, tauchten drei weitere Ebbingemannen wie aus dem Nichts heraus auf und stürzten sich auf ihn. Ob er sie aufgrund seiner Kurzsichtigkeit nicht gesehen hatte oder ob die rasende Wut schuld war, wusste Ordulf nicht und es blieb ihm auch keine Zeit, darüber nachzudenken. Er wurde von der Wucht der drei Angreifer umgerissen und während zwei nach ihm traten, drückte der dritte seinen Kopf in den weichen Schlick. Ordulf versuchte nach Luft zu schnappen, bekam aber Schlick und Wasser in den Mund und musste husten. Ihm kam der Gedanke, dass sein Abenteuer möglicherweise bereits hier im Schlamm des Beufleets enden würde. Verzweifelt versuchte er, seinen Angreifer zu packen und von sich weg zu drücken. Mit der rechten Hand fand er den Bart des Gegners.

Die Augen, schoss es ihm durch den Kopf. Steck ihm die Finger in die Augen! Er tastete nach dem Gesicht, aber offenbar erkannten seine Gegner die Absicht und ohne dass der Mann auf ihm locker gelassen hätte, riss ein anderer seinen Arm weg und drehte ihn schmerzhaft nach außen. Ordulf trat und schlug mit der freien Linken und den Beinen wild um sich, traf aber niemanden. Unten im Schlamm hörte er nur leises Gemurmel und spürte weitere Tritte, doch dann verblassten alle anderen Gefühle gegenüber dem zunehmenden Drang, Luft zu holen.

Regulbium, Mai 441

Álainn

Álainn stöhnte. Wild pochte das Blut in ihren Schläfen. Sie hatte stechende Kopfschmerzen und ihr war zum Speien übel. Vorsichtig blinzelte sie; sie ahnte, dass das Tageslicht schmerzen würde. Als sie endlich die Augen offen hatte, brauchte sie einen Augenblick, um sich zurechtzufinden. Direkt vor sich erkannte sie ihre Mutter, doch etwas stimmte nicht. Dann plötzlich verstand sie das Bild, das sich ihr bot. Dort lag nur der abgeschlagene Kopf, zusammen mit den Häuptern weiterer Dorfbewohner auf einem blutigen Haufen. Sie wollte schreien, erbrach sich aber gleichzeitig und rang röchelnd nach Luft. Sie konnte die Augen nicht von den schaurigen Trophäen abwenden. Es waren insgesamt zehn oder zwölf Köpfe und sie kannte jeden einzelnen. Pádruig, der alte Schmied, der blonde Boyd … Ihr wurde schon wieder übel und sie würgte gelbe Galle hervor. Von hinten legte jemand die Hand um sie und drehte ihren Kopf sanft aber bestimmt von dem Anblick fort. Es war Akira, die Frau des Comarchus. Langsam kehrte Álainns Erinnerung zurück.

Die Pikten am Strand, das schreckliche Grinsen der blau bemalten Fratze und die erhobene Axt, der Schmerz in ihrer Hand. Ängstlich blickte sie hinunter auf ihre rechte Hand. Zeige- und Mittelfinger waren im Grundgelenk überdehnt worden. Um das Gelenk herum war die Haut bläulich verfärbt und stark angeschwollen und jetzt bemerkte sie auch die Schmerzen.

„Was wird mit uns geschehen?“, fragte sie nach einer Weile mit zitternder Stimme. Von weiter hinter ihnen drang gedämpftes Weinen an ihr Ohr.

„Sie werden uns fortschaffen auf ihren Schiffen, schätze ich“, antwortete Akira und wandte sich ab.

Álainn versuchte, nach den Schiffen zu schauen, was von ihrer Position aus nicht einfach war, da sie sich ängstlich bemühte, keinen weiteren Blick auf den Haufen der abgeschlagenen Köpfe zu erhaschen.

Wieso nur Regulbium?, dachte sie voll Schmerz. Herr, wie konntest du nur so etwas zulassen!, richtete sie ihre Klage gegen den Himmel, da ihr sonst niemand Antwort geben konnte. Die aufkeimende Bitterkeit wurde von einer neuen Welle der Übelkeit weggeschwemmt. Álainn übergab sich krampfartig.

Sie hatte erwartet, die Pikten würden ihren leichten Sieg bis in die Nacht hinein feiern, wie man es von solchen Barbaren erwartete, doch weit gefehlt.

Nur etwa eine Stunde später begannen die blauen Dämonen Tiere – teils blutig vom Schlachten, teils lebendig –, Säcke mit den wenigen Habseligkeiten der britannischen Bauern und die letzten Nahrungsmittelvorräte Regulbiums zu ihren Booten zu schleppen. Alles ging erstaunlich schnell und geordnet vonstatten.

Bald schritt ein nicht allzu großer, aber kräftiger Mann in Richtung des armseligen Grüppchens der Gefangenen. Die breite Brust war mit dem inzwischen zerlaufenen blauen Abbild eines Wolfes beschmiert. Zu Álainns Entsetzen steuerte er geradewegs auf sie zu. Sie versuchte, sich hinter Akira zu verstecken, aber schon hatte der Pikte sie an der Schulter gepackt. Er sagte etwas in seinem dunklen Dialekt, das sie nicht verstand. Aus vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie ihn an, unfähig zu antworten.

„Du kommen mit!“, schrie er sie an, offensichtlich im Unklaren darüber, ob sie seines Dialektes nicht mächtig war oder etwas an den Ohren hatte. „Ich bin Eòghann, dein neuer Herr.“

Das war alles, was er sagte und Álainn ließ sich zitternd zum Strand hinunterziehen. Eine irrsinnige Wut auf Akira stieg in ihr auf. Wieso unternahm sie nichts? Dann sackte sie hoffnungslos in sich zusammen. Akira konnte ja auch nichts tun.

Wenn Álainn schon gedacht hatte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, so wurde sie ein weiteres Mal enttäuscht: Das Boot war eine Nussschale. Die Bordwände waren nicht einmal aus Holz, sondern nur eine dünne Lederhaut, die sich über ein Leistengerippe spannte. Eine Curach, wie sie allerhöchstens die Fischer auf den vorgelagerten Inseln noch benutzten. Wenigstens konnten die Pikten sie in so einem unsicheren Fahrzeug nicht allzu weit von ihrer Heimat entführen, tröstete sie sich.

Beufleet, Juni 441

Rowena

Endlich war ihr Vater wieder aus dem Hause. Warum konnte er nicht viel länger fort bleiben oder am besten allein nach Britannien fahren und Ceretic einfach bei ihr zurücklassen?

Gutha hatte dem Britannier morgens ausgerichtet, dass sie am Abend versuchen würde, zu dem Gebüsch am Waschplatz zu kommen. Ob er sie richtig verstanden hatte? Sie wagte viel mit diesem Gang. Wenn sie erwischt wurden, könnte man sie am Ende wie eine Ehebrecherin bestrafen. Sie hatte gehört, dass ein entfernter Nachbar auf der Geest seine eigene Tochter mit einem Strick um den Hals im Opfermoor versenkte, weil sie sich mit einem jungen Mann eingelassen hatte. So weit würde Hengist doch wohl nicht gehen, oder? Doch wer konnte schon sagen, zu was ihr verschlossener Vater fähig war, wenn er wirklich wütend wurde?

Horsa hatte ihr einstmals eine Geschichte erzählt, die sie noch immer schaudern ließ. Irgendwie hatte der damals wohl an die zwölf Winter zählende Hengist seinen Vater Witgis, der in seiner Jugend zu Wutausbrüchen neigte, stark verärgert. Eine Entschuldigung verweigerte der Junge stur. Witigis hatte seinen eigenen Sohn bei Ebbe im Schlick der Ælf eingraben lassen.

„Bis zur nächsten Flut gebe ich dir Zeit, nach mir zu rufen, sonst stopft dir das Wasser dein freches Mundwerk.“

Am Ende schlugen die Wellen bereits über Hengists Haupt zusammen, als Witgis ihn doch noch ausgraben ließ. Ein Wort der Entschuldigung war dem Jungen nicht über seine Lippen gekommen. Auch später niemals.

Und Ceretic? Wie würde es ihm ergehen? Er war doch ein Sänger und kein Kriegsmann! Die rauen Sitten ihrer Heimat waren ihm völlig fremd. Doch sehen musste sie ihn, wenigstens noch ein einziges Mal, bevor er über des Meeres Tiefen wieder nach Britannien entschwand. Am Hofe des Hochkönigs gab es bestimmt musikalischere Mädchen, die über sie lachen würden. Die unbeholfene Barbarin …

Sie gab sich einen Ruck und schritt von der Wurt hinab ins Lager. Ihre treue Magd Gutha folgte ihr tapfer. Horsa war mit seinen Thanen drüben am Feuer und die Lautstärke ließ vermuten, dass das Methorn schon mehrfach die Runde gemacht hatte. Gut so, dann würde er ihr Fehlen nicht bemerken.

Mit hoch aufgerichtetem Haupt schritt Rowena auf das Fleet zu. Lass dir nur nichts anmerken, du bist Hengists Tochter und hier die Herrin, sagte sie sich, doch ihr Herz strafte sie Lügen und schlug bis zum Halse. Plötzlich tauchte ein torkelnder Mann vor ihr auf, aber Rowena erwiderte seinen schon leicht unfokussierten Blick kalt.

„Hast du ein Anliegen an meinen Vater Hengist? Wenn nicht, dann verzieh dich“, fuhr sie ihn schroff an und reckte energisch ihr zartes Kinn.

Die Erwähnung ihres Vaters ließ den Kerl schlagartig nüchtern werden. Das süffisante Lächeln verschwand aus seinen Zügen. „Ich hab jawohl gar nichts gesagt“, grummelte er und verschwand rasch hinter einem der Zelte.

Nun waren Gutha und Rowena am Rand des Lagers. Alles blieb ruhig. Außer dem angetrunkenen Krieger schien sich niemand für den abendlichen Spaziergang der beiden Mädchen zu interessieren.

Sie erreichten das Fleet. Das Wasser stand so flach, dass sie lediglich den Rock schürzen mussten, um mit trockener Kleidung ans andere Ufer zu gelangen. Glühwürmchen spielten über dem Wasser und Gutha blieb kurz stehen und sah fasziniert zu, wie die Tierchen in der Dämmerung aufleuchteten.

„Komm schon weiter“, trieb Rowena sie an, die Aufregung schnürte ihr die Kehle zu.

Bald erreichten sie den Durchgang im Ufergebüsch. Hier blieb Gutha wie besprochen als Wache zurück. Rowena schlich vorsichtig weiter.

„Ceretic“, rief sie leise.

„Rowena! Hier bin ich, Liebste.“

Vor ihr tauchte die hochgewachsene Gestalt des Britanniers auf. Er nahm ihre zitternden Hände fest in die Seinen. Hinter ihm, über dem Moor, war eine schmale silbrige Mondsichel aufgegangen und sie blickte in Ceretics weite Pupillen. Dann lag sie in seinen Armen und er hielt sie eng umschlungen.

„Was sollen wir nur tun? Du musst bald übers Meer und mir wird es das Herz aus dem Leibe reißen, dich ziehen zu lassen. Wenn nur mein gestrenger Vater und diese Prophezeiung nicht wären, wie glücklich könnten wir werden.“

„Er wird sich fügen, ja sogar fröhlich zustimmen“, entgegnete Ceretic und klang optimistisch. „In Britannien gilt ein tapferer Mann nicht wenig und wenn ich diesen Auftrag recht ausrichte und deinen Vater und seine Krieger gegen die Pikten führe, wird mich der Hochkönig reich belohnen. Vielleicht erhebt er mich in den Ritterstand oder gibt mir sogar einen Platz an seiner Tafel und in seinem Rat. Dann kann ich getrost um dich werben.“

Er küsste sanft den Rücken ihrer Hand. Sie sank an seine Brust.

„Ach Ceretic, wenn doch dieser Abend niemals enden müsste.“

„Bleib nur standhaft und vertrau mir, bis ich wiederkomme – als Vortigerns Vertrauter und für Hengist ein genehmer Werber. Diesen Winter schon oder im nächsten Frühjahr“, beteuerte Ceretic abermals. Vorsichtig setzte er sich, Rowena noch immer fest in seinem Arm.

„Ich muss nun los, die Sonne ist untergegangen und die letzte Dämmerung flieht geschwind“, bemerkte er, nachdem sie eine Weile so gesessen hatten.

„Du kannst mich jetzt nicht verlassen“, jammerte sie.

„Aber ich muss. Für König und Vaterland und auch unsere Zukunft“, entgegnete er sanft und wand sich aus ihren Armen.

„Nicht!“, rief sie und zog ihn zu einem Kuss wieder herunter an ihren Mund.

Hengist und Horsa. Die Britannien-Saga

Подняться наверх