Читать книгу Erleuchtet ...und nix dazugelernt! - Swami Desastah - Страница 6
Das Produkt mieser Taten aus vergangenen Leben
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„Äh, ich studierte Geographie mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Ich wollte eigentlich Meteorologe werden, aber im Studieneingangstest hat man mir nahe gelegt, Physik eher im Nebenfach zu haben. Also werde ich Klimatologe. Beides hat nichts mit Karma zu tun.“ Nachdenklicher Blick. „Naja, vielleicht sind die sintflutartigen Regenfälle im Sommer eine Retourkutsche für Wasserklau aus einem früheren Leben in der spanischen Meseta?!“
„Laberst Du immer so viel, wenn Du mit einer Frau sprichst? Hast Du Deinem Kanarienvogel die Sprechperlen aus dem Futter geklaut?“
„Ich hatte bisher weder das Eine noch das Andere.“
„Was, weder noch?“
„Weder Kanarienvogel noch Frau.“
„Das einzige, warum wir noch hier herumwackeln, ich von meinem Exmann die Schnauze voll habe und Frauen von Dir die Schnauze voll haben, bevor sie Dich überhaupt richtig kennengelernt haben, hat mit Missetaten aus vergangenen Leben zu tun.“
Die unbestechliche Logik hinter dieser Message war: ich wurde gerade für miese Taten bestraft, die ich in einer Zeit begangen hatte, an die ich mich nun beim besten Willen nicht erinnern konnte. Ich konnte mich ja nicht mal an mein Weltbild erinnern, das ich mit 3 hatte! Ich erahnte mehr als dass ich wusste, dass ich es mit diesem Alter weder mit Frauen noch mit hubraumstarken Cabriolets hatte.
Dabei fiel mir auf: wenn man weder an dem Einen noch an dem Anderen Interesse hatte, hatte das Vorteile.
Die Zeit, als ich 3 war, musste schön gewesen sein…
„Wieso soll man für was bestraft werden, was mehr als ein Leben her ist? Ich meine, in unserer modernen Rechtssprechung verjähren doch auch die Taten?“ merkte ich an. In der Hoffnung, dass sie von Thema „Karma“ zum Thema „Tantra“ umschwenkte. Aber mitnichten.
„Das Universum hat ein ewiges Gedächtnis und im Grunde genommen bestraft einen niemand, sondern man bestraft sich selbst. Nur eben unbewusst.“
Aha? Also war die Tatsache, dass ich ständig Fettnäpfchen volley nahm, Fehltritten aus vergangenen Leben geschuldet? Mist! Wieso bekam ich es nicht gebacken wie jeder andere Dorftrottel, ihr zu sagen, dass ich was Interessanteres wusste als Karma?
„Das betrifft ja mich ebenso wie Dich! Ich meine, wäre ich in der Vergangenheit immer korrekt gewesen, wäre ich jetzt auch nicht mehr auf diesem traurigen Planeten!“
„Sollten wir nicht…gemeinsam unser Karma ausbügeln?“
„Ganz schlechter Versuch. Nein, ich weiß was wir tun: wir gehen zu einer Bekannten von mir: Señora Esmeralda de la Paranoya. Die verlangt nur 50 Mark für ein Reading!“
„Ich denke, das von Dir war ein Reading?“
„Also: wenn ich sehe, dass aus einem Typen wie Dir was Großes wird, dann kann man das mit Fug und Recht blockiert nennen. Frag mich wieso, ich weiß es nicht! Wie dem auch sei: Señora Esmeralda de la Paranoya ist mit Sicherheit nicht blockiert und sie wird Dir schon einiges über Dich flüstern.“
Ich seufzte und knurrte gleichzeitig, aber nur nach innen. Dann zog ich die Konsequenz, die Frauen bisher immer bei mir gezogen hatten.
„Ich wünsche noch einen schönen Tag!“
Sprach es, und war unterwegs. Zu mir ins Zimmer. Ich seufzte noch einmal, zwar laut, aber nicht so laut, dass man es in Fabiennes Wohnung hören musste, kramte meinen Schreibblock heraus und versuchte mich ambitioniert, aber vergeblich an Stochastik I. Ich schwenkte zu physischer Geographie, um mich etwas aufzumuntern. Und dachte kurz daran, dass ein Job und ein vernünftiges Einkommen nach Ende meines Studiums sicherlich so manches gegenwärtige Problem würden lösen können.
Ich ließ den Tag bei Käsebrot und stillem Mineralwasser stimmungsvoll ausklingen und zog mich um 21:43h in mein Bett zurück, um Schafe zu zählen, oder wie man die Tätigkeit nannte, zu der man nur eine Hand brauchte.
Ich war gerade so eben fertig mit Schafe zählen, da klopfte es. Oh Shit!!! Ich wischte in aller Eile die entschlüpften Schafe ab und stolperte zur Tür. Draußen eine etwas betretend drein blickende Fabienne. Ich sagte nichts.
„Ich bezahle auch! Wirklich!“ sagte sie.
„Der Scheiß aus meinen vergangenen Leben, falls vorhanden, interessiert mich nicht! Ich habe mein Leben jetzt und muss sehen, dass ich das auf die Reihe bekomme!“ meckerte ich. War zwar so gut wie aussichtslos, aber wenn man es nicht versuchte…
„Ich…sorry. Ich meine, vielleicht wird ja wirklich noch was Großes aus Dir?“
„Ach, lass gut sein. Das mit dem Karma und so ist nichts für mich.“
„Wie gesagt: ich zahle, und wir lassen Señora Esmeralda de la Paranoya Dir was über Deine Vergangenheit erzählen, damit Du Dich davon überzeugen kannst, dass sie es kann.“
„Du brauchst nicht immer ihren vollständigen Namen zu nennen, da bekommt ma ja Schwielen auf die Stimmbänder! Sag einfach: die Paranoya! Also gut, ich komme mit!“
„Prima! Morgen Abend?“
Es wäre zwar ein Freitagabend und damit zwei Tage ins wohlverdiente Wochenende, aber was tat man nicht alles für eine Frau, die einen nicht standesgemäß ignorierte.
„Na gut…“ seufzte ich skeptisch.
„Dann gute Nacht und bis dann.“ Sie drehte sich um. „Ach ja, Claudia von meinen Freundinnen hat gefragt, wer der hübsche Mann ist, der uns neulich gestört hat bei der Seance.“
Na, da konnte sie aber froh sein, dass sie schon ausreichend Sicherheitsabstand zu mir hatte, als das Wort „hübsch“ fiel. Und das aus dem Mund einer Frau? Wenn man Mama mal ausdrücklich ausklammerte…. Es war allerdings weniger die eitle Hoffnung, dass aus mir doch noch etwas Großes werden könnte, das mich dazu verleitete, das Wochenende an meinem Studienort zuzubringen. Denn wenn ich schon Frauen anzog wie ein Magnet (der Nordpol den Nordpol, meine ich jetzt), konnte so ein bisschen Karmasprechstunde ja auch andere wohltuende Effekte haben. Paranoya hin oder her…
Freitag dann…
Dank fundamentaler Ignoranz der Regelstudienzeit hätte ich mich ja normalerweise schon am Donnerstagnachmittag an meinen Heimatort abseilen können. Dass ich dann doch wie es aussah das Wochenende dazu verdonnert war, in meiner tristen Studentenbude abzuhängen, ließ mich erst einmal meinen Reiswaffelvorrat aufstocken und auf der lokalen geographischen Karte nach Badeseen forsten – als temporäre Ausweichmöglichkeit vor Karma gedacht, verstand es sich. Fischtag in der Mensa und sich endlos hinziehende Stunden vor weitgehend unerledigten Studienaufgaben, bis es schließlich 17:00h war. Das war die Zeit, die Fabienne für die Abfahrt in Aussicht gestellt hatte.
Diese Abfahrt in ihrem praktisch denkenden Pickup, der im Gegensatz zu meinem Starlet keine Liegesitzfunktion hatte. Ganz schön misstrauisch gegenüber einem, aus dem mal was Großes werden könnte, dachte ich während der schweigsamen Fahrt, immerhin 30 km eine Strecke.
„Wieso sagst Du nichts?“
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Frauen vor allen Dingen an Freitagabenden nicht zu viel über sich erzählen sollte. Das wirkte bisher immer abschreckend.“
„Du kommst sowieso nicht drum herum, wenn Señora Esmeralda de la Paranoya erst einmal Deine Vergangenheit liest.“ Ich gähnte. „Wieso gähnst Du?“
„Der Name ist so lang. Da werde ich müde, während Du ihn aussprichst.“
„Ha, ha. Die wird Dir Deine Schlaf- und Beischlafbereitschaft schon austreiben.“
Ich zuckte mit den Achseln, und wir waren anscheinend da. Anders ließ sich Fabiennes Stopp ohne entsprechende Verkehrszeichen nicht erklären.
„Bitte aussteigen.“
Wir gingen zu einem ganz normalen kleinen Einfamilienhaus in einem ganz normalen Dorfwohnviertel. Schmucklos und knapp über schwach repräsentativ. Für 50 Mark konnten wir den ganzen Abend quatschen und das völlig frei von so störenden Einflüssen wie beispielsweise Abendessen oder so was. Als wir klingelten, kam von drin schon ein befremdetes Miauen und eine Stimme mit einem nur angedeutet spanischen Akzent.
„Kommt rein, ich habe euch schon erwartet!“
Mein erster Eindruck nach dem guten Abend: so licht waren die Vorzüge der über 50-Jährigen Dame mit dem recht kurzen, dunklen Haar und dem leicht aufgedunsenen Gesicht nicht, dass das weiße, halbtransparente Engelsgewand es irgendwie rausgerissen hätte.
Aber sei’s drum, dachte ich. Ich würde was über miese Taten aus meinen Vorleben erfahren, es würde mich nichts kosten und ich hätte am nächsten Tag rund 200 g weniger auf den Rippen, dank Freiheit von Mahlzeiten nach 15h. Danach musste ich nur noch ein Wochenende an meinem Studienort herumkriegen und Normalität würde wieder in mein Leben einkehren. Keine tolle Normalität, aber immerhin meine Normalität. Die Angst vor Untergewicht sollte sich im weiteren Verlauf der Geschichte allerdings als berechtigt erweisen.
„Das ist er, das ist Andy von dem Zimmer über mir!“
„Ach ja. Buenas Tardes, Señor. Fabienne hat mir schon was über Dich erzählt…heute geht es hauptsächlich um Dich?“
Etwas eingeschüchtert sah ich mich um.
„Ich fürchte ja.“
„Wieso ist das so schlimm?“
„Er hat aufgrund seines bisherigen Lebensverlaufs nicht gerade das Selbstbewusstsein einer taktischen Nuklearwaffe.“ Mischte sich Fabienne freundlich ein.
„Das Schicksal hat manchmal seltsame Anwandlungen, Fabienne…wenn das Leben nicht so gut verläuft, bedeutet das nicht immer schlechtes Karma. Es kann auch heißen, dass das Leben einen irgendwo hin führen will. Nimm Platz, junger Freund.“
Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich ihr gegenüber, Fabienne gleich neben mich. Sie klärte mich außerdem auf, dass Frau Sowieso Dingsda de la Paranoia (den letzten Teil hatte ich mir gemerkt) „channelte“. Da ich nicht gerade als König der Fremdsprachen in die Geschichte eingehen würde und mein Spanisch bis auf die Phrasen „Si“, „No“ und „¡Yo quiero una botella de vino tinto!“ erhebliche Lücken aufwies, setzte ich einen extra dummen Blick auf. Die Paranoia erklärte sich.
„Man nennt es auch automatisches Schreiben. Ein Geist führt die Hand und man erfährt Dinge aus dem Jenseits, aus der Akasha-Chronik.“
„Mein Spanisch ist nicht so toll, was ist Akasha?“ Fabienne kicherte.
„Die Chronik Deiner Vergangenheit und Zukunft. Und es ist kein Spanisch!“
„Was ist das für ein Geist?“
„Meine verstorbene Mutter.“
Heute weiß ich, dass der Rat von Mama nicht unbedingt immer Weisheit aus höchster Quelle ist, auch wenn Mama in vielen Dingen Recht hatte. Aber damals war ich mächtig beeindruckt. Ich hielt von diesem Moment die Klappe und harrte der Dinge die da kommen sollten, während Fabienne mich mit „das ist alles noch neu für ihn“ entschuldigte.
Wahrscheinlich hatte ich schon, ohne es zu ahnen, ein spanisches Fettnäpfchen volley genommen.