Читать книгу Die 20 besten Film- und TV Detektive der Welt - Sybille von Goysern - Страница 30
Realitätsbezug und Philosophie
ОглавлениеIn seinen Geschichten um Sherlock Holmes gelang es Conan Doyle, eine in sich geschlossene, fiktionale Welt zu erschaffen, die dabei so real erscheint, dass bis ins 21. Jahrhundert die Legende existiert, der berühmte Detektiv habe tatsächlich gelebt.
Die Fälle erhalten einen authentischen Charakter, da sie meist als Erinnerungen Watsons dargestellt werden. Die Geschichten spielen vor einer zeittypischen Kulisse und beziehen sowohl Details des viktorianischen Lebensstils und aktueller Zeitereignisse als auch die koloniale Exotik des Britischen Empires mit ein. Aufgrund ihrer realitätsgerechten Beschreibungen, etwa von Charakteren und Schauplätzen, lassen sich die Geschichten der Tradition des Realismus zurechnen.
Die Geschichten bestärken den Leser in seinem Vertrauen auf Naturwissenschaft und Technik, da durch rationales Denken scheinbar unfassbare Situationen und Rätsel stets aufgelöst werden. Dem viktorianischen Zeitgeist entsprechend kann demnach jedes Ereignis empirisch erklärt und somit Ordnung in eine chaotische Welt gebracht werden. Die Geschichten stützen tendenziell die gesellschaftlichen Vorstellungen der Zeit wie Standesdenken, Xenophobie und Chauvinismus, spiegeln aber auch Conan Doyles Engagement für unterdrückte und in Not geratene Menschen wider.
Die in Sherlock Holmes verwirklichte Arbeitsmethode spiegelt den Wissenschaftsoptimismus der Entstehungszeit wider. Sie steht in Verbindung mit den Ideen der Aufklärung und vernunftorientierter Philosophie. Ihre Wurzeln liegen in Conan Doyles damaliger rational geprägter Vorstellungswelt und seiner wissenschaftlich geschulten Beobachtungsgabe. Doyle war beeindruckt von den außergewöhnlichen diagnostischen Fähigkeiten seines Medizinprofessors Joseph Bell und beschreibt Holmes’ Vorgehensweise so: “the hero would treat crime as Dr Bell treated disease.” (deutsch: „Der Held würde Verbrechen so behandeln wie Dr. Bell Krankheiten behandelte.“)
Doyle bezeichnet Holmes’ Methode, zu seinen Schlussfolgerungen zu kommen, als Deduktion (eng. „deduction“). Umberto Eco und Thomas A. Sebeok verweisen zudem auf die Ähnlichkeiten mit der Methode der Abduktion gemäß der Philosophie von Charles S. Peirce.