Читать книгу Hochsensibel Was tun? - Sylvia Harke - Страница 8

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KAPITEL 1 GRUNDLAGEN ZUR VERWENDUNG DIESES BUCHES

Einleitung

Wenn mich Leute nach meiner Hochsensibilität fragen, dann stehe ich oft einer Vielzahl von Annahmen gegenüber, die meistens nicht wahr sind. Noch vor wenigen Jahren hatte ich selbst keine Definition dafür, was mich ausmacht. Ich war einfach anders als der Rest und fühlte mich häufig von anderen Menschen missverstanden und nicht richtig wahrgenommen. Mit der Selbsterkenntnis, hochsensibel zu sein, stellten sich eine enorme Beruhigung und ein neues Selbstverständnis ein. Mir wurde klar, dass mit mir alles in Ordnung war – und ich zu einer Gruppe von Menschen gehörte, die rund 15 bis 20 % der Bevölkerung ausmacht. Ich war also nicht der einzige Mensch auf der Welt, der so fühlt! Diese Erleichterung gab meinen Blick auf mich selbst frei, und so begann ich, mich auf eine Forschungsreise zu begeben: Ich wollte mehr über das Phänomen der Hochsensibilität erfahren.

Erstmals prägte diesen Begriff die amerikanische Psychologin Elaine Aron 1997, die durch umfangreiche Patienteninterviews und Beobachtungen zu dem Schluss gekommen war, dass es „Highly Sensitive Persons“ (HSP) gibt. Die Therapeutin hat bereits mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht, die auch in Deutsch erhältlich sind. Das Buch „Zart besaitet“ von Georg Parlow erreichte mich jedoch als erstes und brachte mich auf die Spur. Als Diplom-Psychologin suchte ich, zunächst für mich persönlich, nach tieferen Antworten zur Hochsensibilität in den Bereichen der Entwicklungspsychologie, der Individualpsychologie, in den Neurowissenschaften sowie in der Bindungs- und Traumaforschung. Aus der Kombination meiner Recherchen und meiner persönlichen Erfahrungen ist dieses Buch entstanden. In meinen Seminaren und Vorträgen werde ich oft nach praktischen Übungen gefragt. Mit meinem Buch möchte ich Ihnen genau das anbieten: einen praktischen Zugang für eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Vielfach kursiert noch immer Verwirrung über das Phänomen der Hochsensibilität. Im Internet lese ich häufig Aussagen wie: „Eigentlich sind doch alle Depressiven nur hochsensibel.“ „Hochsensible nehmen sich alles zu sehr zu Herzen.“ „HSP haben Bindungsängste.“ „Als Hochsensible komme ich mir vor wie eine Außerirdische, die aus Versehen auf dem falschen Planeten gelandet ist.“ Hochsensibilität hat viele Gesichter, viele Geschichten und lässt sich nur schwer in zwei Sätzen definieren. Da dieses Phänomen so vielschichtig und komplex ist, sind Verwirrungen und Missverständnisse nur natürlich. Grundsätzlich kann man das Thema auf ein verändertes Wahrnehmungssystem reduzieren, das äußere wie innere Reize schon ab einer niedrigen Schwelle verarbeitet, sodass es leicht in Zustände von Übererregung kommen kann. Hochsensibilität verändert die Wahrnehmung und ermöglicht das Erkennen von feinsten Unterschieden, macht die Betroffenen tatsächlich empfindlicher und verletzlicher, aber auch leistungsfähiger in speziellen Teilbereichen, die sich immer wieder als (Hoch-)Begabung zeigen.

Dieses Buch ist ein Praxisbuch. Es ist konzipiert für Menschen, die herausfinden möchten, ob sie hochsensibel sind, und wenn ja, wie sie damit besser umgehen können. Ganz bewusst habe ich mein Buch als eine Art „Survivaltraining“ konzipiert. Denn für viele hochsensible Personen fühlt sich das Leben auf der Erde wie ein Kampf an, ein Kampf ums überleben. Wie in jedem guten Trainingshandbuch finden Sie hier eine Fülle an praktischen Informationen, Übungen, Hinweisen und Methoden, die Ihnen helfen, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Es ist mir ein Anliegen, Sie dabei zu begleiten, aus dem „Überlebenskampf“ auszusteigen und ganz bewusst Ihren Platz im Leben zu finden, sowohl privat als auch beruflich. Dafür ist es hilfreich, die Spielregeln zu kennen, an die Sie sich als Hochsensibler halten sollten, um ein erfolgreiches und glückliches Leben zu führen. Nach meiner Erfahrung stellt Hochsensibilität eine Gabe dar, gleichzeitig ist sie eine Entwicklungsaufgabe. Wie bei jedem Schritt in der psychologischen Entwicklung eines Menschen müssen wir selbst aktiv werden, um weiterzukommen.

Dieses Buch stellt sich dem Anspruch, die Fragen nach dem „Wie“ zu beantworten:

•Wie kann ich mit meiner Hochsensibilität glücklich werden?

•Wie schaffe ich es, dass ich mich besser von anderen Menschen abgrenzen kann?

•Wie kann ich als hochsensibler Mensch eine gesunde Beziehung führen, ohne mich darin zu verlieren?

•Wie finde ich meinen Platz im Leben?

•Wie finde ich meine Berufung?

•Wie kann ich mich vor Stress und Burnout schützen?

•Wie komme ich wieder in Kontakt mit mir selbst?

Ich lade Sie ein, genau diese Dinge beim Lesen dieses Buches herauszufinden – und noch viel mehr. Doch vorher möchte ich Sie kurz mitnehmen auf eine Reise durch meine Geschichte.

Mein eigener Weg

1978 wurde ich in einer Kleinstadt in der DDR geboren. Es war Winter, meine Eltern lebten in einer Mansardenwohnung unter dem Dach. Wie die meisten Kinder in diesem Staat wurde ich nach etwa einem Jahr in die Kinderkrippe abgegeben, wo ich, während meine Eltern arbeiteten, acht Stunden im sozialistischen Alltag verbrachte. Früh lernte ich, dass das Individuum mit seinen Bedürfnissen nicht so wichtig ist wie das Kollektiv. Mit drei Jahren wechselte ich in den Kindergarten, hier beginnen meine ersten zusammenhängenden Erinnerungen. Ich war hochgradig interessiert an der Natur, Basteleien, Malen, Zeichnen und hatte eine lebhafte Fantasie. Meine Talente in diesem Bereich fielen bereits zu diesem Zeitpunkt auf.

1982 trennten sich meine Eltern, was für mich ein großer Schock war. Ich vermisste meinen Vater sehr und konnte noch nicht verstehen, was geschehen war. Mein Intellekt befand sich noch im Vorstadium, so traf mich der Verlust voll und ganz auf der emotionalen Ebene. Der Schmerz war so überwältigend, dass ich mich in meinem Inneren einkapselte. Einige Jahre lang hatte ich gar keinen Kontakt zu meinem Vater, später nur in unregelmäßigen Abständen.

1984 wurde ich eingeschult. Das sozialistische Kollektiv nahm weiterhin Einfluss. Als Jungpionier mit blauem Halstuch kam ich, wie alle anderen Kinder auch, in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen in Uniform zur Schule. Meine Schulleistungen waren von Anfang an hervorragend. Nach Schulschluss empfand ich jedoch ein Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe, das mir selbst merkwürdig erschien. Ich war ein schmächtiges und häufig kränkelndes Kind, jedoch immer sehr wissbegierig, neugierig und lerneifrig. Die Trennung meiner Eltern hatte ich weitestgehend verdrängt (nicht verarbeitet) – ich funktionierte sehr gut im Alltag. Ich würde mich heute als überangepasstes Kind beschreiben, damals schon kam mein Harmoniebedürfnis zum Vorschein. Meine beste Freundin und ich waren bis zur Pubertät unzertrennlich, wenngleich wir mit zunehmendem Alter immer unterschiedlicher wurden.

1989 änderte sich das Schicksal aller DDR-Bürger. Die „Wende“ veränderte unser Leben von Grund auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwölf Jahre alt. Meine Mutter wurde arbeitslos, wie Millionen andere auch, und nach und nach kristallisierte sich immer deutlicher meine Andersartigkeit heraus. Als Pubertierende war ich eine totale Spätzünderin. Während andere Mädchen schon längst Freunde hatten, wirkte ich immer noch kindlich und unreif. Die politischen Veränderungen stellten unser Leben völlig auf den Kopf.

1991 starb meine Oma an Krebs, was mir das Herz brach. Jeden Tag nach der Schule war ich zu ihr gegangen, sie war der zentrale Stützpfeiler der ganzen Familie gewesen. Eine unbeschreibliche Trauer erfüllte mich und die gesamte Familie. Diese erneute Konfrontation mit Trennung und Abschied stimmte mich sehr nachdenklich, ich wurde introvertiert und zum Bücherwurm. Ich las Bücher über das „Leben nach dem Tod“ und begann, mich für Religion zu interessieren. So verschlang ich ein Buch nach dem anderen, was normalerweise Menschen in einer Midlifecrisis lesen würden. Kurz darauf wurde ich Vegetarierin. In der Schule verwickelte ich Mitschüler in Diskussionen zum Waldsterben, über Plastikflaschen und zum Thema Massentierhaltung.

1994 Meine Außenseiterrolle verfestigte sich, und auch der Kontakt zu meiner besten Freundin brach ab. Ich lebte in einer anderen Welt. Meine Lieblingsserien waren „Raumschiff Enterprise“, „Anne auf Green Gables“ und später „Dr. Quinn“. Teilweise fühlte ich mich in den Serien mehr zu Hause als in meinem eigenen Leben. Obwohl ich im Nachhinein erkenne, dass niemand in der Schule mir etwas Böses wollte, hatte ich als Jugendliche den Anschluss an die anderen verloren. Verliebt war ich nur in Jungs, die mir unerreichbar wie ein Traum blieben. In dieser Zeit begann auch die Leidenschaft für das Schreiben und Dichten. Ich hatte angefangen, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben, um meine Gefühle zu sortieren. Bereits zu dieser Zeit war ich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.

1996 machte ich mein Abitur mit Spitzennoten und konnte mich somit für das Psychologiestudium in Magdeburg qualifizieren. Mit 18 Jahren zog ich aus und kam in einer Großstadt an. Mein Leben veränderte sich erneut komplett. Ich lebte in einer WG, in einem Haus, in dem nur Studenten wohnten. Ich lernte neue Menschen kennen und schloss viele Freundschaften. Auf Partys beobachtete ich, dass ich unter Menschen schnell angespannt war, meine Unsicherheit begleitete mich. Das theoretische Lernen war für mich nie das Problem, doch im Umgang mit Beziehungen war ich weiterhin sehr unsicher und schüchtern.

1999 wusste ich, dass ich nicht einfach so weiterstudieren könnte, ohne Selbsterfahrung zu machen. Also schrieb ich mich für eine Ausbildung für Atemtherapie in Berlin ein. über ein Jahr lang fuhr ich regelmäßig in die Hauptstadt. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich ebenfalls mit dem Thema Geburtsprägung. Dazu schreibe ich an anderer Stelle in diesem Buch mehr. Ich fand Zugang zu meinen verschütteten Gefühlen von Trauer, Einsamkeit, Schmerz, gleichzeitig aber auch zu meiner Lebensfreude. Dadurch lernte ich, mich tiefer auf Beziehungen einzulassen. Von da an konnte ich erste Erfahrungen in Kurzbeziehungen mit Männern sammeln, aber die ersehnte stabile Beziehung ließ noch auf sich warten. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich mich besonders von hochsensiblen Männern angezogen fühlte. Das Studium ging vorüber, und ich machte ein halbjähriges Praktikum an einer psychosomatischen Klinik in Kassel. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch Mühe, mich richtig von anderen Menschen abzugrenzen.

2001 beendete ich mein Studium. Ich war 23 Jahre alt und hatte viele Ideen im Kopf, was ich beruflich machen könnte. Meine künstlerische Veranlagung, die ich von meinem Vater geerbt hatte, machte sich Luft, ich träumte von einem zweiten Studium in der Kunst, was ich jedoch nicht umsetzte. Schon immer hatte ich eine starke kreative Ader gehabt, die ich durch die Arbeit mit dem Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron immer weiter ausbaute. Ich malte mit Acryl, auf Seide, gestaltete Mandalas und schrieb an einem fragmentarischen Roman. Gleichzeitig wollte ich therapeutisch arbeiten, war allerdings wesentlich zu jung, entsprechend erhielt ich lauter Absagen aus Kliniken.

2002, nach zahlreichen frustrierenden Absagen auf meine Bewerbungsbemühungen hin (eine Karriere an der Uni kam für mich nicht infrage), erhielt ich ein Jobangebot am Bodensee. In einem Sozialprojekt für jugendliche Schulabgänger ohne Ausbildung startete ich meine berufliche Laufbahn als Psychologin. Ich musste mich allerdings dafür von meiner liebgewonnenen neuen Heimat Magdeburg verabschieden und begann ganz neu in Baden-Württemberg. Es folgten einige Jahre am schönen Bodensee.

2003 lernte ich meinen heutigen Ehemann Arno kennen – endlich erfüllte sich mein Traum von einer stabilen, liebevollen Beziehung mit einem Partner. Auch mein Mann ist hochsensibel, wie sich später herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich in Konstanz. Das Wasser hat bis heute eine beruhigende Wirkung auf meine Nerven. Kurz nach unserem Kennenlernen starb mein Vater überraschend im Alter von 52 Jahren. Seit meinem 20. Lebensjahr hatte ich wieder eine Beziehung zu ihm aufbauen können. Ich verlor ihn ein zweites Mal, der Schmerz brauchte ein Jahr, bis ich ihn richtig realisieren konnte. Durch eine mystische Erfahrung im Zug drei Tage vor seinem Tod mit einem unbekannten Mann, der mich an meinen Vater erinnerte, war ich auf seltsame Weise vorgewarnt. Ich begann daher, mich noch intensiver mit Naturheilkunde zu beschäftigen, und vertiefte meine Studien zu ganzheitlichen Heilmethoden. Meine spirituelle Suche führte mich immer tiefer zu mir selbst, ich besuchte Seminare in den Bereichen Tanz, Gesang, Familienaufstellungen, Atemtherapie, NLP, Bindungspsychologie und Schamanismus.

2007 heiratete ich Arno. Im selben Jahr veröffentlichte ich ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen.

2004 bis 2010 war eine turbulente Zeit mit wechselnden Phasen von selbständiger und angestellter Tätigkeit in verschiedenen sozialen Projekten mit Kindern, Eltern, Arbeit im Bereich Karriere- und Bewerbungscoaching sowie in Grafikdesign. Irgendwie hatte ich mir den Zugang zur kindlichen Welt bewahrt, denn in meiner Arbeit mit Kindern stellte ich immer wieder fest, dass ich einen sehr guten Draht zu ihnen hatte. Diese unterschiedlichen Einsatzbereiche meiner Berufstätigkeiten brachten mir eine Fülle an Erfahrungen, die meine heutige Arbeit auf ein breites Fundament stellen. Durch verschiedene Fortbildungen in den Bereichen Entwicklungs- und Bindungspsychologie nach Gordon Neufeld sowie die Lektüre zahlreicher weiterer Bücher konnte ich meine eigene Spezialisierung in der Psychologie finden.

2010 las ich das Buch „Zart besaitet“ von Georg Parlow und fand mich sofort in der Beschreibung wieder. Lustig fand ich auch, dass ich bei der Berufsbeschreibung von Georg Parlow ein ebenso breites Spektrum wie bei mir fand, was mich wiederum beruhigte, denn ich war innerlich schon sehr frustriert, weil ich mich aufgrund meiner zahlreichen Talente und Interessen lange Zeit nicht auf eine Berufssparte hatte festlegen können und wollen und schon befürchtet hatte, beruflich daran zu scheitern.

2011-2014, nach vielen Experimenten in meinem Berufsleben, arbeitete ich in einer Eltern-Kind-Klinik als Bezugstherapeutin, in der ich sehr viele Erfahrungen und positive Bestätigung für mein therapeutisches Vorgehen sammeln konnte. Von 2012 bis 2014 schrieb ich parallel an dem vorliegenden Buch. Im Mai 2014 wurde es veröffentlicht. Der Erfolg des Buches ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Viele Leser fühlten sich durch es bestätigt, ermutigt und gestärkt. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen.

Seit 2015 arbeite ich wieder freiberuflich in meiner Privatpraxis mit hochsensiblen Klienten und deren Kindern. Neue Buchprojekte nehmen ihren Lauf und ich experimentiere weiterhin damit, einen gesunden Wechsel aus Anforderung, Rückzug und Erholung in meinem Alltag zu etablieren.

Wenn ich heute auf mein bisheriges Leben zurückblicke, sehe ich, dass ich durch frühe Verluste und immer wiederkehrende Veränderungen im Leben geradezu gezwungen wurde, mich mit den tieferen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Mein Psychologiestudium war der Beginn einer Suche nach mir selbst und dem Sinn des Lebens. Mit einer weniger turbulenten Biografie in der Kindheit hätte ich sicherlich Kunst studiert, doch manchmal gibt uns das Leben Rätsel auf, die wir einfach lösen müssen. Dazu gehört für mich die Psychologie. Es fasziniert mich noch heute, in diesem spannenden Feld weiter zu forschen. Immer wieder entdecke ich interessante Details, die sich wie Puzzlestücke in ein größeres ganzes Bild einfügen lassen. Heute weiß ich, dass sich meine Hochsensibilität schon früh gezeigt hat.

Ich schreibe dies alles, um Ihnen zu zeigen, dass ich nicht einfach eine Theoretikerin bin, die auf den fahrenden Zug eines Trends aufspringt und noch ein Buch über Hochsensibilität schreibt, sondern dass ich zu der Kategorie der „verwundeten Heiler“ gehöre, die selbst schon Höhen und Tiefen im Leben erfahren haben. Es ist mein persönlicher Zugang zum Thema, mit dem ich dieses Buch für Sie lebendig werden lasse. Ich bin überzeugt, dass jeder hochsensible Mensch eine oder mehrere Begabungen hat, die mit diesem So-Sein im Zusammenhang stehen. In diesem Buch wird es nicht darum gehen, dass ich Ihnen zeige, wie Sie sich an die Masse anpassen können. Wer danach strebt, wird hier keine Hilfe finden, da ich dieses Ziel nicht für erstrebenswert oder gar hilfreich halte. Dieses Buch möchte Sie vielmehr darin begleiten, ganz Sie selbst zu werden. Den Weg der Individuation, auf dem ein Mensch das wird, was die Natur ihm als Potenzial in die Wiege gelegt hat, finde ich viel spannender. Jeder Quantensprung in der Entwicklung der Menschheit oder in einzelnen Familien wird immer durch Individuen verursacht, die sich trauen, ausgetretene Pfade zu verlassen, auf ihre innere Stimme hören und mutig ihr Potenzial entfalten.

Skeptische Fragen aus dem Publikum

Wenn Sie jetzt noch nicht wissen, ob dieses Buch etwas für Sie ist, dann lesen Sie doch einfach folgende typische Fragen von anderen Leserinnen und Lesern. In kurzen Antworten gebe ich Ihnen hier noch wichtige Informationen zum Buch.

F: Woher weiß ich, ob ich mir meine Hochsensibilität nicht einfach nur einbilde?

A: Im Kapitel 2 finden Sie einen Test, mit dem Sie herausfinden können, ob Sie hochsensibel sind. Im Grunde genommen können Sie es spüren, ob Sie zur Gruppe der Hochsensiblen gehören, einfach, indem Sie auch die Beschreibungen lesen.

F: Was bringt mir das Umsetzen der Übungen aus dem Buch?

A: Viele Hochsensible wünschen sich, entweder die Hochsensibilität loszuwerden, damit sie endlich „normal“ leben können, oder sie hoffen auf eine Art Wunder, damit sich alles über Nacht zum Guten wendet. Nachdem ich einige Jahre den „Psychomarkt“ beobachtet habe, konnte ich feststellen, dass häufig Methoden kommerziell am erfolgreichsten sind, die von den Lesern selbst nichts abverlangen – außer den Glauben und das Vertrauen darauf, dass es wirkt. Die Wahrheit ist: Es gibt kein Patentrezept, keine Pille, keine Sicherheiten. Der Weg, den ich hier skizziere, wird Ihnen helfen, Ihre Hochsensibilität anzunehmen, Ihr eigenes Ich zu stärken, er wird Ihnen überlebenswichtige Fähigkeiten vermitteln, einen Zugang zu Ihrer Kreativität und Ihrer inneren Weisheit eröffnen. Doch um das zu erreichen, ist Ihre aktive Mitarbeit gefragt. Der Prozess, den ich in diesem Buch anleite, hat viel damit zu tun, Ihre Individuation voranzutreiben. So wie jeder Geburtsprozess mit Schmerzen und Verlust zu tun hat, können Sie erwarten, dass auch Sie vielleicht durch Phasen von Trauer und von Euphorie gehen. Sie verabschieden sich vielleicht von einem alten, aber bequemen Ich, einer Identität, die jetzt zu klein geworden ist. Sie werden die Gelegenheit erhalten, jene Wunden zu heilen, die Ihr Selbstwertgefühl einst verletzt haben. Dieses Buch versorgt Sie mit Treibstoff, doch fahren müssen Sie selbst. Probieren Sie es einfach aus!

Willkommen im Trainingscamp! Hilfreiche Überlebenswerkzeuge

Wie Sie dieses Buch am besten verwenden

Dieses Buch wird seine volle Kraft entfalten, wenn Sie die beschriebenen Übungen und Methoden aktiv anwenden. Die Kapitel in diesem Buch bauen logisch aufeinander auf. Es wäre ratsam, wenn Sie die darin enthaltenen Übungen nacheinander absolvieren. Wir haben keine Eile. Es gibt keine Aufgaben, die Sie innerhalb einer gegebenen Zeit umsetzen sollten. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie mögen. Wenn Sie jedoch neugierig sind, können Sie gleich die Themen nachschlagen, die Sie aktuell am meisten interessieren.

Der Heilungsort

Wo beginnt die Reise? Stellen Sie sich ein Basislager in einer von Ihnen gewählten Landschaft vor. Dies kann eine Art Kraftplatz sein, also ein Ort, wo Sie Energie und Stärke tanken, an dem es Ihnen gut geht. Von dort aus unternehmen Sie eine Expedition. Es kann auch hilfreich sein, in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Haus ebenfalls einen Platz einzurichten, der Sie bei der Erforschung Ihrer Hochsensibilität unterstützt. Das kann eine Leseecke mit einem wunderschönen Sitzkissen oder einer besonderen Decke sein oder ein Schreibtisch, an dem Sie schreiben. Stellen Sie eine Pflanze dort auf, die Sensibilität ausdrückt. Eine hochsensible Freundin hat im Sommer eine riesige Mimose gekauft. Vielleicht lieben Sie Steine, Muscheln oder andere Naturmaterialien? Lassen Sie sich ruhig etwas Schönes einfallen, das Ihr Herz zum Klingen bringt. Geben Sie sich einfach die Erlaubnis, diese kleinen Freiheiten auszukosten. Falls Sie eine innere Landschaft als Ihren Kraftort identifiziert haben, wäre es eine schöne Übung, diese zu malen oder ein Foto zu finden, das dieser Landschaft nahekommt. Sie können dieses Bild über Ihrem Schreibtisch oder in Ihrer Entspannungsecke aufhängen, um sich immer, wenn Sie es brauchen, daran zu erinnern.

Das HSP-Tagebuch

Wann haben Sie zuletzt Tagebuch geführt? Als Kind? Nie? Letzte Woche? Beginnen Sie gleich in der nächsten Woche, Ihr eigenes HSP-Tagebuch zu führen. Kaufen Sie sich ein wunderschönes Schreibbuch, das Ihre Gefühle anspricht. Es geht nicht darum, darin alle Ereignisse des Tages festzuhalten. Es ist vielmehr dazu gedacht, Ihr persönliches Erleben der Welt und der Menschen darin niederzuschreiben. Die meisten Hochsensiblen kämpfen damit, dass sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht trauen, häufig stellt ihre Umwelt ihre Gefühle, Gedanken, Entscheidungen und Werte infrage. Ein Tagebuch dient dazu, dass Ihnen jemand unvoreingenommen zuhört. Hier haben Sie Platz, Ihr eigenes Universum zu entfalten. Der Wert des Tagebuchschreibens kann nicht überschätzt werden. Doch weil es mit Zeit und Arbeit verbunden ist, scheuen viele Menschen davor zurück. Doch wie viel Zeit verbringen Sie damit, die Informationen aus Ihrer Umwelt zu verdauen, indem Sie Nachrichten schauen, E-Mails lesen, sich die Telefonanrufe von Freunden anhören, die bei Ihnen Rat suchen, oder den Klatsch und Tratsch im Büro? Wann haben Sie Zeit für sich allein? Wann hören Sie sich selbst zu? Das Tagebuchschreiben fördert die Kommunikation mit dem Selbst und klärt Gedanken und Gefühle. Vielleicht haben Sie auch ein intensives Traumleben wie viele andere Hochsensible. Träume sind der Zugang zur Seele, zum Unterbewusstsein. Durch das Aufschreiben vertiefen Sie die Verarbeitung Ihrer Träume, und Sie werden einen unschätzbaren Schlüssel in der Hand halten, der Ihnen hilft, Ihr Leben besser zu verstehen.

Die innere Landkarte und der Kompass

Zu jedem Überlebenstraining gehört der Umgang mit Kompass und Karte. Wenn ich nicht weiß, wo ich mich gerade befinde, kann ich auch kein Ziel anstreben. Ich gehe davon aus, dass viele meiner Leserinnen und Leser bereits mindestens ein Buch zum Thema Hochsensibilität gelesen haben. Wenn nicht, lade ich Sie ein, im Kapitel 2 herauszufinden, ob Sie hochsensibel sind. In diesem Buch möchte ich über bloße Theorie hinausgehen. Es reicht also nicht aus, die Karte zu kennen, wir müssen auch in der Lage sein, uns draußen im Leben zurechtzufinden. Doch lassen Sie uns mit der Karte beginnen. In wohl jedem Piratenfilm gibt es eine Schatzkarte und einen Kompass. Landkarten sollen uns Orientierung in einem unbekannten Gebiet geben. Wo ist Norden, wo ist Süden, Osten, Westen? Tatsächlich werden wir in der Kindheit und Jugend mit einer Karte ausgestattet, die uns von unseren Vorfahren gegeben wird. Wir erhalten Orientierungspunkte darüber, wie die Welt scheinbar ist und funktioniert, darüber, wie Männer sind, wie Frauen zu sein haben, was sich gehört und wie man sich benimmt. Uns werden Werte vermittelt und Regeln, um uns zu helfen, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Doch beschreibt diese Karte auch Ihre Wahrheit, Ihre „Wahr-Nehmung“ als Hochsensibler? Oder sind die Orientierungspunkte von Menschen erstellt worden, die nicht hochsensibel waren oder ihre eigene Sensibilität verleugnet haben? Im Verlauf des Buches haben Sie die Gelegenheit, Ihre eigene Karte zu zeichnen. Der Kompass sollte das eigene Bauchgefühl sein. Doch können Sie sich schon darauf verlassen?

Die HSP-Gruppe

Besuchen Sie eine Selbsthilfegruppe für Hochsensible in Ihrer Nähe, oder gründen Sie selbst eine. Im Anhang dieses Buches finden Sie hilfreiche Internetadressen, aus denen Sie erfahren können, wo es bereits in Ihrer Umgebung eine Gruppe gibt. Der Austausch in der Gruppe ist eine wertvolle Erfahrung, die Ihr Selbstwertgefühl enorm stärken kann. Die regelmäßigen Treffen bieten Ihnen die Gelegenheit, sich durch andere Hochsensible zu reflektieren. Endlich nicht mehr allein, sondern unter Gleichgesinnten dürfen Sie dort offen über Ihre Wahrnehmungen, Wünsche, Probleme und Bedürfnisse sprechen. Lassen Sie sich diese Wohltat nicht entgehen. Alternativ können Sie sich einen Verbündeten suchen. Manchmal brauchen wir einfach jemanden, der uns zuhört und uns so annimmt, wie wir sind. Idealerweise sollte dies eine Person sein, die auch hochsensibel ist oder zumindest so viel Tiefgang und Wertschätzung besitzt, dass sie für persönliche Entwicklung offen ist und sich selbst auf dem Weg der Heilung befindet. Das sind die Menschen, die Sie wirklich verstehen können.

Hochsensibel Was tun?

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