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Das Vorstellungsgespräch

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Das Gebäude befand sich in einem Geschäftshochhaus nahe Puls 5 in der Innenstadt. Die Swiss Independent hatte ihren Sitz gemäss Ausschreiben im 15. Stock. Finn stand vor dem Wolkenkratzer und blickte hoch. Wäre nicht schlecht, dort den Arbeitsplatz zu haben, ging ihm durch den Kopf. Er ging rein, betrat den Lift und fuhr hoch. Er meldete sich am Empfang und wurde gebeten noch einen kurzen Moment im Vorraum Platz zu nehmen. Frau Wittaker werde gleich Zeit für ihn haben.

Er setzte sich also auf einen der edlen schwarzen Sessel, angereiht um einen schönen Glastisch vor einer Aussicht über Zürich, die ihresgleichen suchte. Es war elegant dekoriert, auf dem Tisch ein paar frische Blumen, die gesamte Einrichtung modern, kalt und doch auf ihre spezielle Weise wunderschön. Er sass da und blickte weit über dem hektischen Geschehen Zürichs über die Dächer bis ihn die Empfangsdame aus den Gedanken riss:

„Frau Wittaker hat jetzt Zeit für Sie!“

„Selbstverständlich! Vielen Dank!“

Er stand auf und blickte den langen Flur entlang, auf dem sich die Büros zu befinden schienen. Da stand nur eine Frau, sie schien gerade noch etwas für jemanden zu unterschreiben, ansonsten waren ausser der Empfangsdame alles Männer. Er hatte sich nicht wirklich versucht vorzustellen, wie Frau Wittaker aussieht, aber das hatte er nicht erwartet. Eine elegante, schlanke Frau, mit streng zusammengebundenen, blonden Haaren, einem engen Business-Kostüm. Sie wirkte jung, könnte in seinem Alter sein. Sehr attraktiv, dachte er. Im selben Moment hätte er sich für diesen Gedanken ohrfeigen können. Wenn das hier klappen sollte, wäre sie schliesslich seine Chefin.

Sie wechselte ein paar Worte mit dem Unterschriften-Fordernden, schenkte ihm ein Lächeln und blickte dann zu Finn. Ihr Blick wurde ernst, ja beinahe düster. Sie kam näher und streckte Finn die Hand entgegen:

„Guten Tag! Ich bin Frau Wittaker! Sie müssen Herr Carter sein! Wir haben heute einen Termin!“ Sie wirkte kalt und arrogant.

Sie schüttelten Hände: „Genau! Freut mich sehr, Sie kennenzulernen!“

Mit einem Handzeichen wies sie ihn, ihr in ihr Büro zu folgen. Es war gigantisch. Die NZZ hatte auch schöne Räumlichkeiten, aber das hier war überwältigend. Hinter dem quer stehenden Schreibtisch war eine reine Glasfront, die einen anderen atemberaubenden Blick über die Innenstadt von Zürich und darüber hinaus gewährte. Ein halb verglaster Balkon erstreckte sich dahinter. Das ganze Büro war in Glas gehalten, schwarze Akzente vollendeten das Bild. Davor ein kleiner runder Tisch mit vier Besucherstühlen für kleine Unterredungen. Sharon Wittaker zog einen der Besucherstühle auf die gegenüberliegende Seite ihres Schreibtisches, setzte sich in ihren schwarzen Ledersessel und überschlug die Beine:

„Bitte nehmen Sie doch Platz!“

„Gerne!“

Sie beugte sich nach vorne und musterte Finn:

„Nun, Sie haben sich für den Job beworben, da werde ich Ihnen wohl nicht viel darüber erzählen müssen! Da können wir gleich zur Sache kommen. Weswegen sollte ich Ihnen diesen Job geben?“

Finn räusperte sich: „Also ich habe einige Jahre bei der NZZ gearbeitet und daher viel Erfahrung mit Printmedien. Ich bin fleissig, pünktlich, …“

Sharon Wittaker fiel ihm ins Wort: „Nein, Sie verstehen mich falsch! Ihre beruflichen Qualifikationen habe ich mir in Ihrem Lebenslauf angesehen. Wenn das nicht passen würde, würden Sie gar nicht hier sitzen! Ich sehe auch, Sie legen nicht viel Wert auf Formalitäten, dazu fehlt Ihnen die Krawatte. Meine Frage ist, WESWEGEN sind SIE der Richtige für DIESEN Job?“

Finn wusste wirklich nicht, was er darauf antworten sollte. Vielleicht hätte er sich doch noch ein wenig besser über die Swiss Independent informieren sollen. In Gedanken sah er sich schon niedergeschmettert aus diesen wunderschönen Büroräumlichkeiten heraustapsen. Er zuckte mit den Schultern, wirkte hilflos.

Sie beugte sich nach vorne, verschloss die Arme vor ihrem Körper und atmete tief ein:

„Ich will Ihnen noch eine Chance geben! Sie bewerben sich ja sozusagen als mein Assistent! Wissen Sie wie man eine Kaffeemaschine bedient?“

„Selbstverständlich weiss ich das!“

„Super! Rechts aussen ist der Kaffeeraum, würden Sie mir bitte einen Kaffee bringen? Mit etwas Milch und Zucker gerne!“

Finn war verwundert. Aber er bejahte und stand auf. An der Tür drehte er sich nochmal kurz um:

„Darf ich mir auch einen mitnehmen?“ Er konnte Sharon Wittaker den Hauch eines Lächelns entnehmen:

„Ja, sicher!“

Finn ging in den Kaffeeraum, konnte die Kaffeemaschine bedienen, brachte zwei Kaffee zurück und stellte sie auf den Tisch.

„Vielen Dank!“

„Gerne!“ Finn lächelte.

Erneut holte Sharon tief Luft:

„Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählen würde, dass viele Bewerber sich weigerten, mir einen Kaffee zu holen?“

„Wieso sollten sie das tun? Es geht um den Job! Um Ihr Assistent zu sein, muss ich nun mal auch Kaffee holen.“

Sharon Wittaker zuckte mit den Schultern: „Viele Männer haben sich geweigert, weil ich eine Frau bin!“

„Das spielt doch keine Rolle, Sie wären meine Chefin und ich Ihr Assistent! Dann hole ich Ihnen Kaffee, wenn Sie das möchten!“

Sie lächelte, zog die Augenbrauen hoch: „Gute Antwort! Sie haben den Job! Können Sie morgen früh um 08:00 Uhr hier sein?“

Finn war perplex und schüttelte verwundert den Kopf: „Äh, ja, das freut mich, danke sehr! Selbstverständlich!“

„Sehr schön! Dann schönen Tag noch und bis morgen!“



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