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Darüber spricht man nicht …

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Jedenfalls spricht man nicht gern über den Tod, das Sterben, die Vergänglichkeit des Lebens. Schließlich ist Jung-sein ‚in’ und Alt-sein ‚out’. Außerdem sind Tod und Sterben mit Schmerz, Trauer und Verlust verbunden, und darüber redet man nicht gern, wenn Gewinn – Zugewinn - Gewinnsteigerung die maßgeblichen Werte zu sein scheinen. Da beschäftigt man sich lieber mit lebensverlängernden und lebenserhaltenden Maßnahmen, mit medizinischen Fortschritten, die bei der Bekämpfung von lebensbedrohenden Krankheiten erzielt werden. Und auf diesem Gebiet haben wir es ja auch weit gebracht. Noch nie sind Menschen so alt geworden wie heute. Das heißt: Noch nie konnte man den Tod in so weite Ferne drängen. Zwar „begegnen“ wir dem Tod tagtäglich in den Medien: Krieg, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen, tödliche Unfälle und Krankheiten. Das alles jedoch findet meistens weit weg von uns statt, betrifft uns selten persönlich. Aber spätestens dann, wenn wir hautnah mit dem Sterben (dem eigenen oder dem eines nahen Verwandten oder Freundes) konfrontiert werden, lässt sich das Phänomen „Tod“ nicht länger ins Abseits schieben oder gar ignorieren.

Die Frage, warum es den Tod überhaupt gibt, beschäftigt uns dabei jedoch eher selten. Sie ist aus Kindermund zu hören: “Wieso müssen wir überhaupt sterben?“ oder „Wieso ist Opa gestorben?“ Ansonsten taucht eine derartige Frage höchstens in Momenten tiefster Trauer auf, denn eigentlich haben wir ja Antworten von der modernen Wissenschaft. Naturwissenschaftliche Fakten erklären uns das Phänomen Tod – und dank der Forschung wissen wir immer mehr über Todesursachen und wie diese zu bekämpfen sind.

Solche Erklärungen stammen aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und sind logisch, rational, nachvollziehbar. Sie mögen unseren Geist ansprechen, nicht aber unser Herz. Dort jedoch sitzen Trauer, Schmerz, Hilflosigkeit.


Die Frage nach dem Warum des Todes ist eine existentielle Frage, die Menschen seit Jahrtausenden überall auf der Welt beschäftigt, ebenso wie Frage nach dem Anfang und Ursprung des Lebens. Das, was uns heute als Mythen überliefert ist, sind die Antworten und Erklärungen, die Menschen jenseits heutiger naturwissenschaftlicher (Er-)Kenntnisse gefunden und entwickelt haben. Häufig standen Beobachtungen der Natur Pate bei ihren Überlegungen. Ist nicht zum Beispiel der Mond, der einem stetigen Wandel unterliegt, ein Sinnbild für das Werden und Vergehen des Menschen? Und nicht umsonst wird bis heute der Schlaf als kleiner Bruder des Todes bezeichnet.

Für uns naturwissenschaftlich geprägte Menschen können die aus einer anderen Gedankenwelt stammenden Mythen bisweilen irritierend und verwirrend sein. Doch bieten sie einen Blick in eine andere Welt, eine andere Anschauungsweise und lassen uns unterschiedliche Welt- und Menschenbilder kennenlernen. Sie sind poetische, schöpferische und kraftvolle Antworten und können uns Anstoß und Anregung sein, eine neue Sichtweise auf die Tatsache des Todes.

Die ältesten uns heute bekannten Mythen, die sich mit der Frage des Todes beschäftigen, sind mehrere Tausend Jahre alt. Sie stammen aus Mesopotamien („Gilgamesch Epos“, etwa um 1.600 v.Chr. niedergeschrieben), dem alten Ägypten (das „Ägyptische Totenbuch“, ebenfalls vor etwa 3.500 Jahren verfasst), dem antiken Griechenland („Orpheus und Eurydike“, aufgeschrieben vor etwa 2000 Jahren), dem Vorderen Orient (die biblische Geschichte vom Sündenfall, die mehr als 3000 Jahre alt ist). Doch lange bevor diese Mythen und Geschichten aufgeschrieben wurden, existierten sie bereits und wurden mündlich weitergegeben. Auch die Mythen afrikanischer, indianischer oder asiatischer Völker wurden lange Zeit nur mündlich weitergegeben. Erst Missionare oder europäische Reisende haben sie vor einigen Jahrhunderten aufgeschrieben, so dass wir über tatsächliche Alter dieser Mythen nur schwer etwas sagen können.

Überraschend ist jedoch, dass sich in den Mythen, die in den verschiedensten Teilen der Welt und unabhängig voneinander entstanden sind, letztlich doch ähnliche Antworten finden. Es gibt etwa vier verschiedene Antwortmotive auf die Frage nach dem Ursprung des Todes:

 Der Tod ist menschliches Schicksal: ein Urzeitwesen, eine Gottheit oder die ebenfalls in der Welt existente „böse Macht“ hat den Tod für den Menschen bestimmt.

 Der Tod ist ein Versehen oder Missgeschick, eine menschliche Unzulänglichkeit, eine falsche oder unkluge Entscheidung.

 Der Tod ist die (göttliche) Strafe für ein Vergehen des Mensch: Er verzehrt verbotene Früchte oder öffnet unerlaubt ein Behältnis.

 Der Tod ist lebensnotwendig, denn erst er ermöglicht, dass (neues) Leben entstehen kann bzw. nur durch ihn kann die Erde fortbestehen

Nicht nur die Ursache des Todes hat die Menschen früherer Zeiten bewegt, sondern auch die Frage: Was kommt nach dem Tod? Was passiert mit den Toten? Wohin gehen sie? Es ist kein Volk bekannt, für das der Tod ein absolutes Ende darstellt. In irgendeiner Weise geht es weiter, gibt es ein anderes, neues Dasein jenseits des Lebens auf der Erde: im Paradies oder in der Hölle, in der Unterwelt, im Land der Toten, im Dorf der Ahnen, das sich unter der Erde, unter dem Wasser, im Himmel, auf einer fernen Insel .... befindet.

Und wie sieht es in dieser anderen Welt aus? Auch darüber haben sich die „Naturvölker“ ebenso wie die großen Religionen (z.B. Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus, Hinduismus) Gedanken gemacht, die sie in ihren Mythen und Geschichten poetisch zum Ausdruck bringen. Im Buddhismus und Christentum finden sich beispielsweise prächtige Paradiesbeschreibungen, während Mythen nord- und südamerikanischer Indianer oft von Besuchen und Reisen ins Jenseits erzählen. Doch egal ob Jenseitsreise oder Paradiesgeschichte: Es sind Versuche, den Lebenden eine (meist) tröstliche Botschaft zu vermitteln: Sorgt euch nicht, den Toten geht es gut.

Eindeutig und universell ist auch die Botschaft: Der Mensch kann dem Tod nicht entkommen, auch wenn er immer wieder die Sehnsucht hegt, ihn zu überlisten: mit einem Trick, einem Unsterblichkeitskraut. Letztlich muss der Mensch den Tod als unausweichliche Tatsache akzeptieren. Und mehr noch:

Wer den Tod leugnet, verleugnet das Leben

Wie der Tod in die Welt kam

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