Читать книгу ALS DER TOD MEIN LEBEN RETTETE - Sylvia Tuerk - Страница 5
Der Tod klopft an
ОглавлениеIch ahnte, dass dies kein gutes Ende nehmen würde.
Am nächsten Morgen war Wolfgang da um mich endlich mitzunehmen. Auf der Rückfahrt ging es mir erstaunlicherweise sofort besser.
War es doch nur eine Infektion?
Hatte ich diese gerade überstanden? Auch gut, ich freute mich riesig, dass ich dieses Martyrium endlich überstanden hatte und wollte nur noch nach Hause zu meiner Familie.
Einige Stunden später war ich dann in der Heimat aber kaum war ich angekommen, ging es mir schon wieder so schlecht, dass ich dachte ich sterbe.
In dem Augenblick wusste ich nicht, wie nah dieser Umstand schon war.
Ich ging dann sehr früh schlafen, weil ich hoffte mein Zustand würde sich wieder verbessern.
Aber in dieser Nacht wurde ich eines Besseren belehrt. Mein Körper wehrte sich gegen alles, nicht mal Wasser konnte ich trinken. Mein Herz raste derart, dass ich damit rechnete, es würde jeden Augenblick aus meiner Brust springen und sich schon mal verabschieden.
Wolfgang machte sich große Sorgen und brachte mich in die Notaufnahme der Uniklinik.
Dort angekommen kam ich mir schon wieder etwas hysterisch vor, weil ich gleich etwas zum übernachten dabei hatte.
Ich wollte Wolfgang die Tasche wieder mitgeben.
Die Schwester meinte aber dann, ich solle die Tasche doch mal behalten, mein Mann könne sowieso erst mal nach Hause fahren, weil das hier einige Stunden dauern wird.
Normalerweise hätte ich spätestens an diesem Punkt protestiert, aber ich hatte absolut keine Kraft mehr.
Wolfgang blieb noch eine Zeitlang, bis alle Blutuntersuchungen durchgeführt wurden, fuhr dann aber auf meine Bitte zu den Kindern nach Hause.
So lag ich dann in der Notaufnahme und wartete auf die Ergebnisse. In der Zwischenzeit kam eine junge Ärztin und schaute sich per Ultraschall meinen Bauchraum an.
Ab und zu drückte sie etwas fester und fragte mich die merkwürdigsten Dinge.
Welche Medikamente ich nehme und ob ich Alkohol trinke.
Die Frage fand ich besonders lustig, weil Alkohol für mich noch nie eine Option war.
Sie verschwand wieder eine Zeitlang um dann mit einem anderen Arzt wieder zu kommen.
Dieser fragte mich auch wieder aus und untersuchte erneut meinen Bauch. Mir war das alles ziemlich egal, ich war einfach nur müde.
Dann kam wieder ein anderer Arzt und untersuchte mich.
Viele Stunden später, der zweite Platz in dieser Notaufnahme war mittlerweile schon einige Male neu besetzt worden, kam die junge Ärztin von Anfang der Untersuchungen wieder und sagte zu mir, ich solle mir keine Sorgen machen. Bis dahin hatte ich auch nicht besonders viele Sorgen.
Man könne mich ja noch auf die Spenderliste aufnehmen.
Was hatte sie gerade gesagt? Ich hoffte, dass ich mich hier verhört habe und sie eigentlich so etwas sagen wollte wie, sie können morgen nach Hause.
Offensichtlich hat meine Reaktion, so eine Art mütterlichen Schutzreflex bei ihr ausgelöst und sie meinte dann, es wäre ja nur, damit ich es mal gehört hätte, sozusagen der „Worst case“.
Gut, dachte ich, als Arzt hat man ja schließlich auch Verantwortung und man kann ja auch nicht alles im Voraus wissen.
Offensichtlich gibt es Patienten die so krank sind, dass sie ein Spenderorgan brauchen.
Na ja, da wäre ich ja wohl die falsche Patientin dafür. Ich war ja eigentlich quietschgesund, bis auf diese offensichtliche Infektion.
Ich beeilte mich, ihr zu sagen, dass ich gegen verschiedene Medikamente allergisch reagiere.
Meine Infektion sollte ja sicher mit Antibiotika behandelt werden.
Weit gefehlt, der Chefarzt erschien und stand mit ihr hinter dem Paravent um sich über mein Krankheitsbild zu unterhalten.
Was ich hörte ließ mich glauben, dass die Beiden sich über einen anderen Patienten unterhielten, war ja schließlich eine Notaufnahme.
Sie redeten über die Aufnahme eines Patienten auf die Intensivstation um eine möglichst deckende Beobachtung sicherzustellen.
Die weibliche Stimme sagte, sie hätte die Patientin schon mit der Spenderliste schockiert.
Da dachte ich für mich, sagen die das jedem Patienten hier? Ist ja auch seltsam.
Im nächsten Augenblick standen dann beide Ärzte an meinem Bett und teilten mir mit dass auf der Intensivstation keine Kapazitäten frei wären ich solle also erst noch auf der Inneren Abteilung beobachtet werden.
Der Transport wäre schon organisiert, sie würden meinem Mann Bescheid sagen.
In meinem Kopf schwirrten jede Menge Fragezeichen umher, ich war aber viel zu schwach um mir ernsthafte Gedanken zu machen oder gar Angst zu haben.
Also ließ ich mich auf einer Trage liegend, in die entsprechende Station bringen.
Wenigstens ein Zweibettzimmer, dachte ich, als ich angekommen war. Na ja, für den einen Tag wird es schon gut sein.
Kaum im Zimmer stand schon wieder ein Pfleger auf der Matte und wollte Blut von mir haben. In diesem Augenblick war mir nicht klar, dass dies eine meiner Hauptbeschäftigungen werden wird.
Ein weiterer Arzt, stellte sich als Dr. Haus vor und ich dachte unwillkürlich an die gleichnamige Arztserie.
Nun ja, dann bin ich ja in den besten Händen und kann sicher bald nach Hause, dachte ich schmunzelnd.
Er kam am nächsten Morgen wieder fragte mich aus und schrieb fleißig mit. Wieder wurden mir jede Menge Blutproben entnommen. Auf meine Frage, wie lange ich wohl noch bleiben müsse, bekam ich keine richtige Antwort.
Die nächsten Tage verliefen alle ähnlich, ich lag den ganzen Tag herum.
Gab jede Menge Blutproben ab, beantwortete Fragen über Fragen.
Langsam begann ich mich vor allem zu ekeln, vor meinem eigenen Urin und vor meinem Körper.
Selbst meine Tränen waren gelb eingefärbt und meine Haut juckte und schuppte sich, wie bei einer Echse. Einfach nur widerlich.
An diesem Nachmittag stand plötzlich Dr. Haus mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck im Zimmer und offenbarte mir dass meine Blutgerinnungswerte leider in einem nicht mehr messbaren Bereich wären.
Wieder tauchten die Fragezeichen in meinem Kopf auf, jetzt hatte ich zum ersten Mal richtig Angst.
Wie sollte es denn nun weiter gehen? Würde ich nun verbluten? Haus meinte, sie würden mir sehr hohe Dosen Vitamin K verabreichen.
Ein Vitamin? O.K. dann kann ja alles nicht so schlimm sein. Kurz darauf wurde mir die erste Infusion mit diesem Vitamin verabreicht. Alles gut, dachte ich da noch, das wird schon. Spätestens nach dieser Infusion ist alles gut.
Wieder wurde mein Blut untersucht. Dr. Haus war da, er teilte mir mit, dass das Vitamin K etwas geholfen hätte. Es sollten nun noch mehr dieser Infusionen verabreicht werden.
Da dachte ich, wenn es sonst nichts ist, kann ich damit gut umgehen.
Leider sollte es nicht alles sein, es kamen noch mehr Ärzte und wollten noch andere Untersuchungen.
Eine Leberbiopsie sollte nun die Lösung meiner Probleme bringen. Da gab es nur noch ein kleines Problem.
Meine Gerinnung war immer noch sehr schlecht, so schlecht, dass man keinen chirurgischen Eingriff vornehmen konnte.
Also wurde der Vorschlag mir Gerinnungsstoffe aus Vollblut zuzuführen, umgehend in die Tat umgesetzt.
Noch während ich die Transfusionen erhielt, wurde ein Termin in der Chirurgie vereinbart.
Da ich nicht so gut damit umgehen konnte, Blut von einem fremden Menschen zu erhalten, musste ich meine bereits erprobte Vogel-Strauß-Methode anwenden und versuchte die Bluttransfusionen zu ignorieren, damit ich nicht durchdrehe.
Später besuchte mich meine treue Freundin Esther, sie saß tapfer an meinem Bett und blödelte mit mir rum, um mich abzulenken.
Plötzlich ging die Tür auf und zwei Ärzte wollten sich nochmal meinen Bauch ansehen.
Ich wunderte mich sehr über die Fragen, die ich gestellt bekam. Auch dass mein Bauch und meine eventuellen Voroperationen so von Interesse waren, erstaunte mich.
Ich dachte aber die ganze Zeit, dass es sich um das Vorgespräch wegen dieser Biopsie handelt.
Als die Untersuchung zu Ende war, verabschiedeten sich die beiden Herren. Ich sagte: „Wir sehen uns dann ja bei der Biopsie“.
Da drehte sich einer der beiden um und meinte: „Wir sind nicht für Biopsien zuständig, wir gehören zum Transplantationsteam“.
Wow, es fühlte sich an, wie ein Sprung in die eiskalte See.
Ich fror sprichwörtlich augenblicklich ein und schaute zu meiner Freundin.
Als ich sah, dass dieser spontan Tränen in die Augen schossen, war mir auf einen Schlag klar, dass die beiden Ärzte das gerade ernst meinten.
Es stellte sich so eine Art Schockstarre bei mir ein, ich konnte nicht einmal weinen.
Etwas später kam Wolfgang er brachte unsere beiden Kinder mit.
Ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass die Kinder sich Sorgen machen, dazu war auch alles noch viel zu unsicher.
Ich schickte die Beiden raus, sie sollten Getränke besorgen.
Dr. Maurer, einer der Stationsärzte hatte sich in der Zwischenzeit bei mir eingefunden und erklärte Wolfgang den Ernst der Lage.
Wolfgang war von der Nachricht derart überwältigt, dass er weinen musste.
In diesem Augenblick kamen die Kinder zurück. Meine Tochter war sofort irritiert und sagte sie hätte den Papa noch nie weinen sehen, sie wollte nun wissen was los ist.
Wir versuchten sie zu beruhigen und erklärten ihr, dass die Ärzte natürlich immer von den schlimmsten Situationen ausgehen müssen, einfach um sicher zu gehen.
Dank meines Schockzustandes konnte ich ganz ruhig bleiben, das hat ihr wohl die Hoffnung auf einen guten Ausgang gegeben.
Am nächsten Tag erhielt ich wieder Gerinnungsfaktoren weil ich einen Termin für die Leberbiopsie hatte. Wenn der Wert einigermaßen vertretbar wäre, gäbe es ein Zeitfenster von etwa 12 Stunden.
Wolfgang wollte mich unbedingt dorthin begleiten.
Dort eingetroffen, erfuhr ich dann, dass ich leider keine Kurznarkose bekommen könne, weil die Leber das nicht mitmachen würde.
Ich bekäme aber wenigstens eine örtliche Betäubung.
Gut, dachte ich, wird schon in Ordnung sein, die machen das ja öfter.
Ich bekam ein Engelshemdchen an, musste mich auf einen OP Tisch legen und wurde an alle möglichen Nadeln und Geräte angeschlossen und mein Kopf und Unterleib mit einer riesigen Bleidecke abgedeckt.
Es wurde ein Röntgengerät über meinen Oberbauch geschoben und es ging los. Ein Arzt fing an, meinen Hals zu desinfizieren und redete die ganze Zeit, er wollte mir sicher erklären, was er gerade tut. Aber ich war derart im Stress dass ich sowieso nichts mehr mitbekam. Das einzige was ich spürte, waren Schmerzen.
Nachdem der erste Schlauch durch meine Halsvene und meiner Herzkammer bis zur Leber durchdrang hoffte ich dass nun alles fertig ist und ich gleich wieder gehen könne.
Mein Herz raste, dass ich dachte ich bekomme einen Infarkt, hoffte aber es wäre gleich vorbei.
Das atmen fiel mir schwer, weil ich unter einer Bleidecke liegen musste.
Diese lag zwar nicht fest auf meinem Körper, ließ mir aber auch keine Freiheit. Ich versuchte an das Meer zu denken, um meine Platzangst in den Griff zu bekommen.
Meine angeschnallten Hände schwitzten aber der Rest meines Körpers fror.
Dann hörte ich den Arzt wieder reden, er erklärte mir gerade, dass er nun den Schlauch mit der Biopsie Nadel einführen würde, also das ganze nochmal, oh Gott, bitte nicht.
Ich spürte einen stechenden Schmerz, dann nochmal und ich dachte er hat es endlich geschafft.
Die ganze Zeit hoffte ich, einfach nur bewusstlos zu werden, aber mein Körper tat mir diesen Gefallen einfach nicht.
Es wurden noch 4 weitere Proben nicht weniger schmerzhaft entnommen.
Die Schläuche blieben in meiner Halsvene, wurden angenäht und verbunden. Dann war die Tortur endlich vorbei. Ich zitterte am ganzen Körper und wollte nur noch in mein Zimmer.
Einige Tage später hatte ich einen Termin mit einem der Chirurgen, er hatte das Ergebnis der Biopsie. Dr. Eibel erklärte mir, dass meine Leber durch die Einnahme dieses Blutverdünners wohl um etwa ein Drittel zerstört sei.
Manchmal schaffe die Leber das, sie könne sich unter Umständen nochmal vollständig erholen.
Super, das war es doch, ich freute mich wie ein kleines Kind.
War ich doch der Meinung, dass dies nun das glückliche Ende meiner bösen kleinen Geschichte wäre.