Читать книгу Frühstück am Eiffelturm - Sylvie C. Ange - Страница 7
ОглавлениеProlog
Sind Sie sicher, dass dieses Testament echt ist?« Kate starrte den Anwalt irritiert an.
»Ganz sicher, Miss Hamilton. Ich bin … war Lady Summerfields Anwalt. Sie kam vor einem Jahr zu mir und teilte mir mit, dass sie aufgrund ihrer unheilbaren Krankheit, dieses Testament aufsetzen lassen möchte. Sie hat wohl ganz genau gewusst, dass sie nur mehr ein paar Monate zu leben hatte. Wussten Sie über ihre Krankheit nicht Bescheid?«
Nein, wusste ich nicht, woher auch. »Nein, wir hatten keinen Kontakt«, antwortete Kate.
Der Anwalt beugte sich über den wuchtigen schwarzen Schreibtisch und hielt ihr eine Seite aus seinen Akten entgegen. Deutlich erkannte Kate die Unterschrift, die ganz und gar Victoria Summerfields Skurrilität widerspiegelte. Ein übernatürlich verschnörkeltes V vor den restlichen außergewöhnlich geformten Buchstaben zeigte, dass der Schreiber ziemlich kapriziös sein musste. Kate erinnerte sich an die Postkarten, die ihre Mutter in einem hübsch verzierten weißen Holzkästchen aufbewahrte. Manchmal hatte sie die Karten hervorgeholt und mit sehnsüchtig klingender Stimme und verträumten Blick erklärt, in welchem Teil der Erde sich Tante Victoria gerade aufhielt.
»Sieht tatsächlich wie die Unterschrift meiner Tante aus. Was geschieht jetzt weiter?« Sie konnte es nicht fassen, was sollte sie tun? Der Anwalt nahm seine randlose Brille ab, legte den Bügel an seine Lippen und setzte sie wieder auf. Er wirkte ebenso ratlos wie amüsiert.
»Ganz einfach, finden Sie das Bild.«
»Ich halte dies für keine gute Idee. Das Ganze ist einfach … einfach absurd. Meine Tante war durch und durch exzentrisch. Sie kannte fast die ganze Welt und war in der High Society zu Hause. Aber ich bin nicht wie meine Tante, und den Mitgliedern der High Society, mit denen sie verkehrte, konnte ich noch nie etwas abgewinnen.« Sie presste ihren Mund so fest zusammen, dass ihre vollen Lippen nur mehr einem Strich gleichen mussten. Jetzt klinge ich wie mein Vater, dachte sie ärgerlich. Graham Winston Hamilton – ein liebevoller, verantwortungsvoller Vater und Ehemann, aber ein dickköpfiger, traditionsbewusster zur Pedanterie neigender Gelehrter – hatte für das ziemlich ausschweifende High-Society-Leben seiner hemmungslosen Schwägerin nicht viel übrig gehabt. Deshalb hatte er, zum Leidwesen ihrer Mutter, jede Konversation mit ihr abgelehnt. Er wollte, dass ihr Name nicht mit seiner Familie in Verbindung gebracht wurde. Demonstrativ vergrub er sich in seinem Arbeitszimmer, wenn Victoria Summerfield ihre Schwester Ann unvorhergesehen besuchte. Aber das war ohnehin selten der Fall. Ihm war es immer wichtig gewesen, dass der Name Hamilton nicht in den Schmutz gezogen wurde. Ihr Vater hatte strikte Anweisungen gegeben, niemals zu erwähnen, dass Victoria Summerfield eine Verwandte war. Kate hatte diese Anweisung immer befolgt.
»Kann ich diesen Teil des Testaments ablehnen?« Kate neigte den Kopf, sodass einige kastanienrote Locken in ihr Gesicht fielen. Mit einer schnellen Handbewegung strich sie die Strähnen wieder zur Seite. Ihr Gegenüber lehnte sich zurück und schaute sie überrascht an. Offensichtlich hatte er nicht mit einer derartigen Reaktion gerechnet.
»Etwas abzulehnen würde ich Ihnen nicht empfehlen. Sie erhalten das Vermögen nur, wenn Sie sich auf dieses Spiel einlassen. Und vergessen Sie nicht, es handelt sich um eine sehr beachtliche Summe. Außerdem sehe ich keine Möglichkeit, die Klausel zu umgehen.«
»Das ist doch unglaublich. Von welchem Spiel sprechen Sie?« Kate runzelte die Stirn.
Er nahm wieder einige Papiere zur Hand. »Ich zitiere Lady Summerfield: Das Spiel wird ein wenig Bunt in dein Leben bringen und dir das geben, was meiner Schwester Ann vorenthalten blieb. Tanze Kate, hol die die Farben vom Himmel.«
Kate lachte, doch ihr Lachen klang eher gezwungen als heiter. Tante Victoria hatte nie verstanden, dass ihre Schwester an der Seite eines verstaubten Professors – wie sie es einmal amüsiert genannt hatte – ein ruhiges beschauliches Leben in Cornwall führte. Kate überlegte. Sie selbst könnte allerdings ein wenig Bunt in ihrem Leben gebrauchen. Seit dem Tod ihres Vaters, vor acht Monaten, gab es nur wenige aufmunternde Begebenheiten. Schon gar nicht durfte sie an den schmerzlichen Abschied von Cornwall und ihrem Elternhaus denken, das sie verloren hatte.
»Sie war verrückt, einfach verrückt. Wer sonst kommt auf die Idee ein Gemälde auf einem fremden Anwesen zu verstecken, um eine Erbschaft abenteuerlich zu gestalten. Wie hat sie das überhaupt geschafft?«
»Darüber weiß ich leider nicht Bescheid. Es handelt sich um ein wertvolles Miniaturgemälde, circa sechs Mal sechs Zentimeter. Ein Objekt dieser Größe ist leicht zu handhaben. Lady Summerfields Klausel besagt weiter, dass Sie während der Suche weder das Testament noch ihren Namen erwähnen dürfen. Wenn Sie es annehmen, dann müssen Sie dies mit allen Konsequenzen. Das ist die Bedingung.«
»Meine Tante scheint einen perfekten und äußerst bizarren Plan ausgearbeitet zu haben. Also gut. Eines stellt allerdings ein Problem dar: Wie soll ich als ganz normale Kate Hamilton in das Château gelangen. Muss ich mich als Küchenmädchen bewerben und in finsteren Nächten heimlich nach einem winzigen Gemälde suchen, oder wie soll das funktionieren?«
»Der Zufall will es, dass André Bergerac zurzeit jemanden sucht, der die gesamte Gemäldesammlung restauriert. In unserem Telefongespräch teilten Sie mir mit, dass Sie Restauratorin sind. Perfekter kann es nicht sein.«
Kates glockenhelles Lachen erfüllte die Kanzlei. »Aber es findet sicher ein Bewerbungsgespräch statt. Und was geschieht, wenn man sich nicht für mich entscheidet?« Sie hob die Hand. »Nein, sagen Sie nichts. Sie können zufällig alles so arrangieren, sodass ich genommen werde, oder irre ich mich?«
»So ist es, ich habe einige gute Kontakte. André Bergeracs Sekretärin ist sehr nett und kooperativ. Ich habe alles für Sie vorbereitet. Keine Angst Miss Hamilton, Sie werden den Job bekommen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Also … wie lautet Ihre Entscheidung?«
»Das Ganze ist absurd, seltsam und paradox, aber ich bin neugierig und werde den Wunsch meiner Tante erfüllen. Ich werde dieses Spiel spielen und nach Frankreich reisen, denn ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich auf diese Erbschaft verzichten könnte.« Dem Anwalt brauchte sie nichts zu verheimlichen, er wusste sicherlich Bescheid. Außerdem war sie wahrheitsliebend. Ihr Vater hatte seine Prinzipien gehabt, Lügen hatte er verabscheut.
Der ältere Mann vor ihr nickte wissend, und sein mitleidiger Blick bestätigte Kate, dass sie mit ihren Gedanken recht hatte.
»Ich wollte schon immer wissen wie es ist in einem Château zu wohnen, das auf einem inselähnlichen Grundstück von 400 000 m² liegt. Wo muss ich genau hinfahren?«
»Hier ist der Plan für die Anreise. Das Château liegt in einem Tal, versteckt und abseits, umgeben von herrlichen Wäldern, Weingärten und Olivenplantagen, die im Besitz der Bergeracs sind. Von Paris aus kommt man mit dem Zug in etwa einer Stunde an die nächstgelegene Stadt namens Beaulieules-Loches. Eine sehr interessante und reizvolle kleine Stadt. Bleibt nur zu hoffen, dass Sie eine Menge zu restaurieren haben, denn je länger Ihre Arbeit dauert, desto länger haben Sie Zeit, um das Gemälde zu finden.« Er sah sie vielsagend an und reichte ihr einen Umschlag. »Ich übergebe Ihnen die Daten, die mir Lady Summerfield für Sie gegeben hat. Ein Foto des Bildes und einen Plan des Châteaus. Sobald Sie das Objekt gefunden haben, melden Sie sich, damit geprüft werden kann, ob es sich tatsächlich um besagtes Bild handelt. Danach steht Ihrer Erbschaft nichts mehr im Wege. Und vergessen Sie die Bedingungen nicht.«
Kate nahm die Papiere entgegen. »Ich werde die Bedingung einhalten.« Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn ich Tante Victoria mit den Hamiltons in Zusammenhang bringe, geschweige denn etwas von diesem absurden Testament erwähne. »Wenn ich ein Versprechen gebe, dann halte ich es auch. Keine Ahnung, was sich meine Tante dabei gedacht hat. Also dann. Wenn ich mich nicht melde, dann bin ich vermutlich wegen Diebstahl im Verlies des Châteaus eingekerkert, denn wer soll mir Glauben schenken, falls ich dabei erwischt werde, wenn ich Zimmer und Schränke durchsuche?«
Ich brauche das Geld und werde mich an diese Klausel halten, auch wenn ich dafür über glühende Kohlen gehen muss.