Читать книгу Frühstück am Eiffelturm - Sylvie C. Ange - Страница 8

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Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf das überdimensionale schmiedeeiserne Tor, ließen es für einen Moment geheimnisvoll aufleuchten, als es sich wie von Geisterhand öffnete. Kate betrachtete das Wappen über dem Tor. Das riesige B auf blauweißem Hintergrund, der mit goldenen Ranken durchzogen war, wirkte edel und beeindruckend.

Langsam fuhr sie die Zufahrtsstraße entlang. Die strahlend weißen Kieselsteine knirschten unter den Rädern des Autos. Sorgfältig geschnittene Buchsbäume und die dahinter liegenden Zypressen bildeten eine außergewöhnliche Allee. Das unverkennbare Aroma des Buchses und ein Duft-Potpourri verschiedenster Pflanzen, deren leuchtende Farben sie von der Ferne sah, wehten zum Autofenster herein. Es war, als ob sich eine völlig andere Welt vor ihr auftat, als ob sie von einer zauberhaften Aura eingehüllt wurde. Kate fühlte sich auf seltsame Weise zutiefst berührt und magisch angezogen. Schon als sie durch die kleine Stadt Beaulieules-Loches gefahren war, hatte sie diesen Zauber gespürt. Die Umgebung war Seelen bewegend, fand Kate.

Die alten Häuser, in denen es schien, als ob dort Geister der Vergangenheit weilten und das Renaissance-Rathaus beeindruckten sie besonders. Sie liebte Städte mit faszinierender Geschichte und Beaulieules-Loches konnte eine packende Vergangenheit vorweisen, denn im Mittelalter war die kleine Stadt eine große Befestigungsanlage und empfing 1429 Jeanne d'Arc.

Kate lenkte den Mietwagen durch die Allee, sog den betörenden Duft ein und bewunderte das Geschick desjenigen, der hier für die Gartengestaltung verantwortlich war. Endlich tauchte das Château vor ihr auf. Sie bremste abrupt und starrte auf das beeindruckende weiße Bauwerk.

Türme und Erker ließen es wie ein Schloss aus dem Märchenbuch aussehen. Unzählige wirkungsvolle Elemente spiegelten die Pracht der Renaissance wider. Kate hatte den Plan vom Innern des Châteaus, den ihr der Anwalt ausgehändigt hatte, studiert. Dass zwanzig Räume, zehn Schlafzimmer mit Bad, Salon, Speisezimmer, Ballsaal, Galerie, Jagdzimmer, Bibliothek, Küche, Vorratskammern, Büro, unzählige Gänge und sonstige Nebenräume nicht in einer kleinen Villa Platz hatten, war ihr klar gewesen, aber mit diesem Prachtschloss hatte sie nicht gerechnet. Sollte sie wieder umkehren? Ihr Vorhaben kam ihr jetzt schrecklich unsinnig vor. Aber warum stellte sie sich diese Frage überhaupt? Nur so hatte sie die Chance ein großes Vermögen zu erben, das sie so dringend benötigte. Wehmütig stiegen Erinnerungen in ihr hoch. Nie würde sie die gebrochene Stimme ihres Vaters vergessen, als er ihr mitteilte, dass er bankrott und das kleine Anwesen in Cornwall nicht mehr im Besitz der Familie war. Seit dem Tod ihrer Mutter, die ein Jahr vor ihrem Vater starb, war er nicht mehr derselbe stattliche, fürsorgliche, aber auch strenge, zur Perfektion neigende Mann gewesen, den Kate gekannt hatte. Er hatte sich zurückgezogen, war unkonzentriert und vermutlich hatte man seinen Zustand ausgenutzt. Kate fand keine andere Erklärung für den geschäftlichen Misserfolg, über den ihr Vater beharrlich geschwiegen hatte. Sie wusste nur, dass ihr Elternhaus in den Besitz eines vermögenden Mannes der sogenannten Gesellschaft übergegangen war. Ihr Vater wollte nicht mehr darüber sprechen, und Kate musste mit ansehen, wie er litt. Sie atmete tief durch. Nein, umkehren würde sie auf keinen Fall. Sie würde alles dafür tun ihr Elternhaus zurückzuerobern. Das war sie ihrem Vater schuldig.

Die Fahrt war mehr als strapaziös gewesen. Sie hatte sich verfahren und damit abgefunden, dass sie viel später eintreffen würde, als angegeben. Dann war aus undefinierbaren Gründen ein Reifen des Mietwagens geplatzt, irgendwo auf einer einsamen Straße zwischen Beaulieules-Loches und dem Château. Zum Glück hatte ein Motorradfahrer angehalten, um ihr zu helfen. Aus einer Laune heraus hatte sie zuvor selbst versucht, den Reifen zu wechseln. Das Ergebnis war eine riesige Laufmasche und das Kostüm aus hellem Leinenstoff sah aus, als ob sie in einem Kohlenkeller hantiert hatte. Kate seufzte, als sie kurz auf die riesigen schwarzen Fleck, die nun ihren Rock verunstalteten, sah.

Sie musste sich unbedingt schnell umziehen. Aber wo? In dem kleinen Auto war das einfach unmöglich. So konnte sie sich nicht sehen lassen. In diesem beeindruckenden Schloss zeigte sicher keiner Verständnis für ihren Aufzug, und sie hatte keine Lust darauf, dass sie von oben bis unten gemustert wurde. Womöglich noch von André Bergerac persönlich. Aber sicher würde er dies nicht selbst tun. Wahrscheinlich hat er einen Obermusterer, dachte Kate verächtlich.

Sie sah sich um. Etwas abseits des Châteaus standen in einer Reihe große Tontöpfe, aus denen dicht verzweigte weiße Oleander wuchsen. Kate parkte neben der dunkelblauen Limousine, die vor den üppigen Pflanzen stand und stieg aus.

Kein Mensch weit und breit. Der leichte Abendwind strich durch die Blätter der hohen Bäume, sonst war es still. Wo sollte sie sich bloß unauffällig umziehen? Kate ließ ihren Blick schweifen, und blieb an einem der großen Tontöpfe hängen. Nein, unmöglich, aber die Korkeiche, die einen äußerst ungewöhnlichen Kontrast zu den übrigen Pflanzen und Zypressen bot, war der richtige Platz dafür. Außerdem würde sie die Dämmerung, die nun einsetzte, schützen. Sie holte Jeans und eine Bluse aus ihrem Koffer. Zu dumm, das Kostüm wäre viel geeigneter gewesen, aber nun musste sie wohl doch in Kauf nehmen, dass man sie missbilligend messen würde, wenn sie unpassend gekleidet war. Egal, zumindest würde sie adrett aussehen, und wenn den Herrschaften etwas nicht passen sollte, würde sie auf dem Absatz kehrt machen. Würde sie das tatsächlich tun, angesichts ihrer Lage?

Ein neuerlicher Seufzer kam über ihre Lippen. Dann verschwand sie hinter dem dicken Stamm des Baumes. Sie musste lachen bei dem Gedanken, dass jemand beobachten könnte, was sie tat. Sicherlich sah es seltsam aus, wenn Kleidung und Strümpfe hinter einem Baum hervor fielen. Sie schlüpfte in die Jeans und zog die Bluse an. Na also, geht doch. Sie pustete, wie meist, ihre widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. Während sie den Gürtel schloss, kam sie hinter dem Baum hervor.

»Ziehen Sie sich immer in freier Natur um, Mademoiselle?«

Kate zuckte zusammen. Verflixt. Erwischt. Wie peinlich. Die große, beeindruckende Gestalt stand so, dass ihr Gesicht im Schatten lag, und Kate nicht sah, wem diese faszinierende Stimme gehörte. Die Gestalt hielt ihr Kostüm und Strümpfe entgegen. Hastig nahm sie die Kleidung an sich. »Nein … ich … nun, ich hatte auf dem Weg hierher eine Reifenpanne.« Warum stotterte sie denn so? »Ich habe einen Vorstellungstermin«, sie zeigte auf das Château, »daher habe ich mich umgezogen. Mein Kostüm hat leider unansehnliche Flecken abbekommen und ich vermute, dass schmutzige Kleidung für diese hochnä… für herrschaftliche Augen sicher ein Fauxpas wäre.« Was war denn los mit ihr? Weswegen erzählte sie einem Wildfremden was sie tun musste? Hoffentlich hielt er sie nicht für sonderbar. Aber war es nicht egal, ob ein Fremder sie für sonderbar hielt oder nicht? Kate atmete tief ein.

Die Gestalt trat aus dem Schatten hervor. Das Licht der Laternen umspielte kantige männliche Züge und eine gerade lange Nase. Die Ärmel des weißen Hemdes waren hochgekrempelt, zeigten kräftige Unterarme und gepflegte Hände. Unwillkürlich dachte Kate daran, wie es wäre, von diesen schlanken Fingern berührt zu werden. War sie übergeschnappt? Sie sah den Mann gerade mal ein paar Sekunden. Trotz ihrer Selbstrüge riskierte sie einen Blick auf die langen Beine, die in schwarzen Jeans steckten.

»Meinen Sie?« Der Fremde verschränkte seine Arme und drehte sich weiter zum Licht. Er zog den rechten Mundwinkel ironisch lächelnd in die Höhe. Diese Lippen wirken sinnlich, sensibel und versprechen heißes Vergnügen, kam es Kate in den Sinn. Gleichzeitig fand sie es einen Segen, dass Gedanken nicht hörbar waren. Das Laternenlicht spiegelte sich in den dunklen Augen des Mannes und ließen sie, wie bei einer Raubkatze im Dunkeln, aufblitzen. Die eher tief liegenden Augenbrauen gaben ihm etwas Geheimnisvolles und Rätselhaftes. Kate räusperte sich. Wenn sie ihn weiter so anstarrte, musste er vermuten, dass sie nie interessante Männer zu Gesicht bekam. Eigentlich stimmte das sogar, denn in letzter Zeit hatte sie sich, wegen ihrer finanziellen Lage, sehr zurückgezogen.

»Ja, das meine ich.« Sie bemerkte, dass er sie musterte. Warum lächelte er nun so spöttisch, dachte sie stirnrunzelnd.

»Meine Erfahrungen sagen, dass die Herrschaften nicht immer so penibel sind. Sie zeigen sogar Verständnis.« Er kam noch etwas näher und blickte ihr in die Augen. Seine ganze Miene wirkte amüsiert.

»Kennen Sie die Bergeracs?«

»Sehr gut.«

»Ist die Familie sehr exaltiert?«

»Die Familie ist so wenig überspannt, wie Sie und ich.«

»Dann kann ich André Bergerac beruhigt mit Jeans gegenübertreten, oder?«

»Dagegen hat er bestimmt nichts, das versichere ich Ihnen.« Er trat wieder einen Schritt zurück. Sein Blick glitt prüfend über ihre Figur. »Allerdings …«

»Allerdings was …«, entfuhr es Kate.

»Allerdings sollten Sie Ihre Bluse zuknöpfen, obwohl ich zugeben muss, dass sie offen sehr reizvolle Einblicke gewährt.«

Kate sah an sich hinunter und hoffte, dass das spärliche Licht die flammende Röte, die ihre Wangen nun haben mussten, dämpfte. Sie ärgerte sich, dass sie hautfarbene Unterwäsche angezogen hatte, die so gut wie nichts verbarg. Schnell knöpfte sie die Bluse zu. »Das kommt davon, weil Sie mich erschreckt haben. Trotzdem danke für den Tipp.«

»Habe ich Sie tatsächlich erschreckt? Sehe ich so zum Fürchten aus.«

Sie knöpfte den letzten Knopf zu. »Nein, das tun Sie nicht.« Er war sich sicher bewusst, wie er auf Frauen wirkte. »Ich muss jetzt gehen. André Bergerac ist sicher schon sehr verärgert, weil ich den vereinbarten Termin nicht zeitgerecht einhalte.«

»Dann muss ich auch gehen, aber vorher … gestatten Sie?« Er kam näher und streckte seine Hände aus. Kate wich ein wenig zurück und bemerkte gleichzeitig, dass sie zu ihm aufblicken musste, obwohl sie mit 173 cm nicht zu den kleinen zierlichen Frauen zählte, die sie als Teenager hin und wieder beneidet hatte.

»Keine Angst, ich tue Ihnen nichts, aber Sie müssen ganz sicher nicht vor André Bergerac wie eine Nonne erscheinen.« Mit diesen Worten öffnete er die zwei obersten Knöpfe ihrer Bluse, grinste, dann drehte er sich um und ging davon.

Kate sah ihm nach und merkte, dass sie etwas aus dem Gleichgewicht war. Wer war dieser Mann, der selbst den Gang einer geschmeidigen Raubkatze hatte und dessen Fingerspitzen brennende Spuren an ihrer Haut zurückließen? Vermutlich war er ein Angestellter der Bergeracs. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Wenn er ein Angestellter war, dann würde sie wenigstens in den Genuss kommen, ihn wiederzusehen. Aber sie war nicht hier, um Angestellte des Châteaus zu bewundern. Sie sollte sich lieber auf ihren Part konzentrieren.

Die Halle war beeindruckend riesig. Ihr Apartment würde bestimmt mehrmals darin Platz finden. Der Marmorboden zeigte Mosaik-Motive Alter Meister, weiße Blumensäulen und antike Stühle waren an den richtigen Stellen platziert. Perfektion über alle Maßen. Kate ging auf und ab. André Bergerac, sofern er sie jetzt noch selbst empfing, ließ sie sicher absichtlich warten.

Endlich kam die Frau mit der altmodischen Bedienstetenuniform, die sie an der Tür empfangen und sie höflich zum Warten aufgefordert hatte, wieder zurück.

»Bitte kommen Sie mit, Mademoiselle.«

Sie wurde durch mehrere Gänge, die ebenso eindrucksvoll, wie das Entree waren, geführt.

Vor einer Holztür, deren Intarsien sicherlich jedes Künstlerherz höher schlagen ließen, blieb sie schließlich stehen.

»Bitte treten Sie ein. Monsieur Bergerac erwartet Sie bereits«, sagte sie kurz und verschwand. War dies bemerkenswert oder auffällig, dass die Bedienstete die einfache Anrede Monsieur Bergerac verwenden durfte? Kate starrte auf die Tür. Sollte sie klopfen, oder gleich hineingehen? Jetzt stell dich nicht so an, Kate, du bist doch sonst nicht so überängstlich, rügte sie sich. Sie klopfte einmal, öffnete gleich darauf die Tür und blieb stehen.

»Bonjour, Mademoiselle. Wir hatten bereits das Vergnügen.«

Der Mann am Kamin kam ihr mit strahlendem Lächeln entgegen und reichte ihr die Hand. Kate schoss erneut das Blut in die Wangen. Was für eine Blamage. Das war Comte André Bergerac. »Ich … ich wusste vorhin natürlich nicht … es tut mir sehr Leid … ich meine …« Verflixt, konnte sie keine klaren Worte mehr hervorbringen? Als ob sie sich nicht schon genug blamiert hatte. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Monsieur.«

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. Offensichtlich erstaunte und erheiterte ihn ihre Verlegenheit, aber er überging ihren Fauxpas von vorhin und kam gleich zur Sache.

»Sie wurden mir wärmstens ans Herz gelegt. Sie sollen eine hervorragende Restauratorin sein.« Er nahm hinter einem massiven Schreibtisch Platz, deutete ihr sich ebenfalls zu setzen und fixierte sie abwartend.

»Ja, ich bin eine gute Restauratorin«, antwortete Kate. Meine Güte, eine noch einfältigere Antwort war ihr wohl nicht eingefallen! Sie benahm sich, als ob sie von ihm paralysiert wurde, aber das traf eigentlich ganz genau zu. Sie fühlte sich seltsam schwach in Gegenwart dieses imponierenden Mannes … schwach und ungemein von ihm angezogen.

»Ihre Bewerbung traf noch vor der offiziellen Ausschreibung ein. Woher wussten Sie, dass wir einen Restaurator suchen?«

Kate hielt unmerklich den Atem an. Gleich würde sie im Kerker landen, wenn ihr nicht eine gute Antwort einfiel. Wenigstens besaß sie noch schwarzen Humor. Sie hatte doch nur die Anweisungen des Anwalts befolgt, der ihr versichert hatte, dass bereits alles arrangiert sei.

»Es war eine spontane Eingebung, und wie man sieht, kam die Bewerbung zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle.« Was bedeutete sein Schweigen? Sie hätte der Antwort irgendwie ausweichen müssen. Das fing ja schon gut an.

»Ich schätze Spontaneität.«

Wahrscheinlich in jeder Hinsicht, dachte Kate und war gleichermaßen von ihren Gedanken überrascht.

»Meine Sekretärin war sehr angetan von Ihrer angenehmen Stimme, als Sie sich telefonisch erkundigten und den Termin Ihrer Ankunft ausmachten. Sie war außerordentlich begeistert von Ihrem Können, das sie mir danach unbedingt auf der Stelle darlegen wollte. Sie müssen sie sehr beeindruckt haben. Ich gestehe, dass ich sehr neugierig auf Sie war. Mit der Stimme hat sie Recht. Sie könnten jedem Moderator Konkurrenz machen. Erzählen Sie mir ein wenig von Ihren Fähigkeiten.«

Noch mal gut gegangen. Kate erinnerte sich an die nette Altstimme der Sekretärin und sie erinnerte sich auch, wie lange sie mit sich gerungen hatte, um endlich die Telefonnummer, die ihr der Anwalt gegeben hatte, in ihr Handy einzutippen.

Sie fühlte sich unbehaglich und versuchte ruhig Blut zu bewahren. Der intensive Blick dieses Mannes machte sie nervös, besonders weil sie ihn nicht deuten konnte. Es stimmte, sie hatte einen hervorragenden Abschluss, trotzdem stand sie zurzeit auf der Warteliste für einen festen Job. Es gab einfach noch viel zu viel andere gute Bewerber, die ebenfalls warteten. Tatsache war, dass sie so gut wie kein Geld hatte, und hier war, um fremdes Eigentum zu durchsuchen … jetzt hör schon auf mit dem Wehklagen. Ihr Selbstbewusstsein war mehr angeknackst, als sie zugeben wollte. Würde André Bergerac sie ablehnen? Dann war das Vermögen aus dem Testament verloren. Bleib ruhig. Laut dem Anwalt konnte nichts schief gehen. Sie lehnte sich in dem antiken Stuhl zurück und versuchte sich zu entspannen. »Ich habe mich auf die Restaurierung und Konservierung von Gemälden und Skulpturen spezialisiert. Zu meinem Glück bekam ich ein Stipendium und konnte später eine Assistenzstelle bei Levot in Paris und später bei Stanton in New York antreten.«

André Bergerac stand auf und lehnte sich an die Kante des Schreibtisches. »Levot und Stanton. Bemerkenswert. Ich habe Ihre Referenzen überflogen.«

Überflogen? Also war er oberflächlich. Hatte sie etwas anderes erwartet?

»Laut Ihrer Ausbildung und Ihres Wissens müssten Sie eigentlich viel älter sein.«

Kate senkte den Kopf. Sie mochte es nicht, wenn sie erzählen musste, dass sie zu den Überbegabten zählte und Semester übersprungen hatte. Man setzte dies meist mit eingebildet und hochnäsig gleich, doch sie war weder das eine noch das andere. Im Gegenteil, in manchen Situationen, so wie jetzt, kam ihre Unsicherheit zum Vorschein. Sie blickte ihm wieder in die Augen. »Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, also nicht ganz so blutjung.«

Er lachte. Dieses dunkle, ein wenig verhaltene Lachen gefiel ihr sehr. War sie noch bei Sinnen?

»Nicht mehr ganz so blutjung? Was denken Sie dann über jemanden, der so wie ich, achtunddreißig ist? Steinalt?« Er neigte den Kopf und eine schwarze Strähne fiel verwegen in seine gerade Stirn.

Verdammt, ich tappe von einem Fettnäpfchen in das andere. »Ich wollte damit sagen, dass ich mich eben nicht für blutjung halte.« Verflixt, was war nur los mit ihr? Kate Hamilton, nun nimm dich zusammen, dachte sie ungehalten.

»Sie müssen müde sein und ich möchte Sie nicht länger quälen. Ich bin voller Zuversicht, dass meine Gemälde unter Ihren Händen in neuem Glanz erstrahlen werden. Es ist längst nötig, sie zu restaurieren. Sie sehen nicht mehr so aus, wie sie sollten. Odette wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen, und ich werde Ihnen morgen die Gemäldegalerie und Ihren Arbeitsraum präsentieren. Ihr zukünftiger Arbeitsplatz ist übrigens hervorragend ausgestattet. Sie können jedoch alles ordern, was Sie für Ihre Arbeit benötigen. Haben Sie noch Fragen?«

»Nein, vorerst nicht.«

»Gut, dann wünsche ich Ihnen eine angenehme Nacht. Odette wird Ihnen einen kleinen Imbiss bereiten.«

Als sie sich erhob, kam er näher und stand nun kaum eine Armlänge vor ihr. Kate blickte in diese unergründlichen, blitzenden Augen. »Bonne nuit, Monsieur. Ich werde mein Bestes geben und versuchen Ihre Erwartungen zu erfüllen.« Sie würde tatsächlich ihr Bestes geben, obwohl sie aus einem ganz anderen Grund hier war. Warum hatte sie das vor? Um ihm zu gefallen? André Bergerac erwartete, dass sie ihr Bestes gab, aber als Frau würde sie sich kaum interessant machen können. Das will ich doch auch gar nicht und lege auch gar keinen Wert darauf.

»Das hoffe ich. Bonne nuit, Mademoiselle.«

Das Timbre in seiner Stimme löste Schwingungen in ihrem Körper aus, und wenn sie nicht gleich ging, würde sie eine unruhige Nacht haben. Die Nächte würden ohnehin aufregend genug sein. Plötzlich wusste sie instinktiv, dass die Suche nach dem Bild auf Hindernisse stoßen würde – André Bergerac war eines davon.

Frühstück am Eiffelturm

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