Читать книгу Love Petit Fours - Sylvie C. Ange - Страница 11
ОглавлениеSylvie C. Ange
Regen und Sturm
Short Vintage Romance
Lass zu, was du längst tief in deinem Innern willst.
Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, dachte Virginie.
Die Reise war anstrengend gewesen und nun stand sie mit Koffer und Tasche am Ufer und niemand war da. Angespannt blickte sie sich um. Ein alter Mann mit sonnenverbrannter Haut und weißem Vollbart hantierte auf seinem kleinen Fischerboot, das wie einige andere Boote im Wasser lag. Virginie hatte keine Lust mehr zu warten und beschloss, wie immer, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
»Excusez moi.« Virginie tippte dem Mann vorsichtig auf die Schulter. Der Alte unterbrach seine Arbeit.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ist es möglich, dass Sie mich auf die Insel bringen?«
Der Alte blickte zum Himmel. »Dann müssen wir uns beeilen. Wenn der Sturm anfängt, wagt sich niemand mehr mit seinem Boot raus.«
Virginie schüttelte unmerklich den Kopf. Sah der Mann etwas, das sie nicht sehen konnte? Der Himmel war postkartenblau und keine Wolke war zu sehen. Der Alte hievte ihr Gepäck in das Boot und half ihr hineinzuklettern.
Das kleine Boot schaukelte wild und mit jeder Welle wurde Virginies Business-Kostüm, einschließlich ihr selbst immer nässer. Sie wischte über ihr Gesicht, mit dem Erfolg, dass ihre Hand nun schwarz von der herabfließenden Wimperntusche war. Sie nahm das Seidentuch, das sie um den Hals getragen hatte und wrang es aus.
Der Alte sah sie an und lachte. »Der Wellengang ist heute sehr hoch. Das ist immer so, wenn ein Sturm bevorsteht.«
Weshalb die Pfeife des Mannes von keinem Wasserstrahl getroffen wurde, war Virginie rätselhaft. Scheinbar hatte das Meer es nur auf sie abgesehen.
Al sie die Insel ereichten, half ihr der Alte eilig das Gepäck auszuladen, steckte die vereinbarte Summe in seine Hemdtasche und zeigte zum Himmel.
»Da ist die Wetterfont.«
Virginie konnte in der Ferne tatsächlich bedrohlich aussehende Wolken erkennen, aber sie würden sicher nicht so schnell hier sein.
»Wie komme ich zu dem Haus?« Der Alte befand sich bereits auf dem Rückweg und blieb ihr die Antwort schuldig. Zweifelnd stand sie da, sah sich um, ging ein paar Schritte und dann begann es zu regnen, denn die Wolken, die noch so weit weg gewesen waren, standen nun genau über der Insel.
Das durfte doch alles nicht wahr sein.
Virginie zog ihren exklusiven Lederkoffer auf dem unebenen Weg hinter sich her und bald sah er so schmutzig und nass, wie sie selbst aus.
Zweifellos war die Insel faszinierend, trotz des schlechten Wetters. Es duftete nach wilden Kräutern und der Strand, den sie hinter sich gelassen hatte, war an einem Sonnentag sicherlich einladend. Im Moment hasste Virginie den weißen Sand, der nun in ihren Designerschuhen aus Paris knirschte. Virginie sah an sich hinab. Das Kostüm war mit Wasser vollgesogen und glich einem triefenden Etwas, aber sie musste weiter.
Endlich fand sie einen Pfad, der sichtlich oft benutzt wurde. Weshalb es hier keinen normalen befestigten Weg gab, war ihr unverständlich.
»Bleiben Sie stehen.« Eine befehlende, energische Stimme hielt sie an. »Das ist Privatbesitz. Was tun Sie hier?«
Der Mann vor ihr war beachtlich groß und mit gefährlich blitzenden Augen wartete er auf Antwort.
»Ich bin Virginie Mercier, die Landschaftsarchitektin. Antonin Gillaut erwartet mich. Zu meinem Ärger hat man vergessen mich abzuholen und ich musste einen Fischer bitten, mich auf die Insel zu bringen.«
Der Fremde musterte sie und grinste. Sein tiefgründiger Blick streifte die nasse Seidenbluse, die nun mehr zeigte als verbarg.
»Ja, ich bin ziemlich sicher, dass Antonin Sie erwartet, Madame, aber hier ist nicht die Insel von Gillaut. Der Fischer hat Sie auf die falsche Insel gebracht.«
Virginie blickte dem lachenden Mann nach. Dieser ungehobelte Mensch bot ihr keine Hilfe an, er ließ sie tatsächlich im Regen stehen.
»Bitte, warten Sie«, rief sie. »Ich brauche Ihre Hilfe, ich sitze nun auf dieser Insel fest. Könnten Sie mich vielleicht mit ihrem Boot zur richtigen Insel bringen? Sie besitzen doch ein Boot, oder?«
Er drehte sich um und kam wieder ein Stück näher.
»Meinen Sie im ernst, dass ich bei diesem Wetter mit dem Boot fahre? Ich bin doch nicht lebensmüde.«
»Wo ist dieser Sturm? Es regnet doch nur.«
»Davon haben Sie natürlich wenig Ahnung. Von Zeichen der Natur verstehen Sie sicher gar nichts. Gehen Sie mir einfach nach.«
Virginie blieb die Luft weg. Was bildete sich dieser unrasierte Unhold nur ein? Doch sie hatte keine Wahl, sie musste ihm folgen.
o
Virginie war drauf und dran nicht mehr weiterzugehen, aber dann tauchte auf einer Lichtung ein großes Holzhaus auf, das zwischen hohen Bäumen stand und mit der Natur eins zu sein schien. Die Landschaftsarchitektin in Virginie war angenehm überrascht.
Auch das Innere des Hauses strahlte Wärme aus und dann war noch etwas, das Virginie nicht definieren konnte. Waren es der Frieden und die Harmonie, die hier herrschten? Was hatte sie erwartet? Eine Höhle?
»Wie jedes Jahr, wird der Sturm bestenfalls ein paar Tage dauern, also machen Sie es sich gemütlich. Das Bad ist ein Stockwerk höher und suchen sie sich eines der Zimmer aus.«
Virginie fuhr herum.
»Wie meinen Sie das? Der Sturm kann doch nicht so lange andauern? Ich kann nicht hierbleiben und außerdem habe nicht das Gefühl, dass wir uns verstehen … also nicht das wir dies müssten, aber ich werde erwartet. Wie ist übrigens ihr Name?«
»Ich besaß einmal einen sprechenden Vogel, doch er schwatzte nur halb so viel wie Sie. Allerdings sehen Sie hübscher aus.« Er kam näher. »Wir haben bestimmt amüsante Tage.«
Virginie verstummte abrupt. Hatte sie eben richtig gehört?
»Sie sind unglaublich direkt und Ihr Benehmen lässt zu wünschen übrig. Ich werde weder lange hierbleiben, noch werden Sie mit mir angenehme und schon gar nicht amüsante Tage haben. Würden Sie mir nun endlich Antwort auf meine Frage geben.«
Er lachte und seine dunklen Augen blitzen schelmisch.
»Wie Sie schon sagten, Sie sitzen auf der Insel fest …«, er streckte ihr die Hand entgegen, »ich bin Luc Landier, Innenarchitekt. Hoffe, ich habe Ihre Fragen korrekt beantwortet.«
Virginie starrte ihn an. Das konnte doch nicht wahr sein.
»Sind Sie, der Luc Landier?«
Landier war einer der bekanntesten Innenarchitekten und er galt als exzentrischer Sonderling.
»Wie es scheint, kennen Sie mich bereits.«
»Einschlägige Journale verraten viele Geheimnisse. Sp sehen Sie also in Wirklichkeit aus, ganz anders als in den Zeitungen. Nun, da wir die üblichen Begrüßungsformalitäten absolviert haben, würde ich jetzt gerne meine nasse Kleidung ausziehen.«
Er zeigte zur Treppe.
»Bitte Madame, wenn Sie mich brauchen, ein Hilferuf genügt.«
Sein Grinsen war unverschämt, aber gleichzeitig magnetisch und während Virginie sich in dem Zimmer ihrer Kleidung entledigte, hatte sie den sinnlichen Mund und die blitzenden Augen dieses unhöflichen Wilden in ihre Gedanken.
o
Der angekündete Sturm heulte nun tatsächlich um das Haus und der Himmel schien alle Schleusen geöffnet zu haben, denn es regnete nicht mehr, es schüttete. Virginie warf ihr Handy auf den Tisch. Es machte keinen Sinn mehr unermüdlich die Tasten zu drücken, es kam einfach keine Verbindung zustande, sie war hier auf der Insel gefangen. Langsam kleidete sie sich an und ging wieder hinunter, um nach etwas Essbarem zu fragen.
»Sind Sie immer so?« Luc musterte sie wieder, während er Gläser aus einem Schrank nahm.
»Was meinen Sie?«
»Sie sehen aus, als ob sie für eine Fotosession zurechtgemacht sind. Auch in ihrem durchnässtem Outfit wirkten Sie verkrampft und angespannt. Nur Ihre Bluse ließ reizende Einblicke zu.«
»Jetzt habe ich aber genug. Seit ich unglücklicherweise hier gelandet bin, haben Sie ständig etwas auszusetzen. Geschäftskleidung ist gediegen und nicht vulgär und außerdem geht Sie das gar nichts an.«
Er hörte zu hantieren auf, kam näher und sah sie an.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie versuchen weniger geschäftsmäßig zu sein, werden etwas legerer, damit wir die paar gemeinsamen Tage durchhalten. Erste Aufgabe, wir begeben uns zu Sturm und Regen, damit Sie zurück zu ihren Wurzeln finden.«
»Sind Sie verrückt? Ich gehe bestimmt nicht dort hinaus. Ich brauche nicht zu irgendwelchen Wurzeln zurück, was immer das bedeuten soll.«
Er nahm sie an der Hand. »Keine Widerrede, Madame.
Lucs Hemd lag einfach am Boden und der Regen rann an dem muskulösen, gebräunten Körper hinab. Er legte seinen Kopf zurück und schloss die Augen, stand einfach da, wie eine Skulptur.
Virginie wusste nicht mehr, warum sie nun tat, was sie eben gar nicht tun wollte. Vorsichtig trat sie ins Freie, dann knöpfte sie die Bluse auf und ließ sie nach Sekunden ebenfalls einfach auf den Boden fallen. Der Regen war warm und die wilden Sturmböen, die ihre zarte Gestalt erfassten, fühlten sich fremd und sinnlich an. Unmengen Bilder zogen durch ihre Gedanken. Wann war sie das letzte Mal im Regen gestanden? Als Kind? Sie erinnerte sich nicht. Vielleicht war sie tatsächlich zu angespannt und verkrampft. War sie zu viel mit ihrer Karriere beschäftigt? Weshalb kam diese Erkenntnis gerade jetzt. Was passierte ihr nur an diesem seltsamen Ort?
Plötzlich spürte sie Hände, die sie sanft zurück ins Haus schoben. »Wie war es?« Luc nahm ein Handtuch und tupfte zart ihr Gesicht ab.
Virginie nickte langsam. »Ungewöhnlich, verrückt, aber es hat etwas Mystisches, etwas Wildes.«
»Bravo, sie haben eine Erkenntnis gewonnen. Wollen Sie jetzt essen?«
»Ja bitte, aber ich möchte dies auf dem Zimmer tun, ich bin sehr müde.«
»Wie Sie wollen, Madame.«
o
Virginie öffnete die Augen und warf die Bettdecke beiseite. Weshalb träumte sie in der ersten Nacht von diesem Mann, den sie nicht kannte und nicht ausstehen konnte? Das Erlebnis im Regen hatte sie wohl verwirrt. Virginie, nimm dich zusammen, ermannte sie sich. Ihre Lippen fühlten sich an, als wäre sie auf einer Wanderung durch die Wüste.
Sie stand auf und schlich leise die Treppe hinab. In der Küche brannte Licht und schon wollte sie kehrt machen, da hielt sie Lucs Stimme zurück.
»Schlecht geträumt?«
»Nein, aber ich habe großen Durst.«
Plötzlich grollte es ohrenbetäubend und die so distinguierte Virginie Mercier fand sich in den Armen des ungehobelten Fremden wieder.
»Sie haben doch nicht etwa Angst? Ich bin sicher, Sie können Blitz und Donner wissenschaftlich erklären?«
Er hob ihr Kinn.
»Jeder kann das.«
»Natürlich kann das jeder, aber weshalb sind Sie in meine Arme geflüchtet?«
Seine Finger strichen sanft über ihre Wangen, fuhren ihre geschwungenen Augenbrauen nach, wanderten über ihre Lippen und suchten sich bereits einen Weg über ihren Hals.«
»Würden Sie mich wieder loslassen.«
Virginie atmete schneller.
»Wollen Sie wirklich, dass ich Sie loslasse?«
»Ja, was denken Sie denn?«
Virginies Verstand sagte, dass sie sich sofort aus Luc Landiers Armen lösen musste. Sie kannten sich kaum ein paar Stunden und hatten noch keine richtige Konversation geführt. Das war kein Verhalten für Virginie Mercier. Schließlich war sie kein Backfisch, der sich von diesem Mann beeindrucken ließ. So faszinierend war er doch gar nicht. Du lügst, Virginie und suchst nach Ausreden. Ihre innere Stimme lachte sie aus.
»Du denkst zu viel, Virginie Mercier.« Er beugte sich herab und seine Lippen umschlossen die ihren, sanft und doch nach mehr suchend.
Virginie kam Götterspeise in den Sinn, zuckersüß und nicht von dieser Welt.
»Was möchtest du, Virginie?«
Virginie verlor sich in seinen Augen, nur mit Mühe entzog sie sich ihm.
»So etwas passiert nicht wirklich. Du verunsicherst mich. Ich bin altmodisch, konservativ … ich weiß gar nicht was mit mir geschieht. Ich muss jetzt schlafen«, stammelte sie völlig zusammenhanglos.
Luc lächelte. »Hin und wieder passiert etwas Unwirkliches und sich der Magie zu entziehen, ist nicht sinnvoll, denn wer weiß, wie lange sie anhält.
o
Es war 2:33 Uhr morgens, als der Sturm das Fenster aufriss und durch das Zimmer raste. Virginie sprang halb schlafend aus dem Bett und versuchte es zu schließen, aber sie versagte kläglich.
»Verflixt …«
Ihre Beine machten sich selbstständig und gingen zu Lucs Zimmertür, wo sie krampfhaft überlegte, ob sie klopfen sollte oder nicht. Ich bin wohl nicht ganz bei Sinnen. Was tue ich da nur? Sie drehte sich um.
»Virginie? Du willst doch nicht etwa zu mir?«
Luc kam, nur mit Shorts bekleidet, die Treppe hoch und lehnte nun abwartend am Geländer.
»In meinem Zimmer ist das Fenster kaputt.«
Er ging weiter auf Virginie zu, schob sie sanft zurück.
»Das dummer Fenster.«
»Luc , ich habe an deine Tür geklopft, weil ich das Fenster nicht mehr schließen kann.«
Er öffnete seine Tür und schob sie weiter.
»Ich weiß, du bist Landschaftsarchitektin und kein Fensterexperte.«
»Hör mit dem Unsinn auf. Was willst du nun tun?«
Er strich über ihre Locken und streifte wie zufällig den Träger ihres Nachtkleides von der Schulter.
»Deine Augen sind so blau, wie der Himmel und das Meer.«
»Luc, das Fenster, es regnet in das Zimmer.«
»Du duftest wundervoll, Virginie.«
»Luc … ich habe gefragt, was du tun wirst.«
»Ich werde dich küssen.«
»Aber das Fenster …«
»Ganz ruhig Virginie. Lass zu, was du längst tief in deinem Innern willst.«
»Ich … ich …«
Virginie fand keine Worte mehr. Alle Widerstände verblassten, verschwanden, als sie Lucs tiefgründigen Blick fand. Dann wusste sie, dass diese stürmische Nacht, der Beginn von vielen süßen, duftenden, sinnlichen Nächten war.