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2. Kapitel

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Ein ruhiger Sonntagnachmittag im Elsass. Jemand hatte die Idee gehabt, man könnte Karten spielen.

Kommissar Krüger hatte ein äußerst schlechtes Blatt, das wie erwartet keinen einzigen Stich schaffte. Die Damen, Michélle und Elisabeth, kicherten, als Guerin ihnen erklärte, dass sie schon wieder eine Runde und somit auch das Spiel gewonnen hatten.

Seit Michélle gekündigt hatte, sah er sie nur noch selten. Jetzt war sie nicht mehr seine Untergebene, trotzdem sprach sie ihn manchmal noch mit „Chef“ an. Nur zum Spaß, ihr Verhältnis war jetzt völlig unbefangen.

Die im Frühling geplante Hochzeit von Eric Guerin und Michélle Steinmann war, soweit notwendig, besprochen. Über den größten Teil ließ man das Paar ohnehin im Ungewissen.

Krüger wurde aufgefordert, die Karten auszuteilen. „Ach, mir reicht’s, wir haben ja doch keine Chance gegen das Glück, das die immer haben“, brummte er.

„Glück?“, tadelte Elisabeth. „Könnte ja auch sein, dass wir einfach besser spielen, oder nicht?“

Krüger grunzte irgendwas, stand auf und ging durch die offene Terrassentür in den Garten.

Guerin folgte ihm. Er bewunderte den Gartengrill, den Krüger schon vorbereitet hatte.

„Holzkohle ist immer noch das Beste“, sagte er zu Krüger.

Dieser nickte. „Ja, finde ich auch.“

Michélle rief nach Krüger. „Telefon, Chef!“

***

Ein Leichenfund, männlich, mittleres Alter mit Schussverletzungen. Im Süden Freiburgs, schon in den ersten Abhängen des Kypfelsens. Grünwald erklärte ihm den Weg. Krüger war einmal mit Elisabeth in der Gegend spazieren gegangen, deshalb wusste er ungefähr, wohin er fahren musste. Ein Streifenwagen würde ihn bei der Abzweigung von der Hauptstraße erwarten.

Doktor Holoch saß auf einem Feldstuhl hinter seinem Wagen und füllte offenbar ein Formular aus, als Krüger eintraf.

„Guten Abend, Herr Kommissar“, begrüßte er ihn.

Krüger erwiderte den Gruß und sah ihn fragend an.

Holoch nickte. „Gleich, Herr Kommissar, nur noch ein paar Zahlen.“

Krüger nutzte den Moment, um einen ersten Blick auf den Toten zu werfen. Die Leiche lag auf dem Bauch, an einem sanften Abhang, mit dem Kopf nach unten. Die Hände und die Schuhe steckten bereits in Plastiktüten. Verletzungen oder Blut ließen sich nicht erkennen.

Holoch räusperte sich hinter Krüger. „Wir haben ihn für Sie wieder so hingedreht, wie er aufgefunden wurde.“

Krüger bedankte sich höflich. Diese Weisung hatte er selbst einmal gegeben, obwohl es kaum viel half.

„Zwei Einschüsse in der Brust“, begann Holoch, „eines der Projektile hat das Herz getroffen, der Tod ist vermutlich sofort eingetreten. Ausschusswunden sind nicht vorhanden, die Kugeln sind stecken geblieben, also wahrscheinlich ein kleineres Kaliber.

Hier ist auch nur der Fundort, das kann ich bereits sicher sagen. Die Leiche wurde transportiert und umgelegt, das beweisen die Livores. Verstorben dürfte er gestern Abend sein, das werde ich noch genauer eingrenzen können.“

„Angaben zur Person?“, fragte Krüger nach.

„Männlich, circa fünfzig Jahre alt, die Hände lassen auf körperliche Arbeit schließen. Die Taschen leer, keine Dokumente oder sonstige Hinweise auf die Identität.“

„Danke Herr Doktor. Wann werden Sie die Obduktion vornehmen?“

„Gleich morgen früh, bis zehn können Sie mit Ergebnissen rechnen. Die Projektile kann ich Ihnen noch heute Abend sichern, wenn Sie das möchten?“

Krüger winkte ab. „Lassen Sie nur, auf die paar Stunden kommt es nicht an, ist ja Wochenende.“

Holoch zuckte nur mit den Schultern. Eher ungewöhnlich, aber ihm war es recht.

Krüger hatte absolut keine Lust, sich noch heute Nacht mit dem Fall zu befassen. Wenn die Leiche am Tatort gefunden worden wäre, dann natürlich bliebe keine andere Wahl, als die Spuren so schnell wie möglich zu sichern.

Aber unter diesen Umständen konnte er es bis zum Abendessen zurück ins Elsass schaffen, wie er gehofft hatte.

Der Rest war schnell erledigt. Grünwald hatte die Spaziergänger, die den Toten gefunden hatten, längst befragt und die Personalien aufgenommen. Die Spurensicherung wartete noch darauf, dass die Leiche abtransportiert wurde, um die Liegestelle zu fotografieren und auf liegen gebliebene Gegenstände zu untersuchen. Erwin Rohr war nicht anwesend, wie Krüger festgestellt hatte, aber seine Leute schafften das trotzdem, daran war nicht zu zweifeln.

Um den Schein zu wahren, ließ er sich von ihnen eine erste Einschätzung geben.

„Ein paar Reifenspuren, Herr Kommissar, sonst bisher leider nichts“, sagte der Techniker. „Natürlich haben wir Klebeabzüge der Kleidung gemacht, die Taschen waren jedoch leer. Eine Hoffnung, möglicherweise. Die Schuhe enthalten Erdreste.“

Krüger dankte, und der Techniker beugte sich wieder über die Fundstelle.

***

Eugen Ulbrich saß zur gleichen Zeit in seiner Pension und wartete auf die Abendnachrichten. Inzwischen durfte er damit rechnen, dass der Idiot, der ihn zu erpressen versucht hatte, gefunden worden war.

Zum Glück war im umfangreichen Hausrat auch eine Pistole mit Munition aufgetaucht. Nur so eine Damenwaffe, aber ausreichend. Er hatte ihn zur ausgemachten Zeit erwartet, oben an der Treppe, die zum ersten Stock führte. Den Eingang hatte er mit Plastikfolie ausgekleidet, um Blutspritzer an den Tapeten zu verhindern. Zur Tarnung hatte er bereits eine Wand frisch gestrichen, damit sein Besucher nicht gleich Verdacht schöpfte.

Wie erhofft trat dieser arglos ein. Die Gier ließ ihn alle Vorsicht vergessen. Eine Million Mark, in einem Koffer, wie man es im Film immer sieht, hatte er für sein Schweigen verlangt.

Eugen hatte ihm erklärt, dass nur einige Tausender auf der Bank lagen, er die Summe unmöglich aufbringen konnte.

Der Unbekannte hatte ihn nur ausgelacht. Im Dorf würde von mindestens zehn Millionen gemunkelt. Das sei ein richtiges Schnäppchen für ihn, er solle sich nicht so anstellen. „Bleibt dir noch genug, du bist auch nicht mehr so jung, hast nicht mehr so viel Zeit, um es auszugeben. Ich habe fünfzig Jahre geschwiegen, vergiss das nicht!“

Zwei Kugeln hatten dafür gesorgt, dass der auch keine Gelegenheit mehr haben würde, um Geld auszugeben, dachte Eugen, zufrieden.

Die Meldung blieb aus. Offenbar lag die Stelle einsamer, als er gedacht hatte.

***

Peter Hanke war ab und zu am Nachmittag an der Villa Heckel vorbeigeschlendert. Erst am Freitag fiel ihm auf, dass ein Mietwagen auf der Einfahrt um die Ecke stand.

Das musste er sein. Der verlorene Sohn, der auftauchte, sobald es etwas zu holen gab. All die Jahre, wo hatte er sich herumgetrieben. Eigentlich war es Peter völlig egal, weshalb der nie aufgetaucht war, aber so ließ sich die Empörung besser genießen. Das schon sicher geglaubte Erbe, die Villa, ein Millionenvermögen, alles futsch, nur weil dieser Lump, den niemand kannte, im Testament der Großtante erwähnt wurde.

Wenn der allerdings dachte, ohne Gegenwehr an das Erbe zu kommen, dann hatte er sich gründlich getäuscht. Die legalen Mittel, wie die Anfechtung des Testaments waren inzwischen ausgeschöpft, aber Peter konnte doch auf einige kriminelle Erfahrungen zurückblicken. Deshalb traute er sich den Nerv zu, den Kerl unbemerkt verschwinden zu lassen.

Viel hatte es ihm bisher noch nicht eingebracht, ab und zu ein paar Scheine oder Schmuck, die er bei Gelegenheit aus Häusern mit einfachen Schlössern geklaut hatte.

Was er dabei gelernt hatte, war, sich unauffällig zu verhalten, nicht in Panik zu geraten. Nur deshalb war er noch nie dabei erwischt worden.

Und dieses Mal durfte auch nichts schiefgehen. Logisch, dass der erste Verdacht auf sie fiel, wenn der Ami plötzlich abkratzte.

Sie, das waren er und sein Bruder Harald, die zusammen mit der „kleinen“ Schwester Majke so etwas wie einen gemeinsamen Haushalt führten.

Die kleine Schwester zählte inzwischen auch schon achtundzwanzig Jahre, hatte bereits einige Kerle hinter sich, war aber immer wieder zu ihnen zurückgekehrt, wenn sie wieder mal einer zum Teufel geschickt hatte.

Dass es an ihr lag, daran zweifelte Peter nicht. Sie konnte ein richtiger Satansbraten sein, wenn sie schlechte Laune hatte.

Zuhause bekam sie ab und zu eins aufs Maul, wenn sie es übertrieb. Kein großes Problem für sie, sie war das von klein auf gewöhnt.

Dass die Großtante jetzt ziemlich früh verstarb, war ein Glücksfall, sie hatten sich auf eine viel längere Wartezeit eingestellt.

Deshalb hatten sie die ganze Nacht gefeiert, nachdem sie die Nachricht erhielten, und auch die Tage danach. Sie konnten sich schließlich kaum auf den Beinen halten bei der Beerdigung. Der Pfaffe hatte sich sehr darüber aufgeregt, ihnen damit gedroht, die Zeremonie abzubrechen, wenn sie sich nicht zusammenreißen würden.

Das war ein Fehler gewesen, wie Peter inzwischen zugeben musste. Niemand wusste vorher von einem Testament. Er traute dem Pfaffen durchaus zu, dass der da was gemauschelt hatte, um sie um ihr Geld zu bringen. Mindestens hatte er erreicht, dass nach dem Verschollenen gesucht wurde. Ob er den Wisch auch noch selbst geschrieben hatte? Immerhin möglich. Die Alte hatte schließlich regelmäßig gebeichtet, das hieß, der Pfaffe wusste alles über sie.

Peter hatte schon einen Plan. Bisher hatte er seinen Geschwistern nichts davon gesagt, und dabei sollte es auch bleiben. War doch gut möglich, dass die Alte in der Küche irgendwo ein Rattengift oder sowas ähnliches aufbewahrte, das nicht beschriftet war, soweit die Ausgangslage. Wenn dann der verlorene Sohn in der Villa nach Essbarem stöberte, würde er leider dem unvorsichtigen Umgang der Großtante mit Gift zum Opfer fallen. Und damit die Erbfolge korrigieren.

Jetzt musste Peter nur noch dafür sorgen, dass das Zeug im richtigen Behälter lag. Im Kaffeepulver zum Beispiel. Aber nicht nur dort. Sobald er wusste, was sich der Ami so schmecken ließ, wenn er im Haus aß, wurde auch die Marmelade oder die Butter zur möglichen Variante.

Am späteren Abend des Sonntags erkundete er die Lage. Das Schloss ließ sich mit dem Rüttelgerät leicht öffnen, schon stand er im Eingangsbereich. Es roch nach frischer Farbe. Seltsamerweise war nur eine kleine Wand frisch gestrichen. Sollte wohl ein Muster sein, dachte Peter kopfschüttelnd, während er sich Latexhandschuhe überstreifte.

In der Küche standen neben der Spüle einige Teller und Tassen, offenbar zum Trocknen. So, wie Peter gehofft hatte, war der Ami zu geizig, um im Restaurant zu essen.

Der Kühlschrank sah ordentlich aufgeräumt und gut bestückt aus. Geschnittener Speck in Streifen, das konnte eine Möglichkeit bieten.

Peter wusste nicht, was in dem weißen Pulver enthalten war, dass er schon vor vielen Jahren im Keller seines Elternhauses gefunden hatte. Eine grüne Glasflasche mit Totenkopf, nicht aufgeklebt, sondern direkt im Glas. Damit hatte schon sein Vater schon irgendwelches Ungeziefer bekämpft.

Dass es noch wirkte, hatte der dämliche Kläffer in der Nachbarschaft, der Peter schon jahrelang auf die Nerven ging, bewiesen. Gerade bis zu seiner Hundehütte hatte der es noch geschafft. Danach war Ruhe gewesen, auch in der Nacht. Eine winzige Dosis in einer Scheibe Wurst hatte schon ausgereicht.

Peter untersuchte den Kühlschrank genauer. Eine große Tube Senf, das war das Richtige. Er schraubte den Deckel ab, setzte die Tube an den Mund und presste den Senf ein Stück zurück. Das Gift hatte er in einem kleinen Plastikbehälter dabei, der eigentlich für eine Dosis Ausbesserungslack gedacht, für seinen Zweck jedoch auch bestens geeignet war.

Peter arbeitete in einem Farbenfachgeschäft, da lagen die Dinger in Massen herum.

Sorgfältig füllte er die Tube auf. Deckel drauf, ein wenig geknetet, fertig. Natürlich kontrollierte er seine Arbeit. Der Senf hatte das Pulver völlig zum Verschwinden gebracht. Ausgezeichnet, dachte er, das würde auch den stärksten Ami aus den Socken hauen. Hoffentlich sparte der nicht mit dem Zeug, so dass es womöglich noch reichte, um Hilfe zu rufen.

Das Telefon? Mit seinem Taschenmesser säbelte er solange an dem an der Wand verlegten Kabel herum, bis das Freizeichen verstummte. Zu sehen war das bestimmt nicht, und wenn, konnte es von einem Nager stammen.

Genauso leise, wie er gekommen war, verschwand Peter wieder.

***

Montagmorgen in Basel, Binningerstraße, Kripo Basel. Kommissar Kaspar Gruber blätterte in einer Zeitung, als Staatsanwalt Betschart bei ihm eintrat. „Guten Morgen, Kaspar. Schön, dass Sie schon da sind!“

Gruber legte die Zeitung weg. „Morgen Herr Staatsanwalt. Wie war ihr Wochenende?“

Betschart winkte ab. „Meine Frau hat mich auf eine Kunstausstellung geschleppt. Zu viel Champagner, zu viele Leute, zu wenig gute Bilder.“

Gruber konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er war froh, dass ihn in seiner Freizeit keine solchen Verpflichtungen plagten. Betschart hatte doch niemals wirklich frei, dachte er.

Der Staatsanwalt legte ihm einen Hefter auf den Tisch. Ganz oben Fotos, auf denen eine Badende im Bikini zu sehen war. Nur auf den ersten Blick schien es, dass sie badete. Die weiteren Bilder zeigten, dass sie leblos im Wasser trieb. Der dunkelblaue Bikini war vorne mit Schlamm bedeckt, vermutlich, weil sie bei der Bergung an Land geschleppt worden war.

„Wurde heute Nacht am Kraftwerk Birsfelden angetrieben“, bemerkte Betschart. „Dürfte ertrunken sein, irgendwann am Sonntag.“

Gruber sah ihn fragend an. Badeunfälle fielen normalerweise nicht in sein Gebiet.

„Unbekannt, wird auch niemand vermisst bisher“, fuhr Betschart fort, „zurzeit liegt sie bei Doktor Diener, er kann Ihnen sicher mit weiteren Details helfen.“

Gruber nickte. „Ich werde mich darum kümmern, Herr Staatsanwalt.“

Betschart zog sich zurück. Gruber las die paar Infos durch, die die Kollegen schon zu Papier gebracht hatten. Viel mehr, als er schon wusste, brachte es nicht. Der Fundort, dazu die Bilder, weibliche Leiche, Alter circa vierzig Jahre, Datum und Uhrzeitangaben.

Gruber machte sich auf den Weg in die Rechtsmedizin zu Doktor Norbert Diener. Ein umgänglicher Typ, der trotz seiner makabren Tätigkeit gern auch mal auf ein Bier mitkam, mit ganz normalen Menschen ohne Hochschulstudium, so wie Gruber.

Die Frau lag auf dem Seziertisch. Den Bikini trug sie immer noch, als Gruber ankam. Sonst war niemand im Raum.

Er betrachtete sie von allen Seiten. Sie konnte auf jeden Fall schon älter sein, als es auf den ersten Blick schien. Das Wasser hatte die Haut aufquellen lassen, was die Falten am Körper zum Teil verschwinden ließ. Wie aufgebahrt lag sie da, die Nackenstütze hielt den Kopf in Position, die Augen waren geschlossen.

Braunes Haar, etwa schulterlang, grüne Ohrstecker, die teuer wirkten, fielen Gruber auf. Der Bikini war jetzt sauber, ohne den Schlamm, den Gruber auf den Fotos gesehen hatte. Der Körper wirkte frisch abgespült, deshalb wohl auch der Glanz der Haare. Am Unterteil des linken Körbchens zeigte sich ein dunkler Fleck. Gruber sah genauer hin. An der Unterkante des Stoffes hatten sich einige Tropfen gebildet, die einen blassen, rötlichen Schimmer erkennen ließen. Blut kann es nicht sein, dachte er, das färbt deutlicher und dunkler.

Das Geräusch der automatischen Schiebetür riss ihn aus den Gedanken. Diener betrat den Raum, einen dampfenden Pappbecher in der Hand.

„Guten Morgen, Norbert“, grüßte Gruber.

„Danke, dir auch. Willst du auch einen?“ Norbert hob den Becher an.

„Nein, danke.“

„Du hast sie genauer betrachtet“, stellte Norbert fest. „Ist dir schon etwas aufgefallen?“

Gruber nickte. „Ja da, was könnte das sein?“

„Der Fleck?“

„Ja, auch, aber diese Flüssigkeit?“

Diener stellte seinen Kaffee ab. „Sie ist frisch gewaschen, möglicherweise färbt der Stoff ab“, sagte er.

„Ein Bikini, der färbt?“, warf Gruber ein.

„Blödsinn, klar!“ Diener schüttelte den Kopf. „Ist schließlich Montag, bin noch nicht ganz in Betrieb.“

Doktor Diener griff nach einem Tupfer, der sich am Fleck schnell vollsaugte. Er hielt ihn in die Höhe, roch daran. „Rost, ganz eindeutig“, stellte er fest.

„Rost“, wiederholte Gruber, „woher sollte der den kommen?“

Diener zuckte mit den Schultern. „Weiß ich auch noch nicht, aber dazu brauche ich keine Analyse, das ist typisch!“

Er streifte sich einen Latexhandschuh über, bevor er das Bikini-Oberteil leicht anhob. Eine runde Scheibe erschien, die direkt auf der Haut auflag, knapp einen Zentimeter im Durchmesser, deutlich angerostet. „Das ist Eisen, beziehungsweise Stahl“, stellte Diener fest. „Seltsam, dass die nicht weggerutscht ist?“

Mit einer Pinzette versuchte er, die Scheibe wegzunehmen. Erfolglos, sie schien zu kleben. „Sitzt fest.“

„Wenn du eine Zange…“, schlug Gruber vor.

„Nein, nein, wir machen ein Röntgenbild“, wehrte Diener ab.

Es dauerte eine Weile, Gruber trank inzwischen auch einen Kaffee, bis das Bild fertig war. Mit einem Siegerlächeln hielt ihm Doktor Diener das Bild vor die Nase. „Was siehst du?“, wollte er wissen.

Gruber stutzte. „Das sieht ja wie ein Nagel aus“, wunderte er sich.

Norbert nickte zustimmend. „Würde ich auch sagen. Ein Nagel, circa zwölf Zentimeter lang, steckt genau im Herzen!“

***

Am Montag nahm Eugen sich „frei“. Er machte einen Ausflug an den Rhein, spazierte, gönnte sich ein schönes Abendessen.

Deshalb lag Peter am Abend vergeblich auf der Lauer. Nichts regte sich. Missmutig zog er schließlich ab. Allzu oft durfte er das nicht machen. Er würde schnell jemandem auffallen. Merzhausen gehörte noch zur Stadt, aber die Leute hier kannten sich, das war schon fast wie im Dorf. Die würden ihn, da er ihnen fremd war, schnell als Spanner oder Einbrecher einstufen.

Deshalb wartete er für die nächste Kontrolle bis Mittwoch.

Diesmal sah es besser aus, der Mietwagen parkte wieder an der gleichen Stelle.

Schon als er durch die Tür der Villa schlüpfte, fiel ihm ein ungewöhnlicher Geruch auf.

Der Ami lag auf dem Küchenboden, zusammengekrümmt. Peter beachtete ihn nicht weiter. Dass er tot war, sah man auch so. Der Senf auf dem Teller zeigte schon erste Risse, also musste es gestern passiert sein. Die Warterei wäre nicht nötig gewesen, dachte er. Aber woher hätte er das wissen sollen.

Peter hatte den Ablauf genau geplant, Handschuhe trug er schon. Zügig presste er eine ordentliche Portion Senf aus der Tube in einen Plastikbeutel, den er mitgebracht hatte. Den Rest Senf auf dem Teller wischte er mit einem Papier auf, ließ ihn auch im Beutel verschwinden.

Einen frischen Klecks Senf auf den Teller. Einen kleinen Teil der Wurst, die der Ami fallen gelassen hatte, brach er ab. Noch kurz die Wurst in den Senf eingetaucht, schon sah der Teller genauso aus wie zuvor.

Er überlegte kurz. Wenn er das Ding wieder fallen ließ, würden Spuren des Senfs an Stellen bleiben, die vielleicht nicht zum Ablauf passten. Also besser nicht. die Wurst landete abgewischt und ohne den Senf auf dem Boden.

Alles bedacht, keine Fehler? Der Geruch. Schon bald würde ein Gestank daraus werden. In dem Haus, dass er erben wollte.

So ganz weg bekam man so etwas nie. Das musste er irgendwie verhindern. Der Tote musste bald gefunden werden. Sonst…

Peter öffnete ein Fenster, das den Blick von außen direkt auf die Leiche ermöglichte. Morgen würde er jemanden unter einem Vorwand zum Haus locken. Wie, war ihm noch nicht ganz klar, aber er hatte ja noch Zeit, um darüber nachzudenken.

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