Читать книгу Sommerglück - Tanja Bern - Страница 7

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Obwohl die Sonne scheint, nieselt feiner Regen vom Himmel. Der Wind treibt die hauchfeinen Tropfen nach Osten. Die Luft neben mir flimmert bunt, das Licht bricht sich in der Feuchtigkeit, doch ich werfe dem besonderen Naturschauspiel nur einen kurzen Blick zu, denn ich gehe langsam auf Black Jack zu.

Auf mein Pferd …

Ich bleibe stehen, runzle die Stirn. Bin ich eigentlich völlig verrückt geworden? Als ob Ethan und ich nicht schon genug Probleme hätten! Ich seufze tief auf. Trotzdem wäre meine Entscheidung auch nach einer Bedenkzeit so ausgefallen.

Ich kann mich auf zehn Schritte nähern, dann weicht Black Jack zurück, also bleibe ich stehen. „Hab keine Angst, du musst nie wieder zurück, und du musst auch in keinen Hänger steigen, der dich zum …“ Ich stocke, spreche es besser nicht aus. Manche Tiere verstehen sehr genau, was um sie herum geschieht.

Black Jack flüchtet zum Glück nicht in den Wald, hält nur Abstand und ist angespannt. Ich schaue mich suchend um, finde eine felsige Erhebung und setze mich dorthin. Er beobachtet mich, im Augenwinkel sehe ich, wie er den Kopf schief legt, als wundere er sich.

„Du hast gedacht, ich jage dir nach, mh?“

Ich schaue ihn an, betrachte ihn aufmerksam. Er ist viel zu dünn, das Fell ungepflegt. An der Fessel hat er einen blutenden Kratzer, den er sich vielleicht bei seiner Flucht zugezogen hat.

Ob er Greg gar nicht mehr an sich herangelassen hat? Oder hat Greg ihn schon lange aufgegeben?

Ich lege den Führstrick beiseite, beachte das Pferd bewusst nicht und gehe sogar so weit, dass ich ihm halb den Rücken zuwende. Mein Blick ist in Richtung Zuhause gerichtet.

… die Rays Farm gekauft hat … Ich wäge diesen Gedanken ab. Ist es wirklich noch Rays Farm?

Nein. Ray Brody wird immer ein Teil davon sein, aber dieses Land gehört jetzt Ethan und mir. Wir sollten uns einen Namen überlegen.

Black Jack schnaubt hinter mir, ich höre ihn Gras rupfen. Ich spüre regelrecht, dass er mich beobachtet, gebe mich aber entspannt. Das feuchte Wetter lässt mich frösteln. Ich klappe den Kragen meiner Jacke hoch. Eher aus Langeweile ziehe ich meine Tasche zu mir heran, krame nach einem Bonbon. Das Knistern des Papiers weckt Black Jacks Aufmerksamkeit. Ich höre, wie er zu mir kommt und fühle seinen warmen Atem in meinem Nacken, wage kaum mich zu rühren. Ich linse zu ihm hin.

„Magst du Kräuterbonbons?“

Der Geruch meines Bonbonatems scheint ihm zu gefallen. Er stupst mich sachte an. Mit einem Lächeln hole ich noch eine der Süßigkeiten hervor, entferne das Papier. Langsam drehe ich mich im Sitzen um, Black Jack weicht zurück. Ich lege das Bonbon auf die flache Hand.

„Du musst es dir schon holen.“

Das Pferd beäugt mich. Schließlich kommt es wieder nah heran, beugt sich herunter, schnuppert an der Leckerei und nimmt sie auf. Während Black Jack den Bonbon knuspert, strecke ich meine Beine aus, um es gemütlicher zu haben. Meine so unbedeutende Bewegung erschreckt ihn, erneut entfernt er sich von mir. Als ich mich aber nicht weiter rühre, beginnt er zu grasen, hat mich aber im Auge, als sei ich ein Raubtier.

„Ich muss mal schauen, ob der alte Unterstand auf der westlichen Weide noch was taugt“, plappere ich. „Es könnte dort aber ein bisschen zugig sein.“

Black Jack dreht seine Ohren in meine Richtung, er schnaubt leise.

„Allerdings sind die Trockenmauern ein Problem. Da springst du wahrscheinlich einfach drüber weg.“

Meine Stimme gefällt ihm. Während er grast, kommt er wieder in meine Richtung, als wolle er sich mir ganz unauffällig nähern.

Der Wind bläst die Regenwolken fort, und die Sonne kommt hervor, schenkt angenehme Wärme.

„Sollen wir nicht nach Hause gehen, Black Jack? Du möchtest doch gar nicht hier beim Sullivan Hof rumstehen.“

Ich hole noch eins der Kräuterbonbons hervor, das einzige Lockmittel, das ich habe. Er lässt sich wieder ködern. Als er sich dieses Mal zu mir beugt und den Bonbon nimmt, fasse ich sanft in sein Halfter. Bevor er realisiert, was passiert, habe ich den Verschluss eingehakt.

Rasch stehe ich auf, Black Jack scheut, und ich rucke kurz am Strick, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Hey, alles ist gut, wir gehen jetzt nach Hause. Na, komm!“

Er sträubt sich, aber ich dränge in Richtung Fluss, fort vom Land der Sullivans. Wie ein bockiger Esel stellt er sich quer, geht nicht einen Schritt. Ich gebe ihm einen sanften Klaps auf den Po, um ihn überhaupt in Bewegung zu bringen. Mit einem Funkeln im Blick sieht er mich an, geht dann stur zurück Richtung Wald. Ich habe seiner Stärke nicht viel entgegenzusetzen und will jedes Kräftemessen vermeiden, lasse aber auch den Führstrick nicht los. Zuerst stolpere ich neben ihm her, doch dann fange ich mich. Entschieden verlangsame ich Black Jacks Schritt-Tempo, indem ich ihn sachte zur Seite ziehe. Ohne ihn anzusehen, überhole ich ihn und übernehme die Führung. Black Jack versucht dies zu verhindern, indem er mich anrempelt. Schweigend zahle ich es ihm mit gleicher Münze heim. Ich bringe ihn allerdings nur minimal aus der Balance. Als er es noch einmal tun will, stelle ich mich direkt vor ihn hin, stampfe mit einem Fuß kräftig auf.

Jeder Außenstehende würde mich wohl für verrückt erklären. Black Jack wiederum versteht mich sehr gut, weicht ein Stück zurück. Ich sehe Unsicherheit in seinem Gebaren, sein Kopf duckt sich, als erwarte er einen Hieb. Bedacht hebe ich die Hand, lege sie auf seinen Nasenrücken, streiche sanft darüber, bis zu seinen Nüstern.

„Ich schlage dich nicht“, flüstere ich ihm zu. „Aber wenn du mich beißt, dann beiße ich vielleicht zurück.“ Ich zwinkere ihm zu und lache über mich selbst.

Black Jack wiehert leise, sieht in Richtung Sullivan Gehöft.

„Kommst du?“

Ich gehe zwei Schritte in die entgegengesetzte Richtung, … und er folgt mir.

Wir schlendern über die Wiese. Ich genieße es, wieder ein Pferd zu führen. Die Gegenwart des Tieres entspannt mich, trotz dieser seltsamen Situation.

„Weißt du, Black Jack, es mag ja sein, dass deine Rennen ein Glücksspiel waren.“ Ich bleibe stehen, sehe ihm in die dunklen Augen. „Aber heute hast du selbst unglaubliches Glück gehabt.“

Ruhig steht er da, begegnet meinem Blick. Mit einem leichten Kopfschütteln befühle ich seine völlig verknotete Mähne, streiche über das schlammverkrustete Fell am Hals.

„Es wird ein bisschen dauern, dich wiederherzurichten. Ich hoffe, du magst striegeln und bürsten?“

Ich erkenne zu spät, dass er eine Unaufmerksamkeit meinerseits bemerkt hat. Der Führstrick gleitet mir durch die Hand, als er den Kopf zur Seite wendet. Black Jack ist wieder frei und trabt mit stolzer Körperhaltung von mir weg.

„Zumindest läufst du in die richtige Richtung“, grummle ich.

Ihn einzufangen wäre vergebliche Liebesmüh, deshalb treibe ich ihn durch die Ortschaft Coolough. Zum Glück ist die Straße, die wir überqueren müssen, nicht stark befahren. Es ist kein Auto in Sicht, und ich lasse mein Pferd weiter über das Feld laufen.

Nach einer Weile kommen die ersten Trockenmauern von unserem Land in Sicht. Wie ich vermutet hatte, springt Black Jack einfach über die Barriere hinweg. Ich versuche, mit ihm Schritt zu halten, versage aber kläglich. Black Jack trabt direkt zum Haus – auf Ethan zu! Warum ist er hier? Wollte er nicht ins Büro?

„Ethan, Vorsicht!“

Mein Ruf hallt über die Wiese, und er wirbelt herum. Sofort sieht er den Rappen und reagiert unglaublich schnell. Black Jack verlangsamt seinen Trab, als er Ethan gewahr wird, kann aber so schnell nicht vollends stoppen. Ethan langt zu und hält den Führstrick fest. Doch das Pferd will ausbrechen.

„Führ ihn im Kreis!“, rufe ich ihm zu.

Mehr schlecht als recht setzt Ethan meine Anweisung um, das Pferd ist jedoch wieder in Obhut und beruhigt sich. Am liebsten möchte ich zu ihnen rennen, aber das würde Black Jack nur wieder aufscheuchen. Ich halte mich zurück, gehe aber so rasch es geht in die Auffahrt unseres Hofes.

„Wo ist der denn ausgerissen?“, fragt Ethan verwundert.

„Er hat sich losgemacht“, sage ich außer Atem und nehme ihm das Pferd ab. Black Jack tänzelt unruhig auf der Stelle. „Warum bist du nicht im Büro?“

„Ich habe es mir anders überlegt, und Sylvie hat mir widerwillig frei gegeben.“ Ethan kann seinen Blick kaum von dem Pferd losreißen. „Ganz schön mitgenommen, der Bursche.“

„Ja, Greg Sullivan kam nicht besonders gut mit ihm klar.“

„Sullivan? Der wohnt in Ballinfoyle, oder?“

„Äh, ja …“

„Er ist bis hierher geflüchtet? Was hatten sie mit ihm vor?“

„Black Jack sollte zum Schlachter.“

Ich sehe an Ethans Mimik, dass er langsam begreift. Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe.

„Du hast ihn gekauft“, erkennt er.

Der Unterton in seiner Stimme beunruhigt mich. Meine Hand verkrampft sich um den Führstrick. „Es tut mir leid. Ich weiß, es ist … ein wirklich ungünstiger Zeitpunkt. Aber hätte ich es nicht getan, wäre er jetzt vielleicht schon tot.“

Ethan gibt keinen Laut von sich. Er betrachtet das vernachlässigte Pferd, streicht ihm über das Fell am Hals.

„Bitte entschuldige, Ethan, ich wollte dich damit nicht überfallen. Es ist einfach … irgendwie passiert.“

„Schon gut. Ich weiß ja, was aus unserer Farm werden soll. Kommt nur ein bisschen plötzlich. Wo willst du ihn denn unterbringen?“

Black Jack scheint sich in unserer Gegenwart wohlzufühlen. Vielleicht spürt er, dass wir nichts von ihm erwarten. Er zerrt ein bisschen am Führstrick, um ans Gras zu kommen. Ich lasse ihn, und er zupft zufrieden die langen Halme am Rand der Hofeinfahrt.

„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es war …“ Ich suche nach den richtigen Worten.

„Spontan?“, hilft Ethan mir aus.

„Ja … Ich fürchte, spontaner geht’s wohl nicht.“

Ethans Mundwinkel heben sich, und er fängt plötzlich an, leise zu lachen.

Ich bin zuerst völlig überrascht, denn ich habe viele Reaktionen erwartet, aber nicht das. „Ethan, ist alles in Ordnung?“

Er gibt mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich kurz warten soll, versucht sich zusammenzureißen. „Ja, alles ist gut. Ich musste nur …“ Er stockt, beginnt schon wieder zu lachen, und Black Jack beäugt ihn nun mit schief gelegtem Kopf. Ethan atmet tief durch. „Entschuldige. Es ist nur, das alles ist so … verrückt.“ Mit einem Lächeln betrachtet er den Rappen. „Also hat Murphy’s Dream sein erstes Pferd.“

Ich starre ihn an, mein Herz pocht auf einmal viel zu schnell. Murphy’s Dream? „Was hast du gesagt?“

„Ach, das spukt mir schon seit Jahren im Kopf herum, immer wenn du von deiner Farm geträumt hast.“ Er winkt ab. „Ich weiß, es ist …“ Wie mir vorhin, fehlen jetzt ihm die Worte.

„… perfekt!“, beende ich seinen Satz. Begeisterung durchströmt mich.

Murphy’s Dream …

Wunderbar!

Ich lächle mit einem seligen Gefühl, bis mir bewusstwird, dass ich keine vernünftige Unterbringung für Black Jack habe, kein Futter, keinen Zaun, keine Striegel oder Bürsten, nichts …

Verdammt!

„Okay, ich würde sagen, wir müssen jetzt wohl einiges besorgen“, spricht Ethan meine Gedanken aus.

Das Wetter schlägt unerwartet um. Ein heftiger Regenguss prasselt vom Himmel, und wir flüchten mit dem Pferd unter das Vordach. In mir steigt leichte Panik auf, denn ich weiß nicht, wo ich Black Jack unterstellen könnte.

„Wo lass ich ihn jetzt bloß? Ich habe nicht mal Heu für ihn!“

„Wir finden eine Lösung, Sínead. Lass mich kurz nachdenken.“

Ich sehe in den Regen hinaus, versuche mich zu beruhigen. Black Jack beobachtet jede meiner Bewegungen. Er stupst mich sachte an. Obwohl sein Hintern nicht unter das Dach passt und sein Fell durchnässt wird, scheint ihn das nicht im Geringsten zu stören. Ich kraule ihn an der Stirn.

„Seitdem er hier ist, kommt er mir wie verwandelt vor“, sage ich leise.

„Er spürt, dass er bei dir in Sicherheit ist.“

„Meinst du?“

Ethan streicht mir lächelnd eine Locke aus der Stirn. „Du hast doch schon als Kind eine besondere Beziehung zu Tieren gehabt. Ich kenne das gar nicht anders. Ich sehe dich immer noch Regenwürmer aus Pfützen retten.“

„Das mache ich manchmal heute noch“, murmle ich.

Er beugt sich zu mir, küsst mich sachte. „Ich weiß.“ Auf einmal hellt sich sein Gesicht auf. „Hey, wir könnten doch Hugh Brennan fragen.“

„Du meinst den Hugh, der uns letztens bei der Renovierung geholfen hat?“

„Ja, er wohnt drüben am See, und soviel ich weiß, hat er neben den Schafen auch ein paar Pferde. Vielleicht ist ja noch ein Stall bei ihm frei. Ich fahr mal rüber zu ihm, ja?“

Er ist im Begriff, zum Auto zu gehen, doch ich halte ihn noch kurz zurück. „Ethan, ist wirklich alles in Ordnung?“

Er dreht sich zu mir um. „Ja, jetzt schon. Das lenkt mich ab, und da bin ich gerade sehr froh drüber.“

„Wirst du noch mal ins Krankenhaus fahren?“

„Das weiß ich noch nicht.“ Er fährt sich durchs Haar. „Ich bin jetzt erst mal bei Hugh.“

„Ist gut, bis gleich.“

Black Jack wird unruhig, als Ethan das Auto startet, beruhigt sich aber, als er merkt, dass er in keinen Hänger muss und der Wagen fortfährt.

„Und was machen wir in der Zeit? In den Regen gehen und nach Grasbüscheln suchen?“

Man könnte meinen, er hat genau verstanden, was ich gesagt habe, denn er drängt zurück zur Wiese. Fast wäre mir der Führstrick wieder entglitten. Dieses Mal packe ich fest zu und stoppe das Pferd.

„Ich würde sagen, wir einigen uns darauf, dass ich wieder die Führung übernehme, okay?“

Wieder dieses Funkeln in seinem Blick.

„Black Jack!“, kann ich gerade noch rufen, da wendet er sich einfach um und trottet die Einfahrt entlang, mich im Schlepptau. Ich stolpere wie ein Kind hinter ihm her, brauche einen Moment, um meine Balance zu finden. Erst bei der vorderen Weide an der Trockenmauer hält er an und beginnt zu grasen.

„Du kannst echt ein kleiner Mistkäfer sein, weißt du das?“

Zur Antwort schnaubt er nur und schüttelt den Kopf, was mich zum Lachen bringt.

Ich halte mein Gesicht ins kühle Nass, schließe die Augen, stelle mir vor, wie ich am Powerscourt-Wasserfall stand, versetze mich zurück in den Winter, wo mit unserer Reise alles seinen Anfang genommen hat. Für einen Augenblick spüre ich wieder die Leichtigkeit, das Gefühl, endlich angekommen zu sein, das tief empfundene Glück, bei Ethan sein zu dürfen.

Ich hebe meine Lider an, blinzle ob der Regentropfen.

Warum ist mir das bloß verloren gegangen? Nur wegen Megan?

Ich forsche nach weiteren Gründen, denke an Fergus’ Unfall, an Dads Krankheit, von der ich nichts wusste. Ich sehe vor allem, was in den letzten Monaten auf Ethans Schultern lastete. Megan ist wie ein Bulldozer in unsere Beziehung eingebrochen und hat auf ihrem Weg einiges zerstört. Aber uns hat auch der Alltag eingeholt. So schnell.

Ich schaue auf Black Jack. „Und meine Verrücktheiten machen es nicht einfacher“, flüstere ich ihm zu.

Entschieden ziehe ich ihn vom Gras fort, denn ich weiß nicht, ob er so viel frisches Grün gewöhnt ist. Raufutter wäre für den Anfang besser.

„Komm, wir gehen ein Stück. Ich zeige dir mal die Weide.“

Zuerst wehrt er sich, will weiterfressen, doch schließlich fügt er sich und folgt mir.

Wir spazieren über hohe Wildwiesen, gehen entlang der Trockenmauern. Black Jack schaut sich genau um, ich habe das Gefühl, er versucht die Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Wir kommen an den Schafunterstand, der für Black Jack fast zu niedrig wirkt. Trotzdem drängt er dahin, als wolle er alles genau erforschen.

„Ich weiß, perfekt ist es noch nicht. Aber dir gefällt es hier draußen, oder?“

Ich greife das Ende des Führstricks, lasse ihm etwas Freiraum, damit er sich ein bisschen umschauen kann. Sanft streichle ich ihm über den Hals und trete zwei Schritte zurück. Black Jack schnuppert am Holz der Schafhütte und schubbert sich wie eine große Katze am Eingang. Ohne zu zögern stapft er in die Hütte, ich gehe ihm nach, entferne den Verschluss des Stricks und lasse ihn alles erkunden. Ich stelle mich sicherheitshalber in die Öffnung, damit er nicht wieder flüchten geht.

Altes Stroh liegt noch als Unterlage am Boden, es ist festgestampft, ich nehme noch den Geruch der Schafe wahr. Was wohl mit ihnen passiert ist? Ob Rays Sohn sie nach dem Tod seines Vaters verkauft hat?

Black Jack scharrt überall herum, grunzt zufrieden. Er wirft sich plötzlich hin. Zuerst erschrecke ich mich, dann lache ich amüsiert auf, denn er wälzt sich in der alten Schafhütte hin und her. Als er sich wieder aufrichtet, schüttelt er sich genussvoll und bleibt ruhig stehen. Er scheint den Moment zu genießen, genau wie ich.

Ich höre Motorengeräusch und drehe mich um. Ethan kommt mit dem Land Rover über die Weide gefahren. Hinter mir wiehert Black Jack nervös. Ob er Autos generell mit einem Hänger verbindet? Was ist ihm in diesem Zusammenhang nur geschehen?

Hinter mir läuft das Pferd auf und ab, ich sehe mich zu ihm um, er reagiert leicht panisch. Rasch winke ich Ethan zu, versuche ihm zu verdeutlichen, dass er mit dem Wagen nicht näherkommen soll. Zum Glück versteht er meine fuchtelnden Gesten und hält in einiger Entfernung. Als es wieder still wird, hört sich die zuschlagende Autotür wie ein Knall an.

„Oh nein …“

Ich spüre Black Jacks Nähe, noch bevor er mich berührt. Instinktiv weiche ich ihm aus, mache den Zugang zur Schafhütte frei. Lieber fange ich ihn erneut ein, als dass er sich oder mich verletzt. Bockend rennt er über die Wiese, springt über eine Mauer und tobt regelrecht.

„Tut mir leid!“, ruft Ethan.

Ich winke ab. „Das konnte ja keiner ahnen. Ich muss beizeiten mit Greg Sullivan reden. Irgendetwas muss doch mal passiert sein. Er hat ja regelrecht Panik vor Autos.“

„Leider habe ich auch schlechte Nachrichten. Hugh hat keinen Stellplatz mehr frei, und er sagt, man kann ein fremdes Pferd nicht einfach zu einer bestehenden Herde packen.“

„Da hat er recht. Das kann Mord und Totschlag geben, und Black Jack wirkt nicht wie ein Wallach, der sich gerne unterordnet.“

Wir beobachten skeptisch, wie er auf der Weide tobt und mit den Hinterbeinen in die Luft tritt, als kämpfe er gegen einen imaginären Feind.

„Äh, nein, wirklich nicht“, bemerkt Ethan. „Und ich dachte immer, Pferde wären sanfte und treue Gefährten.“

Ich lache leise. „Die gibt es auch.“

„War schon klar, dass du dir einen sturen Esel aussuchst, der gerne wie ein wild gewordener Tiger herumtobt.“

„Ich habe halt einen exquisiten Männergeschmack.“

Ethan schnauft belustigt auf. „Dann sei froh, dass ich nicht wild über Wiesen tobe“, raunt er mir zu.

Ich blicke mit gekonntem Augenaufschlag zu ihm auf. „Das möchte ich sehen.“

Er zieht mich an sich und gibt mir einen kurzen Kuss. „Irgendwann vielleicht.“

Ich kichere amüsiert.

„Ich habe aber nicht nur schlechte Nachrichten. Hugh hat mir Heu und Material mitgegeben, damit wir zumindest behelfsmäßig einen Zaun aufstellen können.“

Ich gehe zum Auto, um die Sachen auf der Ladefläche zu begutachten. „Am besten laden wir das aus, und du fährst den Land Rover erst mal zurück in die Einfahrt. Vielleicht lässt sich Black Jack ja mit dem Heu wieder anlocken.“

„Der Bursche hat einen interessanten Namen.“

„Tja, es ist wie beim Glücksspiel. Es kann alles gut gehen, … muss aber nicht.“

Leise lachend lädt Ethan das Heu und die Zaunutensilien ab. Ich helfe ihm dabei, beobachte Ethan bei der Arbeit. Vorerst scheint er jegliche Probleme wieder verdrängt zu haben, worüber ich eigentlich ganz froh bin. Wir werden uns früh genug mit Megan und ihrem Baby auseinandersetzen müssen.

Oder spielt er mir was vor?

Sorge keimt in mir auf. Warum kann ich seine Mimik und Körpersprache nicht mehr so lesen wie früher?

Ethan geht um mich herum, um zur Fahrerseite des Land Rover zu kommen. Dabei streicht er mir über den Arm, als wolle er mir versichern, dass alles in Ordnung sei.

Mein Gefühl sagt jedoch etwas ganz anderes.

Sommerglück

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