Читать книгу 5 Wochen Rabenmutter - Tanja Bräutigam - Страница 5

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Kapitel 1

»Das schaffst du schon.«

»Ach komm, das schaffst du schon. Beim zweiten Kind ist doch alles viel einfacher.«

Die ermunternden Worte meiner Schwester sind sicher gut gemeint. Bei mir hat die Neuigkeit des bevorstehenden freudigen Ereignisses allerdings vor allem ein Gefühl der Überforderung ausgelöst. Ein zweites Kind steht nicht auf meinem aktuellen Lebensplan und auch nicht auf dem meines Mannes.

Und so übermittle ich meinem Ehemann die eigentlich freudige Nachricht der zweiten Schwangerschaft nur kurz und knapp mit den Worten: »Du bist schuld!«

»Woran soll ich schuld sein? Was ist denn überhaupt los?«

»Dein Job ist es aufzupassen!«

Gut, unsere Methode mit dem Wort »Verhütung« zu beschreiben, ist vielleicht etwas übertrieben. Mein Mann verwendet keine Kondome und ich nehme keine Pille. Wir haben Sex, und er passt auf. Immerhin hat die »Verhütungsmethode« in dieser Form zwei Jahre lang funktioniert. Bis zu diesem Karnevalssamstag, als mein Mann aufgrund eines leichten Promilleproblems eben nicht aufgepasst hat.

Und jetzt? Mein erster Gedanke ist: Keine Panik, vielleicht bin ich ja gar nicht schwanger. Ein zweites Kind ist aktuell noch nicht vorgesehen. Ich habe gerade wieder einen Job gefunden, Babysitter fördern die Zweisamkeit als Ehepaar langsam wieder, und meine Tochter hat einen Kindergartenplatz für Unter-Dreijährige. Das Leben ist gerade perfekt, so wie es ist.

Unsere Tochter ist zwei Jahre alt. Natürlich ist sie unser persönliches Wunder, unser Ein und Alles, unsere Prinzessin. Aber trotzdem hat sich, seit wir Eltern geworden sind, alles geändert. Dabei waren wir uns ziemlich sicher: Uns wird es nicht treffen. Bei uns bleibt alles beim Alten. Auch mit Kind. Ich behalte meine Hobbys, meinen Sport, gehe ziemlich schnell wieder arbeiten und, ach ja, das Sexleben wird natürlich nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bei uns nicht!

Pustekuchen. Uns hat es genauso erwischt wie alle anderen frischgebackenen Eltern auch. Es hat sich alles geändert. Die Männer haben noch den kleinen Vorteil, dass sie arbeiten gehen können, Überstunden machen dürfen, wenn es zu Hause zu turbulent wird, oder freitags abends mit den Kumpels um die Häuser ziehen können, weil laut der Männerlogik zwei Erwachsene für ein Kind definitiv zu viele Betreuer sind. Da »Mann« auch leider die Brust nicht geben kann, ist es natürlich absolut normal, sein Freizeitprogramm weiter zu planen, als ob es keinen neuen Erdenbürger gäbe.

Meine Tochter hat es geschafft, mit zwei Jahren das erste Mal durchzuschlafen. Vorher (also komplette zwei Jahre lang) ist sie regelmäßig bis zu fünfmal die Nacht wach geworden. Egal, welche Maßnahmen wir getroffen haben, egal, welche Ratgeber wir gelesen haben, egal, wo das Bettchen platziert worden ist – die Kleine wurde wach. Nach diesen zwei Jahren ist mir absolut bewusst, warum Schlafentzug als Foltermethode angewendet wird. Es ist Folter pur.

Hinzukommt, dass ich über vier Monate im Jahr komplett allein bin, weil mein Mann als Operator für Spezialkamerasysteme weltweit beruflich gefragt ist. Und sich aus diesem Grund regelmäßig bei den tollsten Sportevents der Welt vor Ort befindet. Auch ich war vor der Geburt meiner Tochter im Sportbusiness tätig, zunächst als Geschäftsführerin eines großen Sportverbandes in Bayern und danach als Marketingmanagerin bei einem der Hauptsponsoren für die Fußball-WM 2006. Meine Arbeit war hoch angesehen, und ich galt als erfolgreiche Frau, die ihre Ziele stets erreicht. Beruflich wie auch privat.

Während mein Mann also bei den Australian Open drei Wochen in Melbourne in einem Fünfsterne-Hotel untergebracht ist oder in Vorbereitung der Fußball-WM durch Südafrika reist, besteht meine Abwechslung darin, auszuwählen, welchen Spielplatz oder welches Café ich mit meinem Nachwuchs im Schlepptau besuche. Mein Mann hat ein Drittel des Jahres Gelegenheit, eine eigenständige Persönlichkeit mit strukturiertem Tagesablauf zu sein, während ich 365 Tage im Jahr in meinem Alltagschaos als Mama versinke. Meine Schlaflosigkeit, mein Alleinsein und mein neues Leben ohne Struktur haben also eigentlich zu der Entscheidung geführt, Nummer zwei nicht oder zumindest noch nicht zu planen. Bis er nicht aufgepasst hat! Und jetzt, sieben Wochen später, ist es amtlich. Mit 37 Jahren bin ich zum zweiten Mal schwanger.

»Ich bin schwanger. Wir bekommen noch ein Kind«, teile ich meinem Mann unverblümt mit.

Er wird leichenblass und realisiert augenblicklich, was ich mit meiner Aussage, dass er nicht aufgepasst hat, gemeint habe.

Für mich ist ziemlich klar: Ich bin mit einem Kind überfordert – ein zweites schaffe ich nie!

Neun Monate später bringe ich meinen Sohn auf die Welt. Er entpuppt sich tatsächlich als unkompliziertes Baby und schläft zum Glück von Anfang an besser als seine große Schwester. Natürlich ist er wieder unser Ein und Alles, unser persönliches Wunder und unser Prinz. Die Natur hat es so eingerichtet, dass man sein Kind liebt und sich ein Leben ohne dieses wunderbare Wesen nicht vorstellen kann.

Der Start mit zwei Kindern ist hart, weil die äußeren Umstände dazu führen, dass ich in der ersten Zeit direkt sechs Wochen allein zurechtkommen muss. Als mein Sohn gerade sieben Wochen alt ist, reist mein Mann für vier Wochen zu den Australian Open und von dort aus direkt für weitere 14 Tage zur Ski-WM nach Garmisch-Partenkirchen. Ich flehe ihn an, nur einen Job anzunehmen, aber wie so oft habe ich wenig Mitspracherecht. Kein gelungener Start, direkt alleinerziehend zu sein. Aber Tanja macht das schon. Natürlich.

5 Wochen Rabenmutter

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