Читать книгу Kiss and Cook in Schottland - Tanja Neise - Страница 12
ОглавлениеKAPITEL 5
Fiona
Ein energisches Klopfen ließ Fiona aus einem wirren Traum hochschrecken. Ihr Schädel brummte, als wäre sie die halbe Nacht durch Berlins Diskotheken gezogen. Das Klopfen wiederholte sich und schien sich noch zu steigern, unerbittlich. Sie blinzelte. In dem dämmrigen Licht konnte sie nur die Umrisse der Möbel erkennen. Wo war sie?
»Miss, ich komme jetzt herein, Ihr Tee ist fertig.«
Schottland! Die geschlossene Bäckerei und ihr geplatzter Traum vom Neuanfang! Mrs Reid! Alles prasselte in diesem Moment auf sie ein, woraufhin ihr ein Stöhnen entfuhr. Matt vergrub sie ihr Gesicht in dem Kissen, das so herrlich nach Waschpulver roch. Doch angesichts der aufkeimenden Kopfschmerzen war der Geruch nicht gerade hilfreich.
»Na, na! Wer wird denn da so mürrisch sein?«, flötete Mrs Reid, als sie ins Zimmer trat, in einer Hand balancierte sie ein filigranes Tablett, das allerdings total überladen war.
Am liebsten hätte Fiona in dem gleichen Tonfall gefragt, wer denn da so gute Laune hatte. Aber sie ließ es lieber sein. Mit seiner Wirtin legte man sich besser nicht an, auch wenn das hier nur für ein oder zwei Nächte ihre Bleibe war, so wollte es sich Fiona mit der netten Frau nicht verscherzen. Stattdessen hauchte sie lediglich: »Kopfschmerzen.«
»Na dann kommt doch mein Tee genau richtig, aye?« Voller Tatendrang goss Mrs Reid ihr eine Tasse ein, anschließend hob sie das Milchkännchen hoch und sah Fiona fragend an. Als diese ihr mit einem verhaltenen Nicken antwortete, gab sie davon einen guten Schuss in die dunkle Flüssigkeit und reichte ihr die Tasse. »Der wird helfen. Ich werde vorsichtshalber eine Tablette holen gehen. Trinken Sie, Schätzchen.«
Fiona fühlte sich wie eine Fünfjährige, die bei ihrer Oma zu Besuch war und einfach das tun musste, was man ihr sagte. Doch als sie einen Schluck von dem Tee genommen hatte, waren die grummeligen Gedanken vergessen. Cream Tea! Oh, sie liebte diesen starken und dennoch süßlich schmeckenden schwarzen Tee. Im Nu war die Tasse leer und ihre Lebensgeister kamen rasch zurück, trotzdem nahm sie brav die Tablette, als die Wirtin sie ihr reichte.
»Schätzchen, soll ich Ihnen etwas zum Anziehen rauslegen? Haben Sie vielleicht ein hübsches Kleid dabei?«
»Kleid? Nein, so etwas besitze ich nicht.« Warum sollte sie ein Kleid anziehen?
»Na eine schöne Bluse und eine anständige Hose ohne Löcher tun es auch.« Ihr Blick huschte kurz und anklagend zu Fionas Jeans, die der Mode entsprechend ausgefranste Risse hatte.
»Das ist schick!« Warum verteidigte sie sich eigentlich? Was war geschehen, während sie einen kleinen Mittagsschlaf gehalten hatte? War Mrs Reid zu ihrer Erziehungsberichtigten ernannt worden?
»Ja, das hab ich im Fernsehen gesehen, doch schön ist das nicht. Nehmen Sie es mir nicht krumm, aber ich finde eine Hose ohne Löcher sehenswerter, ob modern oder nicht.« Mrs Reid schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln und ein Zwinkern, sodass Fiona gar nicht böse auf sie sein konnte.
»Okay, verstanden. Dennoch verstehe ich nicht so ganz, warum ich mich umziehen soll.« In dem Moment, als sie die Frage gestellt hatte, fiel ihr wieder das erwähnte Dorffest ein.
Mrs Reid bestätigte ihre These: »Na, das große Fest, Schätzchen. Sie kommen natürlich mit und auf dem Weg dorthin erzählen Sie mir mal von dem Job, der Ihnen durch die Lappen gegangen ist. Vielleicht können wir da ja noch etwas dran ändern. Aber jetzt muss ich mich erstmal selbst ein wenig schick machen. Auch ältere Frauen sollten zu einer gesellschaftlichen Veranstaltung entsprechend gekleidet sein. Vor allem, wenn sie ohne Ehemann sind. Stimmt´s?« Wieder lächelte sie und Fiona lächelte selig zurück. Diese Frau war ein wahrer Wirbelwind und der Traum von einer Schwiegermutter. Für eine Großmutter, selbst wenn sie den Job gut ausübte, war sie ein wenig zu jung.
Na schön, damit sich die gute Dame nicht mit ihr schämen müsste, würde ein Kleiderwechsel eben von Nöten sein. Und vielleicht könnte sie auch ausnahmsweise die extrem auffallenden Ohrringe rausnehmen und schlichtere wählen. Dies war ein Kuhkaff in Schottland, vermutlich hatten die Leute hier noch nie einen Menschen mit mehr als zwei Ohrlöchern gesehen, geschweige denn mit acht und dann noch ein Nasenpiercing obendrauf. Ihre schwarz gefärbten Haare mit den lila Strähnen waren an diesem Ort wahrscheinlich schon Herzinfarkt gefährdend für die älteren Leutchen. Okay, also heute die brave Tour.
Sie bürstete sich das Haar ordentlich aus - dahin war die kunstvoll toupierte Frisur - stattdessen steckte sie alles zu einem einigermaßen hübschen Dutt hoch und wechselte die Kreuze und Totenköpfe an ihrem Ohrläppchen gegen Perlenstecker aus. Schließlich konnte sie auch anders, zumindest wenn sie wollte. Ihre rebellische Phase war schon Monate oder eher Jahre vorbei, aber bisher hatte sie sich noch nicht aufraffen können, ihr Aussehen komplett umzustellen.
In ihrem Koffer fand Fiona eine enge weiße Röhrenjeans und rundete das Outfit mit einer langen schwarzen Tunika ab. Eine Perlenkette dazu und sie sah aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Die lila Strähnchen blitzten zwar verräterisch zwischen den schwarzen Haaren hervor, aber das würden die kurzsichtigen Rentner dieses Dorfes hoffentlich nicht bemerken. Das starke Make-up wusch sie vorsichtshalber auch vom Gesicht und legte lediglich einen Hauch Mascara und Lipgloss auf. So hätte man sie fast für eine Einheimische halten können - fast.