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KAPITEL 9

Fiona

Das war doch mal eine Entwicklung nach ihrem Geschmack. Ein ehemaliger Star, der sich dafür interessierte, ihr zu helfen. Trotzdem fiel es ihr schwer, ausgerechnet diesem erfolgreichen Mann von ihrem Unglück zu berichten, deshalb hatte Fiona auch zuerst abgeschlagen. Bei näherer Betrachtung der Umstände, wäre es vielleicht doch sinnvoll, diesem äußerst attraktiven Kerl einen Vertrauensvorschuss zu geben. Obwohl es in dem Raum nicht heiß war, hatte sie das Gefühl, dass zu viel Wärme um sie herum waberte. Plötzlich war es stickig und die Musik zu laut. Dennoch wollte sie nicht unhöflich sein und beantwortete seine Frage.

»Ich wollte in der hiesigen Bäckerei anfangen.« Befangen knetete sie am Saum der schwarzen Tunika. »Mrs Wilson hatte mir einen Vertrag zugeschickt und mir zugesichert, dass ich über der Bäckerei eine kleine Wohnung beziehen könnte. Als ich vorhin vor dem Laden stand, war er geschlossen und von der guten Mrs Wilson gab es keine Spur. Ich glaube, ich bin einem bösen Streich zum Opfer gefallen.« Sie blickte auf und ihm direkt in die Augen. Die im Übrigen faszinierend blau waren. Faszinierend blau? Hatte sie das gerade wirklich gedacht? War blau plötzlich eine völlig außergewöhnliche Farbe, die eine extra Erwähnung in ihrem Gehirn verdiente?

Er wirkte verwirrt und sein Blick huschte zu Mrs Reid. »Mrs Wilson sagen Sie? Hatten Sie mit ihr telefoniert?«

»Ja, mehrmals und auch per Mail hat sie mir geschrieben. Ich fand es toll, dass sich eine ältere Frau so gut mit der modernen Technik auskennt. Nun bin ich da anderer Meinung.« Entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie nahe ihr die Geschichte ging, straffte sie die Schultern und setzte sich wieder aufrecht hin - ein verhaltenes Lächeln auf den Lippen. Adam Ward wirkte cooler als cool und tippte sich nachdenklich auf die Unterlippe, während er den Blick nicht ein einziges Mal von ihr abwandte. Der Mann hatte eine Art an sich, die sie verdammt nervös machte.

Doch dann räusperte er sich und kurz darauf legte er seine Hand vor seinen Mund. Lachte er etwa? »Das ist überaus interessant.«

Ja, er lachte! Dahin war die Faszination und machte einer dicken, trüben Frustration Platz. »Sie sind ein Idiot, Adam Ward!» Außer sich vor Wut sprang sie auf und schob polternd den Stuhl nach hinten. »Und ich dachte, Sie sind ein netter Mensch und wollen mir helfen!« In ihren Augen brannte es verräterisch. Die Anstrengung und die Enttäuschung machten ihr zu schaffen, aber sie würde einen Teufel tun und hier vor ihm anfangen zu heulen. Der hatte gut Lachen! Ihm fiel ja auch alles vor die Füße, etwas das ihr in ihrem ganzen Leben noch nie passiert war.

»Na, na, Kindchen.« Oh nein, jetzt kam auch noch Mrs Reid. Sie stellte sich rechts von ihr auf und streichelte Fiona begütigend über den Rücken. »Ich hatte gedacht, wenn Sie beide sich aussprechen, würde sich alles wieder einrenken. Offenbar lag ich da falsch.« Mit grimmigem Gesichtsausdruck blickte sie Adam an. »Sie können doch nicht so ein junges Ding von Deutschland ins hinterste Schottland locken und dann vor dem Nichts stehenlassen.«

Stopp mal, was erzählt sie denn da?, fragte sich Fiona verwirrt. Adams Gesicht wirkte genauso verwundert, wie vermutlich ihr eigenes gerade in diesem Moment aussah.

»Ich habe Fiona doch nicht hierher gelockt, das war ...«, versuchte er, sich zu verteidigen.

»Keine Ausreden, junger Mann!«, unterbrach ihn Mrs Reid barsch. »Sie werden dem netten jungen Fräulein jetzt die Stelle als Hausmädchen geben, ansonsten werde ich die Söhne von Liz beauftragen, gegen Sie eine Klage einzureichen. Das wird ein saftiges Fresschen für die Presse. Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir. Ehemaliger Rockstar macht sich einen Spaß auf Kosten von jungen Frauen!« Fiona und Adams Köpfe schossen herum und entgeistert starrten sie Mrs Reid an, die siegessicher grinste.

»Setzen!«, befahl sie in einem Ton, dass Fiona nur noch im Stande war, sich auf den Stuhl plumpsen zu lassen. Mrs Reid setzte sich zwischen die beiden. »Adam, glauben Sie allen Ernstes, in diesem Dorf wären sämtliche Einwohner auf den Kopf gefallen? Ich bin es jedenfalls nicht. Aber ich werde nicht davor zurückschrecken mein Wissen, als Waffe gegen Sie zu benutzen. Niemand im Dorf weiß wer Sie sind - außer mir. Zumindest gehe ich davon aus. Sicher bin ich mir da aber nicht.« Abwartend sah sie ihn an, doch der Verurteilte war dermaßen perplex, dass er nicht antworten konnte.

Fionas Hirn fing wieder an zu arbeiten. Auf keinen Fall wollte sie zurück nach Deutschland und Geld hatte sie eigentlich auch nicht genug, um ein Rückflugticket zu kaufen, schließlich war sie davon ausgegangen in Kinloch Rannoch bleiben zu können. Im Grunde genommen war das ihre Rettung! Ganz richtig, das war ein Wink des Schicksals und sie musste nach diesem Strohhalm greifen, ehe sich die Chance in Luft auflöste. Als sie im nächsten Moment den Mund öffnete, sprach jemand Fremdes aus ihr - anders konnte sie es sich kaum erklären. »Ja, genau Mister. Wir werden nicht davor zurückschrecken Sie zu verklagen. Wenn Sie mir allerdings den versprochenen Job als ihre Haushaltshilfe geben, haben sie nichts zu befürchten.« Sollte sie schon nicht als Bäckerin hier leben können, dann würde Sie sich eben um den Haushalt von Adam Ward kümmern.

»Aber ...«, begann er.

Mrs Reid schlug kurz mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die beiden leeren Gläser, die darauf standen, wackelten und mit einem Klirren aneinanderstießen. »Nichts aber. Fiona kann heute Nacht bei mir schlafen, doch morgen Vormittag schick ich sie zu Ihnen rüber und dann geht das alles seinen geregelten Gang. Haben wir uns verstanden?«

In Fionas Magen und ihrem Zwerchfell zog sich etwas zusammen und sie war einen Millimeter davor einen Lachanfall zu bekommen. Aber die Not, in der sie sich befand, erdrückte dieses Gefühl. Im Stillen bewunderte sie Mrs Reid für ihre Hartnäckigkeit und die Art, wie sie sich Mr Ward gegenüber durchsetzte. Er schaute aus der Wäsche, wie ein begossener Pudel. »Ansonsten werden wir Ihre wahre Identität preisgeben«, stieß Fiona hervor. Oh Mann, jetzt erpresste sie ihn auch noch. Selbst schuld, wenn er mich kurz zuvor ausgelacht hat.

Bestimmt war er ein arrogantes Scheusal. Doch fürs Erste wäre sie froh, eine Bleibe und ein geregeltes Einkommen zu haben. Einen neuen Job konnte Sie sich jederzeit suchen. Nur zurück nach Deutschland wollte sie so schnell nicht mehr.

Adams Augen blickten sie kalt an und abfällig erwiderte er: »Na dann ist ja alles klar, Fiona.« Ihr Name klang aus seinem Mund, als wäre es die Bezeichnung einer schleimigen Küchenschabe. »Wir sehen uns morgen.« Er kochte augenscheinlich vor Wut, als er aufstand und mit ausladenden Schritten den Saal verließ, ohne auf die Menschen zu achten, die ihn begrüßen wollten.

Oh Mann, nun hatte sie sich einen Feind gemacht.

»Sehen Sie, Schätzchen, alles gut. Ich hatte zuerst gehofft, Sie könnten das alleine regeln, aber ist ja gut, dass Mrs Reid in der Nähe war. Nicht wahr?«, bei ihren Worten tätschelte sie beflissen Fionas Hand.

Fiona nickte und fragte sich unwillkürlich, wohin Sie diese Lüge noch bringen würde. Vermutlich in die Hölle.

»Woher wussten Sie, dass ich bei ihm den Vertrag unterzeichnet hatte?«

Die ältere Frau lehnte sich zurück und sah sie lächelnd an. »Ich kenne alle hier im Dorf, so etwas würde kein Einheimischer machen.« Oh, so stand die Sache also. Das war ja fast so etwas wie Fremdenhass. Vorurteile Fremden gegenüber waren offensichtlich in Schottland stark verwurzelt.

Auf der Bühne legte der Musiker so viel Herzblut in das Geigensolo, dass Fiona kurzfristig abgelenkt wurde und unter dem Tisch im Takt mit dem Fuß aufstampfte. Ihre Laune hob sich fast von allein. Sie hatte einen Job. Nur das zählte im Moment.

Kiss and Cook in Schottland

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