Читать книгу Eisfuchs - Tanya Tagaq - Страница 8

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1975

MANCHMAL, wenn die Betrunkenen aus der Kneipe nach Hause kamen, versteckten wir uns im Schrank. Knie an Knie saßen wir in unserem Versteck und hofften, dass uns niemand finden würde. Jedes Mal war etwas anderes los. Manchmal war nur Gepolter zu hören, Schreien, Stöhnen, Gelächter. Manchmal kam die alte Frau herein und umarmte uns mit ihrer erdrückenden Liebe, einer Liebe, die wie eine schwere Bürde auf ihr lastete. Schon damals wusste ich, dass Liebe ein Fluch sein kann. Vor lauter Liebe zu uns musste sie weinen. Die Vergangenheit ergoss sich wie ein Fluss aus ihren Augen. Ihr giftiger Alkoholatem erfüllte das Zimmer. Schluchzend griff sie nach uns, küsste uns, küsste das Einzige, dem sie vertrauen konnte.

Wandpaneele aus Holzimitat, der Geruch von Rauch und Fisch. Samtbilder, meist Elvis oder Jesus, aber auch Eisbären und Eskimos.

Eines Abends kamen die Betrunkenen nach Hause und randalierten lauter als sonst, also stiegen wir wieder in den Kleiderschrank. Wir kichern nervös, als das Schreien anfängt. Werden still, als das Gepolter losgeht. Das ganze Haus wackelt. Frauen kreischen, werden aber vom Radau zerbrechender Gegenstände übertönt. Nasses Klatschen von platzender Haut, trockenes Knacken von splitterndem Holz, oder sind das Knochen?

Stille.

Schwere Schritte nähern sich. Scheiße! Jemand kommt auf unser Versteck zu. Wir halten den Atem an. Mit weit aufgerissenen Augen kauern wir in der Dunkelheit, zittern und hoffen auf das Beste. Jemand steht direkt vor dem Schrank und keucht.

Die Schranktür wird aufgeschoben, und mein Onkel steckt den Kopf herein. Ein Riese, der schwankt und lallt. Aus einer Wunde über dem Haaransatz fließt ihm Blut über das Gesicht.

»Ich wollte euch nur sagen, ihr braucht keine Angst zu haben, Kinder.«

Dann macht er die Tür wieder zu.


Eisfuchs

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