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Nummer 29: Am Gully von Gunnar Günsch

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Libell Libell Wenigstens war es nicht mehr allzu weit bis zum Abraham. Trotz der Verspätungen. Und dass sich das Ganze auf der anderen Straßenseite befand. Nach wie vor. So hätte Anne unsere Straße einfach nur überqueren brauchen, schon wäre sie endlich vor Abrahams Türe gewesen. Auf der Seite, auf welcher sie sich nach wie vor aufhielt, passierte sie indes zunächst das Ambiente einer ehemaligen, leerstehenden Bankfiliale.

Die Filiale wurde, nachdem sich die einzigen Mitarbeiter aus verschiedenen Gründen beruflich zurückgezogen hatten, geschlossen. Da war zu einem die Kassiererin, die nach ihrer Heirat aufs Land gezogen war. Ilja indirekt, der Filialleiter des Hauses, hatte sich kurz darauf in seinen wohlverdienten Ruhestand versetzt. Zum Verdruss der Vorstädterinnen und der Vorstädter hier; nein anders hätte dies nicht gesagt werden können. Denn Dinge wie Bankgeschäfte hatte man fortan irgendwo unten im Zentrum unserer Stadt zu erledigen gehabt. Entsetzlich, wenn man bedachte, dass man selbst bei einer noch so kleinen Barabhebung zu einem der anderen Filialen der anderen Stadtteile zu fahren hatte. Oder eben ins Zentrum runter – ja, es war schon ein arges Kreuz geworden mit der Bankversorgung hier bei uns.

Erleichtert nahmen sie vor kurzem sich immer verfestigte Gerüchte zur Kenntnis, dass die nun schon seit Jahren leerstehenden Geschäftsräume endlich doch wieder verpachtet werden sollte. Ihre Freude hierfür jedoch wich, als bekannt wurde, dass es sich bei dem neuen, bald Eröffnenden um einen Obsthändler handelte. Wo man hierfür doch schon den Obst– und Gemüsemarkt auf dem Parkplatz gegenüber des Kirchhofs schon zur Verfügung gehabt hatte.

Noch nicht einbezogen in ihrem Groll die Tatsache, dass genau dieser Markt auch gerade am Weichen war. Durch den Bau eines Fußballstadions für das Kneipenteam. Beziehungsweise für die unmittelbar. bevorstehende Nilpferdland –Meisterschaft.

Somit waren es zunächst Veränderungen an dem ehemaligen Bankgebäude, die Anne Hoch ins Auge fielen, als sie die erreicht hatte. Die Leuchtüberschrift „Lindenbankhaus“ über dem Schaufenster war verschwunden, Wie aus heiterem Nichts, dafür mit knallroten Lettern auf weißen Untergrund das Schild für den neuen Händler, den vorhin ja auch Olias Frech erwähnt hatte.

OBST MAYER

Neben der Filiale – der ehemaligen Filiale – die Pension der pensionierten Pensionswirtin Federica Fiel. Aufgrund eines Hüftleidens war sie zum Auskurieren an einem Kurort irgendwo nach irgendeiner Küste gezogen. Und es stand in den Sternen, wann sie wieder zurückkehren sollte – wenn überhaupt. Allerdings konnte der Betrieb in der Form aufrecht gehalten werden, indem sie Großbürgermeister Klein die Verwaltung und das Vermieten anvertraut hatte. Von Zeit zu Zeit schaute er mal nach dem Rechten, auch um die Pflanzen des Hauses mit Wasser zu versorgen.

Vor der Filiale die nächste Haltestelle für den Linienbus, Zum Verdruss der Busfahrer. Denn an dieser Stelle war es besonders schwierig, durchzukommen. Nicht dass unsere altehrwürdige Hauptstraße an dieser Stelle nicht breit genug gewesen wäre – nein dies nicht. Nein, Schuld daran war ein genau vor der Haltestelle am Bordstein befindlicher Gully. Der Deckel geöffnet und an die Seite geschoben, wurde der Kanal an dieser Stelle gereinigt und gewatet. Eigentlich, von morgens bis abends, an jedem Tag, außer an den Wochenenden, und man hatte sich kaum eines Eindrucks erwehren können, als ob dies nie fertig werde.

Jener Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Zuständige in der Regel auf einem Klappstuhl neben dem geöffneten Gully hockte. Gleichsam wie ein Filmregisseur vorm Set, bewaffnet mit einer großen Flasche Orangenlimo. In der anderen eine Stulle. Und auch hier schien es, als ob er nie fertig wurde. In diesem Fall mit dem Konsumieren von Speisen und Getränken.

Helm Hops Der Mann, um den es sich handelte, schielte ständig zur anderen Seite, wo sich – wie gesagt – Abrahams Antiquitäten befanden. Beziehungsweise ein Imbiss, und bei dem handelte es sich um keinen Geringereren wie Gunnar Günsch. Im besten Alter, war der etwas klein, jedoch unterm Strich betrachtet normal Gewachsene in blauer Arbeiterkluft gekleidet.

Libell Libell Er war nicht allein auf seinem Klappstuhl am offenen Gully. Neben ihm stand Milly Schultes, was allerdings keine Seltenheit war – nein, beileibe nicht.

Helm Hops Dies war der Hauptgrund, warum ihr Blumenladen so häufig unbesetzt war.

Libell Libell Und Lilly hatte nichts Besseres zu tun wie ihn ständig anzugrinsen. Oder sollte man in diesem Falle von anhimmeln sprechen? Selbst als sie Anne bemerkte, ließ sie mit ihren Blicken kaum von Gunnar ab.

Milly Schultes Hallo, Anne!

Gunnar Günsch Anne – ah, tatsächlich.

Milly Schultes Wenigstens ein weibliches Wesen, das du mal beachtest.

Gunnar Günsch Ja, warum denn auch nicht?

Libell Libell Anne wollte gerade die Straße überqueren, als es kommen musste, wie es kommen musste – und zwar in der Gestalt des Linienbusses. Der natürlich vor Günsch beziehungsweise seinem offenen Gully bremsen zu hatte, um langsam die rot- weiß gestreiften Warnhütchen seines Arbeitsplatzes zu umfahren. Beziehungsweise seiner Baustelle. Die Haltestelle erreicht, schaute der Fahrer, nachdem eine Handvoll Leute ausgestiegen waren, zur Tür hinaus. Sichtlich verärgert.

Helm Hops Der Fahrer aber war der dunkelhäutige Quak – Quak, dessen gedrungene Figur in einer marineblauen Fahrdienst– Uniform des städtischen Busunternehmens gesteckt war. Oder sollte man in diesem Falle eher von geknautscht sprechen? Auffälligstes Merkmal jedoch die gelb gekräuselten Haare unter der scheinbar zu klein geratenen, ebenfalls marineblauen Mütze.

Quak – Quak Immer das Gleiche an dieser Stelle!

Milly Schultes Jetzt schimpfen sie doch nicht so mit meinem Schatz.

Quak – Quak Und wie ich schimpfe! Und fertig wird der sowieso nie! Mit seiner Baustelle!

Gunnar Günsch Tja, mein Lieber, gut Ding braucht nun mal sein Weilchen.

Quak – Quak Ja, man sieht förmlich, wie Sie vorankommen!! Mit einem Schinkenbrot in der Hand.

Milly Schultes Mein Schatz wird ja wohl nach das Recht haben, etwas zu sich nehmen zu dürfen.

Gunnar Günsch Außerdem handelt es sich nicht um Schinken. Sondern um Salami.

Libell Libell Quak- Quak fuhr verärgert weiter. Anne indes hatte mittlerweile die Straßenseite überquert, so dass sie nun den Imbiss von Kalle Mitzwitz erreicht hatte. Beziehungsweise Abrahams Laden, ihrem eigentlichen Ziel. Denn waren nicht noch immer die sechs Gläser abzuholen? Für ihre Mutter, auf welche sie sich so freute? So spät es inzwischen auch gewesen worden war? Von einem Aufsuchen ihrer Freundin Paxoline ganz zu schweigen? Zwecks Mathe üben. Für morgen? Für die Klassearbeit?

Auf jeden Fall war vor beiden Läden einiges los, als Anne die Straße überquert hatte. Was genau, schildern wir nach einer kurzen Unterbrechung.

Sechs Gläser für Amalie

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