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Freiheit – Selbstbestimmung – Wahrheit Der Autor im Interview

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Viele Menschen lesen Ihre Bücher und Kolumnen. Fast ­alles, was Sie vorausgesagt haben, ist eingetreten. Und da stellt sich die Frage: Woher wissen Sie das?

Tassilo Wallentin: Da antworte ich mit Goethe: „Das Beste nur muss ich zuletzt verschweigen“. Ich habe ausgezeich­nete Quellen und Informanten, die ich nicht preisgeben kann, die mir aber einen Einblick eröffnen, den viele ­Menschen so nicht haben.

Das ist aber nicht der Grund, warum Mainstream-Medien in ihrer Beurteilung und Prognose so oft falsch liegen. Es herrscht eine aufgesetzte politische Korrektheit. ­An statt unbequemen Wahrheiten ins Auge zu blicken, be­treiben ­viele Redakteure Selbst-Zensur und Erziehungs­journalismus – also die sträfliche Ver­mischung von Fakten, Wunschdenken bzw. eigener, ideologisch gefärbter ­Meinung und Überheblichkeit gegenüber den Menschen, die mit den ­Problemen tatsächlich leben müssen. Viele ­Akteure in der Journalisten-Blase wurden in ihrer Aus­bildung von Alt-68ern geprägt. Aber die ­Zeiten haben sich fundamental ­geändert. Das Rechts-Links-Schema ­existiert nicht mehr. Ihre Erklärungsmuster ver­sagen. Eine bekannte ­Politikerin, die es mit der politischen ­Korrektheit sehr genau nimmt, hat im Zuge der Flücht­lingskrise auf ­Facebook gepostet: „Für Menschen – gegen Zäune.“ Was soll man ­damit ­anfangen? Diese Sprüche sind sympto­matisch für die ­Ohnmacht und Konzeptlosigkeit veralteter Ideolo­gien.

Daneben gibt es natürlich auch wirtschaftliche und poli­tische Abhängigkeiten, die es Redakteuren verunmöglichen, die Wahrheit zu schreiben.

Und dann ist da auch schlichte Dummheit, die ich an einem sehr aktuellen Beispiel festmachen kann: Vor ein paar ­Wochen titelte der ORF: „Schwerer Schlag für EU-Kom­mission – EU-Länder bekommen mehr Macht!“ Fast alle österreichischen Medien verwendeten ähnliche Auf­macher – vermutlich weil sie alle voneinander abschreiben oder ­dieselbe APA-Meldung verwenden. Was war ge­schehen?

Kommissionspräsident Juncker hatte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Gutachten zum EU-Singapur-Freihandelsabkommen in Auftrag gegeben. Offiziell wollte Juncker von den EuGH-Richtern wissen, welche Punkte des Abkommens die EU alleine und welche Punkte die EU nur mit ausdrücklicher Zustimmung der 28 natio-nalen ­Parlamente vereinbaren darf. Das EU-Singapur-Abkommen diente nur als Aufhänger. Es war das tro­janische Pferd. ­Juncker ging es um viel Größeres als ­Singapur. Er wollte sich vom EuGH einen „Freibrief“ ­ausstellen lassen, um das hochumstrittene Freihandels­abkommen TTIP ohne Parlamente unterschreiben zu ­können. Kein Politiker gibt ein Gutachten in Auftrag, ohne vorher zu wissen, was in dem Gutachten stehen wird. Und Juncker erhielt seinen Freibrief. Und zwar auf sehr ­geschickte Weise: Der EuGH ­erklärte medienwirksam, dass die nationalen Parlamente ein Veto-Recht hätten, wenn Konzernen die Möglichkeit eingeräumt wird, Mitgliedsstaaten vor Schiedsgerichten zu klagen. Das feierten fast alle Medien und Journalisten als großen Sieg und ­gewaltige Niederlage der EU-Kommission.

Auch ich wollte darüber schreiben und besorgte mir das Gutachten. Ich musste es zweimal lesen, da ich es nicht glauben konnte. Von einem Sieg kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Es war eine der größten Niederlagen für den ­Parlamentarismus überhaupt. Die EU kann Großkonzernen den ungehinderten Zugriff auf unsere Wasser- und Energieversorgung, Rohstoffe, Landwirtschaft, unser Finanz-, So­zial-, Gesundheits- und Bildungswesen verschaffen – und Österreich hat keine Mitsprache. Die EU kann In­vestoren das Recht einräumen, Österreich in Milliarden­höhe zu verklagen, weil bei uns weder Chlorhuhn noch Hormonfleisch verkauft oder zu Billigstlöhnen produzieren werden darf –und Österreich hat keine Mitsprache! Wir haben lediglich ein Mitspracherecht in der Frage, ob ein Schiedsgericht oder staatliches Gericht über Streitigkeiten aus dem Freihandelsabkommen entscheiden soll. Dabei ist es letztlich völlig egal, ob ein ausländischer Investor Österreich vor einem Schiedsgericht oder einem staatlichen ­Gericht klagt: jedes Gericht muss geltendes Recht an­wenden. Und das geltende Recht wäre in diesem Fall ein weitreichendes Frei­handelsabkommen, auf dessen Inhalt unser Parlament ­überhaupt keinen Einfluss hat. Wenn also laut Freihandelsabkommen einem Tabakkonzern Schadenersatz zusteht, weil Österreich das Rauchen in öffentlichen Gebäuden ­verbietet, dann erhält der Tabakkonzern Schadenersatz – und zwar vor einem staatlichen Gericht wie vor einem Schiedsgericht. Darüber sollte man sich nicht täuschen. Die EU braucht nur das ­Thema „Schiedsgericht“ bei den Verhandlungen auszuklammern und kann TTIP im ­Alleingang abschließen.

Kaum ein Journalist hat dies durchschaut. Fast alle sind in die Falle getappt. Ich halte das für mehr als bestürzend, dass Journalisten nicht mehr sinnerfassend lesen können. Juncker muss sich totgelacht haben.

Beginnen wir mit Österreich. Man hat das Gefühl, wir leben in einer Umbruchzeit. Bundeskanzler Kern spricht vom New Deal und davon, dass das Regieren ein Marathon und kein Sprint ist. Nichtsdestoweniger muss man, egal ob Sprint oder Marathon, immer ein Ziel vor Augen haben. Die Frage an Sie, wie sehen Sie im Moment die politische Situation in Österreich. Das Vertrauen der Bevölkerung ist im Moment nicht das allergrößte.

Wallentin: Es gibt faktisch kein Vertrauen in die Politik, und das zu Recht. Wir haben keine Staatsmänner mehr, sondern nur noch Funktionäre oder bestenfalls Verwalter der herrschenden Zustände. Unsere Regierungsverantwortlichen ver­stehen die Zeichen der Zeit nicht, weil sie kein historisches Gefühl besitzen. Wir leben in einer Zeitenwende. Die Nachkriegsordnung ist vorbei. Die Welt richtet sich auf das nun kommende Zeitalter aus. Sie erlegt sich eine Neuordnung für die nächsten 100–150 Jahre auf. Der globale Verteilungs­kampf hat längst mit voller Härte eingesetzt. Wer ­seinen Platz jetzt nicht findet, hat auf Generationen ver­loren.

Nehmen Sie China: 400 Millionen Chinesen leben bereits in moderatem Wohlstand. Die Chinesen haben den Sprung in die digitale Wirtschaft schneller vollzogen als viele westliche Länder. Sie haben ganze Forschungs- und Entwicklungs­phasen übersprungen. In Asien kommt ­ Europa kaum noch vor. Unsere Schulen werden immer schlechter.

Wie sehr sich das Umfeld geändert hat, sieht man auch am Beispiel des Freihandelsabkommens TTIP. Hätte Österreich den freien Handel in den fünfziger Jahren abgelehnt, dann wäre das glatter Selbstmord gewesen. Aber der Frei­handel im Jahre 2017 ist mit dem Freihandel der 50er-Jahre nicht zu vergleichen. TTIP ist nur zu einem sehr geringen Teil ein klassisches Handelsabkommen. Es ist ein geostrategisches Instrument, um den 500-Millionen-Verbrauchermarkt EU zu besetzen, bevor die Chinesen, ­Inder oder ­Russen kommen. Es ist ein modernes Kampf­mittel im Ringen um die Neuordnung der Welt. Um den freien Handel geht es nur am Rande. Das Abkommen bietet ja kaum neue Anreize für Investoren. Denken Sie nur an das TTIP-Gutachten der weltberühmten London School of Economics, das die britische Regierung in einer Schub­lade verschwinden lassen wollte. Der Befund lautete: „Kaum wirtschaft­licher und politischer Nutzen, viele Risiken und erhebliche Kosten für den britischen Steuerzahler.“ Wie ­gesagt, es geht weniger um Wirtschaftsfragen, sondern um Geostrategie nach dem Motto: „Wer zuerst kommt, kriegt die Braut“.

Ein anderes Beispiel ist das Asylchaos. Wir haben es mit ­einer Völkerwanderung zu tun. Das politische und journalistische Establishment tut aber so, als handelte es sich um die Gastarbeiterdiskussion der siebziger Jahre. Unsere Gesetze sind schon längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Menschenrechtskonvention, EU-Grundrechtecharta, Asylrecht und Sozialrecht. Diese Gesetze wurden einst zum Schutz einzelner, konkret verfolgter Nachbarn gebaut. Zur Abwehr einer Völkerwanderung sind sie nicht ­geeignet. Am allerwenigsten wurden sie für die Situation ­geschaffen, dass etwa 400 Millionen Afrikaner und Araber aus zerfallenden Staaten in den Norden Europas ein­wandern wollen. Und für mich lautet die große Zukunftsfrage: Kann man schnell genug umschalten, anpassen und dagegenhalten? Das ist nichts weniger als die Zukunftsfrage Europas.

Bleiben wir bei der Flüchtlingskrise. Wer vor zwei Jahren am Bahnhof nicht „Welcome“ geschrien hat, war auto­matisch einer auf der rechten Seite. Inzwischen, kommt mir vor, ist hier ein Wandel passiert. Wo hört die Menschlichkeit auf und wo fängt das Ausnützen an?

Wallentin: Wie gesagt: Das „Links-Rechts-Schema“ ist überholt. Wer in der früheren Sowjetunion für die Privatisierung des Gur­kenhandels eintrat, war ein Faschist. Wer in Texas ­gegen die Todesstrafe demonstriert, ist ein Linker. Wer zu Beginn der Flüchtlingskrise nicht am Bahnhof „Willk­ommen“ schrie und Beifall klatschte, war ein rechter ­Hetzer. Und wer es heute noch tut, handelt gegen die Regierungs­linie der Sozialdemokraten, die eine Asyl-Obergrenze beschlossen haben.

Aber um die Frage nach dem Ausnützen in Zahlen zu be­ant­worten: Von 230 Millionen Flüchtlingen weltweit sind nur 10 % Asylberechtigte nach der Genfer Konvention. Meh­rere hundert Millionen Menschen sitzen auf gepackten Koffern. Wir können nicht jedem, der auf der Suche ist nach einem neuen Leben, die Tore öffnen. Der US-amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedman sagte einmal: „Man kann einen Sozialstaat haben und man kann ­offene Grenzen haben; aber man kann nicht beides gemeinsam haben“. Wenn jemand dafür plädiert, dass die Grenzen offen sind, dann muss er auch den Sozialstaat abschaffen. Das ist in den USA nicht anders. Wer in die Vereinigten Staaten auswandert, erhält sieben Jahre lang keinen Cent vom Staat. Hingegen erhält jeder, der in Österreich auch einen Asylantrag stellt, von Tag eins an volle Grundver­sorgung samt Zuschüssen sowie Krankenversicherung ohne Selbstbehalte. Auch dann, wenn der Asylantrag offensichtlich unberechtigt ist. Hinzu tritt, dass man mit ein paar einfachen Tricks nicht mehr aus ­Österreich abgeschoben werden kann. ­Solche Nachrichten verbreiten sich in den zer­fallenden ­arabischen und afri­kanischen Staaten wie ein Lauffeuer. Laut einer UN-Studie verdienen 3,5 Milliarden Menschen weniger als zwei Dollar pro Tag. Frau Merkel sagt dann auch noch: „Wir schaffen das“ und weigert sich bis heute, diesen Satz zurückzunehmen. Glaubt irgend­jemand, dass man den ­daraufhin einsetzenden Sturm aufhalten kann?

Böse Zungen behaupten, dass diese Flüchtlingsthematik auch Wirtschaftszweige sind?

Wallentin: Das ist mit Sicherheit der Fall. Nehmen Sie nur die Krise im Mittelmeer. Den Bürgern verkauft man die Völkerwanderung als „Seenotrettung“. Dabei läuft das Ganze nach ­einem perfekt eingespielten System ab: Hundertausende ­Armutsflüchtlinge reisen nach Libyen. Dort setzen Schlepper jeweils 100–150 Personen in ein Schlauchboot. Jeder Insasse bezahlt vorab 1500 Dollar. ­Einer bekommt ein ­Satellitentelefon, in dem die Nummer der EU-Küstenwache Frontex eingespeichert ist. Kaum auf See, ruft er bei Frontex an und sagt: „SOS“. Die EU-Schiffe eilen herbei, ­nehmen die Bootsflüchtlinge auf und befördern sie in das 480 Kilometer entfernte Italien. Wie Taxiunternehmen. Wie gesagt: Die Küste ­Libyens ist etwa 480 Kilometer von Italien entfernt. Das ­libysche Festland hingegen liegt in nur etwa 20 Kilometern Entfernung. Warum wird man zur ­Rettung aus Seenot auf die andere Seite des Meeres, nach Italien, befördert? Was hat die italienische Küstenwache vor der libyschen Küste zu suchen? Ist sie nun weltweit ­zuständig? Fährt sie demnächst auch in den Hafen von New York oder Tianjin, um Flüchtlinge nach Italien zu transportieren? Die Schlepper verdienen jedenfalls – und woher das Geld mancher NGOs kommt, bleibt oft im Dunkeln. Die italienische Staats­anwaltschaft wirft einigen Hilfsorgani­sationen die direkte Zusammenarbeit mit Schleppern vor. Es gibt ­genügend ­Personen, die an der Destabilisierung ­Europas ­geschäftliches Interesse haben. Wie sagte Franklin D. Roose­velt: „In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas ­geschieht, kann man sicher sein, dass es auch auf ­diese ­Weise geplant war.“

Alles in allem, das Boot ist voll, natürlich soll man helfen, wenn jemand wirklich Hilfe benötigt, aber Wirtschaftsflüchtlinge?

Wallentin: Das Problem ist, dass die großflächige illegale Massen­zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen unter Missbrauch unseres Asylrechtes stattfindet: Wer seinen Reisepass wegwirft und den österreichischen Behörden eine falsche Identität ­angibt, kann nie mehr abgeschoben werden. Selbst Mörder, Kinderschänder, Vergewaltiger und Drogenhändler können nicht abgeschoben werden, wenn ihnen im Heimatland „erniedrigende Behandlung droht“ – was in nahezu jedem afrikanischen oder arabischen Land der Fall ist. Extrembeispiele sind die Berichte über die Massenvergewaltigung einer 29-Jährigen durch acht Iraker, 22 Tschetschenen mit Maschinenpistole auf dem Weg zum Bandenkrieg oder den 14-jährigen ­Afghanen, der 140 Straftaten verübte, darunter 22 Raubüberfälle. Sie alle können im Fall straf­gerichtlicher Verurteilung nicht oder kaum abgeschoben werden. Selbst wenn man ihnen den Flüchtlingsstatus aberkennt, dürfen sie in Österreich bleiben und erhalten etwa in Wien weiter volle Sozial­leistung. Dazu kommen Länder wie Marokko und Algerien, die ihre illegal in die EU eingereisten Staatsangehörigen einfach nicht zurücknehmen. Wenn Sie heute einen türkischen Pass haben und einen Asylantrag erfolgreich beantragen wollen, dann machen sie einfach folgendes: Sie stellen sich vor eine PKK-Fahne, lassen sich fotografieren und stellen das für 5 Minuten ins Internet. Dann schicken sie den Link der Polizei und sagen, sie werden jetzt aus politischen ­Gründen in der Türkei verfolgt werden und schon haben Sie ihren Asylstatus.

Was sind die Lösungen?

Wallentin: Auffanglager außerhalb der EU, Grenzsicherung, kein Geld – nur Sachleistungen für Asylwerber: also Essen, Bett, Versorgung im Notfall, Abschiebung aller Nicht-Asylberechtigten und kriminellen Asylanten nötigenfalls auf von der UNO geschützte Inseln. Und vor allem: Es muss eine ­Änderung in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts­hofes erfolgen. Zahlreiche EU-Gesetze wie das Schengen-Abkommen können wir innerstaatlich nicht abändern. Aber wir können unser Verhältnis zur EU neu definieren. Nach dem Motto: Wenn ein Staat wie Österreich die massenhafte illegale Einreise in sein Territorium nicht mehr kontrollieren kann, dann sind Demokratie, Sicherheit und sozialer Rechtsstaat in höchster Gefahr. Dann besitzen EU-Gesetze nur noch eingeschränkte Geltung – dann hat die Souveränität des ­Landes Vorrang. Ich habe das einmal in einem Beitrag so zusammen­gefasst: „Zur Selbstzer­störung sind wir nicht verpflichtet.“ In Deutschland ­existiert übrigens eine derartige Rechtsprechung.

Bleiben wir noch in Österreich. Sicherheitspolitik und ­Kriminalitätsentwicklung sind für die Bevölkerung sehr wichtig. Statistiken werden oft bis zur Aussagelosigkeit ­verändert. Wie sehen Sie das?

Wallentin:

„Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“, meinte Winston Churchill. Ich halte von Statistiken sehr wenig. Statistisch gesehen ist der sicherste Platz während eines Gewitters die Kirchturmspitze – denn dort hat es seit Menschengedenken die wenigsten Blitzschlagopfer ­gegeben. Oder: Bill Gates ist 80 Milliarden Dollar schwer. Säße er mit mir alleine in einem Raum, dann hätten wir beide ein statistisches Durchschnittsvermögen von 40 Milliarden Dollar. Damit ist zu Statistiken bereits sehr viel gesagt. Das wahre Ausmaß der Kriminalitätsentwicklung wird oft gezielt verheimlicht. Was die Regierung den Bürgern nicht offenbaren will, wird nicht mitgezählt. Jeder Minister kann das Ergebnis drehen und lenken wie er will. Zum Beispiel wurde der Angriff des ­afghanischen Sex-Mobs auf Frauen in Innsbruck zu Neujahr nicht der Asylwerber-Kriminalität zugerechnet, da ­„offiziell gegen unbekannt“ ermittelt wird. Das, obwohl die Polizei den Täterkreis ganz genau kennt! Es kam immer wieder vor, dass ein Täter etwa 20 Einbrüche ­ verübte und das in der Kriminalstatistik als nur ein Delikt dargestellt wird. Als die Anzeigen gegen die Drogenmafia in Wien massiv anstiegen, kam „die Anweisung von ganz oben“, in der nächsten Zeit an den Brennpunkten weniger zu kontrollieren, damit die Zahl der Aufgriffe nicht mehr so hoch ist.

Sie haben den Bürgermeister von New York sehr gelobt mit seinen Aktionen – Rudi Giuliani hat ja in New York schnell die Kehrtwende bei der Kriminalität geschafft.

Wallentin: Ja, New York war damals ein Verbrechenssumpf. Giuliani schaltete auf „Law-and-Order“-Politik um. Ein wenig wie Eliot Ness im Chicago der 1930er-Jahre. Danach war New York eine der sichersten Städte der Welt. Das sagt alles.

Was war die beste seiner Aktivitäten?

Wallentin: Er hat mit voller Härte durchgegriffen. Selbst bei kleinen Delikten. Die Polizei hat Präsenz gezeigt.

Zur Euro-Politik: Griechenland kostet uns viel Geld. Ich weiß, dass Sie ein großer Gegner sind, dass wir da weiter Geld zahlen.

Wallentin: Das Griechenland-Thema ist nur ein Mosaikstein einer weit größeren Frage, nämlich der nach der Währungsunion und dem Euro. Man hatte den Menschen damals versprochen, dass der Euro so hart sein würde wie der Schilling oder die D-Mark. Doch stattdessen entwickelt er sich zum Nachfolger der italienischen Lira. Das war auch für jeden, der Hausverstand besaß, vorhersehbar. Man kann nicht zahlreiche schwache Währungen mit einigen wenigen starken mixen und glauben, dass daraus eine starke ­Währung entsteht. Es war ein historischer Fehler, dass man Griechenland erlaubt hatte, sich in die Währungsunion hinein zu mogeln. Frankreichs ehemaliger Präsident Giscard d’Estaing hatte noch Altgriechisch in der Schule. Er vertrat die – reichlich naive – Auffassung, dass es kein vereintes Europa ohne Griechenland geben kann. Er hatte dabei aber ver­gessen, dass zwischen dem damaligen Griechenland und dem von heute ein paar tausend Jahre liegen und die innere Verwandtschaft des heutigen Griechen mit ­Sokrates ungefähr so eng ist, wie meine Verwandtschaft zu Heidi Klum.

Die Folge von all dem ist, dass die gesamte Eurozone nunmehr einem gigantischen Italien gleicht: schwache Währung, kein Wachstum, steigende Preise, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und politische Instabilität. „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, lautete die destruktive Politik von Frau Merkel, für die sie auch noch monatelang als Retterin gefeiert wurde. In Wahrheit verwandelte man die Eurozone in eine monströse Schuldenunion, in der faktisch jeder Staat für die Schulden des anderen haftet. Die europäische Zentralbank kauft zur Eurorettung seit März 2015 zeitlich unbegrenzt um 80 Milliarden Euro pro Monat faule Kredite und Schrottpapiere von Krisen­ländern. Das bedeutet Umverteilung und Inflation. Griechenland, Spanien, Portugal und Italien haben die schlechtesten volkswirtschaftlichen Daten, seit es Aufzeichnungen gibt. Dennoch schaffen sie es weiterhin, sich mit immer ­neuen Schulden auf den Kapitalmärkten zu finanzieren. Das ist auch kein Wunder, weil wir für sie haften. Wir müssen den Krisenländern mittlerweile dankbar sein, wenn sie in der Eurozone bleiben, denn aufgrund dieser gigantischen Haftungen, die wir eingegangen sind, würde das Ausscheiden eines Pleite­staates aus dem Euro für uns ungeheure ­finanzielle Opfer bedeuten. Es hätte schon längst zur Ab­haltung einer Schuldenkonferenz wie nach dem Zweiten Weltkrieg, Aus- und Wiedereintrittsoptionen für Krisen­länder und Entmachtung der europäischen Zentralbank kommen müssen. Die London School of Economics hat schon vor Jahren in einem Gutachten nachgewiesen, dass sich die griechische Wirtschaft im Falle des Euroaustrittes binnen zwei Jahren vollständig erholen würde.

Ein Frage, die angesichts der fast gescheiterten Währung ­naheliegend ist: Ist die heutige EU, also so, wie sie sich jetzt darstellt, überlebensfähig?

Wallentin: Als zentralistischer Einheitsstaat ist sie sicher nicht überlebensfähig. Es müsste auch schon längst ­Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen geben. Nach dem Austritt der Briten hätten Junker und Merkel ­ihren Hut nehmen müssen. Diese Personen haben das ­europäische Desaster samt Austritt der Briten maßgeblich zu verantworten. Ich selbst hegte immer gesunde Skepsis ­gegenüber Großbritanniens Rolle in der EU. Ich unterstellte ihnen in vielen Fragen „Inseldenken“ und die ­Tendenz, sich Rosinen aus dem Kuchen zu picken. Aber in der Zwischenzeit musste ich erkennen, dass die Briten „Erzliberale“ sind und sich schon von Natur aus gegen alles stemmen, was nach europäischem Einheitsstaat riecht. Frankreich wird zentral regiert und Frau Merkel stammt aus der DDR. Die Briten hingegen ­haben eine lange Geschichte als Handels- und Seefahrernation hinter sich. Sie sehen die EU als das, was sie eigentlich sein sollte: eine Wirtschaftsunion. Und genau dort müssen wir auch wieder hinkommen.

Islamismus – katholische Kirche: Was ehrlich gesagt ein bisschen überrascht, ist, dass von der katholischen Kirche sehr wenig Gegenwehr kommt. Es geht um die Diskussion, dass das Kreuz jetzt in vielen Schulen verschwinden soll, dass da das Christkind nicht mehr vorkommen darf. Das verwundert.

Wallentin: Unsere westlichen Demokratien sind ohne Christentum und darauffolgende Aufklärung im 18. Jahrhundert gar nicht denkbar. Das kann man an einem sehr einfachen Beispiel festmachen. Unser ehemaliger Bundespräsident Heinz Fischer hielt eine Ansprache zum Nationalfeiertag und behauptete: „Demokratien sind immer stärker als Terrorismus“. Ich stellte dann in meiner Kolumne die Frage: „Was ist eigentlich Demokratie“? Meine Antwort lautete: Demokratie ist die Entscheidung der Mehrheit, und sonst gar nichts. Wenn 80 % für die Einführung der Sklaverei stimmen, dann wird die Sklaverei eingeführt. Das Gesetzbuch schützt uns vor gar nichts. Schon die alten Griechen sagten: „Der Mann steht für den Eid, aber nicht der Eid für den Mann.“ Dass wir heute nicht über die Sklaverei abstimmen, ist kein Verdienst der Demokratie oder ihrer jederzeit änderbaren Gesetze. Der Grund, weshalb wir über die Einführung des Sklavenhandels nicht abstimmen, ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von einer 2000-jährigen christlich-abendländischen Kultur geprägt ist. Wir haben die Überzeugung, dass jeder Mensch angeborene Rechte hat, frei ist und Menschenwürde besitzt. Diese Grundwerte sind nicht dem Spiel von Mehrheit oder Minderheit unterworfen. Man kann nicht darüber demokratisch abstimmen, ob ein Mensch Würde hat oder nicht. Er hat sie. Genau genommen endet die Demokratie hier. Viele Kulturen sehen das mit der Menschenwürde aber ganz anders. Man denke nur an Indien und sein Kastenwesen. Lassen Sie einmal ein paar Generationen ohne christlich-abendländische Kultur aufwachsen. Da bin ich mir dann nicht mehr so sicher, ob wir nicht doch einmal über den Sklavenhandel abstimmen werden – der übrigens lange Zeit historische Normalität war. Mit einem Wort: Unsere Idee von Gut und Böse, Recht und Unrecht entstammt der christlich-abendländischen ­Kultur. Dieser Prägung kann man sich nicht entziehen, selbst wenn man sonntags nicht in die Kirche geht oder Atheist ist.

All das ist übrigens auch der springende Punkt in der Islamdebatte. Wenn eines Tages die Mehrheit für Einführung des Kopftuches und Scharia stimmt, dann werden Kopftuch und Scharia eingeführt. Daran sollte besser niemand zweifeln. Die Demokratie ist das Glas, aber die Werte der Menschen sind der Inhalt. Und nur weil unsere Wertewelt auf dem Wege der Verabschiedung begriffen ist, bedeutet das noch lange nicht, dass das für andere Länder ebenso gilt, nur weil zahlreiche Armutsmigranten von dort ­kommen. Das sieht man ja an der hohen Zustimmung der „Austro-Türken“ für Präsident Erdogan.

Was wäre Ihr Ansatz, ihre Politik? Das Fazit für Österreich aus all dem?

Wallentin: Ich bin für die Einführung der direkten Demokratie. Ich habe es mehr als einmal in meiner Kolumne geschrieben: „Wie schafft man es, dass es 500 Jahre keinen Krieg gibt, vier Religionen und vier Volksgruppen mit vier Sprachen und 26 Kleinstaaten zu Wohle aller existieren, die Löhne die höchsten Europas sind, die Infrastruktur perfekt ist, die Währung zu den stärksten der Welt zählt, die Grenzen geschützt sind und kriminelle Asylanten ausgewiesen werden?“ Mit direkter Demokratie nach Schweizer Vorbild. Die Schweiz mit ihren acht Millionen Einwohnern ist das demokratischste Land der Welt. Dort herrscht direkte Demokratie. Nicht Politiker, Parteien und Günstlinge haben das Sagen, sondern die Bürger. Österreich stünde heute anders da, wenn die Bürger über Asyl-Politik, Finanzierung von Krisenländern und Pleite-Banken, TTIP, ESM-Rettungsschirm, Steuerlast, Verwaltungsreform und Registrierkassen abstimmen könnten. Der berühmte Schweizer Journalist Kurt Felix brachte den Unterschied humorvoll auf den Punkt: „Deutschland hat glückliche Politiker und ein unglückliches Volk. Die Schweiz hat ein glückliches Volk und unglückliche Politiker.“

Offen gesagt Band 4 - Die Verantwortung

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