Читать книгу Sei dein eigener Ernährungscoach! - Tatiana Mouret - Страница 4

Kapitel 1 Ab jetzt bin ich mein eigener gesundheitscoach.
Rein in den Ernährungsdschungel

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Ist es nicht absurd, dass wir Otto Normalverbraucher heutzutage so wenig über unsere Körper wissen?

Dass ich selbst jahrelang keine wirkliche Ahnung von den Prozessen hatte, die tagtäglich im Körper ablaufen, wurde mir erst klar, als ich mich intensiv mit diesem Thema beschäftigte. Die Aussage »Wissen ist Macht« bekam für mich damals eine ganz neue Bedeutung. Denn solange wir uns nicht mit den Phänomenen auseinandersetzen, die uns als Menschen direkt betreffen, tappen wir ständig in Fallen und wundern uns, weshalb wir unsere körperlichen Beschwerden nicht loswerden und keine Diät richtig funktioniert.

Wir essen gedankenlos das, was die Lebensmittelindustrie uns in den Supermarktregalen präsentiert. Wenn wir uns nicht wohlfühlen und Beschwerden haben, holen wir uns beim Arzt ein Medikament. So bewegen wir uns in einer gut getarnten Abhängigkeit immer im Kreis und belassen die Verantwortung bei anderen. Das alles passiert allerdings nicht bewusst. Vielmehr wird uns von klein auf vermittelt, bei körperlichen Beschwerden einen Arzt aufzusuchen, und ebenso lernen wir die allgemeinen Ernährungsempfehlungen, mit denen es jedem Menschen gut gehen müsste.

Aber ist es nicht eigentlich ein Gefühl der absoluten Freiheit, dass wir uns das Wissen darüber aneignen können, was in unserem Körper vor sich geht, und wir so unser Wohlbefinden selbst beeinflussen können? Durch dieses Basiswissen und mehr Vertrauen in die eigene Intuition können wir Unabhängigkeit erlangen und unser Wohlbefinden positiv beeinflussen.

Eine große Gefahr auf dem Weg zur individuell passenden Ernährung ist es, wenn man an sich selbst und den Signalen seines Körpers zweifelt. Mir ging es eine Zeit lang so, da die Tests auf Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz und Glutenunverträglichkeit negativ ausgefallen waren. Ich wusste zwar, dass mir diese Lebensmittel nicht bekamen, aber ich hatte es nicht schriftlich. Natürlich verunsicherte mich das in gewisser Weise. Ich fragte mich oft, ob ich mir das alles vielleicht nur einbildete. Auch wusste ich, dass ein Buttercroissant mich nicht umbringen würde. Ich hätte zwar Beschwerden danach, aber die würden ja auch wieder verschwinden. Durch solche Gedanken und den fehlenden Stempel vom Arzt wurde meine innere Überzeugung immer mal wieder schwammig. Hinzu kam noch die Unbeschwertheit der Menschen um mich herum, die ja diese ganzen Lebensmittel aßen, die ich mied, und denen es prächtig dabei ging. Immer wieder begann ich, an mir zu zweifeln – und das trotz der Tatsache, dass ich meine Unverträglichkeitssymptome spüren und sehen konnte. Oft gab es auch Phasen in meinem Leben, in denen ich einfach andere Sorgen hatte, als genau darauf zu achten, was ich aß. Dann verfiel ich wieder in alte Ernährungsmuster und die Beschwerden wurden wieder schlimmer. Das ging so lange hin und her, bis ich wirklich begriffen hatte, dass Nahrung existenziell ist. Dass Nahrung die Basis ist, auf der sich unser Körper immer wieder aufs Neue aufbaut. Mir wurde klar, dass Ernährung kein Thema ist, das man einfach mal so beiseiteschieben kann. Ich verstand, dass wir sind, was wir essen. Und dass – ganz egal, welche Einflüsse um mich herum herrschten – es in meiner Verantwortung lag, jeden Tag aufs Neue selbst zu bestimmen, was ich aß. Und so verabschiedete ich mich nach und nach von Zusatzstoffen in der Nahrung, raffiniertem Zucker, Weizen, Roggen, Fleisch und Kuhmilch. Um genau diese Lebensmittel, die Gift für meinen Körper waren, entlarven zu können, musste ich mich allerdings erst einmal durch einen Dschungel an Ernährungstrends und Diätempfehlungen kämpfen.

Oft werden Ernährungsweisheiten irgendwo aufgeschnappt und ohne weitere Reflexion direkt in die Tat umgesetzt. So wie Mark und Emilia, zwei Bekannte, die sich einmal darüber unterhielten, ob eine Gurke mit oder ohne Schale zu verzehren sei, während ich interessiert zuhörte.

Mark hatte kürzlich einen Artikel zum Thema Ernährung gelesen und erklärte: »Also ich esse Gurken nur noch ohne Schale, seit ich gelesen habe, dass in der Schale noch Reste von Pestiziden drin sind.«

Emilia verdrehte die Augen: »Mensch, Mark. Dann musst du halt ’ne Bio-Gurke kaufen. Aber die Schale muss immer mitgegessen werden, da stecken doch die ganzen Vitamine drin.«

Mark argumentierte weiter: »Bei Bio weiß man ja gar nicht so genau, ob das wirklich alles ohne Schadstoffe läuft. Außerdem sind es nicht nur die Pestizide. Da stand auch, dass die Gurkenschale so oder so total schwer verdaulich ist.«

Emilia lenkte ein: »Ja, aber das gilt doch bestimmt nur für Babys. Ein erwachsener Körper wird doch mit einer Gurkenschale fertig, ich bitte dich!«

Mark war verwirrt, wollte aber noch nicht so ganz von seiner neuen Erkenntnis aus dem Artikel ablassen: »Trotzdem scheint da ja irgendwas nicht ganz zu stimmen mit den Gurken und ihrer Schale. Ich bin da jetzt vorsichtig.«

»Ich esse meine Gurke trotzdem weiter mit Schale. Dann nehme ich eben die Schadstoffe in Kauf. Die Vitamine gleichen das ja dann wieder aus«, bekräftigte Emilia ihren Standpunkt.

»Wenn du das so siehst, dann kannst du dir aber auch gleich die ganze Gurke sparen.« Mark schüttelte den Kopf. »Ach, irgendwie weiß man ja gar nicht mehr, was man jetzt essen soll und was nicht.«

Emilia stimmte Mark in dieser Hinsicht zu und wechselte mit einem Schulterzucken das Thema.

Sowohl Marks Erkenntnisse aus dem Artikel als auch Emilias Ansicht wirkten schlüssig auf mich. Tatsächlich wissen wir Otto Normalverbraucher oft nicht, welchen Informationen wir in Bezug auf diverse Ernährungsaspekte trauen sollen. Selbst wenn sich die eine Theorie durchgesetzt hat, kann sie jederzeit wieder revidiert werden, und das lässt uns irgendwann den Durchblick verlieren.

Unsere Intuition lassen wir, wenn es um die Themen Gesundheit und Ernährung geht, oft außer Acht, denn wer will sich schon allein auf sein Bauchgefühl verlassen, wenn es Ernährungsexperten gibt? Wir vertrauen einer wissenschaftlichen Studie und den Aussagen der Medien sowie unseres Hausarztes – nur nicht uns selbst.

Das müssen wir aber. Denn die Studien und Theorien sind widersprüchlicher denn je: Tierische Proteine versus pflanzliche Eiweiße, Getreide versus Nüsse und Samen, Kohlenhydrate versus Fette, Schulmedizin versus Naturheilkunde – die Liste ist lang.

Diese Widersprüchlichkeiten zeigen sich auch immer wieder im Alltag, wenn sich Menschen mit den verschiedensten Essgewohnheiten begegnen. Vor allen Dingen beim gemeinsamen Abendessen kommen gern mal Diskussionen über die »eine« richtige Ernährung auf.

Ich erinnere mich an einen Paella-Abend, zu dem mich eine Freundin mitnahm. Wir saßen in einer netten Runde um den Tisch und kamen auf das Thema gesunde Ernährung. Ausschlaggebend dafür war Maria. Maria lebt seit ihrem zehnten Lebensjahr vegetarisch, da sie Tiere liebt. Anton, Gastgeber und gleichzeitig großer Fleisch-Fan, regte sich tierisch darüber auf, dass Maria die Fleisch- und Fischstücke aus ihrer Paella-Portion herauspickte und zur Seite legte – und schon war die Diskussion entfacht. Nachdem Anton die Standardsprüche wie »Wer kein Fleisch isst, mit dem stimmt doch was nicht« und »Der Mensch ist dazu geschaffen, Fleisch zu essen. Wir brauchen die Proteine« herausgelassen und Maria ihn als Tiermörder beschimpft hatte, stiegen alle Gäste einer nach dem anderen in die Diskussion mit ein – mit dem Ergebnis, dass am Ende keiner auch nur einen Zentimeter von seinem Standpunkt abrückte. Im Gegenteil: Ich kann mir gut vorstellen, dass Anton am nächsten Morgen aus Protest eine Extra-Portion Wurst auf seine Frühstückssemmel gelegt hat.

Wenn es um die richtige Ernährung geht, hätte natürlich jeder etwas zu dem Thema zu sagen – schließlich ernähren wir uns ja alle irgendwie. Nur leider dienen die Aussagen in solchen Diskussionen oft nur dazu, die eigenen Essgewohnheiten zu rechtfertigen, statt sich gemeinsam konstruktiv mit den zahlreichen Ernährungstheorien, die es zu entschlüsseln gilt, auseinanderzusetzen. Mir ging das irgendwann gewaltig auf den Keks. Zumal solche Gespräche totale Verwirrung stiften können und man am Ende gar nicht mehr weiß, was man nun essen soll und was nicht.

Eine weitere Herausforderung stellten die Wocheneinkäufe im Supermarkt dar, seit ich mich dem Thema »Bewusste Ernährung« öffnete. Früher bin ich mit der Einstellung »Was im Supermarkt verkauft wird, ist für den Menschen zum Essen da« in die Läden marschiert und habe den Einkaufswagen nach Lust und Laune vollgeschaufelt: Fruchtsaft, Milch, Eier, Nudeln, Baguette, Wurst und Käse, etwas Obst und Gemüse, Chips und hier und da noch ein paar Süßigkeiten. Ich habe mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, wie diese Lebensmittel hergestellt wurden und welche Inhaltsstoffe drinsteckten. Das Bewusstsein, dass Chips und Süßigkeiten nicht gesund sind, war selbstverständlich da, aber alles Weitere fühlte sich für mich völlig unproblematisch an. Bis ich dann mal wieder mit Bauchkrämpfen auf der Couch saß und mich fragte, welches Lebensmittel denn nun diesmal der Übeltäter gewesen war.

Kurz nachdem ein echtes Ernährungsbewusstsein in mir wach geworden war, wurde Einkaufen für mich erst mal zum Stresserlebnis. Eines Abends betrat ich mit einem Bärenhunger und dem Ziel, eine gesunde und sättigende Mahlzeit für mich zu finden, den Supermarkt um die Ecke, da der Bioladen bereits geschlossen hatte. Ich studierte die Rückseite jeder Verpackung, die ich in die Hand nahm, prüfte die Inhaltsstoffe und legte das Produkt dann wütend wieder zurück ins Regal. Mein Hungergefühl und die Menschen, die mich teilweise schon schief von der Seite anschauten, trugen nicht gerade dazu bei, meine Aggression zu lindern. Ich verließ den Laden schließlich frustriert mit einem Beutel Karotten und dem Entschluss, von da an immer für einen vollen Vorratsschrank zu sorgen.

Heutzutage laufe ich wesentlich entspannter an den Supermarktregalen vorbei, da ich ungefähr weiß, was wo drinsteckt. Und es steckt leider wirklich nicht immer nur das Beste in den Lebensmitteln, die man so kaufen kann.

Ich habe das Gift, das in so mancher Nahrung steckt, durch Zufall in einer sehr unschönen Form gesehen, als ich 2009 in Mittelamerika auf meinen Reisebus wartete und dabei direkten Blick auf die Plantage eines Bananenproduzenten hatte. Die Bananenstauden waren in Plastikfolien gehüllt, damit die Pestizide sich nicht zu sehr verbreiteten. Den erschreckenderen Anblick boten allerdings die Arbeiter auf dieser Plantage. Sie lebten in Hütten, direkt neben den mit Pestiziden verseuchten Feldern, und auf ihrer Haut zeigten sich merkwürdige Pigmentstörungen. Ein Einheimischer erklärte mir, dass dies eine Reaktion auf die Giftstoffe sei, von denen diese Menschen Tag und Nacht umgeben waren. Ich war zutiefst betroffen, dass diese Menschen krank wurden, damit wir auf der anderen Seite der Erde Bananen in Massen konsumieren konnten. Diese Arbeiter mit ihren Familien spiegelten mir in erschreckender Form, was die Nahrung, die wir ahnungslos kaufen, beinhalten kann. Im Prinzip weiß das so gut wie jeder von uns. Aber das Interessante an uns Menschen ist ja, dass wir – solange wir nicht mit der Nase direkt drauf gestoßen werden, sodass wir die Dinge in ihrer Wahrheit sehen oder leibhaftig spüren – vieles verdrängen und nicht mit uns in Verbindung bringen. Ich zumindest war nach meiner Reise nicht mehr in der Lage, Bananen zu kaufen, die keinen Fair-Trade-Stempel trugen. Ich begriff, dass ich mehr darauf achten musste, was ich kaufte, wenn ich mich fair und gesund ernähren wollte.

Eigenverantwortung ist das A und O auf dem Weg zu ganzheitlichem Wohlbefinden. Es geht vor allen Dingen darum, Informationen zu filtern und selbst zu spüren, was das Richtige für uns ist. Doch gerade das ist gar nicht so einfach. Eine regelrechte Informationsflut prasselt durch die Medien, diverse Ratgeber und unterschiedliche Expertenmeinungen ständig auf uns ein, sobald wir uns für das Thema »Gesunde Ernährung« öffnen. Doch woher sollen wir wissen, was für uns passend ist? Diese Frage stellte ich mir jahrelang. Und die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Wir müssen unseren Körper und alles, was damit zusammenhängt, kennenlernen, aber vor allem auf seine Signale achten.

Als ich vor ein paar Jahren, nachdem ich meine Ernährung bereits teilweise umgestellt hatte, das erste Mal von grünen Smoothies und deren tollem Effekt auf die Gesundheit hörte, war klar: Das probiere ich aus! Grünes Blattgemüse so zu zerkleinern, dass der Körper die wertvollen Inhaltsstoffe effizienter aufnehmen kann, erschien mir durchaus schlüssig. Auch das Frühstück durch einen gesunden Shake zu ersetzen und somit nicht bereits am Morgen den Verdauungstrakt zu Hochleistungen zu zwingen, hörte sich sinnvoll an.

Ich bestellte also einen Hochleistungsmixer im Wert einer einwöchigen Pauschalreise und begann, jeden Morgen eine grüne Vitalstoffbombe zu verzehren: Spinat-Ananas, Sauerampfer-Apfel oder Mangold-Himbeere – ich konnte mich so richtig austoben. Nach zwei Monaten war allerdings immer noch kein wundersamer Effekt auf meine Gesundheit eingetreten. Schlechter als zuvor ging es mir keinesfalls, aber besonders vital fühlte ich mich auch nicht nach dem Konsum von massenweise grünen Smoothies.

Zufällig und glücklicherweise hatte ich kurz darauf einen Termin bei einer Heilpraktikerin, die Traditionelle Chinesische Medizin anwandte. Sie erklärte mir bereits nach der ersten Untersuchung, dass meine Verdauungsorgane derzeit sehr überlastet seien – ich befand mich in einer extrem stressigen Phase – und grüne Rohkost momentan nicht das Richtige für mich sei, selbst wenn sie durch das Hochleistungsmixen bereits bekömmlicher gemacht war.

Auf einmal verstand ich, weshalb der positive Effekt grüner Smoothies in meinem Fall ausgeblieben war. Mein Körper war zu dieser Zeit gar nicht in der Lage gewesen, das grüne Blattgemüse sinnvoll für sich zu verwerten, sondern wartete darauf, durch Schonkost – also beispielsweise gekochtes, leicht verdauliches Gemüse – entlastet zu werden. Ist das nicht ein wunderbares Beispiel dafür, wie wichtig eine individuell angepasste Ernährung ist? Selbstverständlich sind grüne Smoothies eine vitalstoffreiche, gesunde und kalorienarme Mahlzeit, aber die Frage ist ja, inwiefern mein Körper aktuell davon profitieren kann.

Es machte also für mich zum damaligen Zeitpunkt – im Gegensatz zu heute – überhaupt keinen Sinn, jeden Tag den grünen Shake zu schlürfen. Da ich meinen neu erstandenen Mixer aber trotzdem nutzen wollte, kreierte ich meinen ganz eigenen gelben Smoothie, bestehend aus schonenderen Zutaten wie einer Banane und frischer Kurkumawurzel. Das Interessante war, dass ich bereits nach dem ersten gelben Smoothie einen positiven Effekt in mir spürte. Mein Körper sagte mir in Form eines gesteigerten Vitalitätsgefühls, dass dieses Frühstück derzeit das richtige für mich war.

Vitalität sowie das Gefühl, die Verdauung kaum mitzubekommen, sind für mich generell klare Signale, dass ich etwas richtig gemacht habe und erst einmal bei dieser Ernährung bleiben kann. Denn immer, wenn ich nach dem Essen eher Abgeschlagenheit statt neuer Energie spüre, muss logischerweise das Gegenteil der Fall sein. Nahrungsaufnahme dient der Energiezufuhr und sobald das Essen uns runterzieht, uns lahmlegt oder Beschwerden bereitet, haben wir damit ja unsere Absicht verfehlt.

Eine Ernährungsumstellung ist eine echte Herausforderung. Verlockungen warten nicht nur im Supermarkt, in Cafés oder Restaurants, auch zu Hause ist man nicht wirklich sicher. Ich schaue zwar wenig Fernsehen und bin somit von TV-Werbung weitestgehend verschont, aber meine Lieblingsserien oder auch -filme, die ich mir gern immer mal wieder anschaue, sind voll von allerlei Nahrungsfallen. Nehmen wir beispielsweise Carrie Bradshaw aus Sex and the City: Sie trinkt massenweise Kaffee und Cocktails. Es wirkt so wahnsinnig lässig und gleichzeitig elegant, wie sie mit perfektem Outfit und Make-up ihren Cosmopolitan schlürft, und der Coffee to go scheint ihr täglich das Leben zu retten. Kein Wunder, dass wir das Gefühl bekommen, wir brauchen Kaffee, wenn er überall als das Heilmittel schlechthin gegen Stress und Müdigkeit dargestellt wird. Ich könnte mir vorstellen, wenn Carrie Bradshaw jeden Morgen einen Ingwertee tränke, würde ein Großteil der Zuschauerinnen diesen Trend mitmachen und nebenbei davon profitieren. Dann gibt es da noch die klischeehaften Szenen, die man aus vielen Filmen kennt, in denen bei Liebeskummer eine Riesenportion Schokoladeneis die einzige Rettung zu sein scheint. Was wird uns dadurch vermittelt? Dass Eiscreme der Traurigkeit entgegenwirkt und unsere Wunden heilt? Wir wissen natürlich, dass das nicht stimmt, kennen aber trotzdem das Gefühl, etwas Süßes zur Aufmunterung zu brauchen. Schade eigentlich, dass die Protagonistin nicht einfach eine Runde Yoga praktiziert, was mit Sicherheit zu authentischerem Wohlbefinden als ein Becher Schokoeis führt. Das sieht man jedoch eher selten, also müssen wir den Beeinflussungen der Medien standhalten, wenn wir unsere Ernährung umstellen wollen. Diese Einflüsse wirken zwar unbewusst, das ist klar. Aber wir können sehr wohl darauf achten, ob wir gewisse Dinge wirklich aus der Überzeugung konsumieren, dass sie gut schmecken und einen positiven Effekt auf den Körper haben – denn dazu ist Nahrung ja schließlich da –, oder ob wir uns von irgendetwas manipulieren lassen.

Ich habe mich früher selbst oft dabei erwischt, dass ich es absolut normal fand, einen Coffee to go durch die Gegend zu tragen. Besonders während ich eine Zeit lang in Paris lebte, fühlte sich meine Hand erschreckend leer an, wenn sich kein Vanille-Mokka darin befand. Das Bauchgrummeln nach der täglichen Ladung Zucker, Sahne und Kaffee aus einem Plastikbecher interessierte mich dabei seltsamerweise recht wenig. Es war das Lebensgefühl, das dieser Drink mitten in der Großstadt auslöste und mich meine Beschwerden in Kauf nehmen ließ. Es fühlte sich irgendwie passend an, die Rue de Rivoli in koffeinhaltiger Begleitung entlangzuschlendern. Natürlich wirkt es übertrieben, ein wohlschmeckendes Heißgetränk zu verteufeln – aber leider bestand es genau aus den Zutaten, die mein Körper so gar nicht mochte. Entsprechend tat ich mir damit nichts Gutes.

Ich empfand es auch als völlig normal, mir um die Weihnachtszeit herum allerlei Adventsleckereien zu gönnen. Alle anderen taten es ja auch.

Gerade in der vorweihnachtlichen Zeit, die in den Supermärkten bereits Anfang September beginnt, wird man Tag für Tag verlockt, nach dem Grundsatz »Iss dich glücklich«.

Wir backen fleißig Plätzchen aus Weißmehl und Industriezucker, verschenken einen Teil und den Rest gönnen wir uns immer mal zwischendurch. Lebkuchen und Co sind spätestens ab November immer im Vorratsschrank vorhanden, natürlich nur für den Fall, dass mal Besuch kommen sollte. An jedem Adventssonntag sitzen wir dann vor unserem flackernden Adventskranz und bedienen uns am Plätzchenteller. Auf den Weihnachtsmärkten warten Glühwein und Punsch, gebrannte Mandeln sowie Fettiges aus der Frittenbude darauf, von uns genüsslich verzehrt zu werden. Eine Weihnachtsfeier jagt die nächste und die Einladungen zum gemütlichen Raclette bei Freunden häufen sich.

Ist das Fest dann da, wird kulinarisch so richtig Gas gegeben. Wochenlang haben wir geplant, was es denn nun Leckeres an welchem Weihnachtsfeiertag geben soll. Eine Weihnachtsgans mit Klößen, Kartoffelsalat mit Würstchen, Raclette oder vielleicht mal was Exotisches wie Ente à l’Orange?

Zu Neujahr erwachen wir endlich wieder aus unserem wochenlangen Fresskoma, haben allerdings erst noch mit dem Kater der Silvesternacht zu kämpfen. Wir ärgern uns zwar über zugenommene Kilos und eine gewisse körperliche Trägheit, aber irgendwie ist das ja alles halb so wild und auch völlig normal, da die Weihnachtszeit ja nun mal dazu da ist, es sich so richtig gut gehen zu lassen. Nur leider ist es etwas ungünstig, dass sich diese Periode im Extremfall über zwei bis drei Monate, also fast ein Viertel des Jahres, hinwegzieht.

Meine körperlichen Beschwerden nahmen in den Wintermonaten immer besonders zu und von Vitalität konnte ich nur träumen. Aber es erschien mir eben normal, mich in dieser Jahreszeit, in der für mich ungeeignetes Essen in Massen zu finden war, nicht zurückzuhalten. Sollte ich Weihnachtsmarktbesuche meiden? Essenseinladungen ausschlagen? Und an Heiligabend mit einer Gemüsesuppe am Tisch sitzen, während meine Familie sich über die Gans hermachte? Als ich länger darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich es mir in meiner Abhängigkeit von den äußeren Umständen bequem gemacht hatte. Weihnachten hin oder her – ich konnte sehr wohl selbst bestimmen, ob ich mich an jeder Schlemmerei beteiligte oder mich trotz der vielen Versuchungen so ernährte, wie es gut für mich war.

Oft hörte ich den Satz: »Aber es ist doch Weihnachten. Da sollte man sich nichts verbieten und sich auch mal was gönnen.« »Sich auch mal was gönnen« ist generell ein beliebtes Argument, gegen das man nicht ankommt. Die Frage ist nur, ob es noch als »auch mal« gilt, wenn es sich um eine Phase von mehreren Wochen handelt.

Natürlich ging es mir nicht darum, mich aus der Weihnachtszeit komplett auszuklinken. Aber ich sah es nicht mehr ein, ein Opfer von äußeren Umständen zu sein. Ich wollte eben nicht mehr bei jedem selbst gebackenen Plätzchen zugreifen, das mir vor die Nase gehalten wurde, und auch nicht mehr an den Weihnachtstagen nur noch mit Verdauen beschäftigt sein. Stattdessen entschied ich, dass ich mich in meiner Ernährungsweise nicht länger von Feiertagen und Traditionen derart beeinflussen lassen würde. Diese konnte ich auch gut mit für mich passenden Alternativen zelebrieren.

Abgrenzung ist unausweichlich, sobald man sich alternativ ernähren möchte. Es wird oft als unhöflich betrachtet, wenn man beispielsweise den selbst gebackenen Streuselkuchen der Arbeitskollegin nicht kosten will. Erst recht wenn sich alle Kollegen im Büro wie wahnsinnig darauf stürzen und aufgeregt davon schwärmen: »Du, die Anita hat einen Apfel-Streuselkuchen mitgebracht. Der ist selbst gebacken! Der ist so lecker, den musst du probieren. Ich hole mir später gleich noch ein Stück!«

Wenn ich dann keine Lust habe, wieder auf meine Zucker- oder Weizenunverträglichkeit aufmerksam zu machen, und still und heimlich einfach kein Stück Kuchen nehme, werde ich schief angeschaut: »Ja, wie jetzt? Willst du kein Stück von dem Kuchen probieren?«

Die Antwort »Nein, danke. Ich esse ja keinen Zucker und keinen Weizen« stößt leider oft auf Unverständnis. Stattdessen wird einem gern mal eine Essstörung oder ein Diätwahn unterstellt, wenn man sich von fettigem, süßem und ungesundem Zeug fernhält.

Es kann durchaus unangenehm sein, ständig aufs Neue dankend zu verneinen, wenn einem etwas angeboten wird, und das mag auf den ersten Blick auch unhöflich erscheinen. Aber die Option, in den sauren Apfel zu beißen und aus Höflichkeit oder eben nur, weil alle anderen auch nicht Nein sagen, eine Ladung Bauchkrämpfe zu provozieren, fiel für mich irgendwann nun einmal weg. Lieber blieb ich meinem Wissen und Gefühl in Bezug auf meinen Körper treu. Denn erst wenn wir unserem Bauchgefühl vertrauen und ganz bewusst selbst bestimmen, was wir zu uns nehmen und was nicht – und zwar unabhängig von diversen Angeboten und Meinungen –, werden wir uns dauerhaft wohlfühlen und im Ernährungsdschungel zurechtfinden.

Bauch oder Kopf?

Wem sollen wir nun eigentlich vertrauen? Der Intuition, einer Art Eingebung oder Ahnung, oder dem Verstand, durch den wir logische Schlüsse ziehen?

Wir dürfen beiden vertrauen und sowohl den Bauch – mit seiner gefühlten Ahnung – als auch den Kopf – mit seinem greifbaren Wissen – immer zu Wort kommen lassen. Ignorieren wir eine dieser Instanzen, kann uns das in Unentschlossenheit und Unzufriedenheit zurücklassen.

Das Bauchgefühl taucht spontan auf, meist noch bevor der Kopf sich meldet. Deswegen sollten wir zuerst auf die Intuition hören und diese auch Ernst nehmen. Mit dem Verstand können wir unser Bauchgefühl dann ergänzen und abgleichen. Wichtig ist es, dieses Gefühl gedanklich nicht klein zu machen. Es gibt schließlich einen Grund, weshalb der Bauch sich meldet – manchmal verstehen wir diesen erst im Nachhinein.

Nehmen wir ein simples Beispiel: den berühmten Rosenkohl, den die Großmutter immer gern kochte. Sie betonte, wie gesund er sei und dass er gefälligst regelmäßig zu essen sei. Angenommen, er schmeckt uns einfach nicht, aber wir bereiten ihn trotzdem alle paar Wochen für das gute Gewissen zu. Dann lassen wir ausschließlich den Kopf bestimmen und ignorieren unser Bauchgefühl.

Hören wir jedoch auf unseren Bauch, der dem Kohl abgeneigt ist, dann scheint unser Körper ihn gar nicht zu wollen und auch nicht zu brauchen. Der Kopf kann uns ein alternatives Gemüse, wie zum Beispiel Grünkohl oder Brokkoli, in Erinnerung rufen, auf das wir mehr Appetit haben.

Dann haben wir sowohl Bauch als auch Kopf sprechen lassen und sind klar und zufrieden.


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