Читать книгу Die Weisheit der Bienen - Tatjana Adams - Страница 12

Harro

Оглавление

Ich bin Harro.

Ich bin ein Drohn - wie ihr uns nennt.

Ich bin anders. Nicht so wie die Damen.

Ich habe sehr viel Ruhe und Gemächlichkeit und lasse mir gerne die Sonne auf den Bauch scheinen.

Wir werden hier sehr gut versorgt, regelrecht hofiert.

Unsere Aufgabe ist wahrscheinlich die wichtigste überhaupt. Wir sichern das überleben.

Ohne uns keine Nachkommen. Wir nehmen unseren Job sehr ernst und warten alle auf den einen großen Tag, an dem wir unseren Samen weitergeben dürfen. Uns ist durchaus bewusst, dass wir diesen Moment mit dem Leben bezahlen. Das sehen wir aber nicht so.

Es ist viel schlimmer, nicht zum Einsatz gekommen zu sein. Dann werden wir faul und träge und fühlen uns wie Ballast. Als solcher werden wir dann ja eines Tages auch entsorgt.

Für mich ist der Sinn des Lebens das Leben an sich. Dazu gehört eben ganz elementar, es auch weiterzugeben. Nur dafür bin ich hier.

Bis dahin darf ich es angenehm und schön haben. Ich bin aber nicht immer faul und bequem.

An manchen Tagen werde ich sehr munter und schwärme aus. Auf der Suche nach einer Königin. Es ist wie eine innere Stimme, die mich dann ruft. Instinktiv weiß ich wohin.

Ich hab ihn noch nicht erlebt, diesen großen Tag, wo alles stimmt. Aber es ist in mir gespeichert durch meine Vorfahren.

Unsere Rolle ist so entscheidend und wird von euch nicht gewürdigt.

Wir sind Teil des sensiblen Systems. Zu Zeiten, wo Schwarmbildung und Vermehrung angesagt sind, werden vermehrt Drohnen nachgezogen, damit der Genpool, die Auswahl vorhanden ist und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Begattung steigt.

Es ist eine aufregende Zeit für uns, da wir nie wissen, ob alles gelingt. Sehr viele Faktoren können störend einwirken. Auch das Wetter. Und natürlich möchte jeder von uns seine Aufgabe erfüllen. Dann fühlt es sich nach einem vollendeten Leben an.

Die Gemeinschaft trägt uns so lange, bis wir zum Einsatz kommen. Auch Versuche werden toleriert. Aber wenn das Jahr fortschreitet, die Nächte kälter und die Nahrung knapper wird, ist es Zeit für uns zu gehen. Da sind wir recht unterschiedlich. Einige gehen von selbst. Andere werden gebeten und wieder andere werden gezwungen zu gehen.

Wir übernehmen auch mal kleine Aufgaben im Stock. Pflegen oder Fächern ein wenig und temperieren den Stock mit. Es ist nicht so, dass wir gar nichts tun.

Aber in der Regel warten wir auf den einen Moment, wo etwas in uns ruft und wir sofort starten müssen.

Ich bin auf die Ernährung durch mein Umfeld angewiesen. Aber Wasser aufnehmen kann ich selbst.

Und je nachdem, wie alt ich bin, fliege ich mehr aus oder bin mehr im Stock beheimatet. Solange ich im Stock bin, übernehme ich Hilfstätigkeiten. Ich stehe nicht nur auf fremden Füßen oder im Weg rum, so ist das nicht!

Ich habe meine festen Rollen, zu denen ich gebeten werde. Ich mache nur nicht so viel von selbst, mich muss man manchmal schubsen.

Es ist schwieriger für uns geworden, Weibchen zu finden. Das Angebot ist knapper geworden.

Es gibt weniger Bienenvölker und dadurch reduziert sich die natürliche Vermehrung.

Ich finde das recht frustrierend, aber wir Drohnen sind zum Glück darauf gepolt, dass auch ein Leben verstreichen kann, ohne dass wir unsere Bestimmung erfüllt haben.

Aber das Bestreben nach Vollendung ist natürlich immer da.

Ich fühle mich irgendwie nicht mehr so frei und wild wie einst. Ich weiß, es gab mal eine andere Energie in den Drohnen. Irgendwas ist da abgestorben oder zurückgegangen. Ich kann es mir nicht erklären und wünschte mir etwas von dieser Urkraft zurück. Das würde uns allen guttun.

Ich kann nicht genau sagen wieso, aber ich fühle mich manipuliert. So, als wäre meine Realität fremdbestimmt. Es gibt kurze freie Momente, und die genieße ich sehr. Aber da sind eben auch viele, die sich neblig und überschattet anfühlen.

So, als wäre ich oder eben dieser männliche Teil des Systems nicht mehr ganz er selbst. Aus der Spur geholt - durch euch? Ich weiß es nicht. So einfach ist es wahrscheinlich nicht. Da kommen schon noch mehr Faktoren hinzu. Aber irgendwie führt jeder dieser Faktoren wieder zu euch zurück.

Ihr habt schon in einer ganzen Menge eure Finger drin. Das wäre mir zu anstrengend. Stellt euch mal vor, die Verantwortung, die man dadurch trägt!!! Nee. Das ist nichts für mich.

Ich finde es schön, nur für mich verantwortlich zu sein und doch eine so wichtige Aufgabe für das Ganze leisten zu dürfen. Deshalb nehme ich auch gerne so manche Unannehmlichkeit in Kauf.

Mich begeistert das Leben in der Gemeinschaft und es fühlt sich gut an, von allen getragen zu werden. Aber mir ist wichtig zu erwähnen, dass auch ich meinen Beitrag zur Gemeinschaft leiste. Jeden Tag.

Ajou

Der Winter naht. Wir sammeln uns. Alles wird heruntergefahren und wir zentrieren uns auf uns.

Ich mag den Winter. Er mag hart sein - aber wir sind gut vorbereitet.

Er ist eine Prüfung für jedes Volk. Manches Mal erhält man eine Chance und kann aus Fehlern lernen. Manches Mal kostet es das Volk das Leben.

Ich glaube, wir sind dies Jahr gut vorbereitet.

Es ist schwer geworden, die Winter einzuschätzen. Vieles hat sich verändert und so manche alte Regel gilt nicht mehr.

Aber wir haben uns ganz gut angepasst und kommen mit den klimatischen Veränderungen recht gut zurecht.

Im Winter reduzieren wir die Stärke des Volkes drastisch. Alles geht auf Sparflamme. Wir sind gerade so viele, dass wir im Verbund überleben können.

Wir produzieren Wärme und versorgen uns auf einem Minimum. Leben von dem, was wir über das Jahr gesammelt haben. Es trägt die Farben des Sommers, hat seine Energie und gibt uns Kraft und innere Wärme.

Ich liebe das. Alles ist genau aufgeteilt, jeder weiß, was er zu tun hat. Ein jeder ist wichtig! Und wir wechseln uns ab. Keiner soll über sein Maß belastet werden.

Wir fühlen uns wie eins. Und besonders wichtig ist das überleben unserer Königin. Sie arbeitet hart für unser überleben und nur mit ihr sind wir überhaupt in der Lage dazu.

Ein Volk ohne Königin ist wie ein Mensch ohne Kopf. Da geht nichts mehr. Wir funktionieren noch kurz, aber wenn wir das Problem nicht abwenden, fallen wir.

Ein normal gesundes Volk kann das problemlos schaffen. Da greift der Notfallplan, der in allen gespeichert ist, und wir reagieren wie automatisch. Das geht Hand in Hand und dann ist alles wieder in Ordnung. Es ist eine große Erleichterung, wenn die neue Königin geschlüpft ist!

Der Winter ist die Zeit der Ruhe. So, wie das Frühjahr die Zeit der Reinigung und der Erneuerung ist. Der Sommer ist die Zeit der Fülle und des Glücks und der Herbst die Zeit der Verarbeitung und des Genusses. Wenn man die Jahreszeiten wirklich so lebt, wie sie sind, kann man nicht entkräften. Dann ist man zu Großem bereit.

Ihr habt durch euren Fortschritt die Nacht zum Tag gemacht. Den Winter zum Scheinsommer, und die Zeit der Ruhe, des Rückzugs und der Regeneration fehlt euch komplett. Da müsst ihr euch nicht wundern, dass so viele von euch einen Burn-out bekommen!

Ihr nehmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Körpers. Auf das Einatmen und das Ausatmen des Lebens.

Und so langsam übertragt ihr es auf uns. Menschen, die sich schon etwas mehr geöffnet haben, wissen, dass Tiere - so sie im eigenen Umfeld leben - ihren Menschen etwas spiegeln. Probleme und Schwächen zum Ausdruck bringen.

Wir werden immer mehr domestiziert und können uns daher auch diesem Gesetz nicht entziehen. Im Grunde genommen seht ihr in unserer Entkräftung und der Entfernung von uns selbst letztlich nur euch selbst ...

Könnt ihr das annehmen? Es wäre schön.

Und wenn man dann aus der Ruhe und Regeneration in die Reinigung und Erneuerung tritt, packt einen das Leben derart, dass man vor Begeisterung mitgerissen wird. Dann ist alles so bunt, so phantastisch, so intensiv, dass die Zeit der Ruhe sich doppelt gelohnt hat.

Ich glaube, diesen Effekt kennt ihr alle nicht mehr. Aber ihr sehnt euch danach. Keiner wünscht Entbehrung. Ihr könnt immer, zu allen Zeiten! alles haben. Der Preis dafür ist aber, dass Gewöhnung einsetzt. Und die verschüttet Dankbarkeit. Und Dankbarkeit bringt Glück. So ist alles ein großer Kreislauf, den ihr auch auf anderer Ebene mit eurem Eingreifen aus dem Tritt bringt. Und den Preis bezahlt da tatsächlich ausschließlich ihr selbst.

Ich liebe den Moment des ersten Fluges. Er sprengt alles. Das Licht, die Luft, die Freiheit, die Farben, die Gerüche, die Geschmäcker! All das ist unfassbar intensiv. Jedes für sich alleine bereits und alles zusammen haut mich fast um.

Ich sehe darin nicht die Schwere des Überlebens oder fühle noch den harten Winter in mir. Nein. Ich erlebe nur den Moment, und das sehr, sehr intensiv.

Es ist tatsächlich wie immer und überall eine Frage dessen, wie man etwas betrachtet. Und ich betrachte mein ganzes Dasein mit Dankbarkeit und Freude. Unter dem Aspekt macht nichts Mühe und nichts ist zu schwer.

Herausforderung oder Last? Jeder hat selbst die Wahl. Ich lebe gerne, und daher ist für mich alles, was hart sein könnte, eine Herausforderung. Mehr nicht.

Und ich kämpfe bis zuletzt um mein überleben.

Ich flieg auch noch raus, wenn ich eigentlich schon gar nicht mehr kann. Aber dieser Moment des Fliegens und der Anblick dieser Fülle ist es jede Sekunde wert. Selbst wenn ich nicht zurückkehren sollte.

Aber auch im Stock fühle ich mich sehr wohl. Es ist lebhaft und geordnet und so schön anheimelnd und gemütlich. Wir haben so tolle Möglichkeiten und sind so gut organisiert! Da macht das Leben in der großen Gemeinschaft einfach Spaß.

Die Weisheit der Bienen

Подняться наверх