Читать книгу Handwerker gesucht - Thabita Waters - Страница 5
1 Kleinanzeige mit Folgen
ОглавлениеMartin sah sich die Kleinanzeigen an. Wieder einmal war er auf der Suche nach einem Job, irgendeinem Job, denn in seinem Beruf sah er momentan keine Möglichkeiten. Außer er schickte Bewerbungen zum Mond, zur Venus oder auf den Mars. Mittlerweile bewarb er sich bundesweit, Flexibilität ist gefragt, auch räumlich.
Nach dem Abitur, war Martin gezwungen eine Ausbildung zu machen und der Beruf des Bühnenbildners hatte es ihm angetan. Diese Kombination aus kreativer und handwerklicher Arbeit, Leichtigkeit und Bodenständigkeit faszinierte ihn. Glücklicherweise stellte das städtische Theater in diesem Jahr wieder einen Auszubildenden ein und er hatte ein Heidenglück, dass er die Stelle bekam. Jetzt war er mittlerweile 35 Jahre alt, also sollte es nicht so schwer sein, etwas zu finden. Klar wollte er wieder in seinem Arbeitsgebiet tätig werden. Aber Bühnenbildner war nicht der Beruf, der in jeder Stadt gefragt war. Als das städtische Theater aus Kostengründen schließen musste, wurde er arbeitslos.
Noch fingen ihn das Arbeitslosengeld und gelegentliche Aufträge als Porträtzeichner auf. Aber das Arbeitslosengeld war nur auf zwölf Monate begrenzt, und diese waren in einem Vierteljahr rum. Also saß ihm die Zeit im Nacken. Die kleine Stadt im Bergischen, in der er, ganz in der Nähe von Köln lebte, war dem Druck der Konkurrenz, der nahen Großstädte nicht mehr gewachsen. Köln mit seinem Mediapark und einigen privaten und staatlichen Theatern wäre perfekt gewesen, jedoch gab es auch hier genug Bühnenbildner. Auch von den ansässigen Fernsehstudios hatte er nur Absagen erhalten.
So saß er zu Hause, zeichnete ab und zu ein Porträt, meistens von Babys oder Kindern. Eigene Werke hatte er nicht mehr gezeichnet, seit Silke ihn verlassen hatte. Ja, Silke, die er schon in der Schule angeschmachtet hatte, und die ihn erst in der Oberstufe wahrnahm. Silke hatte ihm dann auf einer Party gestanden, das sie ihn auch schon länger bewundert hatte und sie wurden ein Paar. Danach war sein Leben perfekt, seine Traumfrau war mit ihm zusammen und sein Abi machte er mit einem sehr guten Durchschnitt. Sein Traum war es Kunst zu studieren, das Talent dazu hatte er ja, jedoch musste er diesen Plan aufgeben. Sein Vater wurde krank und starb, weshalb ein Studium finanziell nicht mehr drin war.
Silke wollte nach Heidelberg, um dort Medizin zu studieren. Sie wurde auch angenommen. Ein paar Jahre führten sie eine Fernbeziehung. Neben seiner Ausbildung und nach seinem, mehr als erfolgreichen Abschluss zeichnete er gefühlte eine Million Bilder von Silke, die er sorgfältig in einer Mappe aufbewahrte. Martin brachte es nicht übers Herz, sich von den Bildern und somit der Vergangenheit zu trennen. Nie hatte er Augen für eine andere gehabt. Treue war ihm sehr wichtig. Umso mehr traf es ihn, als Silke ihm eines Tages eröffnete, dass sie sich trennen wollte. An einem Abend gestand Silke ihm, dass sie schwanger war. Zuerst war er ratlos, da Silkes Vater, auf ihr Drängen, eine Vasektomie, bei ihm durchgeführt hatte. Jedoch klärte Silke ihn sehr schnell auf, denn das Kind war nicht von ihm. Damals arbeitet sie als Assistenzärztin und hatte sich mit einem Kollegen eingelassen. Wie sie sagte, konnte sie sich einfach nicht gegen ihre Gefühle wehren. Martin war ein Jahr am Boden zerstört. Sein Stolz war verletzt. Martin vergrub sich in seiner Wohnung, ließ niemanden an sich heran und feierte immer öfter krank. Bis sein Chef ihm ins Gewissen redete. Seine Freunde und seinen Beruf hatte er sträflich vernachlässigt. Also startete er durch und machte seinen Meister. Das gab ihm erst mal wieder einen Auftrieb.
Nur von Beziehungen wollte er vorerst die Finger lassen. Dazu saß der Schmerz zu tief. Auf Sex verzichten, jedoch nicht. Mit Stefan, seinem besten Freund, war es so, er riss die Frauen reihenweise auf, wollte sich nicht festlegen und führte nun fast schon eine Strichliste. Und immer wenn sie zusammen ausgingen, baggerte Stefan meistens mehrere Frauen an und stellte sie Martin vor. Zumindest so konnte er dafür sorgen, dass Martin sexuell nicht zu kurz kam, denn Stefan ließ die Korken knallen und eine der Frauen hing kurz darauf an Martin. Erst fand es Martin ganz praktisch. Emotional musste er sich da auf nichts einlassen. Aber Martin wollte auch nicht so werden wie Stefan. Vor allem fühlte er sich dabei nicht besonders gut, denn was passierte, wenn eines der Mädchen doch mehr wollte? Auf Dauer konnte er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren und so wurden seine sexuellen Eskapaden immer seltener, denn das war ihm zu oberflächlich. One-Night-Stands waren Stefans Spezialität, seine eher weniger. So war er Single, auf der Suche nach Arbeit und am Rande der Verzweiflung. Eine Beziehung kam für ihn immer noch nicht in Frage. Silke hatte ein zu großes Loch in sein Herz gerissen.
Er beschränkte seine Arbeitssuchen nicht nur auf die Printmedien, sondern suchte auch das Internet ab. Gerade sah er sich auf der Homepage eines örtlichen Anzeigenanbieters um, als sein Blick an einer Anzeige hängen blieb.
»Suche dringend Hilfe zum Transport einer Lampe. Bitte nur mit Kombi. Bezahlung nach Vereinbarung. Bitte melden unter ...« Es folgte eine Mobilfunknummer, die er auf ein Blatt Papier kritzelte. Na, ja der Dauerjob war es nicht. Aber er hatte einen Kombi und sowieso nichts Besseres zu tun. Und es war allemal besser, als vor Langeweile zu sterben. Also schnappte er sich sein Telefon und wählte die Handynummer. Es dauerte nicht lange, da meldete sich eine weibliche Stimme. »Ja, Hallo.« Hmm, das klang ja schon mal mehr als sympathisch. Von der Stimme her würde er sagen, seine Gesprächspartnerin war nicht älter als 30. »Ja, also. Ich rufe an wegen der Anzeige. Sie brauchen jemanden, der eine Lampe fährt, mit Kombi? Ich wäre bereit, da auszuhelfen. Von wo, nach wo, muss denn das gute Stück?« »Also die muss von Bornheim nach Frechen in eine Diskothek. Und bitte, nicht denken, es handelt sich um eine Stehlampe, oder so etwas in der Art. Es ist eine Auftragsarbeit und ist etwas größer.« Aha, eine Lampengestalterin also. Und dazu mit einer sehr Sympathischen, wenn nicht sogar einer sehr sexy Stimme.
»Hmm, okay. Aber warum fahren Sie nicht selber? Ich denke, Sie haben öfters solche Transporte.«
Es kam ihm komisch vor, dass sie eine Anzeige aufgab, denn wenn sie jedes Mal einen Transport benötigte, würde das Geschäft als Lampendesignerin nicht sehr viel abwerfen.
»Ja klar, die habe ich. Aber mir hat so ein Hut tragender Depp, meinen parkenden Kombi zerlegt. Der war danach Totalschaden. Nun muss ich mir einen Neuen kaufen, was aber aus finanzieller Sicht erst nach dem Auftrag in Frechen möglich ist. Deswegen sitze ich in der Zwickmühle.
Und damit haben wir auch schon den nächsten Punkt. Zahlen kann ich nicht viel, ich dachte so an dreißig Euro, wäre das so Okay für Sie?«
Martin überlegte, viel war es ja nicht. Aber die Stimme gefiel ihm und plötzlich überzog ein Grinsen sein Gesicht. Sollte er das wagen? Das wäre verdammt frech, doch er war neugierig und wollte wissen, ob Frechheit siegen würde.
»Na ja, vielleicht haben Sie ja auch etwas Anderes zu bieten?« Er schloss die Augen und hätte sich fast vor die Stirn geschlagen. Wollte er nicht abstinent leben? Stefan verurteilte er und was tat er hier. Mensch Junge, du bist keinen Deut besser.
»Ich könnte ihnen eine Lampe machen. Ist garantiert ein Unikat.« Irgendwie klang ihre Stimme plötzlich anders. Vorsichtiger, als wenn sie ahnen würde, worauf es hinausläuft. Sollte Martin weiter gehen, oder eine Lampe nehmen? Nein, dachte er, nun wollen wir doch mal sehen, wie weit ich komme.
»An eine Lampe habe ich dabei weniger gedacht.«
Nun war es raus. Na ja, fast raus. Zu verlieren hatte er ja nichts. Im gleichen Moment dachte er, Oh Martin, was machst du hier eigentlich? Du weißt ja nicht mal, wie sie aussieht.
Nun schlug er sich wirklich mit einer Hand vor die Stirn und unterdrückte einen gequälten Seufzer.
Auf der anderen Seite der Leitung war auch erst mal Stille. Martin hielt die Luft an und wagte sich noch weiter nach vorne. Nun war echt alles egal, entweder sie legte auf, oder sie schnauzte einfach los. An eine dritte Möglichkeit wollte er gar nicht denken. Am liebsten hätte Martin den Anruf beendet, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Vielleicht Neugierde oder völliger Irrsinn. Sein Verstand sagte ihm, das es Letzteres war.
»Also, nicht dass Sie mich nun falsch verstehen. Ich finde Ihre Stimme sympathisch. Und na ja, es wäre ja auch in erotischer Hinsicht etwas, dass Sie anzubieten hätten.« Seine Hand umklammerte das Telefon so fest, dass das Plastikgehäuse leise ächzte, es war ja auch nicht das neuste Modell.
Nun hörte er auf der anderen Seite ein Zischen, so als ob sie einmal tief Luft holen müsste.
»Sie wissen schon, dass es eine ziemlich ungewöhnliche Art der Bezahlung ist. Und was machen Sie, wenn ich hässlich wie die Nacht bin?«
Oha, sie war also nicht entsetzt. Aber ihre Frage war berechtigt. Kluges Mädchen, dachte er.
»Hmm, also, ob ich nun der tolle Hecht bin, wissen Sie ja auch nicht. Ich denke in dem Fall, dass es nicht passt, sollten wir uns auf die 30 Euro einigen. Und glauben Sie mir, dass mache ich zum ersten Mal, aber Ihre Stimme ist schon der Hammer.« Und wie seine Phantasie überschlug sich, bei dem Versuch sich ein Bild der Frau am anderen Ende zu machen.
Auf der anderen Seite war nichts zu hören. Martin wagte nicht, noch mehr zu sagen. Dann endlich brach sie das Schweigen.
»Okay, abgemacht. 30 Euro, wenn einer von uns einen Rückzieher macht. Ach, Ihre Stimme ist auch sehr sympathisch. Und ich mache so was auch nicht oft. Um es genau zu sagen: nie.«
Sie lachte leise und Martin schmunzelte. Gleichzeitig dachte er: Du bist vollkommen verrückt, völlig durchgeknallt. Stefan würde ihm dafür die Füße küssen. Auf das Blatt Papier, auf dem schon ihre Nummer stand, notierte er ihre Adresse und den Termin und legte auf. Darauf musste er sich erst einmal einen Bordeaux genehmigen. Aus dem einem Bordeaux wurden drei. Leicht angesäuselt ließ er das Gespräch Revue passieren und seine Nerven fingen an zu flattern. Nervös suchte er seine Zigaretten. Am Samstag wollte er Petras Lampe fahren und wir hatten gerade erst Montag. Bis Samstag war er ein nervliches Wrack. Gut, in dem Fall hätte er dann 30 Euro mehr. Doch trotz allem musste er grinsen.