Читать книгу STAYONFIRE - Thaddäus Schindler - Страница 10

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Nein, das kann ich nicht machen, niemals!, bringe ich die Szenerie, die in meinem Kopf Fahrt aufgenommen hat, zu einem abrupten Halt. Es muss einen anderen Weg geben, für ihn zu beten!

Plötzlich kommt mir eine Idee. Heute ist Freitag. Tim hatte sich nach unserem intensiven Chat auf Facebook dazu entschieden, mit in unsere Jugendgruppe zu kommen. Wir treffen uns jeden Freitag um 18 Uhr in den Gemeinderäumen. Er ist nun schon zwei Mal dort gewesen und betonte hinterher immer, wie sehr es ihm gefallen habe. Auch heute wollte er dabei sein. Yes! Das ist meine Möglichkeit. Heute Abend werde ich für ihn beten, beruhige ich mich selbst.

Ich nehme den letzten Schluck aus meinem Thermobecher, bevor Tim und ich die Zielstation erreichen. Marktplatz Adlershof. Wir steigen aus. Mittlerweile ist es kurz nach halb acht. Langsam überqueren wir die Hauptstraße und biegen in eine schmale Nebenstraße ein. Mühsam kämpft sich Tim Schritt für Schritt voran. Vor uns und hinter uns laufen andere Schüler zum Schulgebäude. Etwas unsicher sage ich leise zu Tim: „Du, weißt du was, Tim? Ich werde heute Abend mal für deinen Fuß beten. Das liegt mir auf dem Herzen. Gott kann deinen Fuß heilen.“ Erstaunt und etwas überrascht gibt Tim zurück: „Wirklich? Gerne!“

Das gesamte Mitarbeiterteam der Zapfsäule – so nannte sich damals meine Jugendgruppe – hatte die grauen Kellerräume unserer Gemeinde in eine coole Event-Location für Jugendliche umgestaltet. Freshe Farben, nice Einrichtung und fette Technik. Wir hatten alles da, was wir brauchten. Billard, Tischkicker und eine legendäre Tischtennisplatte. Das volle Programm. Den Hauptraum hatten wir mit einer selbst gebauten Tribüne zu einem richtigen Eventsaal aufgerüstet. Dort machten wir unsere Worship- und Inputsessions.

Wir waren ein begeistertes Mitarbeiterteam von 10 bis 15 Leuten und veranstalteten als Zapfsäule jeden Freitag einen bunten Abend voller Action, Musik, Essen, Spaß und Input. Es kamen immer so zwischen 30 und 40 Jugendliche, die hauptsächlich aus den umliegenden Dörfern und Städten Brandenburgs anreisten. Wir versuchten, mit unseren christlichen Events etwas anzubieten, was Jugendliche auf dem Dorf vermissten. Action, Lautstärke und Jugendklub-Feeling. So wurde unsere Zapfsäule zu einem echten Anziehungspunkt für junge Leute am südöstlichen Speckgürtel von Berlin.

Am Abend sitzen Tim und ich auf der selbst gebauten Tribüne im Hauptsaal der Zapfsäule. Im Hintergrund läuft leise Worship-Musik. Die Stimmung ist andächtig. Es ist eine Zeit, in der sich jeder ganz persönlich die Zeit nehmen kann, mit Gott in Verbindung zu treten. Einige beten leise vor sich hin, andere sitzen einfach nur still da, wiederum andere malen etwas auf einem weißen Stück Papier und geben so ihren Gedanken einen kreativen Ausdruck.

„Kann ich jetzt für dich beten?“, flüstere ich Tim zu. Dankbar und erleichtert, dass jemand diese befremdliche Stille unterbricht, gibt Tim leise zurück: „Ja, gerne.“ Der Zustand des Fußes ist über den Tag nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil. Tim konnte heute Abend bislang nur durch die energiegeladene Zapfsäule humpeln. Ein Wunder, dass er überhaupt gekommen ist, denke ich.

Nun lege ich meine Hand auf seinen Fuß und fange an zu beten. Lautlos. Für mich allein. In Gedanken. Ehrlich gesagt, bin ich ganz dankbar dafür, dass die Stimmung im Raum so andächtig ist. Ein lautes Gebet würde da definitiv nicht passen. Zumal Tim eh keine Erfahrungen mit Gebet hat und somit auch nicht erwartet, dass ich laut für ihn bete. Jesus, sage ich in Gedanken, du kannst diesen Fuß heilen. Es geht allein um deine Ehre. Lass Tim erleben, dass es dich gibt. Bitte heile seinen Fuß, in deinem Namen. Ich fühle mich unsicher, und weil mir die Worte ausgehen, wiederhole ich mein Gebet. Einmal, zweimal, immer so weiter.

Mit einem Mal merke ich, wie mein Glaube für Gottes Wunder zunimmt. Ja, Gott, schenke mir den Glauben, dass du heute immer noch Wunder tust. Du bist fähig! Während sich in meinem Herzen eine lautlose Stimme zu Gott erhebt, sitzt Tim ahnungslos mit geschlossenen Augen da und hält geduldig die Stille aus. Nachdem ich 5, wenn nicht sogar 7 Minuten immer dasselbe gebetet habe, sage ich mit gedämpfter Stimme Amen.

Ohne dass ich ihn dazu auffordere, streckt Tim seinen verstauchten Fuß aus. Langsam lässt er seine Fußspitze kreisen und bewegt den kaputten Knöchel. Völlig perplex schaue ich auf seine Bewegungen, die schneller werden. Ich kann es nicht fassen. Plötzlich steht Tim auf und versucht, auf dem kaputten Fuß aufzutreten. Langsam berührt Tims Fuß den Teppich, bis schließlich sein gesamtes Körpergewicht auf seinem Fuß lastet. „Ich habe keine Schmerzen mehr! Ich kann wieder normal auftreten. Mein Fuß funktioniert wieder einwandfrei!“, verkündet Tim freudestrahlend. „Krass“, gebe ich völlig überfordert zurück. Ich kann es selbst nicht fassen. Was ist hier gerade passiert? Hat Gott tatsächlich durch mein kindliches Gebet Tims Fuß geheilt?

So etwas Verrücktes habe ich noch nie erlebt! Die stille Gebetszeit war bereits kurz vor meinem Amen offiziell beendet worden. Als die umstehenden Leute begreifen, was passiert ist, sind sie ebenfalls außer sich vor Staunen. Tim, der eben gerade noch wie ein Patient durch die Zapfsäule gehinkt ist, kann nun plötzlich normal laufen. Nein, viel mehr noch: Er kann springen, rennen – das volle Programm. „Das gibt’s doch gar nicht!“, sagt Tim immer wieder erstaunt und überschüttet mich mit seiner Dankbarkeit.

„Gott liebt dich, Tim, deshalb hat er dich geheilt“, versuche ich, ihm die Sache zu erklären. Dabei bin ich selbst komplett geflasht von dem, was Gott gerade getan hat. Als Tim sich auf den Weg zur Tischtennisplatte macht, um „Rundlauf“ zu spielen, kommen in mir Zweifel hoch. Das ist viel zu riskant! Nachher kommt der stechende Schmerz in seinem Fuß doch wieder, dreht es sich in meinen Gedanken.

Doch Tim ist nicht aufzuhalten. Mit voller Geschwindigkeit rennt er bereits um die Platte und ist dort auch für den restlichen Abend nicht mehr wegzubekommen. Warum Tischkicker oder Billard spielen, wenn der Fuß wieder tipptopp funktioniert? Immer wieder schaue ich skeptisch zur Tischtennisplatte und beobachte Tim. Ich bin immer noch total von den Socken. Gott du bist überragend. Du lebst und schreibst Geschichte. Danke! Danke! Danke!, juble ich innerlich.

Als die Zapfsäule vorbei ist und wir uns alle wieder auf den Heimweg machen, bekomme ich von Tim eine SMS. Er schreibt mir, dass er während des Gebets richtig gespürt hat, wie Gott seinen Fuß heilt. Außerdem sei seine starke Schwellung, die er vor dem Gebet noch hatte, komplett verschwunden. Einfach verrückt. „Danke, dass du für mich gebetet hast, Thaddäus!“

Direkt am nächsten Morgen erzähle ich meiner Familie am Frühstückstisch von dem Wunder, das Gott gestern in der Zapfsäule getan hat. Während ich noch die SMS von Tim vorlese, bricht mein Papa unkontrolliert in Tränen aus. Es ist so ein göttlicher Moment, in dem wir alle Gottes ungefilterte Liebe und Kraft spüren können. Sie haut uns einfach um.

Ohne Zweifel war dieses übernatürliche Wunder für uns alle eine neue Erfahrung. Obwohl meine Eltern aus dem besagten Hintergrund kommen, hatten sie seit einigen Jahren eine erwartungsvolle Offenheit gegenüber dem Übernatürlichen entwickelt. So saßen wir nun da: tief bewegt, ergriffen und völlig erstaunt. Niemals werde ich diesen Moment vergessen. Es fühlte sich an, als wenn uns Gott ganz persönlich eine Botschaft überbringen wollte: „Bei mir ist nichts unmöglich. Glaubt und ihr werdet mir begegnen.“

Tim war zu diesem Zeitpunkt gerade auf dem Weg zu seinem Basketballspiel, das er nun doch voller Freude bestreiten konnte. Zu gern hätte ich das Gesicht seines Coachs gesehen. Tims späteren Berichten zufolge war er völlig perplex wegen seines geheilten Fußes. Schließlich hatte er ja noch am Donnerstag gesehen, wie Tim zweimal umgeknickt war. Unvorstellbar.


BEI MIR IST NICHTS UNMÖGLICH. GLAUBT UND IHR WERDET MIR BEGEGNEN. GOTT

Für Tim war dieses Erlebnis ein kompletter Wendepunkt in seinem Leben. Er entschied sich voller Überzeugung für Jesus und nahm seine Vergebung für all die Schuld an, die er mit sich trug. Durch Gottes Gnade erlebte Tim eine innere Freude und Ruhe, die er niemals zuvor gespürt hatte. Gott krempelte sein Leben völlig um. Selbst wenn er harte Kritik von seiner Familie einstecken musste: Tim blieb im Glauben dran.

Dieses Wunder, das an einem Freitagabend im Februar 2012 geschah, war ein echter Startschuss. So kam es, dass Tim – derjenige, der mich am meisten für meinen Glauben ausgelacht hatte – nach seiner Entscheidung für Jesus auf dem Schulhof stand und mit einer Bibel in der Hand von seinem Glauben erzählte. Und das tat er mit einer noch größeren Leidenschaft als ich. Tim hatte etwas in seinem Leben gefunden, was er einfach jedem weitergeben wollte: eine neue Perspektive. Eine ewige Hoffnung. Einen erfüllenden Lebenssinn. Er hatte ganz einfach das gefunden, wonach er gesucht hatte.

Auf seiner Suche hatte er viel Mist gemacht. Später erzählte mir Tim, dass er bereits sechs Schüler durch Mobbing von seiner ehemaligen Grundschule vertrieben hatte. Heftig! Er hatte nichts anderes im Sinn, als Menschen fertigzumachen. Besonders die, die irgendetwas mit Glauben zu tun hatten. Auch ich sollte einer dieser Kandidaten werden. Dabei merkte Tim gar nicht, dass er selbst der Schwache war, der seine scheinbare Stärke darin suchte, andere rundzumachen. Doch Gott liebte Tim so sehr, dass er gerade ihn, der bewusst andere verletzte, innerlich heilen wollte.

Heute ist Tim immer noch im Glauben dabei. Vielmehr noch: Er studiert Theologie und möchte hauptberuflich Menschen von Jesus und seiner Botschaft erzählen. Sein Herz brennt dafür, Gott großzumachen und Menschen bedingungslos zu lieben. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, erinnere ich mich daran, wie alles begann. Und es ist wirklich unvorstellbar.

Mittlerweile sind ungefähr acht Jahre vergangen. Seitdem hat sich eine Menge getan. Aber so eine starke Story habe ich bis heute kein zweites Mal erlebt. Doch darum geht es für mich gar nicht. Der Glaube entwickelt sich in acht Jahren weiter. Man geht hier und da durch heftige Zweifel, erlebt bittere Enttäuschungen im Glauben und wird auch mal „lau“, wie es die Bibel so passend ausdrückt. Ja, auch der Typ von STAYONFIRE.

Doch auf meinem Weg durch Höhen und Tiefen ist diese Begegnung mit Gottes Liebe ein echter Ankerpunkt. Ein Orientierungspunkt, wenn ich im Glauben an Fahrt verliere. Damit meine ich nicht, dass ich die Vergangenheit erneut erleben möchte. Gottes Zukunft ist so viel größer, als dass wir unser Leben in der noch so schönen Vergangenheit leben müssten. Nein, es gibt Neues zu entdecken. Andere Dinge. Größere, aber auch kleinere.

Und genau auf diese Reise möchte ich dich in diesem Buch mitnehmen. Zweieinhalb Jahre später, im Oktober 2014, sollte ich mit einem guten Freund STAYONFIRE gründen. Ein Projekt, das mein Leben völlig verändert hat. Dieses Buch erzählt seine und meine Geschichte. Von Anfang an. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Geschichte von Tim nicht zum Anfang dazugehört.

Also, lasst uns aufbrechen in ein echtes Abenteuer!

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