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An Bord des »Charles Roux«

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Inhaltsverzeichnis

Wir hatten ihn gewählt, weil er uns als der beste und schnellste Dampfer der ganzen Linie bezeichnet worden war. Nur wenige Passagiere fanden sich ein. Das überraschte uns nicht, denn im Hotel und von den Gepäckträgern hatten wir bereits erfahren, daß eine ganze Anzahl Reisender des Wetters wegen ihre Fahrt verschoben hätten. Die Erinnerung an das schreckliche Ende des »General Chancy«, der wenige Tage vorher auf dem Wege nach Algier mit Mann und Maus untergegangen war, wirkte noch lähmend nach. Auch dem Kapitän und den Matrosen schien der Frühlingssturm in den Gliedern zu liegen: der eine schrie, die anderen schimpften, und nirgends konnte man etwas von der ruhigen und besonnenen Art bemerken, die auf deutschen und englischen Schiffen so angenehm berührt.

Hätten wir nicht auch lieber warten sollen, bis sich der Sturm gelegt hatte? Aber während wir noch über die Frage debattierten, war die letzte Fessel, die das Boot an der Kaimauer festhielt, gefallen, und ein kleiner, keuchender, wüst aussehender Schlepper bugsierte unser Schiff aus dem Hafen. Nach kurzer Zeit schon hatten die über das Deck sich ergießenden Sturzwellen auch den Mutigsten in das Innere des Schiffes getrieben. Die Hoffnung, daß der Sturm gegen Abend abflauen würde, wie es ja häufig der Fall ist, erfüllte sich nicht. Je näher die Nacht kam, desto wilder gebärdete sich das Meer. Es hob unser armes Boot auf den Gipfel der höchsten Welle und warf es erbarmungslos hinunter in die Tiefe, daß es in allen Fugen krachte und schauerlich ächzte und stöhnte. Wie ausgestorben war das Innere. Nicht das geringste Zeichen eines menschlichen Wesens. Selbst der Steward schien verschwunden – kein Klingelruf brachte ihn herbei. Aber schließlich ging auch diese Nacht voll Qual und Schrecken vorüber, und eine strahlende Morgensonne grüßte uns.

Gegen Mittag tauchten die Bergspitzen von Algier in blauer Ferne auf. Welche Freude dieser Anblick in all den armen Reisenden auslöste, deren Gesichter noch deutlich die Spuren der überstandenen Qualen zeigten!

Je mehr wir uns dem neuen, unbekannten, fremdartigen Erdteil näherten, desto herrlicher entwickelte sich das Bild. Im Vordergrunde das türkisblaue Meer, an den Abhang des Berges geschmiegt, dessen Fuß im Meere steht, die marmorweiße Stadt, und rechts und links, soweit das Auge reichte, grünende Hügel und sanftlila schimmernde Bergkuppen. Als Baldachin ein Himmel von einer ganz unwahrscheinlichen Bläue und eine Sonne, ach! eine Sonne, die nur der völlig zu würdigen weiß, der gerade fünf Monate nordischen Winters hinter sich hat. Und welch ein Farbengemisch, welch ein buntbelebtes Bild auf dem Kai! Vom hellsten Braun bis zum tiefsten Schwarz sind alle Rassen vertreten. Schlanke, geschmeidige Gestalten, die mit affenartiger Geschicklichkeit aufs Schiff klettern und, ehe man sich versieht, mit dem Gepäck auf und davon sind.

Der Zoll wird nur gelinde gehandhabt. Auf frische Blumen aber wird streng gefahndet, und schon sollte ich für den Veilchenstrauß, mit dem ich mich geschmückt hatte, die nötigen Abgaben entrichten, als man entdeckte, daß er nur ein Kunstprodukt war, und wir wurden mit einer Entschuldigung entlassen. Ich glaubte zu bemerken, daß meine Veilchen vor lauter Freude erröteten – wie schön mußten sie sein, daß selbst das scharfe Auge eines Zollbeamten sie mit ihren echten Schwestern verwechselte!

Um ein Uhr, also vierundzwanzig Stunden nach der Abfahrt von Marseille, standen wir staunend und entdeckungsfreudig auf afrikanischem Boden.


Frauen aus dem Volke in Algier

Im Land des Lichts: Ein Streifzug durch Kabylie und Wüste

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