Читать книгу Antigone von Sophokles: Reclam Lektüreschlüssel XL - Theodor Pelster - Страница 7

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Die im Theater dargestellte Handlung

Prolog

Antigone, die Tochter des Ödipus, erinnert ihre Schwester Ismene an die Schicksalsschläge, die diese Familie – vor allem Ödipus und seine Gattin Iokaste – erlitten hat, und bereitet Ismene auf eine neue Herausforderung vor: Kreons Gebot Kreon, »des Heeres Führer« (V. 8), ihr gemeinsamer Onkel, habe verkündet (V. 8), dass von den beiden Brüdern, die um die Stadt Theben gekämpft haben und dabei gefallen sind, der eine – Eteokles – als Verteidiger Thebens mit Ehren bestattet werden solle. Den anderen aber – Polyneikes, Verräter und Feind der Stadt – »solle keiner / im Grabe bergen und bejammern« (V. 27). Dem, der dieses Gebot (V. 31) übertrete, drohe Tod durch »Steinigung« (V. 36). Antigones ReaktionAntigone fühlt sich verpflichtet, entgegen diesem Verbot Polyneikes die letzte Ehre zu erweisen: »Schön ist mir nach solcher Tat der Tod« (V. 72); sie kann jedoch Ismene nicht zur Mithilfe überreden. Diese will sich »denen, die im Staat das Sagen haben« (V. 67) fügen, fühlt sich auch als Frau zu schwach, um gegen ein Männerwort anzugehen, und möchte nicht ein weiteres Glied in der Leidenskette der Familie werden. Antigone dagegen fühlt sich »denen drunten« (V. 75), also den Verstorbenen und dem Gott des Hades, mehr verpflichtet »als denen hier« (V. 75), auch wenn diese Herrscher über die Stadt sind, und bleibt bei ihrem Plan.

Das Gespräch findet vor dem Haus der Königsfamilie am Morgen (V. 103) statt – unmittelbar nach der Nacht, in der Eteokles und Polyneikes gefallen sind (V. 13) und Kreon als der neue »Führer« (V. 8) die Herrschaft angetreten hat. Die gesamte folgende Handlung wird vor diesem Haus an dem nun folgenden Tag gespielt.

Einzugslied des Chores / Parodos

Angesichts der aufgehenden Der Sonnengesang der ThebanerSonne preist der Chor der thebanischen Greise den Sieg Thebens gegen die Angreifer aus Argos unter Führung des Polyneikes. Aus thebanischer Sicht hat die Siegesgöttin, »Nike, die vielgepriesene« (V. 148), Grund genug gegeben, mit »nachtlangen Tänzen« (V. 153) zu feiern. Zu bedauern ist nur das »furchtbare[ ] Brüderpaar, […] einem Vater / und einer Mutter entstammend« (V. 144 f.) – gemeint sind Eteokles und Polyneikes. Der Tod der beiden einzigen männlichen Nachkommen des Ödipus hat zur Folge, dass Kreon, »Menoikeus’ Sohn« (V. 156), der Schwager des Ödipus und der Onkel von dessen Kindern, nun »der König des Landes« (V. 155) ist. Dieser tritt aus dem Palast und will zur »Versammlung der Alten« (V. 159) sprechen, die durch den versammelten Chor repräsentiert wird.

Erster Auftritt / 1. Epeisodion

Kreons BestattungsverbotKreon versichert sich bei den Ältesten der Loyalität, die die Stadt seinen Vorgängern Laios, Ödipus und dessen Söhnen erwiesen hat, und verpflichtet die Versammelten, als »Hüter des Verfügten« (V. 215) mit zu sorgen, dass Polyneikes nicht beerdigt wird. Die ZuwiderhandlungKaum ist das Gebot ausgesprochen, als ein Wächter herankommt, der voller Angst gestehen muss: »Den Toten hat soeben einer / bestattet« (V. 245 f.). Die aufgestellten Wachen haben offensichtlich nicht verhindern können, dass jemand »Staub« (V. 256) auf die Leiche streute und damit die Beerdigung vollzog, »wie um Befleckung zu vermeiden« (V. 256). Voller Zorn fordert Kreon: »Entdeckt ihr nicht, wer die Bestattung hat vollbracht, / und stellt den Täter sichtbar vor die Augen mir, / so soll der Tod allein euch nicht genügen« (V. 306–308). Er vermutet, dass »Männer dieser Stadt […] die Wächter dort / um Lohn verleitet« (V. 289–294) haben. Hinter der Tat vermutet er ein Komplott und droht dem Wächter und vielleicht auch den Ältesten der Stadt: »[…] wenn ihr mir nicht / die Täter anzeigt, sollt ihr noch bekennen, / dass niederträchtiger Gewinn nur Leiden schafft!« (V. 324).

Erstes Standlied / 1. Stasimon

Der allein gelassene Chor scheint aus dem, was er gehört hat, seine Schlüsse zu ziehen: Der Wächter hat »das Ungeheure« (tá deiná) (V. 243) berichtet; dieses Wort nimmt der Chor auf und reflektiert: »Lied über die zwiespältige Natur des MenschenZahlreich ist das Ungeheure [tá deiná], doch nichts / ungeheurer [deinóteron] als der Mensch« (V. 332). Das zugrundeliegende griechische Adjektiv deinós kann sowohl mit ›furchtbar‹, ›schrecklich‹ wie auch mit ›außerordentlich‹, ›tüchtig‹, ›gewaltig‹ oder ›unerhört‹ übersetzt werden. So kann eine Tat in gutem oder in schlechtem Sinne »unerhört« sein; ein Mensch kann im guten und im schlechten Sinn aus der Allgemeinheit herausragen. Es ist eben die Frage, wie er seine Fähigkeiten als Seemann (V. 334), als Bauer (V. 338) oder als Jäger (V. 342 f.) nutzt. Als Mensch verfügt er über »Sprache« (V. 353), über »den Trieb, Städte / zu ordnen« (V. 355), weiß »[a]us früher unbezwinglichen Krankheiten […] ein Entrinnen« (V. 363 f.), leistet viel im Bereich von Kunst und Wissenschaft (V. 365). Immer aber ist festzustellen: er »schreitet […] bald zum Bösen, bald zum Guten« (V. 366).

Frage nach Gut und BöseEs bleibt also auch bezüglich der Handlung, die sich im weiteren Verlauf vor den Zuschauern abspielt, die Frage, was sich »zum Bösen« und was sich »zum Guten« hin entwickelt. Noch ist unklar, welche von den handelnden Figuren am Ende »[h]och geachtet in der Stadt« und welche am Ende »[k]ein rechter Bürger« (V. 370) sein wird.

Zweiter Auftritt / 2. Epeisodion

Tat und Bekenntnis AntigonesDer Wächter führt den Ältesten der Stadt und Kreon Antigone vor und berichtet, dass sie, kaum dass die Wächter »weggefegt vom Toten allen Staub« (V. 409) hatten, von neuem kam, den Leichnam wiederum mit Staub bedeckte und dass sie nun auch »rings den Toten mit dreifachem Guss« (V. 431) besprengt hat. Mit der Überführung Antigones hat der Wächter sein Leben gerettet. Antigone gesteht vor Kreon die Tat, erklärt, durch ihr Handeln »der Götter ungeschriebne / und ewig gültige Gesetze« (V. 454 f.) erfüllt zu haben, und ist bereit zu sterben. Ismene, die hinzukommt, wird von Kreon befragt: »[B]ekennst du, dass auch du an der Bestattung / hast Anteil […]?« (V. 534). Obwohl sie selbst nicht gehandelt hat, bekennt sie sich zu der Tat, wird aber von Antigone mit einem »rett du dich!« (V. 553) schroff zurückgewiesen. Ismene ihrerseits kann nicht glauben, dass Kreon Antigone, die mit Kreons Sohn Haimon verlobt ist, »töten« (V. 568) will. Doch für Kreon ist das Verlöbnis kein Gegengrund.

Zweites Standlied / 2. Stasimon

Die Ältesten der Stadt, der Chor, sehen weiteres Unheil auf des »Labdakos’ Stamm« (V. 594) und die Nachkommen des »Ödipus« (V. 601) zukommen.

Dritter Auftritt / 3. Epeisodion

Konflikt zwischen Kreon und seinem SohnHaimon wird von Kreon provozierend gefragt: »[…] du kommst doch nicht, zu toben gegen deinen Vater, / weil du die unumstößliche Entscheidung hörtest über deine Braut?« (V. 632 f.). Wenn Kreon tatsächlich meint, des Sohnes Liebe zum Vater gehe so weit, dass er ihm in allem blind folge und sich von der Braut trenne, so irrt er. Haimon bittet den Vater zu bedenken, ob nicht Antigones Tat »goldne Ehre […] wert« (V. 699) sei. Doch Kreon ist unbelehrbar, beschimpft den Sohn (»Abscheuliche Gesinnung, hörig einem Weib!«, V. 746) und verfügt: »Schafft her die hassenswerte Kreatur, dass sie vor seinen Augen auf der Stell / in seinem Beisein sterbe […]!« (V. 760 f.). Antigone soll »lebend […] in einer Felsengruft« (V. 774) eingeschlossen werden. Haimon bricht mit dem Vater: »[…] mein Haupt [wirst du nie mehr] vor deinen Augen wiedersehn« (V. 763 f.).

Drittes Standlied / 3. Stasimon

Das Lied auf die LiebeDer Chor vermutet richtig, dass stärker als alle Gebote und Gesetze die Liebe (eros) ist: »unüberwindbar / treibt […] ihr spöttisches Spiel Aphrodite« (V. 798 f.).

Vierter Auftritt / 4. Epeisodion

Antigones Entsagung und Bereitschaft zum TodAntigone nimmt in einem Klagelied Abschied vom »Licht / […] der Sonne« (V. 808 f.), von der »Stadt« (V. 842), von »Thebens wagenberühmte[m] heilige[m] Grund« (V. 845) und trägt das Schicksal, »fluchbeladen und ehlos« (V. 867), »unbeweint, ungeliebt, unvermählt« (V. 876) den Weg »zum gewölbten Kerker […] / eines unerhörten Grabes« (V. 848 f.) zu gehen. Sie ist überzeugt, kein »Recht der Götter« (V. 921) verletzt zu haben, und tröstet sich, dass sie von Vater, Mutter und Eteokles im Totenreich empfangen wird:

»Denn als ihr starbt, hab ich mit eignen Händen

gewaschen euch, geschmückt und Güsse über eurem Grab

gespendet« (V. 900 ff.).

Geliebt weiß sie sich auch von Polyneikes, dessen »Leib [sie] hergerichtet« (V. 902 f.) hat. Trotzdem trifft sie Kreons Wort schwer: »Schafft schleunigst sie hinweg […]!« (V. 885).

Viertes Standlied / 4. Stasimon

Das Lied vom SchicksalDie Ältesten der Stadt ergänzen jene Überlegungen, die sie im zweiten Standlied vorgetragen hatten. Dort hatte es geheißen, dass vieles »ungeheuer« sei und »nichts / ungeheurer als der Mensch« (V. 332 f.); jetzt aber heißt es: »Jedoch ist ungeheurer des Schicksals Macht!« (V. 951). Das gleiche Adjektiv deinós bildet die prädikative Aussage. Dass vor allem anderen die Macht des Schicksals ungeheuer, unheimlich ist, wird durch kurze Erinnerungen an Mythen, die den Griechen geläufig waren, ins Bewusstsein gerufen. Es handelt sich um die Geschichten von Danae und Akrisios, von Lykurg und Dionysos sowie von Kleopatra und Phineus.

Fünfter Auftritt / 5. Epeisodion

Der blinde Seher Konflikt zwischen Kreon und TeiresiasTeiresias wirft Kreon vor, die Stadt verseucht zu haben (V. 1015), indem er verbot, den »Leib von Ödipus’ gefallnem Unglückssohn« (V. 1018) zu beerdigen. Er kündet dem verblendeten Herrscher an, dass sein Sohn Haimon als »Entgelt« (V. 1067) für die in den Tod getriebene Antigone und den ehrfurchtslos behandelten Polyneikes sterben werde. Kreon ist erschüttert und wendet sich an den Ältestenrat: »Was also ist zu tun? So sprich, ich will dir folgen!« (V. 1099). Die Ältesten empfehlen, »das Mädchen aus der unterirdschen Gruft« (V. 1100) zu befreien und »dem hingestreckten Mann ein Grab« (V. 1101) zu geben. Kreon nimmt den Rat nun an.

Fünftes Standlied / 5. Stasimon

Der Chor beschwört Bakcheus, den Schutzgott Thebens, rettend einzugreifen.

Schlussszene/Exodos

Ein Bote berichtet zunächst, dass Haimon tot sei. Der Tod AntigonesDann schildert er den Ältesten und der herbeigekommenen Eurydike, Kreons Gattin, wie Kreon mit ihm, dem Boten, »ein hohes Grab aus Heimaterde« (V. 1203) für Polyneikes aufgeschüttet, wie sie dann Antigone »aufgehängt am Hals, geknüpft in eine Schlinge« (V. 1221) gefunden hätten und wie dann Haimon »das Schwert sich bis zur Hälfte in die Seite« (V. 1236) gebohrt habe. Eurydike wendet sich ab und geht ins Haus. Das Wehklagen KreonsDer wehklagende Kreon tritt auf. Wenig später kommt der Bote aus dem Haus und teilt mit, dass sich Eurydike das Leben genommen und Kreon als Schuldigen verflucht habe. Kreons Wunsch »So führt mich hinweg, den nichtigen Mann« (V. 1339) wird entsprochen.

Der Chor, der allein auf der Bühne zurückbleibt, zieht aus dem dargebotenen Fall den Schluss, dass »über die Maßen Stolze« mit »großen Schlägen« (V. 1351 f.) bestraft werden, und er mahnt: »man darf die Sphäre der Götter / niemals entheiligen!« (V. 1349 f.).

Antigone von Sophokles: Reclam Lektüreschlüssel XL

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