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Prolog

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Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder betrübt sein sollte, nachdem sie seinen Brief gelesen hatte. Vielleicht würde ihr Gefühl klarer werden, wenn sie ihn einfach noch ein zweites Mal las. Mit zitternden Händen überflog sie noch einmal die Zeilen, die er ihr geschrieben hatte.

Berlin, Sonntag, 21. März 1920

Meine Liebe,

ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich dir, entgegen unserer Abmachung, trotzdem schreibe. Jedes Mal, wenn ich das Wort ‚trotzdem‘ schreibe, durchfährt mich ein merkwürdiger Schmerz. Ich denke, du erinnerst dich daran, wo er herrührt.

Ich habe das Zigarrenrauchen übrigens nicht auf Dauer bleiben lassen können und mit meinem Laster wieder angefangen, seitdem wir zuletzt geschrieben haben. Eine schlechte Angewohnheit ist das.

Sicher ahnst du, dass es einen wichtigen Grund geben muss, dass ich mir die Freiheit herausnehme, mich über das hinwegzusetzen, was du mir zuletzt mitgeteilt hattest. Und den gibt es auch: So wie es aussieht, werde ich im Herbst Vater werden.

Ich bin stolz, Vater zu werden, doch ich stehe der Sache auch, wie du dir sicher denken kannst, mit gemischten Gefühlen gegenüber. Deine Cousine ist kein einfacher Mensch, wie du ja aus eigener Erfahrung weißt. Aber sie ist die Mutter meines Kindes, so Gott es will.

Man wird sehen, welche Überraschungen das Leben noch bereithält. Zu all dem, was ich dir im letzten Jahr geschrieben und gesagt habe, stehe ich nach wie vor. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ich Vater werde. Das wollte ich dich noch einmal wissen lassen.

Nun wünsche ich dir, dass du immer an das denkst, was du selbst einmal geschrieben hast und was wir beide gerne zitiert haben: Dass du, wann immer sich eine Lücke für dein Glück auftut, mutig und entschlossen hindurchschlüpfst, ehe sie sich wieder schließt.

Ich wünsche dir einstweilen, bis zu dem Tag, an dem wir uns wiedersehen, alles erdenklich Gute.

Dein noch immer glühender Verehrer

Urgroßherz

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