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Einleitung

Die Grundlagen der Globalisierung, also der wirtschaftlichen, kulturellen und kommunikativen Verflechtung der Welt, wurden nicht gelegt, als Christoph Columbus seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte, und auch nicht, als das erste Glasfaserkabel durch den Atlantik verlegt wurde, sondern als Seefahrer aus Südostasien die Banane nach Afrika brachten und italienische Handwerker mit chinesischen Techniken der Schwarzpulververwendung experimentierten. Das eine geschah am Beginn, das andere gegen Ende jener Epoche zwischen 500 und 1500, die in Europa Mittelalter genannt wird. Die beiden Ereignisse veranschaulichen die kontinuierlichen Beziehungen zwischen den drei Kontinenten in dieser Zeit. Amerika und Australien waren damals noch nicht entdeckt, doch auf den Straßen, die Asien, Afrika und Europa miteinander verknüpften, herrschte reges Treiben. Beständig wurden Güter und Wissen, aber auch Krankheiten und Vorurteile über alle geographischen, politischen und kulturellen Grenzen hinweg transportiert.

Kein Kontinent entwickelte sich isoliert. Die Wege in die Moderne waren gepflastert mit Steinen unterschiedlichster Herkunft. Das Mittelalter ließ die alte Welt mit zunehmender Geschwindigkeit zusammenwachsen. Schon damals existierte eine Verflechtung der Weltregionen. Das Innovationspotenzial einer Gesellschaft bestand nicht anders als in der Gegenwart in der Fähigkeit, fremde Güter und fremdes Wissen aufzugreifen und zum eigenen Vorteil umzuformen. Wer daher die Grundlagen der modernen Welt und der gegenwärtigen Globalisierung verstehen will, muss die vielfältigen Beziehungen zwischen den vormodernen Weltregionen studieren.

Lange sahen die Bewohner der westlichen Welt dies anders. Dies besagt bereits die Bezeichnung „Renaissance“ für jene Epoche, die das Mittelalter ablöste. Gelehrte aller Fachwissenschaften dachten, die wissenschaftlich-technische Entwicklung wäre gleichsam wie ein Phoenix von Griechenland nach Rom geflogen, daraufhin gestorben, um aus derselben italienischen Asche ein Jahrtausend später wieder aufzuerstehen. In Wirklichkeit jedoch war der Phoenix von Rom nach Byzanz zurückgekehrt, durch die islamische Welt geflogen, hatte sich in China, Indien und Afrika neue Federn angesteckt und war erst dann wieder in Italien und Europa erschienen. Der kleine Kontinent am westlichen Ende Eurasiens hatte das Glück, im Gegensatz zu isolierten Landmassen wie etwa den Kulturen Mittelamerikas von hochstehenden Kulturen außerhalb seiner Grenzen profitieren zu können. Buchdruck, Kompass und Schießpulver – häufig als die drei größten Erfindungen des Mittelalters bezeichnet – kamen alle drei aus China oder hatten doch zumindest chinesische Vorläufer. Erst nachdem sie in Europa jedoch zur vollen Entfaltung gebracht worden waren, übertraf der gelehrige Schüler im Westen in den Bereichen der Technik und Naturwissenschaft langsam seine östlichen Lehrmeister.

Herodot, nach Cicero der „Vater der Geschichtsschreibung“, hatte die Welt in drei Kontinente eingeteilt: Europa, Asien und Libyen (Afrika). Seine Dreiteilung wurde im Altertum als verbindlich angesehen. Auch im europäischen Mittelalter änderte sich an dieser Sichtweise wenig. Als der Theologe Heinrich Bünting aus Hannover um 1600 in einem Kommentar zur Heiligen Schrift „die ganze Welt in einem Kleeblatt“ darstellte, ragte die Neue Welt Amerika nur zart am Rande in das Kartenbild hinein. Noch war es die alte Welt, auf Büntings Weltkarte auf einem Ozean mit Fabelwesen treibend, welche das Denken der Menschen bestimmte. Dieser alten dreigeteilten Welt, in der sich die wechselseitigen Kontakte zwischen 500 und 1500 zunehmend verdichteten und die Grundlagen der modernen Globalisierung gelegt wurden, widmet sich dieses Buch.

Seide, Pfeffer und Kanonen

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