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An Irak vorbei und doch mitten drin
ОглавлениеAls wenn er meine Misere geahnt hätte, rief mich im Dezember 2004 ein Legionärskamerad an. Bernd, heute CEO einer der renommiertesten französischen Sicherheitsfirma die hauptsächlich in Afrika tätig ist, bot mir einen Job im Irak an. Tageslohn, 500 US Dollar. Nach der Festnahme Saddam Husseins im Jahr 2003 boomten Securityjobs. Private Militär Sicherheitsfirmen die im Ǧumhûriyyat al-ʿIrâq operierten, befanden sich in einem wahren Goldrausch. Ende 2006 befanden sich bereits 100.000 ´Contractors` im Irak. Vier Jahre später, gegen Ende 2010 war die Zahl bereits auf 160.000 angestiegen. Einige Firmen bezahlten ihren Mitarbeitern bis zu 1000 US-Dollar pro Tag. Üblich waren Verdienste ab 500 britische Pfund täglich. Aber ob 500 britische Pfund oder 1000 US-Dollar, es war oft Blutgeld für eine dreckige Arbeit. Leider - und das sollte gesagt werden, war der Irak das ideale Terrain, sich zu verwirklichen. Das galt ebenso für die Männer als Individuum (finanzielle, mentale oder sehr persönliche Beweggründe wie Rachegefühle oder gar Rassenwahn) als auch für die verschiedenen Sicherheitsfirmen jeglicher Art, wenn es darum ging, lukrative Verträge, siehe großen Gewinn unter Dach und Fach zu bringen. Begriffe wie Gesetz, Ordnung und Sicherheit fehlten im Irak zur Gänze. Vielmehr herrschte ein Ambiente à la ´Wilder Westen`. Der Tod einzelner war zwar bedauerlich, wog aber kaum in den Köpfen der in London, Paris, Arlington County oder Sydney in sicheren, gut klimatisierten Büros sitzenden CEOs. Für damalige Verhältnisse waren die mir angebotenen 500 Dollar verdammt wenig. Das wusste Bernd, das wusste ich. Ich war aber dennoch sofort Feuer und Flamme, denn es roch nach Aufbruch. Nach Aktion. Es roch nach dem Ende meiner recht emotionalen Durststrecke. Meine Frau, die wusste, wie sehr die alten Geister mich noch plagten, war jedoch strikt dagegen. Sie wollte lieber einen weniger zahlungskräftigen Mann – gesund und vital – daheim, als einen ewig abwesenden und noch dazu in ständiger Unsicherheit lebenden, gutverdienenden Gatten im Irak. Es stand Normalität gegen etwas Wahnsinn - Aussage gegen Aussage. Sie hatte ihre Gründe, ich die meine. Aber noch während wir vernünftig miteinander diskutierten und ich versuchte, sie zu überreden, klingelte das Telefon erneut. Es war Bernd. Der Auftrag war ins Wasser gefallen. Ich fand es schade, denn gerne hätte ich mit Bernd zusammengearbeitet. Bernd, ein Deutscher, einst Adjudant-chef der Legion, war wie ich, ein rastloser Fallschirmjäger. Von 2003 bis 2004 jobbte er als PPO für Control-Risks und später dann für URG-Australia.
Bild oben und unten: Bagdad 2006 kurz nach einem Überfall auf einen Konvoi, bewacht von URG.
Klient war das Research Triangle Institute im Irak. Einem Klienten ist es egal wie ein PPO seinen Tag gestaltet, ob er dreimal geschieden war, wie er lebte oder gar was er aß. Er will von kühler und absoluter Professionalität umgeben sein. Mit Bernd und seinen Männern lag das Research Triangle Institute also goldrichtig. Als der Auftrag mit URG beendet war, wurde Bernd Escort Protection Team Leiter, verantwortlich für die Strecke beginnend von Al Faw, Richtung Norden des Landes. Es handelte sich um die Todesstrecke ´Basra – Bagdad` dem heißesten Abschnitt am Ort. Dort beklagte man jeden Tag Tote, auch unter den Sicherheitsleuten. Niemand - Gurkhas und Ex-Legionäre mal ausgenommen, wollte in diesem Streckenabschnitt arbeiten, weil man oft nur über einen Blutzoll an das monatliche Gehalt kam. Bernd war‘s egal. Wieder später in der Zeit, von 2005 bis 2007 war er als PPO Ausbilder in Tikrit tätig. Klient war dieses Mal das national Democratic Institute, Department of State. Das, was ich durchgemacht hatte, lange Jahre in der Legion, dann wieder Zivilist, die Suche nach den drei Tropfen Öl (um Paulo Coelhos Alchimisten zu zitieren)… das alles hatte er längst hinter sich. Er hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Bernd verstand mich. Ich verstand ihn. Was viele von uns Ex-Legionären jedoch nicht verstanden war, dass mal Schluss sein musste mit der ´Bagarre`, mit dem Kampf. Der Japaner Saito, ein absoluter Kämpfer, ein netter, vertrauenswürdiger Typ, ein guter Freund und kompetenter Vorgesetzter, war einer von ihnen. Von 1987 bis 1989 war Saito mein Gruppenführer bei den Fallschirmjägern der Fremdenlegion. Jeder von uns kannte ihn, jeder mochte ihn. Einen besseren Menschen hätte man kaum begegnen können. ´Ronin` Adjudant-chef Saito, oder ´Banzai`, wie wir ihn nannten, kam im Mai 2005 im Irak ums Leben. Er arbeitete damals als Sicherheitsangestellter des Security Providers Hart (Hart GMSSCO Cyprus, ltd.) in Bagdad.
1999 von Richard N. Bethell alias Lord Westbury gegründet, war ´Hart Group` (hartinternational) bereits im Jahr 2004 die größte und gefragteste Private Militär Sicherheitsfirma die im südlichen Irak ihre Dienste anbot. Westburys Leben ist es wert, in einigen Sätzen erzählt zu werden. Der ´Lord` war ein Veteran des Special Air Service (SAS), einer Spezialeinheit der britischen Armee. Bekannt wurde er als einer der Helden des Falklandkrieges. 1991 war er Leiter der in London ansässigen, 1981 gegründeten Defence Systems Limited, eines des größten militärischen Sicherheitsunternehmens seinerzeit. Defence Systems Limited gehört heute zum Waffenkonzern Armor Group. In jungen Jahren gelang Bethell eine recht abenteuerliche Flucht aus Kasachstan. Dazu benutzte er ein Kaviarschmuggler- Flugzeug. Das war, nachdem er erfolgreich somalische Piraten vor der Ostküste Afrikas bekämpft hatte. Wir sehen schon, einige Chefs diverser Sicherheitsfirmen sind keine Chorknaben, doch schnell zurück zu Kamerad Saito. Der Konvoi, in dem er sich befand, geriet westlich von Bagdad in der Nähe der Ortschaft Hit in einen Hinterhalt der Gruppe Ansar al-Sunna. Es war kurz vor Sonnenuntergang, als die Hölle über die Männer hereinbrach. Sie hatten nie eine Chance, denn der Angriff war wie von Meisterhand geplant. IEDs kamen dabei genauso zum Einsatz wie schwere MGs, Panzerfäuste und diverse Handfeuerwaffen. An diesem denkwürdigen Tag gab es dreiundzwanzig Tote. Einige Sicherheitsbeamte, vorwiegend Südafrikaner und Iraker, konnten fliehen. Andere nicht. Die, denen die Flucht nicht gelang, kämpften bis tief in die Nacht hinein. Bis zur letzten Kugel. Saito wurde schwer verwundet und gefangen genommen. Die bereits erlittenen schweren Verletzungen sowie seine Entführer ließen ihm nicht den kleinsten Hauch einer Fluchtmöglichkeit. Kaum zwei Wochen später veröffentlichte Ansar al-Sunna auf ihrer Website ein Video mit Bildern von einer unbekannten Leiche. Darin behauptete die Gruppe, bei dem Opfer handele es sich um Saito. Sein Tod löste in Japan eine heftige Debatte aus. In der Tat zog Nippon ein Jahr darauf seine Truppen aus dem Irak zurück. Wie so viele andere Ex-Legionäre hatte Kamerad Saito einundzwanzig Jahre Fremdenlegion und zahlreiche Einsätze auf dem Buckel. Aber anstatt nach etwas Frieden zu suchen, zog die Welt der Unsicherheit, in diesem Fall die Welt der Sicherheit, die der ´Private Security`, ihn wie magisch weiter an. Immer vorwärts, immer weiter. Saitos Tod warf natürlich Fragen auf.
Bild oben: Februar 1988. Akihiko Saito rechts im Bild, in die Kamera schauend. Zu Zeit der Aufnahme des Fotos war er ein junger Sergent. Fünf Jahre später, im Februar 1993 avancierte der Japaner zum Sergent-chef. Zu dem Zeitpunkt aber hatte er die Fallschirmjäger der Legion bereits verlassen.
Unter anderen diese: Wie konnte es sein, dass ein französisch sprechender Japaner, für eine britische Firma arbeitend, mit einer Waffe in der Hand im Irak ums Leben kam? Söldner! Das war der erste Gedanke. Und der führte rasch dazu, dass diverse Firmen in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerieten.
Männer der Private Security in Basra / Irak 2005. Links im Bild ein deutscher Kamerad und ehemaliger Legionär. Wir dienten zusammen im Dschungel Guyanas.
Blackwater - heute Academi, zum Beispiel. Blackwater professional? Blackwater, die Firma, die alles im Griff hatte? Die sicherlich mächtigste PMC der Welt wurde vor allem durch das Falludscha Massaker bekannt. An einem Mittwochmorgen des 31. März 2004 gerieten vier Angehörige der Firma in einen Hinterhalt. Ihr Auftrag war es, drei Tieflader der Firma ESS Support Services Worldwide zur Al Taqaddum Airbase, sechzehn Kilometer westlich von Falludscha, zu eskortieren. Der Auftrag wurde zum Albtraum. Die vier Sicherheitsleute wurden aus nächster Nähe erschossen, aus den Fahrzeugen gezerrt, ihre toten Körper geschlagen, gebrandmarkt, durch die Straßen geschleift, öffentlich zur Schau gestellt und schließlich - unterstütz von einem johlenden Mob, an Brückenpfeilern aufgehängt. Die Bilder, die im Anschluss daran veröffentlicht wurden, erinnerten vor allem die US-Amerikaner schmerzhaft an das Somalia-Debakel. Black Hawk Down ist wohl jedem von uns ein Begriff. Und es gibt kaum jemanden, der nicht mit Abscheu an die Bilder denkt, die damals während der Schlacht von Mogadischu im Oktober 1993 weltweit über die Bildschirme flimmerten. Somalische Kämpfer zogen nackte, verstümmelte US-Piloten durch die Straßen der Hauptstadt. Der Hintergrund des Filmes basierte auf Fakten. Am 5. Juni des Jahres 1993 kamen in Mogadischu vierundzwanzig Blauhelmsoldaten aus Pakistan ums Leben. Die Welt war empört, forderte sofortige Strafaktionen. Selbst der Generalsekretär der Vereinten Nationen Boutros-Ghali sprach sich für eine entschlossene und schnelle Aktion aus. Schuldige waren schnell gefunden: die Milizen des Generals Mohammed Farah Aidid, Chef des Habar Gidir Clans! Doch ´find and fix`, finden und töten, wie die Amerikaner die Suche nach Mohammed Farah Aidid nannten, fand so nicht statt. Das Unternehmen mit dem Codenamen ´Irene` wurde zum Desaster. Bei dem Versuch einer gemischten Spezialeinheit, bestehend aus Army Rangers, Delta Force und Navy Seals, einige Anhänger des Clanführers Mohammed Farah Aidid und vielleicht sogar Aidid selbst mitten in Mogadischu gefangen zu nehmen, wurden zwei amerikanische Black Hawk Helikopter abgeschossen. Super Six-One und Super Six-Four. Die zur Rettung der Piloten entsandte Truppe wurde rasch eingekesselt. Nach einem zwölfstündigen Feuergefecht waren 18 US-amerikanische Soldaten tot, der Traum, Somalia zu befrieden, wurde definitiv begraben. Berufsbedingt kannte ich einige Männer die für Blackwater arbeiteten, denn es waren viele Ex-Seals dabei. 1986 trainierte eine Handvoll Legionäre des 3. REI, ich war einer von ihnen, drei Wochen mit den Navy Seals in Puerto Rico, dem Stützpunkt des Seal-Team-4. Wir bildeten die Seals im Dschungelkampf aus. In Sachen Urwald machte uns niemand etwas vor. Auch die Seals nicht. Alle Seals, mit denen ich während dieser Ausbildung zu tun hatte, nannten sich Patrioten. Das war lobenswert. Das war tugendhaft. Tapfer, anständig und pflichtbewusst waren sie einfach nur stolz darauf, Soldat zu sein und ihrem Land zu dienen. Einige aber waren von der Gesinnung her so radikal, dass das alleinige Wort Patriotismus nicht mehr das abdeckte, was so unter ihrer Ich-bin-ein-Profisoldat Oberfläche alles so glomm und brodelte. Ich kannte und verabscheute diese Art Patriotismus. Er war nicht aufgeklärt wie ich und viele andere ihn lebten und verstanden, sondern fanatisch. Ihre Worte, vor allem die, die sie nicht oder nur im angeheiterten Zustand aussprachen, klangen in meinen Ohren wie Hohn und Verachtung gegenüber allen Andersdenkenden und -glaubenden. Ohne Zweifel, auch bei dieser Minderheit handelte es sich um Top Jungs. Doch ob als Soldat bei den SEALs oder später dann als Contractor im Private Security Business, wo sie ihren persönlichen, von Hass, Verrohung und Unausgeglichenheit geprägten Krieg weiterführten - glaubten doch viele von ihnen, sie persönlich müssten auf irgendeine Art und Weise die Nine Eleven Opfer rächen: Sie konnten ihr überhebliches Gehabe einfach nicht ablegen! Wer so hasserfüllt in den Krieg zieht oder mit Mordlust im Auftrag einer PMC unterwegs ist, kommt entweder gar nicht oder wenn schon, dann als moralisches Wrack nach Hause. Hatten ihre Vorgesetzten ihnen diesen Groll eingepflanzt? Oder die US-Regierung mit ihrer unsinnigen Kriegstreiberei? Oder musste man den Ursprung dieses ´Unwohlseins` sogar in ihrer Wiege suchen? Alles hielt ich für gut möglich. Ich studierte sie beim Training. Einige ihrer Techniken waren genial. Sie waren gleich so gut, dass wir mit den Gedanken spielten, sie in unser Ausbildungsprogramm aufzunehmen. Nach getaner Arbeit saßen wir mit den SEALs in den Kaschemmen der Hauptstadt San Juan oder in der Stripteasebar in ihrem Basiscamp Roosevelt Roads, ein Camp, das die SEALs liebevoll ´Rosie` nannten. Bereits nach dem dritten oder vierten Bier kamen sie runter von der Wolke auf der sie schwebten. Etwas angeheitert waren sie ´normal`. Zu dieser Normalität gehörte auch eine Portion Unsicherheit uns gegenüber. Sie waren wissbegierig. Hörten uns zu. Und sie sprachen viel. Mein Fazit? Selbst SEALs kochten nur mit Wasser. Ihren Gesprächen entnahm ich, dass sie Hand auf ein enormes Budget hatten. Das erklärte teilweise ihr großartiges, sehr spezielles, für Militärs nicht unbedingt herkömmliches Waffenarsenal. Ausbildungsmittel und persönliche Ausrüstung wurden davon gleich mitfinanziert. Ihre weltweiten Erfolge in ihrer Berufung, dem „Guerillaeinsatz hinter den feindlichen Linien“, waren auch Frucht des stets präsenten Nachschubs an Munition, an Medikamenten, an Nahrung und an Informationen. Alles zur richtigen Zeit am rechten Ort und in ausreichender Quantität. Ohne diesen zeitgerechten Nachschub? Rien ne va plus! Nichts geht mehr! Insofern machte ich mir meine eigene Philosophie über US-Eliteeinheiten und de facto über Firmen wie Blackwater, die eben hauptsächlich aus diesem Kontingent ihre ´Manpower` schöpften. Sie waren weniger Einzelkämpfer als wir Legionäre. Zu stark war die Abhängigkeit von der Logistik. Wir Legionäre hatten gelernt, im Einsatz ohne Hass und ohne Leidenschaft zu agieren. Die Legion legte uns diese Demut in die Soldatenwiege. Eine Demut, die vielen amerikanischen Security Leuten ganz einfach abging. Sie hielten sich wohl für unbesiegbar, für unsterblich. Dessen ungeachtet verneige ich an dieser Stelle mein Haupt vor dem Tod der Blackwater- Kameraden aus der Branche. Dass der Tod dazugehörte, das wussten sie. Der Blutzoll, den sie an diesem unheilvollen 31. März 2004 entrichteten, war schmerzlich. Einen Blutzoll noch dazu, an dem die mangelhafte Einschätzung der Situation und die nicht unbedingt professionelle Vorbereitung ihrer Chefs eventuell mit schuld waren. Man muss wissen, dass Falludscha zu der Zeit das gefährlichste Pflaster weltweit für US-Security Männer war. Sicherheitsleute anderer Firmen warnten die Blackwater Truppe eindringlich vor einer Fahrt durch die Stadt. Die Warnungen wurden überhört. Dem Wortlaut des ersten Vertrages Missachtung schenkend, verfügte Blackwater für diesen Einsatz über keine adäquaten Fahrzeuge. Was sie hatten, waren zwei nicht gepanzerte Mitsubishi Pajero. Es herrschte eine flagrante Besetzung von Stellen im Untersoll, die Ausrüstung war mangelhaft und es fehlte an Feuerkraft wie Back-up MGs, etc. Auch das Kartenmaterial war nicht gerade erste Sahne. Unter diesen Bedingungen hätten die Männer niemals losgeschickt werden dürfen, auch wenn es sich, bei zumindest einem von ihnen, um erfahrene Soldaten gehandelt hatte. Scott Helvenston war ein Ex-Navy Seal. Eine Legende noch dazu. Der Fitnessstudio-Inhaber und Modellathlet hatte bereits mit siebzehn die harte Aufnahmeprüfung bestanden, doch Navy Seal hin, Legende her, als Kämpfer im scharfen Einsatz durfte er kaum Erfahrung sammeln. Sein Bekanntschaftsgrad basierte vielmehr auf seine vorausgegangene Tätigkeit als Stuntman in Hollywood. Selbst ein Kämpfer Helvenston hätte diesen Tag in Falludscha nicht überlebt, denn was dort stattfand, war nichts anderes als ein vorprogrammiertes Desaster. Erst unmittelbar nach dem Blackwater Massaker erfuhren die US-Militärs, dass es sich bei den vier attackierten Amerikanern nicht um Soldaten, sondern um ´Contractors` gehandelt hatte. Die Präsenz von Blackwater in ihrer Gegend, war damals als solche kaum bekannt. Den Worten von Major Gerald de Lira nach, hatte es die Führung von Blackwater schlicht unterlassen, ihr Vorhaben mit dem in der Falludscha Region zuständigen 1. Marine-Expeditionskorps abzusprechen und zu koordinieren. Die US-Regierung zu provozieren und ihre Soldaten aus den Kasernen zu locken, genau das war die Absicht der Aufständischen. Und genauso kam es dann auch. Vier Tage nach dem ´Blackwater-Vorfall` führten die U.S. Marines (gegen ihren Willen) die Operation Vigilant Resolve durch. Es war die direkte Antwort auf das Massaker. Und die war lang und blutig. Seit der Schlacht um Huế 1968 in Vietnam, hatten die ´Marines` keine solch grausamen Straßen- und Häuserkämpfe mehr geführt. Als die Gefechte mittags am 9. April beendet waren, zählten sich die Toten zu hunderten. Darunter waren 36 US-Soldaten, 200 Aufständische und etwa 600 irakische Zivilisten.
Ging man damals die Listen der Firmen durch, die Ende 2004, Anfang 2005 im Irak tätig waren, so stieß man auf viele bekannte Namen. Aber auch auf einige, die gar nicht mehr existieren. Sie haben Zeit? Dann stöbern Sie die Liste durch und staunen Sie: Aegis (GB), American Intl Security Corp (US), American-Iraqi Solutions Group (US), Ake ltd (AUS), Babylon Gates (GB), BH Defense (US), Blackwater (US), Blue Hackle Group (US), CastleForce Consultancy (GB), Centurion (GB), Cochise Consultancy (US), Control Risks Group (GB), Custer Battles (US), Diligence Middle East (US), DS Vance Iraq (GB), DynCorp (US), Edinburgh Risk (UAE - GB), Eodt (US), Erinys (UAE – GB), Genric Security (GB), Hart GMSSCO (GB), Greystone (gehörte damals zu Blackwater), Hill & Associates Iraq (gehört zu G4S HQ in Hong Kong), Special Projects and Services (GB), Iraqex LLC (US - IRAK), Richard Galustian&Omar Hadi (ISI Group of Iraq), Janusian (GB), Kroll Security International (US), MVM (US), Olive (GB), Omega (Hongkong), OSSI-Safenet (US - ZA), Peak Group (GB), Pilgrims (GB), Ronco (US), Reed (US), Rubicon International (GB), Sabre International Security (GB), Sentinel Security, SOC-SMG, Inc (US), TOR Iraq (GB), Triple Canopy (US), Unity Resources Group (AUS), US Investigations Services (US), Perini Security (US).
Habe ich KBR vergessen? Die Liste ist bei weitem nicht vollständig. Ich möchte damit nur aufzeigen, wie wild es im Irak damals zuging. Blackwater war wohl die begehrteste aller Firmen. Doch wer den Bewerbungsbogen ausfüllen wollte, der stieß zunächst auf drei Worte: US Citizen only! Damit war alles gesagt. Für US Bürger gab es in späteren Jahren eine Alternative zu Blackwater. IRI! Das International Republican Institute bezog Sicherheitsleute aus eigener Rekrutierung. Das zumindest berichteten mir zwei Kameraden aus der Branche, die für das IRI arbeiteten. Auch Blackwater (Xe) vermittelte PMCs ans IRI … Senator John Sidney McCain lässt grüßen!
Vier Jahre nach Falludscha, am 16. September 2007, war auf dem belebten Nisur-Platz in Bagdad die Hölle los. Blackwater Angestellte feuerten mit ihren Sturmgewehren willkürlich in die Menge. Alte Menschen, Frauen und Kinder rannten um ihr Leben. Angeblich hatten die Blackwater ´Contractors` einen Diplomatenkonvoi beschützen wollen. Angemessen und im Einklang mit dem Gesetz hieß es nach dem fürchterlichen Gemetzel. Was für ein Gesetz, dürfte man sich zu Recht fragen, wurden doch einer US-Untersuchung zufolge in weniger als einer Viertelstunde siebzehn Zivilisten getötet, zwei Dutzend andere schwer verletzt. Das FBI bewies in einer Untersuchung, dass kein Zivilist je das Feuer auf Blackwater eröffnet hatte. Professionell? Alles im Griff? Dieser Vorfall zeigte der Öffentlichkeit, dass Blackwater nichts im Griff hatte. Gar nichts. Aus Helfern im ´globalen Krieg gegen den Terror` wurden an diesem Tag skrupellose Killer. Blackwater verlor den Auftrag im Irak, doch, Ironie im Spiel, erlitt der Ruf dieser Firma durch all die Skandale kaum einen Schaden. Im Gegenteil. Nur knapp drei Jahre später, im Juni 2010, unterzeichnete die Firma unter der neuen Bezeichnung Xe Services einen Vertrag mit der CIA. Es ging um die Bewachung von US Konsulaten in Afghanistan, genauer gesagt in Masar-e Scharif und Herat.
Doch das alles nur am Rande und nun schnell wieder zurück ins kühle Deutschland.